Kapitel 22
Ich war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr als ich draußen vor dem Hotel auf Reece wartete.
Ich trug ein weißes Sommerkleid, dazu passende hellbraune Sandalen und meine hellblaue Jeansjacke, die sowieso immer dabei war. Eine kleine Tasche mit meinem Handy und ein bisschen Geld hatte ich auch dabei. Ich wusste ja nicht, ob Reece einer dieser Jungs war, die ein Mädchen zum Essen ausführt und die Rechnung dann selber bezahlt.
Ein Auto hupte und ich zuckte kurz zusammen.
Als ich den Jungen erblickte, der aus dem Auto stieg und mich angrinste, konnte ich nicht anders als mich anstecken zu lassen.
"Hey Julie. Bereit?", fragte Reece und hielt mir die Tür des grauen Jeeps auf.
"Mehr als bereit.", antwortete ich und lächelte ihn an bevor ich mich auf den Beifahrersitz des Wagens fallen ließ.
Letztendlich fuhren wir fast eine Stunde doch zusammen fühlte es sich an als wären es nur ein paar Minuten. Wir lachten, erzählten uns Witze, redeten über unsere Lieblingssänger und hörten Musik der Beatles. Reece hatte einen ganzen Fanboy Moment als Yesterday abgespielt wurde, worüber ich nur den Kopf schütteln konnte.
Doch die ganze Zeit über wollte er mir nicht sagen, wo es hinging.
***
"Da wären wir, Madame."
Reece hielt mitten auf einer abgelegenen Straße an und stieg ohne ein weiteres Wort aus dem Auto. Verdutzt sah ich mich um.
Ich hätte ein Restaurant erwartet, wie es in den ganzen Romantikfilmen so Sitte war. Doch hier war weit und breit nur Wiese und von weitem konnte man ein Stückchen der Skyline Los Angeles' erahnen.
Die Sonne stand tief und tauchte den Himmel in eine Mischung aus rosa, rot und orange.
Auch wenn dieser Ort nun wirklich gar nicht einem Restaurant glich, fand ich es dennoch zehntausend mal schöner.
"Möchtest du alleine hier drinnen bleiben oder willst du mir hier draußen Gesellschaft leisten?", lachte Reece und öffnete mir die Tür woraufhin ich einen Schritt aus dem Fahrzeug setzte.
Es war noch warm, normal für Amerika, doch ein lauer Wind machte das Wetter einfach perfekt.
Und der süße Junge, der mich mit einem Picknickkorb in der Hand schief anlächelte, machte alles nur noch perfekter.
"Ich dachte, ich mache es nicht so langweilig. Mit Restaurant und Kino und so. Das ist doch Klischee. Was sagst du?", fragte er und drehte sich im Kreis.
Als Antwort ging ich auf ihn zu und umarmte ihn.
"Es könnte nicht besser sein", murmelte ich gegen sein Shirt und hörte sein Herz dabei schnell schlagen.
Er seufzte erleichtert und stellte den Korb auf dem Boden ab, breitete eine rot-weiß karierte Decke auf dem Gras aus und setzte sich drauf. Er deutete neben sich, dann ließ auch ich mich neben ihm nieder.
Reece hatte selbstgebackene Erdbeermuffins, einen Obstsalat und eine kleine Lasagne mit zwei Gabeln dabei, die wir in null Komma nichts verspeist hatten. In einem Restaurant hätten wir definitv eleganter dabei ausgesehen, doch das war mir egal.
Nichts konnte nicht schön sein in diesem Moment.
Ich wollte ihn einfangen, so, dass er nie mehr verging.
"Komm mit. Ich möchte dir noch etwas zeigen."
Reece hielt mir seine Hand hin, als er aufgestanden war. Er zog mich hoch, lächelte mich kurz an und rannte dann los. Ich wusste nicht wohin doch ich ließ mich von dem Drang, bei Reece zu sein, mitreißen.
Es wurde langsam dunkel und nur noch einige Straßenlaternen beleuchteten den Weg vor unseren Füßen.
"Augen zu. Es soll eine Überraschung werden!", sagte der blonde Brite, zog ein Halstuch aus seiner Hosentasche und verband mir damit die Augen.
"Keine Sorge, ich werde dich nicht verschleppen", kicherte er und nahm sachte meine Hand.
Ich genoss es, seine warmen Finger an meinen zu spüren und ließ mich von seinen Worten vorwärts leiten.
Ich vermutete, dass wir einen Berg hochliefen, als Reece sagte, dass wir angekommen waren.
"Willkomen an meinem Lieblingsplatz in Los Angeles", fing er an und nahm mir die Augenbinde ab. "Dem Griffith Observatorium!"
Er deutete auf das große weiße Gebäude, vor dem wir standen.
Es kam mir unglaublich bekannt vor, hier spielten diverse Hollywood Blockbuster, doch ich hätte nie gedacht, dass mich mein erstes Date an solch einen Ort führen würde.
"Los komm!" Wieder nahm Reece meine Hand und zog mich mit dich durch die Eingangstür, die Treppe hinauf und auf eine riesige Plattform auf dem Dach der Sternwarte.
Er musste hier schon bekannt sein, denn er nickte der Kassiererin am Tresen nur zu woraufhin sie ihm mit einem Lächeln antwortete.
Der Boden der Plattform war komplett aus Glas angefertigt, weshalb ich langsam einen Fuß vor den anderen setzen musste.
"Kennst du dich mit Sternbildern aus?", fragte ich, den Kopf in Richtung des dunkelblauen Himmels gestreckt.
"Nicht wirklich. Du?"
Reece's Stimme klang so warm wie noch nie und mich durchzog dieses Gefühl, dass man bekam, wenn man seinen alten Lieblibgssong nach Jahren wieder anhört.
"In der Siebten war ich mal in der Astronomie AG... aber das ist ja schon eine halbe Ewigkeit her."
Schief lächelnd sah ich den blonden Jungen neben mir an, der wie gebannt in das Sternenmeer schaute und seine Augen dabei glitzerten wie immer, wenn er von etwas faszinierend fand.
"Ach komm schon"
Reece's Mundwinkel zogen sich nach oben und er begann zu lachen.
"Also...", räusperte ich mich und ließ meinen Blick wieder uns dunkle blau schweifen.
"Siehst du den Stern da? Der der am hellsten leuchtet?"
Ich zeigte mit meinem Finger in das Meer aus hellen Pünktchen und Reece folgte meiner Geste. Er nickte.
"Das ist eigentlich gar kein Stern. Das ist Jupiter.
Er befindet sich über 800 Millionen Kilometer entfernt von uns, was ungefähr 45 Lichtminuten sind.
Und siehst du die fünf Sterne da hinten? Die, die wie ein W angeordnet sind?"
Wieder nickte Reece und schaute gebannt in die Richtung, in die ich zeigte.
"Das ist das Sternenbild Kassiopeia. Und weißt du was krass ist? Die Sterne sind nicht nur viele Lichtjahre von uns, sondern auch voneinander entfernt. Das bedeutet, wir können gar nicht wissen, ob einer der fünf nicht schon vor Hunderten von Jahren explodiert ist."
"Unsere Welt ist also eine kleine Zeitmaschine in diesem großen Universum", murmelte Reece mehr zu sich selbst.
"Was?" Ich war ein wenig verwirrt und auch leicht aus dem Konzept gebracht.
"Wenn die Sterne da oben-", er zeigte mit beiden Händen in den Himmel, "-vielleicht schon explodiert sind, dann heißt das doch, wir können in die Vergangenheit sehen. Und das heißt, unsere Erde ist eine Zeitmaschine!"
Ich schmunzelte und sah den Jungen an, der mich schief anlächelte und sich wieder diese Kringel auf seiner Nase bildeten.
"So hab ich das noch gar nicht gesehen", antwortete ich nachdenklich und wendete meinen Blick wieder von Reece, was mir offengestanden nicht leicht fiel.
"Und wenn die blöde Lichtverschmutzung nicht wäre, keine einzige Wolke am Himmel kleben würde und wir den gesamten Himmel im Blick hätten, könnten wir sogar dein und mein Sternzeichen sehen. Da ungefähr wäre deins."
Ich drehte mich um und zeigte in den Himmel, der sich wie eine Kuppel über uns legte und es fühlte sich so an, als wären nur wir beide auf dieser Welt.
"Und da rechts daneben wäre meins. Schade, dass man sie so schlecht sieht heute Abend. Weißt du, ich finde das ganz schön seltsam, dass jeder Mensch bei seiner Geburt ein Sternzeichen zugewiesen bekommt. Wozu? Damit wir in albernen Teenie Zeitschriften unser Horoskop nachlesen und unsere Hoffnung aufgeben können, weil der Junge, den wir mögen ein Sternzeichen hat, dass nicht zu uns passt?
Hey, ich hör mich ja an wie ein Astronomienerd persönlich!"
Ich strich mir mit der rechten Hand über den linken Oberarm und drehte mich wieder zu Reece um. Sein Blick war voll und ganz auf mich gerichtet, was mich vollkommen weghaute.
"Das stimmt nicht. Und außerdem ist Nerd sein überhaupt nicht schlimm. George ist der größte Nerd, den ich kenne und ich kann ihn trotzdem leiden."
Verlegen nicke ich und wurde ein bisschen rosa.
"Im Gegensatz zu dir lese ich öfters mein Horoskop. Eher gesgt lasse ich es mir vorlesen. Blake ist eine richtige Oma, wenn es um Aberglaube und so einen Quatsch geht und liest uns jeden Morgen beim Frühstück unser Horoskop vor."
Mein Mund zog sich zu einem Lächeln und mir wurde wärmer, als Reece einen Schritt näher an mich herantrat.
"Und weißt du was? Ich habe gehört, dass Löwe und Krebs ausgezeichnet zueinander passen!"
"Woher-?"
Reece zog belustigt eine Augenbraue hoch.
"Woher ich weiß, dass du im Juli Geburtstag hast?"
Schnell nickte ich.
"Erstens: Du hast eine sehr gesprächige Schwester. Zweitens: Hast du dir schonmal deinen Namen angeguckt?"
Der blonde Junge grinste mich schräg an, nahm meine Hand und zog mich wieder in Richtung Geländer.
Die Stelle, an der er meine Hand berührt hatte, wurde ganz warm und kribbelte, als würde die ganze Bevölkerung eines Ameisenhaufens darauf herumtänzeln.
Eine ganze Weile schauten wir gebannt in den Sternenhimmel. Diese Stille, die nur ab und zu durch das leise Rauschen des Windes unterbrochen wurde, war so angenehm und wunderschön, dass ich sie am Liebsten für immer angehalten hätte. Nur ich und Reece zusammen unter den Weiten der Himmelskuppel, kein Geräusch, welches diesen Moment hätte kaputt machen können.
"Julie?"
Ich erschrak, als ich Reece's Worte durch die Stimmen meiner Gedanken hindurch vernahm und zuckte zusammen.
Reece atmete tief ein und stieß anschließend laut die Luft aus, die warm meinen Körper traf.
Er trat langsam einen Schritt auf mich zu und tastete nach meiner Hand.
Die war bestimmt tierisch verschwitzt als ich sie ihm reichte, da mein Herz so dermaßen Klopfte, dass ich Angst hatte, Reece würde es hören.
"Erinnerst du dich an letzte Woche auf dem Rummelplatz?"
Ich nickte in Reece's Richtung und als wären sie ein Köder und ich ein Fisch an der Angel fingen mich seine extrem grünen Augen ein weiteres Mal ein.
"Auf dem Free Fall Tower..."
Sein Blick sank nach unten und seine Hand hielt meine nur noch fester.
"Ich habe gar keine Höhenangst."
Ich zwinkerte ein paar mal theatralisch mit den Augen und schaute Reece daraufhin verwirrt an, der seinen Kopf wieder hob um mir direkt in meine Seele zu sehen.
"Ich brauchte einfach nur eine gute Ausrede, deine Hand halten zu dürfen."
Reece's Blick wanderte auf unsere Hände, die fest miteinander verflochten waren. Als er wieder zu mir sah, hatte er das schönste Lächeln auf den Lippen, dass man sich überhaupt jemals vorstellen konnte.
Jetzt war es aus mit mir. Alle Schweißdrüsen auf meinem Körper platzten und ich dachte schon, ich würde in weniger als zwei Sekunden aussehen wie ein ekelhafter Wasserfall. Mir wurde heißer als ein Ofen und mit meinem zunehmend schneller werdenden Herzschlag rückte Reece auch immer näher heran.
Meine Kehle war wie zugeschnürt und mein Puls ging schneller denn je.
Doch dieses Mal wusste ich, wieso mein Körper diese ganzen seltsamen Sachen machte. Ich konnte es nur einfach nicht wahrhaben, geschweige denn aussprechen.
"Julie?"
Wieder unterbrach Reece die hysterischen Schreie, die meine Gedanken sich einander zuwarfen und damit versuchten, nicht komplett irre zu werden und womöglich den Weg durch meinen Mund zu finden.
Mein Herz klopfte wie wild, laut und stark als wolle es schreien. Die Erinnerungen von allen diesem Momenten, als ich ihm gegenüberstand und fast übergeschnappt war vor...
Liebe!
Ich hatte mich in Reece verliebt, schneller als ich gucken konnte.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich in Reece's Augen schaute. Wir standen uns so nah, dass ich fast zu atmen vergaß. Seine Nähe und alles an ihm brachte mich so durcheinander. Die Röte stieg mir in die Wangen und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Mein Blick streifte über seine gekringelte Nase, seine grünen Augen, dem kantigen Kiefer und blieb schlussendlich an seinem Mund hängen.
"Julie." Reece's raunende Stimme ließ meine Gedanken verstummen und wieder trat Stille ein. Er hob seine Hand und strich damit über meine Wange. Auf der Stelle wurde mir wieder kochend heiß und ich dachte, ich müsste auf der Stelle sterben als er seine Stirn sanft gegen meine presste. Seine Nasenspitze berührte meine und wir starrten uns gegenseitig an.
"Kennst du diese Momente, in denen du nur einmal die Chance hast etwas zu tun, weil du weißt, dass es einen Moment wie diesen nie wieder geben wird?", fragte Reece flüsternd und verlor mich dabei nicht aus den Augen.
Dann schlang er seinen Arm um meine Taille, seine rechte Hand grub sich in mein Haar und er zog mich fest an sich. Sein Mund fand meinen und schlagartig vergaß ich jeden Gedanken, der mir gekommen war und ich spürte nur noch seine Lippen auf meinen und das Feuerwerk, des Festivals, das in meinem Körper stieg.
Durch sämtliche Zellen meines Körpers wurde ein Stromschlag gejagt, als ich meine Arme um seinen Hals schlang und meine Finger in seinen Locken vergrub.
Reece's warme Hände wanderten zu meinem Gesicht und strichen leicht über meine Wangen. Über meine Haut zog sich eine elektrische Linie, die meinen Körper noch mehr unter Strom setzte als er ohnehin schon war.
Sein Körper presste sich gegen meinen und der Kuss wurde sanfter und langsamer.
Eine Wärme, die fast nicht zum aushalten war, durchflutete mich, als er mir behutsam eine braune Strähne aus dem Gesicht strich und sich von mir löste.
"Du bist der Wahnsinn, Julie Elisabeth Derry."
Reece's Stimme, die näher an meinem Ohr war denn je, steigerte mein Verlangen nach einem weiteren Kuss nur noch mehr.
Ich griff seinen Kragen und zog den Jungen mit sanfter Gewalt zu mir herunter.
Meine Stimme kippte und ich bekam gerade noch so heraus, was ich sagen wollte.
"Aber nicht so wahnsinnig wie du."
Und noch ehe ich nachdenken konnte, überwand ich die letzten Zentimeter und drückte meine Lippen auf seine.
Wieder explodierte mein Innenleben, mein Herz raste mit meinen Gedanken um die Wette, doch eigentlich kreiste alles nur um den einen Jungen, der vor mir stand.
Und ich wusste: Das war erst der Anfang
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Überraschung! ♡
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