25.Zu weit
Allison
Hermione blickte zu mir herüber, als ihr gerade Harry und Ron den Weg kreuzten.
Sie versuchte schon seit Tagen mit mir zu sprechen, doch ich konnte mich bis jetzt immer vor diesem Gespräch drücken.
Wir waren keine Freunde.
Ich musste ihr überhaupt nichts erzählen.
Das versuchte ich mir wenigstens einzureden, aber das half nichts, wenn ich wusste, das dem nicht so war.
Hermione ist eine tolle Freundin und sie hat es verdient, die Wahrheit zu kennen.
Ich hatte mich jedoch entschieden, alles für den Auftrag aufzugeben, von Harry mal abgesehen.
Eine große Schar von Viertklässlern huschte vorbei, wohl auf den Weg zu einer wichtigen Prüfung, denn in ihren Gesichtern spiegelte sich die pure Angst wider.
Heute Nachmittag würde auch meine erste Prüfung stattfinden, welche ich bei Professor Trelawney ablegen musste.
Eigentlich war ich vor so etwas eher selten nervös, da ich mir Merkstoff gut einprägen konnte, doch in Wahrsagerei konnte man kaum etwas lernen.
Und so zitterte ich am Morgen schon und versuchte mich auf dieses Fach zu konzentrieren.
Im Moment hatte ich eine Freistunde, da meine Lehrerin krank geworden war und nahm mir vor, die Zeit in der Bibliothek zu nutzen, welches sich aber als schlechte Idee entpuppte, da dort fast die ganze 6. und 7. Klasse der Gryffindors saß.
Vermutlich um ebenfalls zu lernen.
An sich wäre es kein Problem gewesen, wenn kein Krieg zwischen den Häusern herrschen würde.
Als Freundin von dem Trio nahm man mich gerne auf, aber da es nicht mehr aktuell war, ist dem auch nicht mehr so.
Ich wollte gerade flüchtig ein Buch über Wahrsagerei aus dem Regal ziehen, als ich Pfiffe wahrnahm.
Zuerst dachte ich mir nichts dabei, bis es wieder passierte, nur dieses Mal etwas lauter.
Ich drehte mich nach dem Gesuchten um und stellte schnell fest, dass es mehrere 7. Klässler waren, die an einem kleineren Tisch abseits von der Mehrheit saßen und einige mich davon anstarrten.
Ihre Blicke strahlten Neugierde aus.
„Hey Süße, was suchst du denn hier?", fragte ein braunhaariger Junge mit einem breiten Grinsen, der mich an einen Klassenkameraden an meiner alten Schule erinnerte.
Ich hätte mich von den 6 älteren Jungen einschüchtern lassen sollen, aber das tat ich nicht.
„Ein Buch ausleihen. Was denkst du, wo wir hier sind?", fragte ich sarkastisch und wendete mich wieder dem Regal zu, wo ich ein zweites Buch herauszog.
„Nicht so frech.", sagte ein dunkelblonder Junge der Gruppe. Wahrscheinlich ein guter Freund von dem Braunhaarigem.
„Bin ich nicht.", sagte ich, während ich das erste Buch wieder zurück an seine Stelle schob, da das Zweite ein strukturierteres Inhaltsverzeichnis besaß.
In dem Moment meldete sich ein dritter Junge zu Wort.
„Keine Sorge, wir mögen freche Mädchen."
Die anderen lachten auf.
„Schön für euch.", mit diesen Worten wollte ich zur Bibliothekarin laufen, um das Exemplar auszuleihen, da ich hier sicher keine Ruhe finden würde.
Doch der Blondhaarige griff nach meinem Handgelenk. Instinktiv zuckte ich zurück, jedoch zu spät.
„Was willst du? Lass los.", brachte ich, versucht nicht allzu verunsichert zu klingen, genervt heraus.
„Du willst doch nicht schon gehen. Setz dich doch zu uns.", sagten zwei Jungen fast schon synchron und grinsten gierig über beide Ohren.
„Lass los.", wiederholte ich und ignorierte ihre anzüglichen Blicke.
Allerdings sagte ich es nicht besonders laut, da ich die anderen Lernenden natürlich nicht stören wollte.
Der Junge ließ immer noch nicht los und bei mir schrillten plötzlich alle Alarmglocken.
Reflexartig nahm ich meine linke Hand, worin sich das dicke Buch befand und schlug damit auf seine Finger.
Rasant zog er seine Hand weg und nahm seine nun rötlichen Finger ins Visier.
Er verkniff sich ein Seufzen und blickte mich wütend an.
Und das war das Zeichen, dass ich jetzt gehen sollte, was ich auch anschließend tat.
Hastig lief ich in die andere Ecke der Bibliothek zur Bibliothekarin und wartete bis sie sich das Buch angeschaut hatte.
Ich blickte ungeduldig über meine Schulter nach hinten und sah, wie zwei der Jungen auf mich zukamen.
Als mir die Frau das teure Exemplar zurückgab, bedankte ich mich flüchtig und sprintete aus dem großen Raum.
Ich rannte den leeren Gang entlang und schaute mich noch einmal um, doch es war (zum Glück) still.
Scharf sog ich die Luft ein um meine Herzfrequenz wieder in den normalen Bereich zu lenken.
Ich werde nie verstehen, was vor allem männliche Personen in diesen Situationen denken.
Es ist nur Spaß?
Wir sind das stärkere Geschlecht und sind deshalb dazu berechtigt?
Sie hat es nicht anders verdient?
Ich möchte es gar nicht verstehen.
Fakt ist, dass diese Personen keinen Anstand und Respekt besaßen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Hände noch stärker zitterten als vorher.
Ich fürchtete mich vor diesen Situationen und das lag vor allem an meiner Vergangenheit.
Aber auch wenn sie damals anders verlaufen wäre, bin ich überzeugt, dass ich trotzdem nicht anders darüber denken würde.
Ohne Umwege beeilte ich mich zu meinem Zimmer zu gelangen, um dort meine begrenzte Zeit, die mir noch zur Verfügung stand, sinnvoll zu nutzen.
***
Ich lief gerade benebelt aus meiner Prüfung heraus. Ich war die Letzte gewesen, weshalb es im Gang relativ still geworden war.
Vorsichtig nahm ich die Treppenstufen nach unten und versuchte durchzuatmen.
Ich hatte die erste Prüfung hinter mir.
Sogar besser, als gedacht und trotzdem hatte ich das Gefühl, versagt zu haben.
Die ewig langen Treppen hinter mir gelassen, wollte ich nach draußen gehen, als mir in dem Moment die gleiche Gruppe Jungen von heute Morgen über den Weg lief.
Ich befürchtete das Schlimmste.
Unnötigerweise, denn wir waren immer noch an einer Schule, wo sich viele Zauberer und Zauberinnen aufhielten und mir somit wenig passieren konnte.
Weniger, als mir damals in dem Haus, wo ich gelebt habe, passiert ist.
Ich weigerte mich, es mein altes Zuhause zu nennen, denn es war nie mein Zuhause gewesen.
Eine mir aufgezwungene Bleibe, nichts weiter.
„Da bist du ja wieder. Wir haben ewig auf dich gewartet."
Ein Lachen, welches mir den Hals zuschnürte.
Ich schnappte nach Luft.
„Unnötig gewartet. Ich habe keine Zeit.", entgegnete ich schnell.
Ich wurde augenblicklich an der Schulter gepackt.
Ich habe keine Angst.
Sie ist überhaupt nicht real.
Ich machte einen vielsagenden Schritt nach hinten und schaute in die Augen des grinsenden Jungen.
In diesen befand sich kein Hauch von Selbsterkenntnis, nur pure Belustigung.
„Kein Buch dieses Mal dabei?", fragte der Blondhaarige von vorhin und kam mir gefährlich nahe, während der andere zur Seite wich.
Er legte seine kalten Hände auf meine Taille und anstatt mich zu wehren, blieb ich wie erstarrt.
Mein Herz setzte einen Schlag aus und meine Knie wurden weich.
Ich ähnelte beinahe einer Statur, die bei jedem Gewitter und Sturm steif stehen blieb, egal welche Gefahr sie damit auf sich nahm.
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Severus
Ich lief gerade von meiner letzten Unterrichtsstunde nach oben um Minerva aufzusuchen, mit der ich über einige ihrer Fünftklässler sprechen wollte.
Das sollten jedoch nicht die einzigen Schüler ihres Hauses bleiben, welche ich bei ihr melden wollen würde.
„Mr. Davies."
Der Siebtklässler ließ reflexartig von der Schülerin meines Haues seine Hände sinken.
So schnell, als hätte er sich an ihrem Mantel verbrannt.
„Sie wollte es!", rief er, noch bevor ich mich räusperte und zu ihrer Linken trat.
Die restliche Gruppe von ihnen nickte eifrig, doch Allisons Ausdruck hatte bereits Bände gesprochen.
Bände voller Angst, Sorge und Unsicherheit.
„Das können Sie Ihrer Hauslehrerin erklären.", sagte ich und bedeutete ihnen, mir umgehend zu ihrem Büro zu folgen.
Kurz überlegte ich, ob meine Reaktion leichtfertig und übertrieben war, doch ich verwarf den Gedanken schnell wieder, als ich zu Allison sah, welche sich keinen Millimeter bewegt hatte.
Doch als sie ein halbes Dutzend Augenpaare auf sich spürte, schreckte sie hoch und wollte etwas sagen.
„Sie haben Recht. Ich wollte es.", verteidigte sie die Gryffindors.
Ich wusste, dass sie log. Jeder hier wusste es. Ich verstand nur nicht, warum sie das tat. Warum verteidigte sie sie?
Ich deutete der Gruppe an der Treppe zu warten, während ich mit Allison um eine Ecke ging, um mit ihr zu sprechen.
„Was sollte das?", fragte ich sie mit einem vorwerfenden Unterton.
Sie schaute mich zum ersten Mal in dieser Konfrontation an.
„Was sollte was?", entgegnete sie.
Ohne ein weiteres Wort blickte ich um die Ecke zu den Siebtklässlern und machte ihnen mit einer Handbewegung klar, dass sie gehen konnten.
Es würde nichts bringen.
Das hatte ich bereits festgestellt, als sie in meine Augen sah und mir bewusst machen wollte, dass nichts zwischen ihnen passiert war.
„Du solltest zum Essen gehen.", war das Letzte, was ich sagte und machte mich dann wieder weiter um Minerva nicht zu verpassen.
Die Ernsthaftigkeit nicht zu erkennen ist eine Sache, es zu verdrängen eine ganz andere.
Und trotzdem konnte ich nichts dagegen machen.
Ich war nicht befugt dazu, denn ich war ihr Lehrer.
Und das führte mir immer mehr vor Augen, dass sie nicht nur eine normale Schülerin für mich war, sondern mehr, als Worte, obwohl es viele Definitionen dafür gab, es beschreiben könnten.
Und das war ein Problem, welches sich lösen musste.
Umgehend.
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