34.Gedächtnislücken

Allison

Ich lief zusammen mit Draco in die Große Halle.
„Ich meine es ernst, Allison. Du kannst mir doch einfach sagen, wo du gestern warst."
Er versuchte mich schon seitdem wir losgelaufen sind, darüber auszufragen. Doch ich konnte mich kaum an gestern Abend mehr erinnern. Ich muss geschlafen haben.
Doch Draco meint, dass mein Bett, als er nochmal zu uns ins Zimmer kam, um Pansys Decke zu holen, leer war.
„Ich muss wirklich geschlafen haben, Draco. Vielleicht hast du mich nur nicht gesehen.", ich zuckte mit den Schultern.

Ich konnte es selbst kaum glauben, denn wie konnte ich dann heute mit diesen schrecklichen Kopfschmerzen aufgewacht sein? Dabei mochte ich doch überhaupt keinen Alkohol, weshalb ich mich weigerte zu glauben, dass ich wirklich so betrunken gewesen sein muss, dass ich mich an den gesamten Abend nicht mehr erinnern kann.

„Du warst nicht da.", wiederholte er nachdrücklich.
Was ist nur passiert? Das Letzte woran ich mich erinnern kann, ist der Weg zu Severus Snapes Büro.
„Dann habe ich keine Ahnung. Ich habe es anscheinend vergessen.", sagte ich unsicher.
„Vergessen??", ungläubig blickte er mich an, als wir schließlich die Halle erreichten und uns Pansy entgegen kam.

„Hey, ihr beiden.", begrüßte sie uns müde.
Sie sah fertig aus und klang auch irgendwie ganz rau.
Ich sah Draco an, doch es sah so aus, als würde ihn das nicht wirklich wundern.
„Hey.", sagte er knapp.
Kein Kuss.
Keine Umarmung.
Irgendetwas muss da gestern vorgefallen sein.

„Hey, alles in Ordnung?", fragte ich sie skeptisch.
Der zu Draco wandernde Blick bestätigte meinen Gedanken.
„Ja, alles gut."
Wir liefen auf unseren Platz zu.
Die bedrückende Stimmung wurde auch nicht durch Blaise besser, der wenige Minuten später dazu kam.
Es brach ein unangenehmes Schweigen aus.

Neben mir konnte ich Getuschel wahrnehmen. Ich konnte Fetzen des Gesprächs mithören.
„Sie sollen sich total gestritten haben.", flüsterte die eine der anderen zu.
„Woher weißt du das?", fragte ihre Freundin.
„Shane. Er hat es heute Morgen mitbekommen.", sie zuckte mit den Schultern.
„Wie wärs? Ein reicher Malfoy?", sie spielte verführerisch mit ihren Augenbrauen, woraufhin die andere losprustete.

Weiter hörte ich nicht zu.
Aber um was könnten sie gestritten haben? Sollte ich meinen Bruder vielleicht darauf ansprechen? Eigentlich ging es mich nichts an.

Ich rührte gedankenverloren in meinem Kräutertee herum, als das Mädchen tatsächlich Draco ansprach.
„Hey, ich glaube, du kennst mich nicht. Ich bin Sienna.", sie lächelte ihm zu.
Er blickte für den Bruchteil einer Sekunde zu Pansy.
„Hey, was gibt's?", er sah die Blondhaarige fragend an.
„Ich wollte fragen, ob wir uns vielleicht mal treffen wollen.", sie strich verlegen eine Strähne hinters Ohr.
Wie kann man so skrupellos sein?

Ein Streit bedeutet nicht gleich das Ende. Und sofort davon auszugehen, sagt mir genug über die Person.
„Sorry, aber eher nicht. Du bist wahrscheinlich nett, aber ich weiß, dass du dir zu viel von dem Treffen erwartest. Ich habe eine Freundin."
Sie sah so aus, als hätte er ihr gerade eine Backpfeife gegeben.
Das brachte mich irgendwie zum Lachen. Auch wenn es vielleicht unpassend war.
„Das ist nicht witzig.", sie nahm ihre Schultasche und lief wütend aus der Halle.
Ihre Freundin folgte ihr umgehend.

„Draco..", Pansy sah ihn unsicher an. Sie hatte so viele Worte zu sagen, doch brachte kein Einziges von ihnen heraus.
„Können wir nach dem Unterricht reden?", fragte er kühl.
Sie nickte und verließ nach einem Schluck Saft den Tisch, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Plötzlich kam Blaise auf uns zu. Er setzte sich direkt neben mir. Ich könnte innerlich fluchen.
„Naaa, was ist denn zwischen euch passiert?", fragte er locker.
Als ich mich zurück zu Draco wendete, waren seine Augen plötzlich nur noch Schlitze.
Der Streit musste etwas mit ihm zutun haben.
Mein Bruder stand abrupt auf, was ich ihm gleichtat. Ich würde hier nicht alleine mit Blaise sitzen bleiben.

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Severus

Allison sah aus, als würde sie das, was gestern Abend passiert ist, überhaupt nicht beachten.
Sie interessierte sich mehr für Draco's Streit mit Pansy Parkinson.
Das machte mich noch unsicherer. Versuchte sie es einfach zu verdrängen?
Oder..
Konnte sie sich nicht erinnern?

Bei diesem Gedanken wurde mir ganz kalt.
Sie kann sich nicht erinnern.
Doch ich bezweifle, dass das andauern wird. Irgendwann wird ihre Erinnerung zurückkommen. Und ich hoffe, dass es nicht in meiner Anwesenheit passiert.

Ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde.
Würde ich gehen?
Mich erklären?
Darüber reden?

Wäre ein Gespräch nötig? Vielleicht sieht sie das ja auch locker.
Eher nicht.
Ich habe dieses Gefühl zwischen uns gestern deutlich gespürt. Und das macht mir unfassbare Angst.
Ich bin ihr Lehrer.
Ich bin ihr Lehrer.
Ich bin ihr Lehrer.

Wie ist das alles nur passiert?
Die Willkommensfeier von ihr, kommt mir plötzlich wie eine halbe Ewigkeit vor.
Trotzdem kann ich mich daran erinnern, als wäre sie erst gestern gewesen.

„Professor Snape, das ist meine Schwester Allison. Sie wird in einigen Tagen auch nach Hogwarts gehen."
Wie sie mich grüßte. Ihr Blick genauso undurchdringlich wie mein eigener.
Das lange, dunkelgrüne Kleid, was sie an diesem Abend trug.
Ihre gelogene Rede.
Als wäre es tatsächlich gestern gewesen.
Dabei ist es nun schon fast 8 Monate her.

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Allison

Ich wollte gerade die Tür zu meinem Zimmer öffnen, als ich Stimmen von Innen vernahm.
Draco und Pansy.
Sie stritten.
Ich wollte nicht lauschen, aber ich wusste auch nicht, wo ich hingehen sollte.

„Du hast dich seit Monaten nicht mehr für mich interessiert!", schrie Pansy.
„Es war viel los, okay?? Und das weißt du ganz genau!", brüllte Draco mindestens genauso laut zurück.
Es war kurz still, bis Pansy erneut das Wort ergriff.
„Du hast..Du liebst mich schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr. Und du konntest es mir nicht einmal persönlich sagen.", sie klang verletzt. Ein Schluchzen entwich ihr.

Draco atmete aus.
„Und deshalb hast du ihn geküsst? Hast mit ihm rumgemacht?"
Blaise.
Er hatte so leise gesprochen, dass ich seine Wort kaum verstanden hatte.

Pansy und Blaise?
Draco muss es furchtbar gehen.
Auch wenn er sie vielleicht nicht mehr liebte, waren sie trotzdem noch zusammen. Sie hatte kein Recht, ihn so zu hintergehen.
Blaise war Dracos bester Freund.
Wie konnten sie ihm das nur antun?

Ich spürte eine Hand auf meiner Hüfte.
„Naa, wen belauschst du?", hörte ich Blaises Stimme dicht hinter mir.
Ich schlug seine Hand weg und drehte mich abrupt zu ihm um.
„Wie konntest du das Draco nur antun?", ich sah ihn entsetzt an.
Er schaute sich im Gemeinschaftsraum um.
Im Moment waren viele Schüler hier, da die meisten gerade erst aus dem Unterricht kamen.

„Woher weißt du das??", fragte er mich irritiert.
Ich lachte auf.
„Ich habe Augen im Kopf, Blaise."
Er stütze sich mit einem Arm auf dem Geländer ab.
Neugierige Blicke lagen auf uns.
„Sei einfach leise, Allison.", er sah mich ernst an.
„Du meinst schweigen, dass niemand die Wahrheit kennt?", ich lehnte mich gegen die kühle Wand.
„Halt deinen Mund!", spuckte er, als immer mehr Blicke uns verfolgten.
Ich neckte ihn.
„Was, wenn nicht?"

Er ballte seine Hand zur Faust und war kurz davor, mich zu schlagen.
Hielt im letzten Moment jedoch inne.
„Ich dachte eigentlich, dass du mich tatsächlich schlagen würdest. Das wäre ja nicht das erste Mal-"
Ich spürte augenblicklich stechenden Schmerz an meiner Wange.
Ich taumelte zurück.
Er hatte mich tatsächlich geschlagen.
Der Blaise, der im Zug gegenüber von mir saß, war wie ausgewechselt.

Ich richtete mich auf, lief auf ihn zu und schlug ihn so stark, wie ich nur konnte.
Verdammt.
Ich sah meine Hand an. Rot.
Bevor ich reagieren konnte, war er wieder aufgestanden und schubste mich zu Boden. Er schlug mehrmals in mein Gesicht und hatte mit seinen Beinen meine Hände auf dem Boden fixiert. Reflexartig versuchte ich mit meinen Beinen um mich zu treten, doch es brachte nichts.
Ich hörte, wie es lauter um uns wurde.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er auf.
Ich musste schrecklich aussehen, aber das war mir im Moment egal.
„Du hast sie geküsst! Du hast seine Freundin geküsst!", schrie ich ihn an.
„Ein Kuss muss nicht zwingend eine Bedeutung haben.", sagte er kühl.
„Natürlich hat-"
Oh mein Gott.
„Hat es dir die Sprache verschlagen, Süße?"

Ich erwiderte nichts.
Ich war plötzlich wie gelähmt.
Der Schmerz meines Gesichts mit der fehlenden Erinnerung von letzter Nacht traf mich wie eine einzige, starke Welle.
Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch ich hörte kaum eine Stimme mehr im Raum.
Selbst Blaise hatte aufgehört zu reden.
Aber vielleicht hatte er mich auch einfach am Ohr getroffen.

Ich sah plötzlich, wie Draco auf mich zu gerannt kam.
Ich blickte nach unten.
Es war wirklich still.
Still, weil Severus Snape im Raum stand.
Doch ich konnte ihn nicht ansehen. Nicht jetzt.

„Allison??", ich spürte, wie Draco mich in eine sitzende Position zog.
Aus dem Augenwinkel sah ich Blaise, wie er von Pansy weggezogen wurde.
Die Menge verteilte sich. Mein Lehrer musste irgendetwas gesagt haben.
„Draco, es tut mir so leid für dich.", flüsterte ich ihm zu.
Er sah mich verwundert an, doch verstand schnell.

„Du hättest nicht für mich handeln sollen.", sagte er und half mir auf die Beine.
„Er ist ein Arsch."
„Ich weiß."

Unser Lehrer eilte auf uns zu.
Doch ich konnte einfach nicht in seine wunderschönen Augen blicken.

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