Kapitel 10
Den nächsten Tag verbrachten Mama, Papa, Sofia und ich komplett bei meiner Tante. Wir bestellten das Buffet, deckten die letzten Tische mit den hundert Rollen weißer Tischdecke ein, bastelten Tischkärtchen für die Gäste und erledigten weitere diverse Sachen, die man für eine Hochzeit eben so vorbereiten muss.
"Julie?", fragte Sofia und schaute mich ganz angestrengt an. Ihre Stirn lag in Falten und sie kaute am Ende ihres roten Fineliners wie eine vielbeschäftigte Sekräterin.
"Wie wird 'Kimberly, du bist zwar nicht mein Lieblingscousine aber du musst trotzdem mit hier am Tisch essen' geschrieben?"
"Sofia!", rief ich empört, nahm ihr den Stift aus der Hand und strich die Wortansätze durch, die sie schon auf die glänzenden Kärtchen geschrieben hatte.
"Das kannst du doch nicht auf die Platzkärtchen schreiben! Meinetwegen kannst du so etwas denken aber sag es Kimberly lieber nicht."
Enttäuscht schnaubte die Kleine und schnappte sich eine neue Karte.
Kimberly war die Tochter des Bruders meiner Mutter und meiner Tante. Sie war im Juni 18 geworden und war der Inbegriff einer Instagram-Tussi. Hauptsache viele Likes, dann war sie glücklich. Sie war auch so eine, die alle 14 Tage einen neuen Kerl anschleppte. Deswegen war ich ziemlich neugierig, wen sie dieses Mal herschleifen würde. Das letzte mal hatte ich sie im letzten Jahr gesehen, bei der Taufe ihres kleinen Bruders.
Dort hatte sie einen Jungen dabei, der wie eine Klette an ihr hing. Ich glaube sein Name war Alex.
Sowieso rannten ihr alle Jungs hinterher. Was definitiv nicht daran lag, dass sie einen megatollen Charakter hatte.
Viel mehr sah sie mit ihrer perfekten Figur und ihren langen blonden Haaren einfach perfekt aus und fiel somit direkt ins Beuteschema vieler pubertierender Jungs.
Sie wusste auch, wie sie ihren Körper richtig einsetzte und hatte mir bei Familienfeiern oder Geburtstagen schon des Öfteren den ein oder anderen Kerl weggeschnappt.
Dennoch kam ich mit ihr aus doch anscheinend machte sie keinen sehr guten Eindruck auf Sofia, wie ich feststellte.
Ich schmunzelte und setzte in geschwungener Schrift die letzten Namen auf die Karten, faltete sie zusammen und stellte sie auf den langen Holztisch mit der weißen Tischdecke.
***
"Soll ich den grünen oder den schwarzen nehmen?", fragte Aaron und hielt zwei Kleiderbügel mit Anzugjacken in die Höhe. Wir waren in sein Zimmer gegangen, denn ich sollte ihn beraten, welcher Anzug besser zu ihm und zum Anlass passen würde.
Der Junge brauchte auch mal eine kompetente Beratung.
Ich grübelte und kaute währenddessen auf meiner Unterlippe herum.
"Zieh mal die grüne Jacke über!", wies ich ihm und er warf sich in das Teil.
Ich rümpfte die Nase.
Das Grün biss sich schrecklich mit seinen blauen Augen.
"Okay, die also nicht", lachte Aaron und schälte sich aus dem Jackett.
Da hatte er meinen Blick also richtig gedeutet.
"Jetzt die andere!"
Er warf die schwarze Jacke über und ich zog eine Augenbraue hoch.
Der Stoff hatte fast die gleiche Farbe wie seine Haare, was hat nicht mal schlecht aussah. Aber irgendetwas fehlte noch...
"Warte kurz!", rief ich Aaron zu und schon war ich aus dem Zimmer gestürmt.
Ich hastete die Treppe hinunter in das Zimmer meiner Tante und meines Onkels uns riss die Tür des riesengroßen Kleiderschrankes auf. Angestrengt durchforstete ich die einzelnen Schubfächer und Regalbretter in meines Onkels Hälfte des Schrankes.
Ich wühlte durch einen Berg Socken, ich wusste ja nicht, wie alles organisiert war. Das Schubfach mit der Unterwäsche schob ich gleich wieder zu. Da würde sich bestimmt nicht das befinden, was ich grade suchte.
Mehrere Hemden zur Seite schiebend, wurde ich letzten Endes fündig.
Ich schnappte mir das gesuchte Kleidungsstück, stopfte das, was ich aus den Schränken gewühlt hatte, ordnungsgemäß wieder in die dafür vorgesehenen Fächer und rannte dann wieder die Treppe hinauf.
Aarons Blick sprach Bände.
"Was war das denn gerade für eine Aktion?", lachte er und zog eine Augenbraue hoch.
Ich sagte nichts und hielt nur die Fliege in die Höhe, die ich aus dem Schrank seines Vater geklaut hatte.
Sie bestand aus blauem Samt mit weißen Punkten.
Aaron wollte gerade etwas erwidern, da hielt ich meinen Finger vor den Mund und legte ihm einfach die Fliege um. Sie passte ausgezeichnet zu seinen Augen und Haaren und natürlich zum schwarzen Anzug.
Mein Cousin drehte sich in Richtung Spiegel und nickte zufrieden.
"Sieht heiß aus!", sagte Aaron und zwinkerte seinem Spiegelbild zu, nachdem er sich einmal durch die lockigen dunklen Haare gegangen war.
Ich musste lachen. Er konnte manchmal echt selbstverliebt sein.
***
Als wir wieder auf den Hinterhof, der Location, traten, waren drei der vier weißen Pavillons bereits aufgebaut. Darin sollte am Hochzeitstag der Hochheitstanz stattfinden. Ich freute mich schon richtig darauf und besonders, diesen tollen Abend mit Reece zu verbringen. Er war der, mit dem ich, glaube ich, bisher die meiste Zeit verbracht hatte und es würde einfach nur eine richtig toller Abend werden.
"Träumste davon, wie du hier mit deinem kleinen Freund über die Wiese tanzt?", sagte Aaron mit einem sehr seltsamen Lächeln auf den Lippen.
Mal davon abgesehen, dass Reece definitiv nicht klein war, hatte er Recht.
"Treibts nicht zu wild!", lachte er, kehrte sich um und ging zu einer seiner Schwestern und half ihr, kleine Origami Tauben zu falten.
Was sollte das denn jetzt heißen? Und wer hatte ihm überhaupt von Reece erzählt?
Bestimmt Mama. Die war immer sofort scharf drauf, mit welchem Jungen ich gerade abhing und erzähle es gefühlt der halben Welt gleich am nächsten Morgen.
Ich seufzte.
***
Als die Sonne anfing unterzugehen und die weißen Pavillons in ein episches Licht tauchte, sahen alle zufrieden auf ihr Werk. Es waren jetzt alle Vorbereitungen getroffen, das Buffet war bestellt, die Tische waren so gut wie eingedeckt, die Band war bestellt und alle Gäste waren bereit zu kommen.
"Jetzt kann unserem großen Tag nichts mehr im Wege stehen!", sagte mein Onkel und schlang seine Arme um die Hüften meiner Tante. Sie sahen so süß aus zusammen und man gönnte ihnen die Hochzeit von allen Herzen. Schon als sie sich damals kennengelernt hatten, ich glaube ich war neun, merkte man, dass die beiden auf jeden Fall zusammen gehören. Und jetzt, wo sie schon drei Kinder zusammen bekommen hatten, war es aller höchste Eisenbahn, die Hochzeit einzuleiten.
"Das wird der schönste Tag unseres Lebens!", seufzte meine Tante glücklich und küsste meinen Onkel auf die Wange.
Aus dem augenwinkel sah ich, wie Aaron, Amelia und Elisa gleichzeitig eine Augenbraue anhoben und ihre Eltern fragend ansahen.
"Mal ganz abgesehen von eurer Geburt!", rettete sich mein Onkel aus dieser brenzligen Situation und lächelte seine Kinder an.
Die zufriedene Stimmung wurde von einem Telefonklingeln unterbrochen.
Verwirrt riss meine Tante die Augen auf und rannte zu dem Beistelltisch, auf dem ihr Smartphone lag.
"Hallo?", redete meine Tante in den Telefonhörer und würde mit jedem weiteren Wort, das sie sagte blasser.
Zuletzt öffnete sie nur den Mund und sagte nichts, sondern legte nur auf.
Gespannt und nicht ganz unneugierig schauten alle sie an.
"Manuel? Jetzt bitte nicht ausrasten...", kündigte sie an und ich schluckte.
Was jetzt wohl kommen würde?
"Die Band hat eben abgesagt!", brach es aus ihr heraus und sie sah ganz verzweifelt aus.
Meine Mama rannte zu ihr und umarmte sie. "Wir werden schon einen Ersatz finden! Keine Sorge!"
Sie schluchzte. "Die Hochzeit ist am Freitag! Am Freitag! Wie soll ich denn innerhalb von drei Tagen eine ordentliche Band besorgen?"
Ich dachte nach. Das könnte echt problematisch werden, auf die schnelle eine Band aufzutreibem, die nicht nur Schlager singt.
***
Selbst im Auto auf dem Rückweg zum Hotel grübelte ich durchgehend. Irgendwas musste mir einfallen. Eine Hochzeit ohne Livemusik war einfach keine schöne Hochzeit und ich wusste ganz genau, dass meine Tante furchtbar enttäuscht werden würde, wenn sie nichts finden würde.
Ich grübelte während ich meine Tür aufschloss.
Ich grübelte während ich meine Zähne putzte.
Ich grübelte als ich meinen Schlafanzug anzog.
Ich grübelte sogar, als ich mir den Zeh am Keyboard stieß.
Aber mir wollte überhaupt nichts einfallen.
Ich lag noch eine ganze Weile wach und starrte an die Decke, bis mich der Schlaf letztendlich doch einholte
Mitten in der Nacht schreckte ich aus meinem Bett auf.
Meine Tante brauchte also eine Band.
Und wenn die drei Jungs wirklich so gute Kontakte zu der Band hatten, würde meiner Idee nichts um Wege stehen...
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Heute mal ein etwas langweiliges Kapitel :/
PS:
Wie ihr sicher schon festgestellt habt, hat die Weihnachtszeit begonnen 🎅
Das heißt ich werde nicht mehr so viel Zeit haben, hier zu updaten. Da ich auch noch einen wichtigen Film im Kunstkurs drehen muss und Drehbücher für drei verschiedene Serien, wird vorraussichtlich vor Neujahr kein neues Kapitel mehr kommen.
Ich hoffe ihr habt schöne Weihnachten und verbringt auch mal ein bisschen Zeit mit der Familie (Handy weglegen nicht vergessen!)
😋🎄
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