40 | zenith
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z e n i t h
februar 2015
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Harry || „Lass uns tanzen gehen", schlage ich Ally vor und strecke ihr die Hand entgegen, um sie von dem Barhocker zu ziehen.
Ihr Lächeln wirkt leicht verzerrt hinter der Maske, die in diesem Club Standard ist. Sie überdeckt das meiste ihres Gesichts, bloß ihre strahlendblauen Augen und Lippen sind hinter ihr zu erkennen. Wenn ich nicht wüsste, dass es sich um meine Freundin handelt, hätte ich sie nie im Leben erkannt.
Und genau das ist der Grund, warum ich diesen Club so liebe.
Louis und ich haben das Etablissement vor Jahren in der Nachbarschaft entdeckt, in der sich damals unsere Wohngemeinschaft befunden hat. Ohne Maske bekommt hier keiner Zutritt, womit es für mich die hervorragende Möglichkeit ist, einfach einmal zu verschwinden. Im Vicious bin ich einfach nur ein Clubgänger wie alle anderen. Niemand weiß, dass sich hinter meiner Maske Harry Styles entdeckt.
Diesen Umstand koste ich aufs Äußerste aus, während ich Ally auf die Tanzfläche ziehe und dabei meine Lippen über ihren Hals gleiten lasse. Normalerweise wäre mir das nie möglich, weil dann direkt eine Handykamera auf uns gerichtet würde und mich mit voller Wucht in die Klatschpresse befördern würde. Heute kann ich jedoch meine Freundin küssen, so oft ich will.
„Entspann dich. Niemand weiß, wer wir sind", murmele ich Ally ins Ohr, die selbst heute Abend nicht alle Sorgen loswerden kann. „Wir sind einfach nur ein Teil der Menge, okay?"
„Okay", entgegnet sie.
Ich massiere ihre Schultern, während ich mich mit ihr auf der Tanzfläche hin- und herwiege. Die schnelle Musik passt so gar nicht zu unserer langsamen Umarmung, aber auch das ist heute egal. Solange ich sie einfach festhalten darf, ist jedes Lied dazu geeignet.
Endlich entspannt sie sich, lässt sich gegen mich fallen und schenkt mir ein kleines Lächeln. Ally lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter und schließt die Augen, während wir in dieser parallelen Welt versinken.
Einer Welt, in der wir keine Angst vor der Öffentlichkeit haben müssen.
Einer Welt, in der wir einfach wie alle anderen sind.
Einer Welt, die wir so sehr zu schätzen wissen.
„Wann bist du das letzte Mal in diesem Club gewesen?", fragt Ally mich, während ihre Finger Muster auf meinen Rücken malen.
„Vor Monaten einmal mit Liam. Aber er konnte es nicht richtig genießen, weil ihn die Masken wahnsinnig gemacht haben", erzähle ich ihr.
Ally lacht leicht. „Ich kann ihn verstehen. Mich juckt es schon die ganze Zeit an der Nase."
„Aber dir gefällt es hier, oder?" Fragend sieht sie zu mir hoch.
Die Musik dröhnt in unsere Ohren, die Tanzfläche vibriert unter unseren Füßen und es ist so laut, dass ich sie kaum verstehen kann. Überall ist Lachen zu hören, immer wieder werden wir von jemandem angestoßen. Es ist die typische Clubatmosphäre, die ich endlich einmal genießen kann, ohne dass ich die ganze Zeit befürchten muss, dass sich jemand in unsere Richtung stürzt.
Normalität weiß man erst dann wirklich zu schätzen, wenn man sie nicht mehr besitzt.
„Ich liebe es", gebe ich zu. „Die Anonymität kann echt entspannend sein."
Allys Finger verschränken sich in meinem Nacken, fahren vorsichtig über meine Haut und lassen eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper rieseln. Es ist erstaunlich, dass selbst die geringsten Berührungen von ihr mich vollkommen aus der Bahn werfen können. Ich bin verloren in ihr und ich wünsche mir nichts anderes. Sie ist alles, was ich im Leben haben will.
„Ist es wirklich so schlimm, wenn du in einem normalen Club bist, Hazza?"
„Nicht immer. Aber meistens kann ich mich einfach nicht ganz entspannen, weil ich immer befürchte, erkannt zu werden. Und manchmal entdecken mich wirklich Leute, was im schlimmsten Fall so endet wie bei der Mottoparty damals in Manchester."
Damals hat mich direkt eine ganze Mädchengruppe erkannt gehabt und schneller als ich flüchten konnte, wurde meine Location bereits auf Twitter unter den Fans verraten. Der Schwarm Mädchen war immer größer geworden und meine Freunde habe ich nicht finden können, weswegen ich schließlich in meiner Verzweiflung eine alte Schulfreundin um Hilfe bitten wollte.
Dass ich damals stattdessen bei Ally in der Leitung landete, war ein Wink des Schicksals.
Ich erinnere mich nicht mehr an alle Details dieses Abends, an dem wir uns kennengelernt haben. Bis zu ihrem Auftauchen ist alles ziemlich verschwommen, doch die darauffolgende Flucht und Taxifahrt habe ich noch ziemlich gut im Gedächtnis. Genauso wie den mörderischen Blick ihrer Mutter am nächsten Morgen, als sie mit der Taschenlampe auf mich losgegangen ist.
„Als ich den Pulk Mädchen damals um dich herum gesehen habe, habe ich einen Augenblick überlegt, einfach wieder zu verschwinden", meint Ally.
Neugierig sehe ich sie an, denn dieses Detail ist mir bisher nicht bekannt gewesen. „Warum hast du es nicht getan?"
„Weil ich dir ein Versprechen gegeben habe", entgegnet Ally, als wäre das Antwort genug. Und aus ihrem Mund ist es das auch, denn sie glaubt an Versprechen wie niemand sonst. Sie sind ihre Sicherheit und ich habe bis heute nicht ganz verstanden, wieso genau sie ihr so wichtig sind. Aber ich weiß, wie viel sie ihr bedeuten und ich bemühe mich.
Ich drehe Ally einmal um ihre eigene Achse, bis ihr wunderschönes Lachen ertönt und ziehe sie dann wieder in meine Arme.
„Ich habe gestern übrigens mit Helen darüber gesprochen, dass ich mit ihr zusammenziehen werde", erzählt sie mir.
„Und? Wie hat sie reagiert?", frage ich vorsichtig, weil ich weiß, wie viel Angst Ally vor dem Gespräch gehabt hat.
Ally hat ein erleichtertes Lächeln im Gesicht. „Sie hat gesagt, dass sie sich für mich freut und sie sich einmal wöchentlich selbst einladen wird."
„Das hört sich super an", entgegne ich ebenfalls erleichtert. Ich habe zwar nichts anderes erwartet, weil Helen mir bisher total nett vorkam, aber Allys Anspannung hat sich ein wenig auf mich übertragen. Jetzt bin ich einfach glücklich, weil wir wirklich endlich Pläne machen.
„Ich lasse dir übrigens einen Schlüssel hier", schlage ich vor. „Dann kannst du schon mal ein paar Dinge in das Haus bringen, während ich auf Tour bin."
Lächelnd drückt Ally mir einen Kuss auf die Narbe am Kinn, die immer noch ein wenig rötlich ist. Jedoch ist sie mittlerweile so unscheinbar, dass sie unter den Fans keine wirklichen Ausbrüche provoziert hat.
„Das hört sich toll an, Hazza. Dann habe ich das Meiste schon im Haus, bevor du von der Tour zurückkommst und ich einziehen kann."
Diese Worte von ihren Lippen zu hören, lassen mein Herz vor Glück explodieren. Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als endlich ein gemeinsames Leben mit ihr zu beginnen.
„Du weißt aber, dass du nicht auf mich warten musst? Du kannst schon einziehen, wenn ich noch unterwegs bin."
„Ich will aber warten", entgegnet Ally mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Alles andere wäre merkwürdig. Außerdem will ich, dass wir das gemeinsam machen. Ich will den ersten offiziellen tag in unserer gemeinsamen Wohnung mit dir verbringen."
Ich wirbele sie einmal durch die Luft, weil ich mein Glück irgendwie ausdrücken muss und stelle sie dann sicher wieder ab. Gemeinsam drehen wir uns über die Tanzfläche, inmitten all der anderen Personen und dennoch fühlt es sich so an, als wären nur wir beiden hier. Wir haben unsere eigene kleine Welt.
„Was genau werden wir denn an unserem ersten offiziellen Tag machen, wenn du einziehst?", frage ich sie.
Allys Zeigefinger trommelt unbewusst gegen meinen Rücken, wie so oft, wenn sie über etwas nachdenkt.
„Wir könnten Freunde einladen, einen Spieleabend machen und was kochen", schlägt sie vor. „Oder vielleicht doch besser Pizza bestellen, denn kochen können wir beide überhaupt nicht."
Ich lache, denn damit hat sie leider Recht. In der Küche sind wir beide eine absolute Katastrophe.
„Ich hätte eher an einen Tag nur mit uns beiden gedacht", grinse ich dann. „Vorzugsweise nackt. Wir müssen schließlich alle Räume offiziell einweihen, wenn du einziehst."
„Harry", zischt sie mit roten Wangen.
Unschuldig zwinkere ich ihr zu. „Was denn?"
„Du bist unmöglich!"
Sie streckt mir die Zunge heraus, woraufhin ich in Gelächter ausbreche. Es gibt nichts Schöneres, als sie aus ihrer Haut fahren zu lassen. Meistens ist Ally so überlegt und nachdenklich, dass es umso spaßiger ist, wenn sie dann ihre Fassung verliert. Dabei kann sie auch das Hervorragend, denn wenn man nicht aufpasst, dass explodiert das Mädchen mit den Gewitteraugen wie eine Bombe.
„Wie genau machen wir das mit dem Kochen denn überhaupt?", fragt Ally, nachdem wir einem etwas zu euphorischem Tanzpaar gerade noch ausgewichen sind.
Stirnrunzelnd sehe ich sie an und hasse es einen Augenblick, dass ihr Gesicht immer noch größtenteils von der Maske versteckt wird. Das macht es schwerer, sie zu lesen.
„Wie genau meinst du das?", frage ich sie, als ich nicht schlau aus ihr werde.
„Ich kann nicht kochen und du auch nicht", stellt Ally fest. „Helen und ich kochen, aber mehr als Nudeln gibt es bei uns nicht wirklich. Was isst du so, wenn du bei dir bist?"
Für mich alleine zu kochen, hat noch nie wirklich Sinn gemacht. Denn erstens dauert es viel zu lange und ich habe immer viel zu viel. Außerdem sind meine Kochkünste wirklich ein Desaster, weswegen ich es oft nicht einmal versuche.
„Ehrlich gesagt bestelle ich mir meistens einfach irgendwas oder gehe essen."
Ally beißt sich auf die Unterlippe. „Das kann ich mir nicht leisten, Hazza."
Vorsichtig fahre ich mit meinem Finger über ihre Lippen, bis sie sich wieder entspannt. „Dann kochen wir einfach öfter selbst, okay? Wir werden auch mit Nudeln überleben und ich werde versuchen, kochen zu lernen."
„Das will ich sehen", lacht sie.
Grinsend strecke ich ihr die Zunge heraus. „Ein bisschen mehr vertrauen bitte."
„Ich vertraue dir vollstens, Harry", flüstert sie mir ins Ohr. „Nicht was das Kochen angeht, aber allgemein."
Ihre Worte lassen mein Herz schneller schlagen. „Kannst du auch", versichere ich ihr. „Und ich verspreche dir, dass ich auch das mit dem Kochen hinkriegen werde. Du darfst dir sogar ein Gericht wünschen, was ich als erstes üben werde."
Ally sieht über meinen Kopf hinweg zu der Diskokugel, die alles um uns herum in bunte Farben taucht, während sie nachdenkt. „Wie wäre es mit Champignonschnitzel und Kartoffeln?", schlägt sie schließlich vor.
„Ich habe dich noch nie Schnitzel essen sehen, Al."
„Esse ich eigentlich auch nicht, aber wir sollten mit was leichtem anfangen."
Ich schnaube. „Du bist ja echt von meinen Kochkünsten überzeugt."
Lachend zieht sie mich zu sich herunter und gibt mir einen Kuss.
„Wie gefällt dir der Club denn, Al?", frage ich schließlich, nachdem wir eine Weile einfach schweigend über die Tanzfläche geglitten sind.
„Ich weiß es noch nicht ganz", antwortet sie mir, nicht direkt, sondern nach einigem Nachdenken. ist keiner der Menschen, die einfach eine Antwort geben. Jedes ihrer Worte ist sorgsam ausgewählt, doch das bedeutet gleichzeitig auch, dass man sich immer auf sie verlassen kann.
„Wieso bist du dir nicht sicher?", frage ich sie.
„Die ganzen Masken sind gruselig."
Ich lache lautstark, ohne mich darum sorgen zu müssen, dass es irgendwen auf uns aufmerksam macht. Denn heute Nacht sind wir einfach nur ein weiteres, beliebiges Paar in einem Londoner Club, die ihre Zeit gemeinsam genießen.
„Aber die Anonymität ist toll", meint Ally schließlich ernst.
Ich fahre mir durch die Haare, wobei ich mir beinahe die Maske vom Kopf reiße. Eilig schiebe ich sie wieder an die richtige Stelle.
„Wünschst du dir manchmal, dass ich einfach normal bin?", frage ich sie leise. Meine Stimme kann die lautstarke Musik kaum übertönen, doch Ally hört mich trotzdem.
„Du bist normal, Harry."
Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Du weißt, wie ich das meine."
„Ich denke manchmal darüber nach", gibt sie schließlich zu. „Aber eigentlich will ich dich genauso wie du jetzt bist. Die Musik macht dich glücklich und ohne würde dir etwas fehlen."
Ihre Finger fahren über meinen Nacken den Rücken hinab, bis sich ihre Hände schließlich verschließen und ich in einer engen Umarmung mit ihr stehe. Wir hören auf zu tanzen, sind still zwischen all der Bewegung. Als wären wir kein Teil dieser Welt mehr.
„Wünschst du dir manchmal, dass du nicht zu X Factor gegangen wärst?", murmelt Ally, während sie mich mustert. Ich habe gelernt, mich so zu präsentieren, dass ich der Öffentlichkeit eine Person vorspielen kann, die ich manchmal gar nicht bin. Doch bloß ein Blick aus ihren Gewitteraugen genügt, um mich vollends zu durchschauen.
„Manchmal ja. Allerdings immer nur für eine Sekunde", flüstere ich in ihr Ohr, weil ich Angst habe, dass der Gedanke zu drückend wird, wenn ich ihn laut ausspreche. „Aber genug ernste Gedanken, lass uns lieber über etwas Schönes reden."
„Worüber denn?"
Ich lasse meine Finger über ihren Körper wandern. „Darüber wie toll du in diesem Kleid aussiehst?"
Lächelnd sieht sie zu mir hoch. „Danke. Das gehört eigentlich Helen."
„Dann sag deiner Mitbewohnerin Danke von mir, denn es erlaubt mir gerade einen hervorragenden Einblick."
Mit roten Wangen haut sie mir leicht gegen die Schulter. „Hör auf, meine Brüste anzustarren, Harry."
Lachend ziehe ich sie näher an mich heran. „Wir könnten natürlich stattdessen auch gerne darüber reden, wie gerne ich dich gerade küssen würde."
„Könnten wir", meint sie mit zuckenden Mundwinkeln.
Im nächsten Augenblick treffen sich unsere Lippen.
Es ist das erste Mal, dass wir in der Öffentlichkeit nicht darüber nachdenken müssen, dass man uns jeden Moment erwischen kann. Und ich beschließe, dass ich das eindeutig ausnutzen muss.
Grinsend fahre ich Ally mit der Zunge über die Lippen, bis sie mir Einlass gibt und mich dann so in einen Tanz gefangen nimmt, dass ich leicht aufstöhne.
Meine Hände gleiten über ihr hautenges Kleid, fahren jede ihrer Kurven nach und verschwinden dann unter dem Saum. Als ich den Stoff ein wenig nach oben schiebe, erwarte ich kurz, dass sie mich zurückhält. Als sie sich stattdessen nur noch enger an mich drückt, meine Erregung mittlerweile eindeutig spürbar, seufzt sie gegen meine Lippen gelehnt.
Hitze steigt in mir auf und ich beginne, ihren Hals zu küssen, widme der Stelle kurz unter ihrem Ohrläppchen besondere Aufmerksamkeit, weil ich weiß, wie sehr sie das mag.
Ally krallt ihre Hände in meinen Rücken und reibt ihren Körper dann an meinem, als hätte sie nie etwas anderes im Leben gemacht. Überrascht entweicht mir ein Keuchen, was sie zum Lachen bringt.
„Uns kennt keiner", flüstert sie mir zu. „Wir können machen, was wir wollen."
„Und was genau willst du?", grinse ich außer Atem.
„Dich", meint sie augenzwinkernd und zieht dann mein Gesicht wieder zu ihr herunter, bis unsere Lippen nur noch Zentimeter Luft zwischen sich haben. Kurz verharren wir in dieser Position, genießen den Nervenkitzel und die Vorfreude auf das Kommende.
Dann küssen wir uns erneut, deutlich verlangender als zuvor und ich hasse es, dass uns die Masken im Weg sind. Am liebsten würde ich sie uns vom Gesicht reißen und einfach durch den Raum schmeißen.
„Wie wäre es, wenn wir von hier verschwinden?", fragt Ally mich atemlos.
„Nichts lieber als das", grinse ich.
Dann nehme ich ihre Hand und ziehe so schnell es geht hinaus ins Freie. Es ist immer noch Winter, doch heute spüre ich die Kälte nicht, weil meine Gedanken woanders sind. Ich winke uns ein Taxi heran und halte Ally dann die Tür auf, bevor ich selbst einsteige.
„Zu mir oder zu dir?", fragt sie mich. Bevor ich antworten kann, gibt sie dem Taxifahrer jedoch bereits ihre eigene Adresse durch.
„Das ist näher", murmelt sie mir ins Ohr.
Ich lache, denn das ist der gleiche Gedanke, der mir auch gekommen ist. „Ausgezeichnete Wahl."
Im Taxi muss ich stark an mich halten, Ally nicht auf meinen Schoß zu ziehen und sie zu küssen, bis wir bei keine Luft mehr bekommen. Doch mittlerweile sind unsere Masken ab und ein letzter Funke Verstand flüstert mir zu, dass das keine gute Idee wäre.
Stattdessen gebe ich mich damit zufrieden, meine Freundin schamlos zu mustern, deren Haare mittlerweile in alle Richtungen abstehen und ihre Hand in meiner zu halten.
„Hör auf mich anzustarren, Harry", lacht sie irgendwann.
„Ich kann nicht anders", grinse ich.
„Wahrscheinlich sehe ich aus, als wäre ich in einen Sturm geraten."
„Tust du", gebe ich zu. „Aber irgendwie steht dir selbst das."
Augenverdrehend lehnt sie sich gegen mich. „Du hast echt zu viel Charme abbekommen."
„Einer meiner tausend guten Talente", scherze ich.
Als sie protestiert, küsse ich sie einfach. Kurz und viel unschuldiger, als mein Körper eigentlich will. Meine Hose ist bereits viel zu eng und selbst diese kurze Berührung unserer Lippen lässt das Blut noch weiter in meine Mitte schießen.
Die fünfzehnminütige Taxifahrt fühlt sich an wie die schlimmste Folter, weil alles in mir Ally berühren will und ich nicht kann. Umso erleichterter bin ich, als der Wagen endlich vor ihrem Haus hält. Ich springe geradezu aus dem Auto, nachdem ich dem Fahrer seinen Lohn gegeben habe.
„Behalten sie den Rest", rufe ich ihm zu, dann ziehe ich Ally lachend die Treppen zu ihrer Eingangstür hoch.
Sobald wir uns im Inneren befinden und die Tür hinter uns zuschlägt, finden sich unsere Lippen wieder. Schwungvoll hebe ich sie hoch, woraufhin Ally wie selbstverständlich ihre Beine in meinem Rücken verschränkt. Alles mit ihr ist so wunderbar einfach.
„Sei leise", murmelt Ally mir ins Ohr. „Helen schläft wahrscheinlich schon."
„Oder sie ist noch gar nicht wieder da", stelle ich grinsend fest. Denn so wie ich ihre Mitbewohnerin kenne, ist das die wahrscheinlichere Option.
„Oder das", lacht Ally leise. „Bei Helen weiß man nie."
Ihre Lippen gleiten über meinen Hals, lassen meine Hand in Feuer aufgehen und ich lasse mich freiwillig von ihr verbrennen.
Für die paar Meter bis zu ihrem Bett brauchen wir erheblich länger als sonst, weil wir immer wieder stehen bleiben und uns einfach küssen. Nach einigen Minuten lasse ich sie jedoch vorsichtig auf ihr Bett fallen und nutze den Moment, um ihren Anblick für immer in meinem Gedächtnis fest zu brennen. Morgen bereits werde ich sie wieder monatelang nur über Skype sehen können und alles in mir hasst diesen Gedanken.
Jetzt jedoch liegt Ally direkt vor mir, mit roten Wangen, verschmitztem Lächeln und glitzernden Augen. Sie ist wunderschön.
„Es könnte sein, dass es das letzte Mal ist, das wir beide in diesem Zimmer übernachten", flüstert Ally. Ihre Stimme klingt wie eine Explosion in der Stille, eine schmerzliche Wahrheit, die wir nicht verdrängen können.
„Ich schätze, dann werden wir heute das Beste daraus machen müssen", murmele ich.
„Das werden wir", meint sie und zieht mich dann zu sich auf das Bett herunter.
Ich vereine unsere Lippen wieder miteinander. Dieser Kuss ist anders, bedeutungsvoller. Schmerzlich süß. Er erinnert mich daran, dass es in meinem Leben nie anders sein wird. Immer wieder werde ich Ally zurücklassen müssen und immer wieder wird es nichts Schöneres geben, als sie nach Zeiten der Trennung endlich wieder festhalten zu können.
Während wir uns küssen, in diesem eigentlich viel zu kleinen Bett, das dennoch nicht größer sein könnte für uns beide, wird mir etwas bewusst.
Der Gedanke macht mir Angst und ich spreche ihn nicht aus, weil ich weiß, dass er Ally überfordern würde. Aber ich nehme mir vor, dass ich in den nächsten Wochen und Monaten dafür sorgen werde, dass sie sich an diesen Gedanken gewöhnt.
Denn ich bin mir noch nie über etwas so sicher gewesen.
Ich will mein ganzes restliches Leben mit Allison Baker verbringen.
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