Kapitel 13
Yoonas Aufregung wächst mit jeder Minute, die sie länger mit Jimin und Taehyung vor der fremden Wohnungstür steht. Der blondhaarige Alpha greift beruhigend nach ihrer vor Panik schwitzenden Hand. Taehyung steht auf ihrer anderen Seite und klingelt. Als sich die Tür öffnet und ein roter Haarschopf zum Vorschein kommt, ist Yoona erleichtert, aber auch verwirrt.
„Hey, was macht ihr- Oh."
Der Alpha blickt nachdenklich zu der Schwarzhaarigen. „Hallo Yoona. Kommt doch rein."
„Hallo Hoseok", begrüßt sie den Älteren freundlich, aber angespannt. Der rothaarige Alpha wirft seinen beiden Freunden einen irritierten Blick zu. Das ihm der Überraschungsbesuch nicht passt, ist deutlich, trotzdem lässt er die Drei mit einem freundlichen Lächeln hinein.
„Hyung? Wir haben Besuch!"
„Komme! Wer ist es? Sind Namjoon-ah und Jungkook schon da?", kommt es von einer bekannten Stimme aus dem Obergeschoss. Seine tiefe und raue Tonlage geht Yoona sofort unangenehm unter die Haut.
„Nicht ganz", murmelt Hoseok zurück.
Eine weitere Person kommt links aus der Küche und blickt unschlüssig durch die Runde, bis er Yoona sieht. Der schwarzhaarige Mann stellt die Schüssel in seiner Hand auf der Kommode ab und geht auf das Mädchen zu. Yoona spürt, dass er ein Beta ist. „Hey, ich bin Jin. Freut mich dich endlich kennenzulernen."
Freundlich, aber nervös erwidert Yoona den Handdruck und stellt sich kurz vor. Sie spürt eine Hand in ihrem unteren Rücken, die leicht über ihre Haut streicht. Dankend dreht sie sich zu Jimin und schenkt ihm ein schwaches Lächeln. Plötzlich verspannt ihr Körper sich wieder. Denn von oben sind Geräusche zuhören, gefolgt von schweren Schritten, die die Treppe heruntersteigen. Ein großer Junge mit mintfarbigen Haaren kommt die Stufen heruntergestürmt und bleibt erstarrt stehen, als er das schwarzhaarige Mädchen am Treppenrand ausmacht.
„Jin? Wir werden dir in der Küche helfen", wendet sich Hoseok an den Beta und deutet dabei auf die anderen beiden neben sich.
„Ganzsicher nicht. Die beiden werden nie wieder auch nur eine Sache in meiner Küche anrühren", faucht Jin zurück und funkelt dabei Taehyung und Jimin wütend an.
„Gut von mir aus. Trotzdem werden wir jetzt alle in die Küche gehen." Hoseok wirft Jin einen Blick zu, der daraufhin mit großen Augen verstehend nickt. Dann blickt der rothaarige Alpha das Paar neben sich an, was keine Anstalten macht sich fortzubewegen. Taehyung und Hoseok starren sich intensiv an, bis der Jüngere genervt nachgibt.
„Ist ja gut! Du musst uns ja nicht gleich drohen. Komm Jiminie." Ein Wolfsrudel kann gedanklich miteinander kommunizieren. Yoona muss schmunzeln, als ihr bewusst wird, dass sie wohl davon gerade Zeuge werden durfte. Taehyung und Jimin wenden sich nochmal an die Schwarzhaarige, die die ganze Zeit den stechenden Blick ihres Bruders auf sich spürt. Sie hat Angst allein mit Yoongi zu sein. Taehyung streicht über ihren Oberarm, während Jimin seine Hand an ihre Wange legt. Sie spüren ihre Verunsicherung.
„Es ist alles gut. Du schaffst das. Sollte was sein, sind wir in der Nähe."
Nickend genießt Yoona kurz die Berührungen, als sie sich dann beide abwenden und zusammen mit Hosoek und Jin durch die Tür gehen. Yoonas Blick geht zu der Person, mit der sie nun allein in dem großen Flur steht. Die Person, die es nur durch seine bloße Anwesenheit schafft, dass sich Tränen in ihrem Augenwinkel sammeln. „Yoona", bricht seine Stimme bei dem Anblick seiner kleinen Schwester. Er bewegt sich auf sie zu. Das bringt sie nur noch mehr zum Weinen.
„Es tut mir so leid. Alles, was du durch machen musstest und dass-"
„Nein!", unterbricht Yoona ihren Bruder aufgebracht. „Wage es ja nicht mich zu bemitleiden, wenn du daran mit schuldig bist." Mit undefinierter Miene erwidert Yoongi ihren verletzten Blick.
„Du hast mich rausgeworfen! Du hast mich aus deinem Leben verbannt, genauso wie es unsere Eltern damals gemacht haben. Du warst all die Jahre in meiner Nähe und hast nichts-"
Yoonas Stimme bricht, als ihrer Kehle erneut ein bitterlicher Schluchzer entkommt.
„Du-...du wusstest von Sang Tae. Du kennst mich besser, als jeder anderer und wusstest, dass ich zu kaputt war, um allein aus diesem Höllenloch zu entkommen. Du hast mir damals geschworen, immer an meiner Seite zu bleiben und du hast nichts gemacht!", schreit Yoona wütend.
Dabei kommt sie ihrem Bruder immer näher und schlägt wie wild auf seine Brust. Yoongi tut nichts. Er lässt es zu, dass Yoona immer wieder ihre Hände gegen seine Brust schlägt und immer mehr Tränen vor Wut und Trauer verliert, bis er ihre Hände fixiert und seine Schwester in eine starke Umarmung zieht. Sie windet sich und schreit ihn an, bis ihr der bekannte Geruch ihres Bruders in die Nase steigt. Yoona bricht daraufhin nur noch mehr in Tränen aus und krallt sich gebrochen in das Shirt des Minthaarigen. „Es tut mir so leid. Es tut mir so leid", wiederholt Yoongi immer wieder und wiegt seine Schwester dabei vorsichtig in seinen Armen.
Yoona weiß nicht, wie lange sie in dieser Position im Flur stehen und nichts weitersagen. Es ist nur das Schluchzen von ihr zu hören, bis sie sich soweit beruhigt hat und gewillt ist ihrem Bruder zuzuhören. Yoongi führt seine Schwester in das große Wohnzimmer. Die anderen sind noch in der Küche und geben den Geschwistern den Raum, den sie gerade benötigen. Gedankenverloren starrt Yoona auf ihre Hände. Sie ist bereit ihm zuzuhören, kann ihn aber nicht anschauen. Sonst würde sie nur wieder in Tränen ausbrechen. Yoona fühlt sich unwohl und wünscht sich nichts sehnlicheres, als Taehyung und Jimin an ihrer Seite.
„Du bist so erwachsen geworden."
Seine zerbrochene Stimme erreicht Yoona in ihrem Inneren. Sie unterdrückt die neu aufkommenden Tränen. Vorsichtig hebt die Schwarzhaarige ihren Blick.
„Es sind ja auch fünf Jahre vergangen", antwortet sie mit zitternder Stimme. „Du hast dich aber kein bisschen verändert."
Das ist Yoona im ersten Moment aufgefallen, wo sie Yoongi gesehen hatte. Er sieht immer noch so aus, wie sie ihn in Erinnerung hat.
„Yoona ich weiß, eine Entschuldigung reicht bei weitem nicht aus und ich habe dich als dein großer Bruder mehr als nur enttäuscht, aber bitte höre meine Seite der Geschichte. Da steckt so viel mehr hinter, wie du ahnst."
Der Omega signalisiert dem Beta mit einem Nicken weiterzusprechen. Zu mehr ist sie gerade nicht in der Lage. Daraufhin fängt Yoongi an zu erzählen: „Wir waren uns immer schon in vielen Dingen uneinig. Doch kurz bevor du gegangen bist, haben wir uns angefangen wegen Kleinigkeiten zu streiten. Bis es dann eskalierte..."
Sie erinnert sich an die vielen Konflikte. Sie war oft unbegründet sehr wütend auf Yoongi. Das kann Yoona sich im Nachhinein eingestehen. Sie hatten sich wegen Sang Tae gestritten. Yoona kam gerade mit ihm zusammen und Yoongi war alles andere als begeistert davon. Yoongi schnaubt auf.
„Du warst so verliebt und hast die Schattenseiten nicht gesehen."
Verletzt durch die schmerzhaften Erinnerungen zieht sich Yoonas Herz zusammen.
„Ich habe diesem Arschloch so oft gesagt, dass er dich in Ruhe lassen soll. Er hat mich ausgelacht und meinte, dass er sich nichts von einem Beta sagen lässt. Also habe ich versucht dir die Augen zu öffnen, was gewaltig nach hinten los gegangen ist. Damit habe ich dich nur verloren."
Die Zeit spielt sich wie ein Film vor Yoonas geistigem Auge ab. Mit großen Augen schaut sie zu Yoongi, als sie die Erkenntnis trifft.
„Wir haben nur noch gestritten und...Oh Gott."
Schnell erhebt sich der Minthaarige von seinem Platz gegenüber und setzt sich neben seine Schwester auf das blaue Sofa. Sie vergräbt ungläubig ihr Gesicht in ihren Händen.
„Sang Tae hat mir immer wieder gesagt, wie wenig du unsere Beziehung und meine eigenen Entscheidungen akzeptieren würdest. Er sagte, dass wir nie glücklich sein würden, wenn ich bei dir bleiben würde. Du würdest mich immer nur als einen schwachen Omega sehen, der beschützt werden muss. Und ich habe ihm geglaubt. Es ist alles meine Schuld."
Ihre Handflächen werden nass von den salzigen Tränen, die unaufhörlich aus ihren Augen drängen. Eine Hand legt sich auf ihren Rücken.
„Es ist ganz sicher nicht deine Schuld. Dieses Arschloch hat deine größte Angst ausgenutzt. Er wollte dich glauben lassen, dass ich dich genauso wie unsere Elternwegen deinem Rang fallen lasse. Ich hätte bei unserem letzten Streit nicht so laut werden dürfen. Ich hätte all die schlimmen Dinge nicht sagen dürfen. Und dann bist du einfach gegangen und ich dachte die ganze Zeit, dass sich die Situation wieder beruhigen würde, doch du bist nie wieder zurückgekehrt. Ich-"
Yoongis Stimme bricht und als Yoona sich mit verweintem Gesicht aufrichtet, erkennt sie, wie sich ihr Bruder über seine roten Augen wischt.
„Ich habe dich all die Jahre gesucht, doch du bist mit ihm aus Busan weggezogen und ich wusste nicht, wohin. Er hat dich mit allen Mitteln von deinem alten Umfeld abgeschnitten, dass ich keine richtige Chance hatte dich zu finden."
„Wie hast du es dann geschafft?" Er lächelt leicht.
„Nenn es Schicksal. Ich bin zum Arbeiten nach Soul gezogen und drei Jahre später tauchst du an der Universität auf, wo die Jungs studieren."
„Und du hast mich nicht angesprochen?", wird die Schwarzhaarige wieder von Traurigkeit übermannt.
Yoongi nimmt ihre zierliche Hand in seine große, bevor er weiterspricht: „Konnte ich nicht. Sang Tae hat ziemlich schnell herausgefunden, dass ich hier in einem Rudel lebe und hat dich vor jeglichen Menschen, außer seinen eigenen Leuten abgeschirmt."
Yoona erinnert sich an die Zeit ganz genau. Eine Woche nachdem sie an der Uni anfing, hatte sie kaum noch Freiheiten. Sang Tae war schneller gereizt und hat die ganzen Bestrafungen bei Missachtung seiner Anordnungen eingeführt. Da hatte die schlimmste Zeit ihres Lebens begonnen.
„Und außerdem hatte ich Angst, dass du mich hassen würdest", gibt der Minthaarige kleinlaut zu. Geschockt blickt Yoona in die trüben Augen ihres Bruders.
„Ich könnte dich doch niemals hassen. Ich war enttäuscht, weil ich nicht verstehen konnte, warum das alles passiert war. Und Sang Taes Worte, jedes Mal wenn ich angefangen habe über dich zu sprechen, haben es auch nicht besser gemacht. Dadurch habe ich irgendwann nur selbst gedacht, dass du mich nicht in deinem Leben haben willst – einen schwachen Omega, der jedem alles nur erschwert. Die ganzen Jahre habe ich die Schuld bei mir gesucht, mich verurteilt, für das was ich bin und bin dadurch durch die Hölle gegangen, bis-"
„Bis Jiminie und Tae kamen?"
Bei der Erwähnung der beiden Alpha wird Yoona sofort warm ums Herz. Sie lächelte glücklich. „Ja."
Yoongi wirkt nachdenklich, bevor er weiterspricht: „Weißt du, ich hatte solche Angst und dann auch noch so starke Schuldgefühle dir all die Jahre nicht beigestanden zu haben. Es hat mich zerfressen und als ich dich dann wiedersah so, so verändert, ängstlich und still, zerstörte es mich. Die anderen beschlossen, dass es nicht so weitergehen konnte mit dir und mit mir...Jungkook hatte eine ungefähre Ahnung, was du durchmachen musstest und Jimin hat ein paar Situationen in der Universität beobachtet, die ihn wirklich wütend machten."
Jimin hat uns gesehen?
Yoona weiß, von welchen Situationen ihr Bruder spricht und das Jimin das gesehen hat, lässt sie erschaudern.
„So hat Namjoon vor drei Jahren Sang Tae das erste Mal konfrontiert. Seitdem versuchen wir dir zu helfen. Doch das Arschloch war gerissen. Wir konnten uns dir nur unauffällig nähern. Er sollte so wenig, wie möglich von den Begegnungen mitbekommen. Ein Grund warum ich dich nicht kontaktieren konnte. Vor drei Jahren hättest du es ihm noch sofort erzählt. Ich hatte Angst, dass er dann wieder die Stadt verlassen würde. Ich konnte dich nicht nochmal verlieren, nicht wo ich dich endlich wiedergefunden hatte. Ich weiß auch, dass mein Handeln feige war, ich andere vorgeschickt habe und-"
Behutsam drückt Yoona die große Hand, die ihre immer noch umfasst, wodurch sein Redefluss stoppt. Verstehend lächelt die Schwarzhaarige.
„Es ist okay, Yoongi. Du warst nicht feige. Ich hätte auch nicht gewusst, wie ich mich einer Person in meiner Lage angenähert hätte."
Erleichterung spiegelt sich in seinen Augen, als er den Druck an seiner Hand erwidert.
„Ich bin dir nicht böse, aber es wird auch dauern, bis es wieder so wie früher sein wird. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt passieren wird. Es ist viel vorgefallen und wir beide haben uns verändert, aber ich bin bereit dir eine zweite Chance zu geben, wenn du mir auch eine gibst. Ich habe dir viel zu wenig vertraut und mich viel zu sehr von diesem Arsch blenden lassen."
„Oh Gott, ich hatte solche Angst vor diesem Gespräch. Ich erwarte nichts. Ich bin einfach nur froh, dich endlich wiederzuhaben."
Erleichtert zieht Yoongi seine kleine Schwester in eine innerliche Umarmung, die sie mit der gleichen Erleichterung erwidert. Yoona hat endlich ihren Bruder wieder.
„Ach ja, dieses Gespräch bleibt aber unter uns. Ich habe keine Lust auf irgendwelche dummen Sprüche der anderen Idioten."
Yoongis raues Lachen erklingt an Yoonas Ohr, was sogleich ein wohliges Gefühl durch ihren Körper fahren lässt. Schmunzelnd löst sich die Kleinere von ihrem Bruder und blickt ihn erwartungsvoll an. „Ach wissen sie gar nicht, was für ein Softie du sein kannst?"
Bevor Yoongi antworten kann, werden die beiden Geschwister von einem durcheinander an Stimmen und einer sich öffnenden Tür unterbrochen. Bei dem Anblick muss Yoona laut lachen. Ihr Herz hüpft vor Freude auf und ab. Ein schwarzer und ein blonder Haarschopf kommen in ihr Blickfeld, die streitend zu Boden gehen.
„Aua mein Hintern! Man Hyungie..."
„Steck dir dein Hyungie sonst wohin Jungkook. Wer hat denn nicht gecheckt, dass die Tür nicht wirklich zu war?"
„Tja, ihr hättet beide einfach nicht so neugierig sein sollen."
„Halt die Klappe Tae!", zischen Jungkook und Jimin zurück.
„Ihr seid alle drei Idioten und jetzt seid still." Säuerlich blicken die drei Werwölfe zu Yoongi, der sie nur mit einem leichten Schmunzeln und verschränkten Armen mustert.
Als Taehyung, Jimin und Jungkook die Geschwister ausgelassen und glücklich nahe beieinander sitzend sehen, entspannen sich ihre Gesichtszüge.
„Anscheinend habt ihr euch ausgesprochen?", fragt Hoseok, der zusammen mit Namjoon und Jin nun auch das Zimmer betritt.
Zustimmend nickt Yoona und lehnt sich liebevoll an ihren Bruder an.
„Gut dann können wir ja jetzt endlich zur Feier des Tages zusammen essen!", ruft Jin freudestrahlend aus und klatscht begeistert in die Hände.
***
Die Geschichte geht langsam auf das Ende zu. Freut euch auf die beiden letzten Kapitel 🤗
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