29.Eigener Stolz

Allison

Ich saß in meinem Ankleidezimmer.
Ich hatte mich geduscht und umgezogen.
Ich würde zum Abendessen hinunterkommen, da ich Severus Snape diesen Gefallen tat.
Obwohl. Einen Gefallen würde ich es nicht nennen, denn es nützte ihm rein gar nichts.

Ich hatte vorgehabt das Kleid zu nehmen, welches ich an dem Tag meiner Anreise zum Abendessen getragen hatte. Das eng anliegende Schwarze, dass mir eigentlich nicht gefallen hat.
Ich wollte es für Narcissa tragen, weil ich wusste, dass sie es mochte.
Doch als ich in den Spiegel schaute, schnürte mir meine Kehle die Luft ab.
Es saß nicht mehr eng und war mir zu groß geworden. Ich meine, ich war schon immer eher dünn gewesen, doch erst als ich dieses Kleid trug, wurde mir bewusst, wieviel ich eigentlich abgenommen hatte.

Also setzte ich mich hin, weit entfernt von dem großen Spiegel an der Wand und wartete, bis ich mich gefangen hatte.
Ich startete einen neuen Anlauf und suchte ein neues Kleid heraus, ein Engeres.
Ich atmete erleichtert auf, als es mir zu passen schien und schlüpfte in meine Schuhe.
Ich musste bereits fast zu spät sein.
Also beeilte ich mich und machte mich auf den Weg nach unten.

Treppe für Treppe überlegte ich, wieder umzukehren, doch ich tat es nicht.
Ich lief weiter, weil ich wusste, dass ich mich nicht noch länger in meinem Zimmer isolieren sollte.
Ich blieb vor dem Salon stehen und öffnete vorsichtig die Tür.
Wie erwartet, saßen bereits alle am Tisch und unterhielten sich miteinander, bis sie mich bemerkten.

„Allison, setz dich doch.", forderte mich meine Mutter nach einer unangenehmen Stille warmherzig auf.
Mein Professor rückte einen Stuhl neben sich zurecht und deutete mir somit mich zu setzen. Gegenüber von Draco war wohl immer noch angenehmer als neben ihm. Viele empfinden das eher als schwieriger, aber das sah ich anders.
Ich würde ihn einfach nicht anschauen.
Also setzte ich mich und ich wusste sofort, dass sein Blick auf mir haftete.
Feigling.
Denn als ich nach oben sah, schaute er weg.
Als sollte ich seinen Blick nicht bemerken.

Das Essen wurde wenige Zeit später serviert.
Auch wenn wir nur 5 Leute an diesem Tisch waren, hätte das Festmahl für mindestens 20 Menschen gereicht.
Würde es am Ende des Tages weggeschmissen werden? Das Essen, was die Elfen so mühevoll zubereitet haben?
Eine Schande.
Wirklich eine Schande.

Während dem Essen herrschte weiterhin Stille, bis Draco fragte, wann der dunkle Lord morgen eintreffen würde.
Ich verschluckte mich beinahe an meiner Bratkartoffel.
„Das Treffen findet bereits am Morgen statt. Allison, er will persönlich mit dir reden.", sagte Lucius.
„Mit mir? Persönlich?", ich war schockiert.
Er nickte unbeirrt und trank weiter seinen Wein, während ich ihn entsetzt anstarrte.
Das konnten sie mir nicht früher sagen?
Gut, es ändert nichts, jedoch hätte ich mich besser darauf vorbereiten können.
Kann man sich darauf überhaupt vorbereiten?

Nach dem Essen liefen meine Eltern und Snape auf die große Terrasse nach draußen.
Draco und ich blieben noch sitzen, doch er machte Anstalten, zurück auf sein Zimmer zu gehen.
„Draco- Können wir vielleicht-", eigentlich wollte ich nicht einknicken, doch ich hielt seinen abschätzenden Blick auf mir nicht mehr länger aus.
„Nein. Nein, können wir nicht, Allison. Du hast alles ruiniert. Du hast mich ruiniert.", schnitt er mir das Wort ab. Seine Stimme klang kühl.

Ich schaute ihn verwirrt an.
„Ich habe dich ruiniert? Ich habe dich gerettet.", stellte ich die Dinge richtig.
Daraufhin veränderte sich sein Ausdruck. Er wirkte augenblicklich wütender.
„Nein, hast du nicht. Du wolltest nur den Ruhm einheimsen. Du bist eine Verräterin. Du hast mich verraten.", er war lauter geworden.
Er war enttäuscht von mir.
Ich stand empört auf und hob meine Stimme ebenfalls.
„Ich habe dich nicht verraten! Aber wer hätte ihn denn sonst umbringen sollen, nachdem du deinen Zauberstab sinken lassen hast??"

Er stand auch auf.
Sein Gesicht war rot geworden.
Man sah ihm nun deutlich seine Wut auf mich an.
„Ich brauchte Zeit! Ich hätte es getan! Aber du wolltest ihn unbedingt beeindrucken. Du wolltest ihm zeigen, dass du der Familie Malfoy würdig bist. Aber das wirst du nie sein, denn sie haben dich weggegeben!"

Ich trat verletzt einen Schritt zurück.
Erkannte Draco kaum wieder.
Er hatte doch keine Ahnung.

„Du lügst. Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich muss euch nicht würdig sein, denn diese Familie ist seit Jahren für mich gestorben!"
Ich warf mit meinen Worten genauso aus, wie er mit seinen.
Entweder ich wich aus oder schoss zurück.

„Warum bist du dann hier? Genau. Du hast niemanden. Niemanden, der dich sonst aufnehmen würde. Warum bist du überhaupt nicht mehr bei deiner Pflegefamilie? Hatten sie dich genauso satt, sodass sie sich wegen dir umbringen mussten?"

Das wurde zu viel. Er hatte kein Recht dazu. Kein Recht das zu sagen.
Ich konnte sehen, wie er vor seinen eigenen Worten zurückgewichen war.
Er bereute seine Worte, doch er konnte sie nicht mehr zurücknehmen.
Es war zu spät.
Zu spät um das Gesagte ungesagt zu machen.
Und keine Worte der Welt konnten das wieder gutmachen.

„Allison-", seine Stimme war sanfter geworden, doch ich wollte ihm nicht mehr zuhören.
Er hatte eindeutig seine Grenze überschritten.

Ich schritt augenblicklich auf den Ausgang zu, doch stoppte um mich noch einmal umzudrehen.
„Mein Pflegevater war schwer krank. Er hatte noch ungefähr ein halbes Jahr.", ich lächelte, obwohl es nicht lustig war.
„Ich beschleunigte es, indem ich ihn im Schlaf erwürgte. Nicht weil ich ein schlechter Mensch bin. Er war einer.", ich fuhr unbeirrt fort.

Draco wollte etwas erwidern, doch ich ließ ihn nicht. Ich wollte seine Meinung nicht wissen.

„Also nein. Er brachte sich nicht wegen mir um. Ich brachte ihn um, bevor er hätte versuchen können, mich umzubringen.
Ja, meine Pflegemutter brachte sich um, aber nicht wegen mir, sondern wegen ihm. Du liegst also falsch und solltest nicht etwas behaupten wovon du keine Ahnung hast, Draco."

Damit lief ich endgültig aus dem Salon ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich konnte Draco's Gesicht nicht länger ertragen.
Konnte die Luft dort drinnen nicht länger einatmen.
Er hatte unrecht.

————————————————————————
Draco

Sie lief aus dem Salon und ich blieb erschüttert zurück.
Ich regte mich nicht, bis ich einen Atem wahrnahm, der nicht meiner war.
Abrupt drehte ich mich um und erblickte unseren Hauslehrer, der in der Ecke vor der Terrassentür stand und mich ansah.
Hatte er etwa alles mitbekommen?
Oh Gott.

Es sah so aus, als würde er das Gesagte auch erst einmal verdauen.
Sie hatte ihren Pflegevater erwürgt?
Aber wie konnte das sein?
Hatte uns Allison die letzten Monate eine andere Person vorgespielt, als sie es wirklich war?

Ich ging alle relevanten Gespräche von uns durch. Ich kannte sie gar nicht.
Sie ist meine Schwester und ich kenne sie nicht.
Sie hat nie über ihre Vergangenheit erzählt.
Wie ist mir das nicht aufgefallen?
War Allison wirklich nur eine Fassade von dem Ich, das sie in ihrem neuen Leben zu sein versuchte?

Ich muss mit ihr reden.
Ich wollte ihr folgen, doch mich hielt jemand zurück.
„Draco?", er war immer noch da.
Ich schaute zu unserem Professor auf.

Er schüttelte den Kopf.
„Du solltest jetzt nicht mit ihr sprechen.", sagte er.
Ich setzte mich zurück auf einen Stuhl.
Er hatte Recht.
Ich dachte irrational.

Sie würde sicher nicht mit mir reden nachdem ich ihr diese Worte an den Kopf geworfen habe.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top