~Kapitel 3~

Brian holte den Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss sein Auto auf. Sein Kopf dröhnte und er wollte nur noch in sein Bett. Mit gerunzelter Stirn starrte er auf den riesigen Betonkomplex, welcher strengsten überwacht vor ihm lag. Noch kurz zuvor hatte er an seinem Schreibtisch gesessen und kinderpornografische Videos ausgewertet. Augenblick lief ihm ein Schauer über den Rücken und sein Magen drehte sich um. Die herzzerreißenden Schreie wollten einfach nicht aus seinem Verstand entweichen und der widernatürliche, fast schon tierische Ausdruck in den Augen jener Männer, welche sich an den Kindern vergangen hatten, hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt. Die kalte Abendluft peitschte ihm ins Gesicht und ließ ihn frösteln. "Diese Arbeit macht mich krank.”

Seufzend ließ er sich in den Sitz seines VW Golfs sinken. Madoc und er teilten die Leidenschaft für dieses Modell, auch wenn sein bester Freund einen GTD fuhr. Das Auto protestierte knarrend, als er sich bewegte. Es musste dringend in die Werkstatt, doch hatte Brian einfach keine Zeit dafür. “Irgendwann werde ich auch diesen Punkt erfolgreich abhaken können.” Sobald die Tür zu war, spürte er einen bohrenden Blick im Nacken. Seiner Intuition nach sah er in den Rückspiegel und zuckte augenblicklich zusammen. Godrics giftgrüne Augen sahen ihn an und er hob kaum merklich die Mundwinkel in die Höhe. "Guten Abend, Mister Taylor", lachte der alte Mann herzhaft, als er Brians verdutzten Gesichtsausdruck sah. "Bitte, nennen Sie mich Brian. Was führt Sie zu mir, Sir?" Nach Luciás Tod war der MI5 Vorsitzende wie von der Bildfläche verschwunden. Das Godric nun bei ihm im Auto saß, verwunderte ihn deswegen nur umso mehr. Etwas stimmte nicht, das spürte er. "Ihre Klapperkiste muss dringend zur Reparatur, Brian. Fahren Sie los." Mit einem knappen Kopfnicken tat er wie ihm geheißen. Er fuhr vom Polizeipräsidium auf die Autobahn. “Wohin soll ich Sie bringen?”, fragte er aufmerksam, doch es kam keine Reaktion. “Dann eben nicht.”

Die Stille, welche nun schon seit fünf Minuten zwischen Godric und ihm herrschte, war keineswegs unangenehm. Im Gegenteil. Die Ausstrahlung des alten Mannes beruhigte ihn zusehends, auch wenn er weiterhin angespannt auf eine Antwort wartete. Und dann kam sie plötzlich. "Ich bin wegen Knox hier." Brian sah erschrocken in den Rückspiegel. Der alte Mann blickte aus dem Fenster, er wirkte abwesend. "Hat Madoc irgendetwas getan, was gegen die Norm war?" Godric erwiderte den Blickkontakt an. Ein Schatten schien über sein Gesicht zu huschen. "Nein, keineswegs. Aber um dies zu verhindern, müssen wir ihn einem Wesenstest unterziehen. Sie wissen, zu was er im Stande ist. Er hat schon zu lange nicht mehr gemordet. Das wird nicht mehr lange gut gehen", wich er seiner Frage aus. Brian trat aufs Gas. Sein Herzschlag beschleunigte sich in schrecklicher Erwartung. "Sir? Ich verstehe nicht ganz. Was haben Sie mit ihm vor?" Ein Jahr lang war nichts schiefgelaufen, daran durfte sich auch nichts ändern. "Das werden Sie erfahren, wenn es so weit ist. Fahren Sie zu seinem Haus", sagte der MI5 Vorsitzende kalt. Sein Blick signalisierte, dass er keinen Widerspruch duldete. "Sie behandeln ihn wie ein Tier. Selbst Madoc hat das nicht verdient." Stirnrunzelnd bog Brian von der Autobahn ab und machte sich auf den Weg zur Galluswarte. Plötzlich schrie der Mann auf, sein Gesicht war vor Zorn verzerrt. "Er ist wie ein Tier! Er hat es verdient, wie eines behandelt zu werden!" Langsam kam ihm eine Ahnung, um was es hier wirklich ging. "Sie denken, dass Madoc Luciá umgebracht hat, doch Sie irren sich. Ich kenne Madoc. Er hätte ...", konfrontierte er den alten Mann mit seinen Überlegungen, doch dieser unterbrach ihn unbekümmert. "Hören Sie auf mich zu bemitleiden, Brian, und tun Sie das, was ich Ihnen sage. Halten Sie den Wagen an." Widerwillig brachte Brian das Auto zum Stehen und ließ den MI5 Vorsitzenden aussteigen. Er sah zu Madocs Haus. Es wurde von Polizisten umringt und Blaulicht flutete über die Fassade hinweg. "Oh nein."

Schnell verließ er seinen Wagen und hechtete Godric hinterher, welcher gerade das Haus betrat. "Sir, das können Sie nicht machen!", rief er verzweifelt. Der alte Mann wirbelte zu ihm herum und hob warnend einen Finger. "Ich kann und ich werde!" Dann wandte er sich ab und lief zielstrebig geradeaus, wo sich das Schlafzimmer befand. "Sie sadistischer Drecksack”, erklang es plötzlich. Madocs tiefe Stimme hallte zu ihnen. Wie auf Kommando schlug ein Blitz ins Dach des Hauses ein und erhellte den Flur. Madoc stand vier Meter entfernt vor ihnen. Er wirkte wie ein Todesengel. Sein Oberkörper glänzte vom Schweiß, doch trug er keine Waffen bei sich. “Warum bist du ausgerechnet heute unbewaffnet?” Brians Angst wuchs und er sah seinem besten Freund entgegen. In dessen Augen lag eine stille Aufforderung. Er folgte Madocs unauffälliger Handbewegung und sah hinter ihm. Dort stand Aubrey. Das Mädchen zitterte und klammerte sich hilfesuchend an Madocs Arm. Sie hatte die Augenbrauen ängstlich zusammengezogen. Die beiden hatten schon so viel durchgemacht, doch leider endete ihr Albtraum noch nicht. "Sie sind der einzige Sadist in diesem Raum, Knox", entegente Godric und feuerte knurrend einen Schuss ab. Und dieser traf. Es geschah ohne Vorwarnung einfach aus dem Affekt heraus. Brian hörte Madocs unterdrücktes Stöhnen und sah, wie sich dessen Körper anspannte. Dieser Schuss war darauf ausgerichtet gewesen, seine Schmerzsucht erwachen zu lassen. Und bedauerlicherweise schluckte Madoc den Köder, denn er ließ ein raues Lachen hören. "Herrlich. Los, tun Sie's nochmal”, neckte er den alten Mann.

Der Donner krachte über ihnen, was Aubrey ein Wimmern entlockte. Godric zog eine andere Pistole. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Doch Brian wusste, was kommen würde und der Gedanke, dass er es nicht verhindern konnte, fraß ihn auf. "Oh nein, Knox. Ich habe andere Pläne mit Ihnen." Und dann trafen die Taser auf Madocs Haut. Im gleichen Atemzug feuerte Godric ein Nervengift auf den Killer ab, das speziell für diesen entwickelt worden war, da er aufgrund der Mithridatisation gegen die meisten Gifte immun war. Madocs Wut- und Schmerzensschrei ließ das Blut in Brians Adern gefrieren. Nein, er würde dies nicht unterstützen, doch verhindern konnte und durfte er es auch nicht. Wie in einer Schockstarre sah er zu, wie fünf Polizisten auf Madoc eindroschen, dessen Kraft von Sekunde zu Sekunde schwand. “Seine Aufforderung war ihm nicht zu helfen. Ich darf nicht einschreiten.” Sein Entschluss hielt stand, bis etwas passierte, was ihn an die Tage erinnerte, als Madoc noch unter den Fängen seines Vaters litt. "Brian ... Hilf mir ...", flüsterte sein bester Freund hilflos und unterwürfig. Er richtete sein blutüberströmtes Gesicht auf ihn und streckte die Hand aus, doch dann fiel er ungehalten zu Boden. Aubreys verzweifelter Schrei ließ seine Ohren klingeln und sein Herz schien ihm aus der Brust zu springen. Er hätte Godric am Liebsten das Lächeln aus dem Gesicht getilgt. "Sie sadistischer Drecksack." Bewusst wählte er Madocs Worte und spuckte vor dem alten Mann aus. Dann verließ er das Haus und den Schrecken, welcher darin lauerte.

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