Ich heule, weil es in Hogwarts so gut riecht
Als ich aus der Kutsche stieg, erschlug mich der Geruch beinahe - Ehre, uraltes Wissen, Kürbis, Macht. Und hier, vor den Toren des imposanten Hogwarts', nahm ich auch zum ersten Mal die vielen untergeordneten Duftnoten wahr. Zimt, geschmolzene Zartbitterschokolade, Neugier, Wünsche, Ehrgeiz, Versagensangt, Speck, Bücher, Pasteten, Pergament und Tinte.
Meine Nase kitzelte und in meinem Kopf kitzelte es auch, direkt hinter der Stirn. Unter meiner Zunge prickelte es. Ein seltsam verzerrtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Irrer. Aber dieser Geruch - er verankerte sich in meinem Hirn, es war, als würde ich das erste Mal klar sehen, nur dass ich roch und nicht sah. Als wäre meine Nase bisher nur da gewesen und würde erst jetzt funktionieren.
Wie würde der Olymp erst riechen? Bevölkert von unzähligen Göttern und Nymphen... Das Wasser lief mir im Munde zusammen. Der Geruch der Halbgötter ließ mich Großes erahnen: Ehrgeiz, Brutalität, Wildschwein, Schweiß und Loyalität von Clarisse; Düsternis, Zimt, Reichtum und Eleganz, gemischt mit unentdeckten Mysterien und einem zersplitterten Herzen; Versuchung, Monstrosität, Rosen, Wachs, zerreißendes Verlangen, Lauern in der Dunkelheit, Treffsicherheit.
Und irgendwo roch ich etwas Uraltes und Mächtiges. Blut, Kontrolle, Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit. Kurz nur, dann war es weg.
Außerdem fiel mir jetzt auch der glitzernde Staub auf. Kaum hatte ich ihn registriert, begannen die Bilder auf mich einzustürmen. Niemand hatte ohne Wünsche oder Erwartungen hier gestanden. Ich sah bereits bekannte Gesichter und Milliarden unbekannte. Manchmal konnte ich die ungefähre Zeit, aus der die Schüler stammten, anhand ihrer Frisur abschätzen, oder an den hochgestochenen Formulierungen, die ihnen durch den Kopf geisterten. Die Schuluniform blieb immer dieselbe und das, obwohl Hogwarts Jahrhunderte alt zu sein schien.
"Percy! Percy?" Von fern hörte ich eine Stimme. Sie schnitt durch die Bilder, die mir der Staub zeigte. Ohne die Botschaften, die der Staub mir vermittelte, konnte ich die tanzenden Körner vor den Toren zu Hogwarts zum ersten Mal als sie selbst betrachten, ohne dass mich ihre Mitteilungen darin unterbrachen. Ich konnte allerdings auch gar nichts anderes sehen außer sie. Die Staubkörner waren so zahlreich, dass sie eine dichte Wand vor mir bildeten. Sie schillerte in sanften Pastellfarben, atemberaubend und zauberhaft.
"Percy, verdammt nochmal!" Jemand zwickte mich in die Wange und ich blinzelte. Clarisse und Blaise standen vor mir, über uns erhob sich majestätisch die mächtige Silhouette Hogwarts'. Und auf einmal begann ich zu heulen wie ein Schlosshund, ich winselte, als gäbe es kein Morgen.
Ich wusste gar nicht wirklich, warum ich weinte, aber Annabeth würde Hogwarts nie zu Gesicht bekommen oder irgendetwas anderes, das mit dieser Welt zu tun hatte. Egal wie faszinierend sie das alles gefunden hätte, wie atemberaubend. Die Bauwerke, die Kultur, die Denkweise.
Meine Nase funktionierte wieder normal. Der Schock, plötzlich wieder ohne all diese wunderbaren Düfte zu sein, raubte mir den Atem.
Tränen rannen mir übers Gesicht, ich jaulte, als hätte mir jemand ins Herz gestochen.
"Also, ich weiß ja, dass Hogwarts für euch unzivilisierten Amerikaner so etwas wie ein Wunder sein muss, aber ist das nicht etwas... übertrieben?", hörte ich Draco.
"Du hast ja sogar gesabbert", setzte Blaise voller Unverständnis hinzu.
"Oh Götter!", schluchzte ich. "Oh Götter!"
"Habt ihr in Amerika mehrere Götter?", erkundigte Gregory sich vorsichtig und mit vor Verlegenheit wegen seiner Unwissenheit roten Wangen, zumindest so weit ich das beurteilen konnte, so richtig erkennen konnte ich ja nichts dank meiner Tränen.
"Ja", beeilte Hazel sich zu antworten, bevor noch jemand auf die Idee kam, Gregory über die Religionen der USA aufzuklären.
"Wir haben keine Götter", erklärte Blaise.
"Nur Zauberer, die sich zu welchen erheben lassen", setzte Draco in bitterem Ton hinzu.
"Das klang echt klug, Dracolein", lobte Pansy. Dann fühlte ich, wie sie mich in eine beruhigende Umarmung zog. Ich schniefte in ihre Haare und entschuldigte mich sogleich dafür. Um uns betraten die letzten Schüler das Schloss, ich konnte ihre prüfenden Blicke auf uns spüren. Ich wischte mir über die Wangen und versuchte, mich so gut es ging, vor den fremden Blicken zu verstecken und mich gegen meine überbordenden Gefühle zu stemmen, damit sich niemand Sorgen machen musste. Ich sollte immerhin stark sein, ver-Damm-t nochmal! Ich als Anführer sollte die Gruppenmoral stärken und nicht selbst zusammenbrechen. Noch dazu vor den Augen aller.
Eaven blieb bei unserer Gruppe und nahm meine Hand in ihre kleine. "Meine Mama sagt immer, ich darf ruhig weinen, wenn mir etwas weh tut, und soll es nicht zurückhalten. Sie sagt, dass weinen stärker machen und Tränen heilen würden." Ihre Stimme war klein und leise, aber unheimlich rein und unschuldig.
"Ach, komm schon her, Eaven", schluchzte ich und zog sie in die Umarmung. Hazels Locken kitzelten an meinem Hals, Clarisse Ellbogen bohrten sich in meine Rippen, ich fühlte sogar Gregorys Pranke über meinen Rücken streicheln. Wir standen in einer Trost spendenden Umarmung da, ich mittendrin. Pansy hatte auch Draco und Blaise irgendwie dazu gebracht mitzumachen, oder sie hatten ganz von selbst Lust auf eine Umarmung bekommen, auf jeden Fall standen wir alle dicht gedrängt vor den großen Toren des Schlosses und genossen diesen plötzlichen Moment des Friedens und der Nähe. Manche vielleicht zu sehr.
"Blaise, Hand weg von meinem Schritt!"
~~~
Irgendwie schien es Blaise Spaß zu machen, mich unsittlich zu berühren, auf jeden Fall hatte er so meiner Heulorgie ein Ende bereitet. Vielleicht durch den Zusammenprall dieser beiden Aktionen, die von oppositären Gefühlen bestimmt worden waren, auf jeden Fall hatte meine Gefühlswelt einmal mehr einen Kurzschluss erlitten.
Ich war wieder vollkommen da, gesammelt und klar. Die Tränen trockneten bereits auf meinen Wangen und keine unnötigen Gefühle vernebelten mehr meinen Geist.
Ich wusste, was wir zu tun hatten und weil ich der Leiter dieser Mission war, schritt ich, Eaven an der Hand, voran. Wir betraten Hogwarts durch ein großes Portal, die Eingangshalle war bis auf wenige Nachzügler leer. Alle anderen waren wohl schon... keine Ahnung wo. Da, wo wir halt auch sein sollten.
Laute, zielgerichtete Schritte ertönten. Sie gehörten zu einer älteren Dame in grüner Robe und Spitzhut. Eilig näherte sie sich unserer Gruppe, ihr Gesicht, das von strengen Augen und schmalen Lippen beherrscht wurde, konnte ihre Beunruhigung nicht vollständig verbergen.
"Herzlich willkommen aus den Ferien. Haben Sie möglicherweise eine Ahnung, wo sich eine gewisse Miss O'Malley Eaven aufhalten könnte, Mister Malfoy, Mister Zabini?"
Uns andere schien die Hexe vor Sorge noch gar nicht richtig wahrgenommen zu haben. Sie strich sich über die Stirn und seufzte. "Als Erstes habe ich natürlich bei Mister Potter nachgefragt, aber-"
Gerade als Blaise sich räusperte, um den Sachverhalt zu klären, hob Eaven errötend die Stimme. "Ich bin Eaven, Frau Professor." Nervös schaute sie auf ihre Schuhspitzen, wohl in Erwartung einer Schelte, weil sie offenbar falsch gehandelt hatte. Ich verstärkte beruhigend den Griff um ihre Hand.
"Dann ist ja alles gut", atmete die Hexe auf. "Ich bin Professor McGonigall und die Schulleiterin. Ich werde Sie zu Professor Flitwick bringen, er übernimmt das Vorlesen de Namen zur Hauseinteilung an meiner statt."
"Du hättest ja Boot fahren müssen!", rief Gregory ganz erschrocken aus.
Draco verbarg sein Gesicht leicht verschämt hinter einer Hand. "Warum ist mir das nicht aufgefallen? Ich habe ja sogar gesagt, dass sie heute eingeteilt wird." Er hob den Blick und streifte mich damit misstrauisch.
"Wer sind Sie drei überhaupt?", fragte McGonni nach einem kurzen Stutzen. Ihre Sorge hatte sich völlig gelegt, Misstrauen hatte ihre leichte Zerstreutheit ersetzt. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie uns Halbgötter, die gerade erst aus Camp Halfblood gekommen waren, um die Zauberergemeinschaft zu beschützen - meine Truppe, meine Freunde, Menschen, die unter meiner Obhut standen.
Ich trat vor und lächelte mein charmantestes Lächeln, das Gonni jedoch nicht im Geringsten zu beeindrucken schien. Eaven trat neben mich, damit wir die Arme nicht so strecken mussten.
"Guten Tag, Professor." Besser so, als Sie durch die Nennung eines falschen Namens zu verstimmen. "Wir sind Austauschschüler aus Amerika, Hazel Levesque, Clarisse La Rue und Percy Jackson." Ich deutete nach der Reihe auf uns, um zu verdeutlichen, wer wer war. "Wir haben auch Papiere, die diesen Austausch bestätigen, falls Sie die benötigen. Vielleicht ist ja in der Buchhaltung etwas schiefgegangen? Es ist schließlich alles schon lange ausgemacht." Unauffällige Vorwürfe halfen meist. Sie verunsicherten das Gegenüber und man konnte sie leichter manipulieren.
Hazel kramte in ihrem Rucksack und zog alle Dokumente (genau eins, nämlich das Anmeldeformular), die wir von Hekate bekommen hatten, heraus. Trotz der Art und Weise, wie das Kuvert aufbewahrt worden war, verunstaltete kein einziger Riss, kein Knick seine Glätte, es wirkte beinahe schon unheimlich perfekt. Daran zu stören schien sich niemand, vielleicht fiel es auch nur niemandem auf. Die Plutotochter händigte es Gonni aus, welche das Kuvert öffnete und das Dokument skeptisch musterte.
Ich betete zu Hekat und allen anderen Göttern, die an der Fälschung dieser Papiere beteiligt gewesen waren oder sonst etwas mit Papier und dergleichen zu tun hatten. Wenn unsere Mission an Gonnis Inspektion der Papiere scheiterte, mussten wir uns einen anderen Ausgangspunkt für die Aufgabe suchen, und dazu hatte ich nach der Arbeit echt keine Lust.
"Wie bitte heißt eure Schule?" Gonni klang verwirrt, verständlicherweise. Wahrscheinlich konnte sie einfach nicht glauben, wie viel cooler unser Deckname im Vergleich zu 'Hogwarts' war.
Während Hazel sich in Grund und Boden schämte und Clarisse gepeinigt seufzte, verkündete ich stolz: "Na, Backfisch Rainbow High!"
Gregory und Pansy prusteten los, Blaise fiepte vor Vergnügen wie ein Tierbaby und Eaven kicherte. Draco schüttelte nur den Kopf.
Gonni schien Dracos Gedanken auszusprechen: "Ihr seid Amerikaner." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. "Ich entschuldige mich für mein unzuvorkommendes Verhalten, dieses Dokument scheint authentisch. Ihr werdet mit Eaven und mir zu Professor Flitwick gehen, damit ihr an der Einteilungszeremonie teilnehmen könnt. Dann schauen wir weiter."
Das hier ist wahrscheinlich die Fanfiction, in der es am längsten dauert, bis sie eingeteilt werden und Ollivander mehrere Kapitel gewidmet bekommt...
Deal with it
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