Wir warten und reden und so

Wir trafen Draco am nächsten Morgen erst im Unterricht wieder. Na ja, eigentlich davor: Wir mussten nämlich warten, bis der Lehrer kam, um uns in das Klassenzimmer zu lassen. Wahrscheinlich wurde befürchtet, dass wir ohne Aufsicht randalieren, mindestens einen Schüler aus dem Fenster werfen und ungefähr drei Kinder zeugen würden.

Zumindest Letzteres konnte man als berechtigte Sorge ansehen, falls man auch Schwule dazuzählte, die in der Götterwelt schließlich auch Kinder miteinander kriegen konnten. Zwei Gryffindors waren nämlich gerade dabei, sich gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen, von den übrigen Gryffindors schien das keinen zu beeindrucken, wahrscheinlich taten die beiden das die ganze Zeit über.

"Der neue Lehrer ist sicher bald da, könnt ihr das Rummachen nicht auf später verschieben?" Der Pokétrainer erhielt eine Antwort, die ich nicht im Geringsten versatnd, weil der rotblonde Junge mit einem Akzent antwortete, der so stark wie Firewhiskey war (Blaise hatte mir von dem Zeug und seinen Abenteuern erzählt) und ich verstand kein Wort.

"Dean Thomas und Seamus Finnigan", erklärte Pansy mir. "Finnigan ist der, der Potter gerade äußerst unschöne Dinge gesagt hat. Ach, junge Liebe."

"Ne, die Liebe ist schon mehrere Äonen alt, nur immer unterdrückt. Die beiden sind vor sexueller Spannung doch schon beinahe in die Luft gegangen und hätten dabei das ganze Schloss gesprengt", meinte Blaise.

Gregory nickte. "Erinnert ihr euch noch daran, wie die kleine Weaslette etwas mit Thomas gehabt hat? Sie haben die Eifersuchtskarte gespielt."

"Scheint funktioniert zu haben." Pansy warf einen verschmitzten Blick auf Deamus. Dank sei Piper.

"Und sonst spielen sie einfach die Retour-Karte", grinste Blaise. "Ha, Uno, nimm das, ich habe dich durchschaut."

Gregory plusterte die Wangen auf. "Du hast dir den Sommer über echt Muggel-Spiele beigebracht? Ich habe gedacht, du hättest geschwindelt."

Blaise tat, als wäre er unheimlich beleidigt und Pansy rollte die Augen. "Als ob Uno so schwer wäre, Blaise, Schatz. Gib dir erst mal Skip-Bo, dann weißt du, was wahre Schwierigkeiten sind."

"Sogar ich kann Uno spielen und das will was heißen." Ich war sogar richtig gut in Uno. "Und Skip-Bo ist auch nicht schwer, ich bitte euch."

"Das wirst du mir beweisen müssen, Percy! Als ob du Uno spielen kannst!"

"Ist das eine Herausforderung?"

"Und ob sie das ist!"

"Dieses harte Battle dürfen Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen! Heute um 3 Uhr auf dem Spielplatz wird Blaise Uno-ist-schwer Zabini gegen Percy Total-Erwachsen Jackson ein Kartenmatch austragen! Vergessen Sie nicht, Schutzkleidung zu tragen, immerhin haben Karten scharfe Kanten, an denen sich Babyhände leicht schneiden!" Pansy schüttelt den Kopf. "Und das sind meine Freunde."

Gregory heuchelte Mitgefühl und tätschelte ihren Rücken und Pansy tat, als verdrücke sie eine Träne.

Wir sollten eine Theatergruppe gründen.

Wir drängten uns irgendwann zur Tür, weil Blaise fand, er, als schönster Schüler unseres Jahrganges (zumindest, wenn es nach ihm ging) müsse das Klassenzimmer fürs neue Schuljahr einweihen. Ich wusste gar nicht richtig, was das überhaupt für ein Klassenzimmer war, auf dem Stundenplan stand nur eine seltsame Abkürzung, die ausgesprochen wie ein eptileptischer Anfall klang.

Auf jeden Fall standen wir vor der Tür und als ich mir die lustige Statue einer Hexe mit drei Augen ansah, entdeckte ich in ihrem Schatten etwas Helles hocken und erschreckte mich zu Tode. Ich sprang in die Luft und kreischte beinahe wie ein kleines Mädchen, konnte mich bei Letzterem aber gerade noch so kontrollieren.

So weit ich das erkennen konnte, sah Draco jetzt nicht mehr aus wie der Tod, sondern tot. Der Schatten der Statue verdeckte und verschluckte ihn zwar großteils, aber er war sehr viel blasser als sonst, sodass man das feine Netz seiner Adern blau durch seine Haut schimmern sehen konnte. Seine haare waren zu einem Helm auf seinen Kopf gegelt, aber eher lustlos, so einige Strähnen wellten sich leicht und stemmten sich gegen die vorgegebene Form. Der seltsame Gedanke, dass ich Dracos haare gern einmal ohne Gel sähe, erwachte in mir.

Wenn ihr einen Freund seht, der aussieht wie eine wandelnde Leiche, denkt ihr wahrscheinlich auch über seine Haare nach, oder? Total normal und hilfsbereit noch dazu.

Es schien, als würde Draco im Schatten schlafen, sein Kopf ruhte auf seinen Knien, welche er umklammert hielt. Seine Schulterpartie zeichnete sich noch knochiger als sonst unter den dunklen Roben ab und das, wo er doch eh so viel aß. Er konnte mir beinahe Konkurrenz machen.

"Oh, da ist ja Draco!" Blaise tat als wäre es nichts Besonderes, dass Draco halb tot vor dem Klassenzimmer hinter eines dreiäugigen Hexe döste und schnipste Blondi gegen die Stirn, was ihn sofort weckte; er fuhr mit gebleckten Zähnen herum.

Als er erkannte, dass es nur wir waren, verließ die Anspannung seinen Körper, seine Halssehnen drohten nicht mehr zu zerreißen und sein Gesichtsausdruck wurde weicher, pure Erschöpfung sprach aus seinen hellen, grauen Augen, die mehr denn je splitterndem Eis glichen.

Draco begann seine langen Gliedmaßen zu entwirren und sich aufzurappeln, aber die Müdigkeit drückte seine Lider nieder, machte seine Bewegungen schwerfällig und schlapp. Ich griff nach seinem Ellbogen, um ihm aufzuhelfen und kurz versteifte er sich, glich einer meisterhaft gearbeiteten Skulptur mit blau marmoriertem, schneeweißen Marmor. Aber dann entspannte er sich und ich unterstützte ihn beim Aufstehen.

Da erst konnte ich sein Gesicht im Ganzen betrachten, die Augenringe, die so dunkel wie blaue Flecken in seinem Gesicht prangten. Kränklich grau-violett schimmernd lagen sie unter seinen Augen und verliehen ihm diese Ausstrahlung, wie sie verzweifelte Menschen zur Zeit der Arbeitskrise auf Fotos verströmten, übermüdet und voller Sorge.

Ein erschöpftes Blinzeln war alles an Begrüßung, das wir bekamen, zu mehr war Draco im Moment wohl auch nicht fähig. Nur mit Mühe hielt er sich aufrecht, aber dies tat er mit solch einstudierter Eleganz, dass man nicht das Geringste vermuten würde, wenn man sein Gesicht nicht sähe.

"Irgendwo habe ich noch einen Apfel für dich", murmelte Blaise und durchsuchte all seine Taschen, bis er fündig wurde. Er reichte die grüne Frucht Draco, der hungrig die Zähne darin vergrub.

"Wenn du willst, kann ich so tun, als wäre ich total heiß auf dich, dann könntest du dich auf mich stützen", bot Pansy an.

Draco zögerte kurz, nickte aber schließlich müde, seine bleichen Wimpern warfen scharfe Schatten auf seine Wangen, die Eissplitter in seinen Iriden fanden ihre Fortsetzung.

"Dracolein!", kreischte Pansy mit lächerlich hoher Stimme und stürzte sich auf ihn, um Draco zu umarmen. Das tat sie so geschickt, dass Draco gar nichts zu tun brauchte, außer nicht komplett tot auszusehen, was ihm schon schwer genug fiel.

Um uns herum seufzten die Schüler genervt, anscheinend mochten die Gryffindors Pansy nicht sonderlich gern.

Wenn es Draco so miserabel ging, warum blieb er dann nicht einfach im Krankenflügel? Gestern hatte er noch viel besser ausgesehen, ich hätte nie gedacht, dass es ihm so schlecht ging.

"Warum bist du denn nicht schlafen oder im Krankenflügel. Ich glaube nicht, dass dir wer böse wäre." Ich hob fragend eine Hand, die Blaise prompt ergriff, um mich im Tanz herumzuwirbeln. 

"Cha-Cha-Cha!", rief Blaise, eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere mit meiner elegant gehoben.

Die Gryffindors stöhnten wieder in derselben Tonlage wie zuvor, anscheinend mochten sie auch Blaise nicht. Na ja, bis auf Clarisse, die sich langsam näherte und dabei klatschte, als wäre sie schwer beeindruckt.

"Du siehst aus wie ein Zombie", grüßte Clarisse in Dracos Richtung und wenn sich wer mit Zombies auskannte, dann ja wohl sie.

"Er ist so schön wie immer." Irgendwie hatte ich den seltsamen Drang, Draco zu beschützen und das, obwohl ich vorher in etwa dasselbe gesagt hatte. Aber irgendwie fühlte sich Clarisse als Gryffindor gerade wie ein Eindringling in unserer Gruppe von Slytherins und unserem Schutzwall um Draco.

Was stellte Hogwarts bitte mit meiner Psyche an.

"Draco ist immer schön", stimmte Blaise mir scherzend zu. "Wie eine Porzellanpuppe."

"Stimmt eigentlich sieht er ja immer ein bisschen tot aus." Clarisse feixte.

Draco stieß einen tiefen Laut aus, der so etwas wie Amüsement ausdrückte. Seine Wimpern flatterten hoch und nieder, auch wenn sie es schwerfällig taten, Pansy schmiegte sich eng an ihn, um ihn zu stützen. Stumm reichte Draco den Rest seines Apfel Blaise, der ihn verschwinden ließ.

Krass.

"Ach, übrigens: Hazel geht es gut in Hufflepuff, da kommen anscheinend sowieso nur so Zuckerstückchen hin, damit sie zusammen widerlich süß sein können. Sie und Eaven passen gegenseitig auf sich auf, wie verheiratete, tollwütige Hamster." Clarisse verzog das Gesicht.

"Ich wollte schon immer einen Hamster", gestand Gregory.

"Wir wissen doch alle, dass du keinen Hamster in Tierform willst", neckte Pansy, die sich wie eine Schlange um Draco gewunden hatte, ziemlich eindrucksvoll. Blaise grinste.

"Es ist mir relativ egal in welcher Form er seinen Hamster will, ob gesotten oder frittiert, aber ich möchte gern zur Tür." Unser Lehrer war endlich da.

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