13. semper vincere serpentes

☾ ⁺₊

O L I V I A

Die Flammen der Fackeln an den kargen Steinwänden führten einen unruhigen Tanz auf und warfen einen smaragdfarbenen Schimmer über unsere Gesichter. In der Ferne drang das Zischen von Zauberstäben an meine Ohren, doch egal wie sehr ich es auch versuchte, es war mir in diesem Augenblick einfach unmöglich, den Blick von dem dunkelhaarigen jungen Magier an meiner Seite loszureißen. Mit gehobenem Kinn und durchgestrecktem Rücken stand Mattheo Riddle in der Geheimkammer seines Vorfahren, die dunklen Augen auf dessen steinernes Abbild gerichtet.

Die Welt schien still zu stehen, als würde sie nur darauf warten, dass der Erbe Salazar Slytherins ihr den Befehl erteilte, sich weiter zu drehen. Ihr zu erlauben es zu tun, dachte ich und fühlte wie meine Wangen zu glühen anfingen, während ich Riddle weiter anstarrte, wie die Erscheinung, die er offenbar für die steinernen Schlangen war, die sich immer noch zischend um seine Finger wandten. Langsam drehte er seine sehnige Hand hin und her, betrachtete die Vipern mit einem nachdenklichen Blick, als überlegte er, wofür er sie benutzen konnte.

Wozu er sie bringen konnte.

Dann sagte er etwas.

Doch es waren keine Worte, die ihm von den Lippen flossen, es waren Laute. Zischlaute einer Schlange, die ihm giftig von der Zunge perlten, auf den kargen Boden tropften und sich von dort aus wie flinke Spinnen in die Ecken des Skriptoriums verkochen.

Erst als mir schwindelig wurde, bemerkte ich, dass ich den Atem angehalten hatte. »Du kannst mit Schlangen sprechen?«, stieß ich beim nächsten Atemzug hervor und starrte auf die Steinschlangen, die sich auf Riddles Befehl hin wieder zurückzogen.

Der Erbe Slytherins warf mir einen kurzen Blick zu, der nur so vor Arroganz trotzte, bevor er sich mit der Hand langsam durch seine von Dunkelheit gesponnenen Locken fuhr. Doch im Gegensatz zu diesem Raum schien ihm sein Mitternachtshaar nicht zu gehorchen, denn nun fiel es ihm umso rebellischer in die Stirn. »Eines meiner vielen Talente, Whiskey«, antwortete er dann leise und zwinkerte mir zu.

Meine Wangen fingen Feuer.

Ich öffnete den Mund, doch schloss ihn gleich wieder, ich hatte keine Worte für das, was ich angesichts der Tatsache empfand, dass er ein Parselmund war.

Natürlich war er das, als Nachfahre Slytherins.

»Hat Dumbledore das etwa ausgelassen, als er die ganze verdammte Schule über die Herkunft des dunklen Lords aufgeklärt hat?« Riddle schnaubte und der plötzliche Hass in seiner Stimme, der sich eindeutig nicht gegen seinen Vater, vor dem er in der Akademie angeblich Schutz suchte, sondern gegen Dumbledore richtete, ließ mich aufhorchen. »Nach Diggorys Tod waren die Schüler eben neugierig«, entgegnete ich schulterzuckend und beobachtete gespannt seine Reaktion, doch Riddle zeigte keine.

Ich überlegte ihn zu fragen, ob Dumbledore ebenfalls von der Verunreinigung seiner Blutlinie wusste, doch entschied mich dagegen, als ich die Anspannung auf seinen göttlichen anhauchten Zügen bemerkte.

Ich folgte seinem Blick zu Draco, der über uns gegen die Brüstung der Treppen lehnte. Vernichtend starrten die Slytherin einander an, doch gerade als ich befürchtete, sie würden ihre Auseinandersetzung fortführen und sich ihren Hass um die Ohren hauen, bevor ich Gelegenheit dazu hatte sie in den Trainingsraum zu schleifen, glitt Dracos Blick tiefer und ließ mich realisieren, dass Riddles Hand immer noch meine hielt und seine Finger genau in dieser Sekunde provokativ über meine Fingerknöchel strichen, als wären wir ein verdammtes Liebespaar.

Dieser Typ war wirklich unglaublich.

Genervt schüttelte ich seine Hand ab und stieg die Treppen hinauf, ohne einen von ihnen noch eines Blickes zu würdigen. Ich warf den Kopf zurück und lockerte meinen Zopf, doch ich spürte die starren Blicke der beiden weiterhin in meinem Nacken und wie sie mich heiß und kalt zugleich fühlen ließen.

Außer dem Eingangsbereich bestand das Skriptorium noch aus drei weiteren Räumen.

Einem Arbeitszimmer, vollgestopft mit allerlei Artefakten der dunklen Künste, hohen Bücherregalen, gemütlichen Sitzmöbeln, sowie einem Sekretär, dessen Anblick mich stets mit Ehrfurcht erfüllte, wenn ich mir vorstellte, dass Salazar Slytherins dort einmal gesessen und an verschiedenen Werken gearbeitet hatte, von denen bisher immer noch nicht alle an die Öffentlichkeit gelangt waren. Zahlreiche seiner Briefe und Unterlagen befanden sich immer noch in den Schubladen seines Sekretärs, ließen sich durch den Anti-Elster Schutz, mit dem der Schreibtisch belegt worden war, jedoch partout nicht herausnehmen.

Außerdem gab es ein geräumiges Bad, das trotz seiner antiken Ausstattung und den leicht brüchigen Fliesen noch relativ gut erhalten war und sogar eine freistehende Badewanne aufwies, von der ich mich bisher jedoch nicht getraut hatte, sie in Anspruch zu nehmen, da das Wasser, das aus dem schmuckvollen vergoldeten Wasserhahn in Form einer Schlange sickerte, eine beunruhigende Farbe hatte.

Samtschwarz, wie eine sternlose Nacht.

Mit immer noch glühenden Wangen stieß ich die eleganten Flügeltüren auf, die das Wappen Slytherins auf dem dunklen Holz verewigt trugen und die in den letzten angrenzenden Raum führten— dem Herz des Skriptoriums. Meinem Lieblingsort im Schloss.

Mitten in den verwinkelten Kerkern der Hogwarts Akademie für Hexerei und Zauberei und doch einer jeder Seele verborgen, hatte Salazar Slytherin sich ein Paradies der dunklen Künste erschaffen; ein Duellzimmer, das absolut keine Wünsche offen ließ.

Mit klopfendem Herzen betrat ich das Zimmer, das durch sein kuppelartiges Gewölbe zwar an den Gemeinschaftsraumraum der Slytherin erinnerte, jedoch so gar nichts von dessen Ruhe oder Gemütlichkeit aufwies. Groteske Fresken von Basilisken und anderen Geschöpfen der Nacht zierten die Wände und ließen mit ihren grässlichen Fratzen jedes Mal die Angst in meinen Knochen erblühen.

Der gesamte Raum war eine Warnung.

Eine Warnung vor dem, was in den Schatten der magischen Welt lauerte, wenn man nur genauer hinsah. Und ich schaffte es nie, nicht hinzusehen, starrte jedes Mal mit Gänsehaut am ganzen Körper auf den kunstvoll gezeichneten Manticor, einem Geschöpft geschaffen aus Albträumen, der beinahe eine ganze Wand nur für sich allein beanspruchte.

Etwas an der Düsternis, die in die Gestaltung diesen Raumes miteingeflossen war, faszinierte mich auf eine morbide Art und Weise, die ich wohl nie würde in Worte fassen können. Antike Kerzenleuchter, bestückt mit langen elfenbeinfarbenen Kerzen, die niemals abbrannten oder erloschen, perfektionierten die gotische Atmosphäre und verwandelten den Raum in einen Tempel der Dunklen Künste.

Alles an diesem Ort atmete nur so vor Magie und schien einen unerklärlichen Bann auf uns alle auszuüben, der uns oft für Stunden in den kargen Steinwänden gefangen hielt und uns dabei jegliches Zeitgefühl raubte, sodass es nicht selten vorkam, dass wir uns erst im Morgengrauen zurück in unsere Betten schlichen— erschöpft, doch glücklich.

Und auch an diesem Abend war die kühle Luft elektrisiert, aufgeladen von all den Zaubern, die Léo und Enzo sich mit fiebriger Entschlossenheit entgegen jagten. Beide der angesehenen Slytherin Studenten wiesen bereits Blessuren und Kratzer auf, hatten die Ärmel ihrer blütenweißen Schuluniform-Hemden bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt und die Kragen aufgeknöpft, während sie einander grinsend mit ihren Zauberstäben bedrohten.

Léonard Evan Rosier war ein begnadeter Duellant, der das berüchtigte Talent seines verstorbenen Todesser Vaters geerbt hatte und im Kampf vor allem in Schnelligkeit und Ausdauer glänzte.

Lorenzo Charles Berkshire hingegen, beherrschte Flüche, von denen nicht selten niemand von uns je zuvor gehört hatte und Merlin sei Dank kannte er auch immer die passenden Gegenzauber dazu. Léo war ein hitziger Kämpfer, provozierte und stichelte gern und biss sich deshalb an Enzos ruhiger Natur regelmäßig die Zähne aus, der unnatürlich lang gelassen blieb, bis er irgendwann explodierte—

und die meisten ihrer Duelle für sich entschied.

Astoria, deren hübsche blassgrüne Augen bereits Herzchenform hatten, saß mit angezogenen Knie auf einer der Bänke hinter dem Schutzzauber, der die Zuschauer der Duellanten vor Schaden bewahrte.

Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe und verzog das Gesicht, als Rosier einen fiesen Treffer gegen Enzos Unterlippe landete, merkte erst, dass ich mich neben sie gesetzt hatte, als ich sie anstupste. »Oh hi Livy, wo warst du denn so lang—«, sie hielt inne und ihre rosigen Lippen verzogen sich zu einem vielsagenden Lächeln. »Was ist denn mit dir passiert, Schatz? Dein Lippenstift ist ganz verschmiert. Hast du etwa mit jemandem— warte mal, ist das Blut?«

Ich zog meinen Zauberstab und beschwor einen Handspiegel herauf, bevor ich hastig mit dem Daumen über die Blutspritzer auf Kinn und Unterlippe rieb, die Riddles Hand dort hinterlassen hatte. Ich ließ ihn verschwinden und widmete mich wieder meiner Freundin um mir eine Ausrede einfallen zu lassen, doch ihre Aufmerksamkeit galt bereits wieder Enzo, der jetzt die Führung übernahm, in dem er Rosier mit einem fiesen Mucus Ad Nauseam belegte — einem seiner Spezialflüche.

Die blauen Augen des hübschen Franzosen bekamen rote Ränder, bevor er auch schon zu niesen anfing.

»Berkshire du Teufel«, fluchte er und schwenkte ergeben ein zierliches weißes Taschentuch mit eingestickten Initialen, bevor er sich damit die Nase putzte. »Merde, diese Runde geht an dich.«

Grinsend fuhr der Berkshire Erbe sich durch sein chaotisches haselnussbraunes Haar und blickte dann auffallend unauffällig zu Astoria, die leise kicherte, bevor sie ihren dunklen Haarschopf betrunken vor Verliebtheit auf meine Schulter sinken ließ.

Niedergestreckt von Enzos Erkältungsfluch schleppte Rosier sich zu uns auf die Bank. »Oh mon dieu, dieses Fieber bringt mich noch um«, seufzend hob der Blonde eine Hand an seine sonnengebräunte Stirn und begann theatralisch zu husten. »Hör auf zu jammern du Knuddelmuff, hier ist das Gegenmittel.«

Gut gelaunt durch seinen Sieg, drückte Enzo ihm eine gläserne Phiole mit einer farblosen Flüssigkeit in die Hand, bevor er sich neben Astoria auf die Bank fallen ließ— für die ich plötzlich nicht mehr existent war.

»Mon cœr wärst du so lieb?« Geschwächt von seinem magischen Schnupfen hielt Rosier mir die Phiole hin.

Grinsend entkorkte ich sie und flößte ihm den Zaubertrank ein, wie eine liebevolle Mutter, die sich um ihr krankes Kind kümmerte. »Merci«, schnurrte er mir ins Ohr und legte den Arm um meine Schultern, zog ihn jedoch in der Sekunde wieder zurück, in der er dem warnenden Blick meines Zwillingsbruders begegnete, der Pansy und Daphne gerade einige der neuen Angriffstechniken erklärte, die wir uns im Sommer selbst beigebracht hatten.

Einige Bänke entfernt hatten Draco und Blaise die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Nur von Riddle war keine Spur zu sehen, was mich jedoch nicht wunderte, denn bei meinem ersten Besuch im Skriptorium hatte ich allein mehrere Stunden damit verbracht, mich einfach nur neugierig umzusehen und die düstere Aura der Räumlichkeiten gierig in mich aufzusaugen.

Eine zarte Röte küsste Daphnes Wangen, als ich sie dabei erwischte, wie sie Rosier anstarrte, woraufhin sie sich so weit wie möglich von dem blonden Slytherin wegsetzte. Doch gerade als Theodore und Pansy Anstalten machten, sich zum Duell in die Mitte des Raumes zu begeben, stand Draco auf.

»Liv und ich sind als Nächste dran«, informierte er meinen Bruder mit kühler Stimme, der zwar eine Braue hob und mich mit einem Blick bedachte, seinem besten Freund jedoch nichts entgegen setzte.

Ich beobachtete, wie Draco sich seines Umhangs entledigte, unter dem er weder seine Schuluniform noch Trainingskleidung, sondern einen teuren schwarzen Kaschmirpullover, sowie farblich passende Anzughosen trug. Ich verdrehte die Augen, angesichts seines für diesen Anlass eher unpassenden Outfits, konnte jedoch nicht leugnen, dass der Malfoy Erbe wieder einmal zweifellos stilvoll gekleidet war.

Und für mich gab es nicht viel, dass ich attraktiver fand, als einen Mann, der sich zu kleiden wusste.

Während ich die Ärmel meines eng anliegenden Pullovers hochschob, beließ Draco seine an Ort und Stelle, entledigte sich lediglich seiner versilberten Uhr, bevor wir uns gemeinsam in die Mitte der Halle begaben, in der es plötzlich so eiskalt war, dass ich meinen Atem in der Luft zirkulieren sehen konnte.

Den Zauberstab in seiner dominanten Hand umklammert, trat er langsam auf mich zu. Ich tat es ihm gleich und als wir uns voreinander verbeugt hatten, wie die Etikette eines klassischen Zaubererduells es nun einmal vorgab, begegneten sich schließlich unsere Blicke. Dracos blasses Gesicht zeigte nicht den Hauch einer Emotion, auch wenn seine engelsgleichen Züge sichtlich verhärtet waren.

Die sanfte Wärme in seinen grau-blauen Augen, die der Slytherin von Narzissa geerbt hatte und die stets nur in Anwesenheit seiner Mutter oder unserer Clique zu sehen gewesen war, war seit dem Sommer nun endgültig verschwunden. Die frostige Kälte, die seine Aura wie Nebel durchwob, fraß sich mir bis in die Knochen, während wir einander ansahen und ich angestrengt nicht darüber nachzudenken versuchte, wie sehr seine kühle Schönheit mit den Gemälden der Renaissance rivalisierte, die ich in den Ferien in den Museen des Vatikans bewundert hatte.

Er wirkte älter, distanzierter— mächtiger.

Hatte ich mir die vergangenen Jahre meines Lebens eingebildet den jungen Magier vor mir zu kennen, stellte ich nun wieder einmal fest, dass ich keine Ahnung hatte, wer Draco Malfoy wirklich war— oder was mit ihm in den letzten Monaten geschehen war.

Und dass sein Verhalten mir nicht nur Rätsel aufgab, sondern mich auch verdammt wütend machte, nicht nur weil er mich mit dem Diamantring an meinem Ringfinger gegen meinen Willen an sich gebunden hatte, auch weil er mich zur selben Zeit auch noch von sich wegstieß, als wären wir plötzlich Fremde.

Alles zwischen uns hatte sich verändert.

Und es machte mir eine verdammte Angst.

»Okay ihr zwei«, drang die Stimme Theodores durch den Raum, als wir immer noch keine Anstalten machten uns zu rühren, geschweige denn unsere Zauberstäbe gegeneinander zu heben und uns unser magisches Talent um die Ohren zu hauen, wie wir es die letzten Jahre nur zu gern getan hatten, waren wir doch stets würdige Gegner füreinander gewesen.

»Gebt uns ein faires Duell.«

Dracos Lippen verzogen sich zu einem bösen Grinsen, als er langsam wieder zurücktrat. Mit verengten Augen tat ich es ihm gleich, hob das Kinn und blickte auf den altertümlichen Schriftzug, der in tiefschwarzen Lettern hinter ihm auf die Wand gepinselt worden war, gleich unter dem Abbild des Gründers unseres Hauses, der uns mit wachsamen Augen beobachtete. Murmelnd las ich die drei Worte ab, wie ich es schon so oft getan hatte. Wie ich es jedes Mal tat, wenn ich in Slytherins Duellierzimmer stand und meinen Zauberstab zum Kampf erhob.

Semper vincere serpentes.

Schlangen siegen immer.

𓆙

ready für den ersten male character POV?
das nächste kapitel ist schon online <3

bitte denkt ans voten, danke!

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