34 | afar
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a f a r
märz 2014
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Harry || Ich komme mir vor wie ein Stalker, weil ich nicht aufhören kann, Ally beim Schlafen zuzusehen. Wenn Louis mich gerade sehen würde, würde er mich lachend Edward Cullen nennen und mir sagen, dass ich mit dem Vampir anscheinend doch mehr gemeinsam habe, als bloß einen Namen. Das ist ohnehin eines der Lieblingsbeschäftigungen meines besten Freundes, der es sich aus irgendeinem Grund am Anfang unserer Band zur Aufgabe gemacht hat, mich dazu zu zwingen, alle Twilight-Filme zu schauen. Nicht, dass ich das irgendwem erzählen würde, das wäre viel zu peinlich.
Glücklicherweise ist Louis jedoch nicht in diesem Zimmer, nicht nur, weil er mich ansonsten herzlich auslachen würde.
Außerdem trägt Ally nur mein Shirt, während ich vollkommen nackt neben ihr im Bett liege. Da würde mein bester Freund nur stören.
Mit sanften Fingern streichele ich über ihren Arm, was meiner Freundin selbst im Schlaf ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Sie ist so wunderschön und mich schmerzt es jetzt schon, wenn ich nur daran denke, dass uns nicht einmal mehr eine Stunde bleibt, bevor ich sie wieder zurücklassen muss.
Für mich geht es dann mit meiner Band nach Los Angeles, um an unserem vierten Studioalbum weiterzuarbeiten. Es nimmt langsam Form an, einige Songs sind bereits fertig aufgenommen, aber vieles fehlt uns noch.
Die Where We Are Tour startet zwar erst Ende April, aber ich rechne mir keine großen Chancen aus, dass ich bis dahin noch einmal langfristig nach London zurückkomme. Vielleicht sind ein paar Tage drin, aber schlimmstenfalls werde ich Ally erst wieder im Mai wiedersehen. Und dann auch nur für kurze Zeit, weil danach das europäische Leg der Tour folgt.
Bei dem Gedanken daran, dass ich meine Freundin für Wochen nur über Skype sehen werde, wird mir jetzt noch schlecht. Als würde Ally meine Unruhe selbst im Schlaf spüren, schlingt sie ihre Arme ein wenig fester um mich und vergräbt ihr Gesicht in meinem T-Shirt. Seufzend streiche ich ihr über den Rücken und mustere sie, um wirklich all die Kleinigkeiten nicht zu vergessen. Ihre hellen Augenwimpern, die von Nahem so viel länger wirken als sonst. Die leicht gerunzelte Nase, wenn sie etwas träumt. Das angedeutete Lächeln auf ihren Lippen, was mein Herz höher schlagen lässt.
Wir werden es irgendwie schaffen. Aber es wird alles andere als einfach werden und ich hasse es, sie in England zurücklassen zu müssen. Natürlich freue ich mich auf die Tour, denn ich liebe es, live auftreten zu dürfen, aber es wäre einfach so viel schöner, wenn ich sie einfach mitnehmen könnte.
Die Zeiger wandern unaufhörlich weiter, bringen uns dem Zeitpunkt näher, an dem ich mich letztendlich von Ally verabschieden muss. Eigentlich habe ich ihr versprochen, sie direkt zu wecken, falls sie meinen Wecker überhören würde. Doch ich gönne ihr ein paar Minuten mehr Schlaf, weil ich weiß, wie schwer es ihr ohnehin fällt, diesen überhaupt zu finden.
Schließlich streichen meine Finger jedoch leicht durch ihre Haare, die sich wie Seide unter meinen Fingern anfühlen, und ich verteile leichte Küsse auf ihrem Gesicht, bis sie schließlich mit einem kleinen Lächeln die Augen aufschlägt.
„Morgen, Hazza", murmelt sie verschlafen.
Lächelnd gebe ich ihr einen wirklichen Kuss. „Guten Morgen, du Schlafmütze."
Ally dreht sich leicht aus unserer Umarmung und tastet blind mit ihrer Hand nach ihrem Handy. Bevor sie es jedoch erreichen kann, ziehe ich sie wieder an mich, bis sie mir so nah ist, dass ich ihren regelmäßigen Herzschlag hören kann. Es ist wie Musik in meinen Augen.
„Was soll das werden?", meint sie.
„Ich will dich einfach noch ein wenig länger festhalten", gebe ich mit roten Wangen zu. „Ich bin noch nicht bereit, dich gehen zu lassen."
Das zaubert die ersten Sorgenfältchen auf ihre Stirn und ich hasse es, diesen traurigen Ausdruck in ihren Gewitteraugen sehen zu müssen. Am liebsten würde ich sie einfach wegwischen, gerade weil ich weiß, dass ich der Grund dafür bin.
„Wie viel Zeit bleibt uns noch?", nuschelt sie gegen meinen nackten Oberkörper gepresst. Ihre Lippen fühlen sich warm an und zaubern mir eine Gänsehaut.
Seufzend küsse ich ihre Stirn. „Nicht genug."
Mir bleibt nie genug Zeit mit Ally, der ganz persönliche Fluch meines Lebens. So toll es auch ist, es macht Beziehungen alles andere als einfach.
Ally wird unruhig in meinen Armen und dreht sich so, dass sie mir ins Gesicht sehen kann.
„Wieviel, Harry?", fragt sie erneut. Ich hätte damit rechnen sollen, dass sie nicht einfach die wenige Zeit mit mir genießen kann, ohne keine genauen Zahlen zu kennen. Es ist ihr zu unsicher und ich habe bisher noch keinen Weg gefunden, um ihr die Angst vor dem Abenteuer auszutreiben.
„Vierundfünfzig Minuten", antworte ich, nachdem ich einen Blick auf mein Handy geworfen habe.
„Dann solltest du dich so langsam fertig machen."
Stumm schüttele ich den Kopf und halte sie aus Trotz fest, bis sie sich schließlich mit einem Lachen aus meinen Armen windet. Dann jedoch wird sie sofort wieder ernst und streckt mir die Hand entgegen, um mich ebenfalls aus dem Bett zu ziehen. Seufzend folge ich ihr.
„Kommst du mit Duschen?", murmele ich ihr ins Ohr und drücke sie an mich, sodass sie eindeutig meine Begeisterung über ihre Nähe an meiner Mitte spüren kann.
Mit einem leichten Grinsen lässt Ally ihre Hand zwischen meine Beine wandern. Mir entweicht ein Seufzer, als sie ihre Finger um mich legt und sanft zu pumpen anfängt.
„Ich weiß nicht. Willst du das denn?", fragt sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag.
„Eindeutig", versichere ich ihr atemlos und hebe sie dann schwungvoll hoch, um mit ihr auf den Armen zum angrenzenden Badezimmer herüberzugehen.
Wir brauchen eindeutig länger als sonst für den Weg, weil sie sich gegen mich reibt, während ich unsere Lippen zu heftigen Küssen vereine. Doch jede weitere Sekunde ist es sowas von wert.
Als ich in der Dusche das Wasser schließlich andrehe und Ally wieder auf die Füße stelle, glänzen ihre Augen bereits vor Verlangen. Ich liebe es, sie so zu sehen und versuche, jeden Augenblick in meinem Gedächtnis zu speichern, um mich auf Tour daran zurückerinnern zu können.
„Fuck, ist das kalt", flucht sie, sobald das Wasser auf uns herunterprasselt und zaubert mir damit ein breites Grinsen ins Gesicht.
Ich zwinkere ihr zu. „Dann sei froh, dass ich so heiß bin."
Ally bricht in so herzhaftes Gelächter aus, dass ich sie festhalten muss, damit sie nicht rückwärts an der Duschscheib herunterrutscht. „Bitte sag das nie wieder, denn ansonsten weiß ich nicht, ob das hier überhaupt funktioniert."
„Sorry", grinse ich. „Aber bitte lass uns nicht aufhören."
Meine Lippen bahnen sich einen Weg über ihren Mund zu ihrer Wange, den Hals hinab und dann schließlich immer tiefer, bis ich den Kragen des Shirts erwische, das sie immer noch trägt. Das sonst so übergroße Oberteil klebt ihr wie eine zweite Haut am Körper und lässt meiner Fantasie keine Wünsche offen.
Einige Male streichele ich über ihre erregten Brüste, massiere sie kurz. Allys Aufkeuchen ist wie Musik in meinen Ohren und ich kann nicht anders, als ihr endlich das Shirt herunterzureißen. Ich werfe es achtlos ins Badezimmer und presse meinen Körper dann gegen ihren, schiebe ihre Beine ein Stück weiter auseinander.
Das Wasser läuft in Strömen über unsere Körper, während unsere Lippen miteinander tanzen.
Als meine Hand weiter nach unten wandert, verschränkt Ally ihre Arme in meinem Nacken und wölbt sich mir entgegen. Mit fahrigem Mund küsst sie alle Stellen in meinem Gesicht, die sie erreichen kann, während alles tue, um sie endlich über den Abgrund zu treiben. Ich muss blind vorgehen, doch das ich ihr stattdessen dabei zusehen kann, wie ihre Pupillen immer dunkler werden, ist es eindeutig wert. Kurz bevor sie jedoch abspringen kann, lasse ich wieder von ihr ab.
„Nicht aufhören", flucht sie und drückt sich mir entgegen.
In diesem Moment bin ich wahnsinnig froh, dass sie die Pille nimmt, denn ich weiß nicht, ob ich mich ansonsten hätte zurückhalten können. Wenn es um Ally geht, ist meine Vernunft andauernd auf Reisen.
„Tue ich nicht", keuche ich, während ich gleichzeitig in sie eindringe. Unser Stöhnen vermischt sich und einen Augenblick lang muss ich die Augen schließen, weil mich die Gefühle überwältigen. Ally krallt ihre Finger in meinen Rücken und ich bete, dass ich mit meinen wackeligen Beinen nicht jeden Augenblick stürze. Nur mit Mühe kann ich uns an der nassen Duschwanne abstützen.
Ich beginne mich zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller.
Ihr heißer Atem, ihre leuchtender Blick, die so wahnsinnig roten Lippen. All das lässt mich wahnsinnig werden.
Ally kommt zuerst, mit aufgerissenen Augen, und ich kann nicht anders, als sie anzustarren, weil sie so wunderschön dabei aussieht. Dann fahren ihre Finger sanft durch meine Haare, die mittlerweile völlig durchnässt sind und zwei Stöße später ist es auch um mich Geschehen. Die Erlösung überrollt mich und dann halten wir uns einfach einen Augenblick fest, auf zittrigen Beinen, noch nicht bereit, einen Millimeter zwischen uns zu bringen.
Der Moment danach ist der schönste, wenn mein Herz vor Anstrengung und Glück viel zu schnell schlägt und ich Ally einfach nur festhalten darf. Am liebsten würde ich sie nie wieder gehen lassen, doch ich habe keine Wahl.
„Das werde ich vermissen", flüstere ich, während ich ihr eine Haarsträhne aus den Augen streiche, die aufgrund des Wassers ganze Nuancen dunkler ist als sonst.
Sie blinzelt, wobei sich einige Tropfen in ihren Wimpern verfangen haben. „Den Sex?"
Leise lache ich und küsse sie sanft. „Den auch. Aber eigentlich meine ich eher..." Ich stocke, weil ich nicht weiß, wie genau ich es in Worte fassen soll. „Diese Nähe zu dir. Die Verbundenheit. Verdammt, das hört sich so kitschig an, aber ist sowas von wahr."
„Ich weiß, was du weißt", murmelt Ally mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. „Und ich werde es auch vermissen, wenn du weg bist."
Ich nehme ihr Lieblingsshampoo in die Hand, das schon seit einiger Zeit bei mir in der Dusche eingezogen ist und beginne dann, es ihr sanft ins Haar zu massieren.
„Kannst du nicht einfach mitkommen?" Meine Stimme ist leise, in dem prasselnden Wasser kaum zu verstehen, aber ich weiß, dass sie es trotzdem tut.
„Harry." Seufzend lehnt sie ihr Gesicht gegen mein schnell klopfendes Herz. „Du weißt, dass das nicht geht."
Stumm gebe ich ihr einen Kuss auf die Wange und drehe sie dann ein wenig, sodass ich ihr das Shampoo auswaschen kann. „Ich weiß", murmele ich schließlich. „Aber es wäre schön gewesen."
„Das glaube ich auch", meint sie mit einem kleinen Lächeln, das ihre Augen nicht ganz erreicht und stupst mich an. „Dreh dich um, ich bin dran."
Während Ally mir das Shampoo in den Haaren verteilt, bin ich froh, dass es sich ebenfalls um ihres handelt. So werde ich zumindest einen Tag lang noch einen Geruch haben, der mich an sie erinnert.
Genießerisch schließe ich die Augen, während sie mir selbst dann noch durch die platten Locken fährt, als das Haarwaschmittel schon längst wieder ausgewaschen ist.
Dann halte ich sie einige Augenblick einfach nur fest, ihren leisen Atem in meinem Ohr, während das Wasser über uns hinabläuft.
„Du musst dich fertig machen, wenn du nicht du spät kommen willst", flüstert Ally schließlich, ihr Gesicht immer noch gegen mein schlagendes Herz gelehnt.
„Vielleicht will ich das ja", versuche ich zu scherzen, doch meine Lippen lassen sich nicht mehr wirklich zu einem Grinsen verziehen. Viel zu nah ist der herankommende Abschied.
Als Ally langsam den Wasserhahn abdreht und mir die Hand reicht, um mich aus der Dusche zu ziehen, folge ich ihr ohne Protest. Stumm trocknen wir uns ab und mein Herz sinkt nach unten, als mir bewusst wird, dass ich sie wochenlang nicht mehr sehen werde.
Sie wickelt sich die Haare in einen Handtuch hoch und während wir uns anziehen, schenkt sie mir ein trauriges Lächeln, das ich erwidere.
„Wir werden das schon schaffen", murmele ich leise. Ich weiß nicht, wen von uns beiden ich zu überzeugen versuche. Ich weiß nur, dass Ally diese Worte hören muss, um nicht in dem Risiko zu ertrinken und ich gebe sie ihr.
„Hast du wirklcih alles, Harry?" Stirnrunzelnd geht sie zum zehnten Mal meine Packliste durch, auch wenn wir bereits die folgenden neun Mal alles abgehakt haben.
Ich nicke stumm und fummele dem Griff meiner Handgepäcktasche herum, dessen Leder sich an einer Stelle bereits pellt. Doch sie mich bereits auf so viele Reisen begleitet, dass ich es nicht über mich bringe, sie auszutauschen. Man ersetzt Dinge nicht einfach, sondern behandelt sie so vorsichtig wie möglich und versucht sie eine Ewigkeit am Leben zu erhalten.
„Auch deine Sonnenbrille?"
Ich ziehe sie aus meiner Tasche und halte sie Ally entgegen, um sie zu überzeugen. Dann lasse ich sie wieder im Gepäck versinken. „Ich habe alles. Versprochen."
Sie atmet hörbar aus und macht dann einen unsicheren Schritt in meine Richtung, als würde die Welt sie erdrücken. Es geht mir zu langsam, weswegen ich auf sie zugehe und sie in eine feste Umarmung ziehe.
„Ich will nicht gehen", murmele ich und streiche ihr mit sanften Fingern durch die Haare, während sie ihr Gesicht gegen mein Hemd presst. Es ist sicherlich gleich total zerknittert, aber das ist mir vollkommen egal.
„Du liebst deinen Job, Harry."
Ich nicke zustimmend und bringe sie dann dazu, mich anzusehen.
„Aber dich liebe ich mehr", versichere ich ihr.
Ein kleines Lächeln legt sich auf Allys Lippen. „Ich liebe dich auch."
Meine Finger krallen sich in ihren dicken Pullover, als könnte ich somit die Zeit langsamer laufen lassen. Doch die Zeiger wandern unaufhörlich weiter und klauen uns weitere wertvolle Sekunden.
Sie rauschen vorwärts, viel zu schnell, klauen uns die letzten Momente Zweisamkeit, die ich bis aufs Äußerste auskosten will.
„Kommst du mit zum Flughafen?", frage ich schließlich leise, auch wenn ich die Antwort eigentlich bereits kenne. Es ist nicht das erste Mal, dass wir darüber diskutieren. Aber ich hoffe, dass Ally vielleicht unter den gestohlenen Sekunden ihre Meinung geändert hat.
„Das ist keine gute Idee", erinnert sie mich tonlos. „Eure Fans wissen, dass ihr heute fliegt und wir sollten keinen Aufstand machen."
Ich vergrabe mein Gesicht in ihrer Halsgrube. „Du könntest trotzdem mitkommen. Ich will dich noch nicht gehen lassen, Al."
Ich weiß, dass das unvernünftig ist, aber heute ist mir die Vernunft verdammt egal.
„Wenn wir uns hier verabschieden, sind wir wenigstens alleine", meint sie aufmunternd. Doch ich weiß, dass das nur gespielt ist. Ihr Herz bricht gerade genauso wie meines.
„Ich will mich überhaupt nicht verabschieden", flüstere ich.
Seufzend malen ihre Finger mustern auf meinen Rücken. Ihre Berührung verbrennt mich auf die beste Weise und ich wünschte, sie würde nie damit aufhören.
Sanft lege ich meine Lippen auf ihre, in dem Versuch, das die Zeit einen Augenblick langsamer fliegt. Dieser Kuss ist anders als alle anderen. Er ist geprägt von Verzweiflung und Wehmut, aber auch von Hoffnung und Liebe. Er gibt mir ein Versprechen, das Worte mir nie hätten geben können. Er verspricht mir, dass Ally mich nicht vergessen wird. Dass das Ganze für sie genauso schwer werden wird wie für mich.
Ich halte meine Freundin fest bis zum allerletzten Moment. Doch als mein Handy zum dritten Mal klingelt und unserer Fahrer in ein Dauerhupkonzert auf der Straße verfällt, lasse ich sie schweren Herzens los.
„Ich werde dich vermissen, Al."
Sie lächelt traurig. „Ich dich auch."
Ein letzter Kuss, der viel zu schnell vorbei ist und dann mache ich mich auf den Weg. Bereits als ich die Tür des schwarzen Vans aufreiße, habe ich den Geschmack ihrer Lippen schon wieder fast vergessen, auch wenn sich alles von mir daran klammert, ihn nie wieder loszulassen. Doch das Leben ist grausam und so nimmt es mir die letzte Erinnerung.
Paul sitzt vorne im Wagen, während hinten zwei meiner Bandkollegen sitzen. Die anderen zwei werden wir auf unserer Route noch einsammeln, bevor es dann endgültig zum Flughafen geht.
„Hey Harry", begrüßt Niall mich strahlend, während er bereits vor Vorfreude auf seinem Sitz herumzappelt. Eigentlich liebe ich seine Begeisterung, doch heute ruft es mir einfach nur in Erinnerung, wie gerne ich einfach wieder schreiend zurück in Allys Arme rennen würde.
Liam sieht nicht ganz so euphorisch aus, dennoch hat er bereits ein Lächeln auf den Lippen, während er mit mir einschlägt.
„Hey ihr beiden", murmele ich und sinke dann geschafft in meinen Sitz zurück, als hätte ich bereits einen Langstreckenflug hinter mir. Dabei kommt der erst noch auf uns zu.
Der Wagen fährt an, Ally winkt mir von der Haustür aus zu und ich sehe zu ihr, bis wir schließlich um die Straßenecke verschwunden sind. Dann ist sie aus meinem Blickfeld verschwunden und ich fühle mich furchtbar allein.
„Du wirst Ally doch bald schon wieder sehen", meint Niall aufmunternd und legt mir einen Arm über die Schulter. Seufzend lasse ich mich in seine Umarmung fallen.
„Wird es jemals einfacher?", frage ich Liam tonlos.
Er schüttelt den Kopf. „Im Gegenteil. Ich finde, dass es immer schwerer wird. Ist bei Dani so gewesen und bei Sophia jetzt auch."
„Na super", schnaube ich tonlos. „Das macht mir jetzt Hoffnung."
Der Wagen fährt eine Kurve und ich werde gegen Nialls Schulter geschleudert. Ich bin außer Kontrolle, schleife ebenfalls durch das Leben, zerrissen zwischen London und meinem Musikabenteuer. Ich weiß, dass ich mich in einigen Stunden auf die kommende Zeit freuen werde, doch gerade traue ich einfach nur Ally hinterher.
Niall und Liam unterhalten sich über mögliche neue Songaufnahmen, doch so sehr ich auch versuche zuzuhören, ich nehme nichts auf. Es ist ein wenig, als wäre ich durch einen Schleier von ihnen getrennt, noch nicht bereit, mich gedanklich nach Los Angeles zum Songschreiben zu begeben.
Fünfzehn Minuten später stoppen wir erneut und Zayn lässt sich auf einen der Sitze fallen, bevor er uns grinsend begrüßt. Er ist seit Weihnachten gefühlt vom Erdboden verschwunden gewesen, hat kaum eine Textnachricht beantwortet und dennoch fühlt es sich sofort wieder an, als hätte ich gestern das letzte Mal mit ihm gesprochen. Das ist der Zauber unserer Band, wir Fünf funktionieren auch ohne Worte.
„Perrie macht mich verrückt, weil sie immer noch nicht das passende Kleid für die Hochzeit gefunden hat", gibt uns Zayn kurz ein Update.
„Wollt ihr nicht ohnehin erst in zwei Jahren heiraten?", hakt Liam nach, denn das ist unseres Wissen der letzte Stand der Dinge.
„Nicht ihr Hochzeitkleid, das hat sie schon", meint Zayn und lässt sich dann schnaubend in seinem Sitz zurücksinken. „Sondern das für die Hochzeit von Louis Mum. Frauen können einen fertig machen, also besorg dir bloß nie eine Freundin, Nialler."
Unser Ire bricht in ein herzhaftes Gelächter aus. Ich weiß jedoch, dass ein Teil von ihm sehnt sich auch nach einer festen Beziehung sehnt und ich hoffe von ganzem Herzen, dass er bald ein Mädchen finden wird, was ihm gerecht wird. Er hat es verdient.
„Hat Ally schon ein Kleid?", erkundigt sich Zayn bei mir.
Ich schüttele den Kopf. „Soweit ich weiß nicht. Sie will in der nächsten Zeit mit Eleanor losziehen."
„Und Sophia?"
Liam sieht Zayn schnaubend an. „Meine Freundin studiert Mode. Sie stürzt sich geradezu auf so eine Gelegenheit und hat sie gleich als Entschuldigung genutzt, um sich ihr eigenes Kleid nähen zu können. Das hängt schon seit Monaten im Schrank."
Zehn Minuten später steigt auch Louis in den Wagen und es fühlt sich merkwürdig an, dass wir zum ersten Mal nicht gemeinsam auf die Reise aufbrechen. Er ist seit gestern offiziell mit Eleanor zusammengezogen und wir werden nie wieder dieselbe permanente Adresse teilen. Bisher habe ich noch keine Zeit gehabt, um mir Gedanken darüber zu machen, wie ich damit klarkomme. Doch ich werde es irgendwann tun müssen, in einigen Monaten, wenn ich längerfristig das erste Mal wirklich alleine wohnen werde.
Es macht mir jetzt schon Angst.
„Harry?" Louis mustert mich durchdringend. „Was sagt die Kuh zum Schwein?"
Müde verziehe ich meinen Mund zu einem Lächeln, das meine Augen sicherlich nicht erreicht. Ich habe keine Kraft, um über seinen Witz nachzudenken.
Ich rechne es meinem besten Freund hoch an, dass er versucht, meine Laune zu heben, während er selbst garantiert mit dem gleichen Trennungsschmerz zu kämpfen hat. Doch so ist Louis eben. Er stellt mein Glück über seines und aus diesem Grund liebe ich ihn. Das ist die Seite von ihm, die die Öffentlichkeit nie zu sehen bekommt, dabei ist es doch eigentlich die schönste an ihm. Er würde für alle von uns durchs Feuer gehen.
„Ich vermisse Ally einfach jetzt schon", flüstere ich, wobei ich mir bewusst bin, dass ich nervtötend bin. Aber ich kann einfach nicht anders, zu sehr schmerzt mein Herz.
„Sie kommt dich garantiert schon bald auf Tour besuchen", versucht Niall mir bessere Laune zu machen. Ich weiß seine Mühe wirklich zu schätzen, doch wirklich helfen tut es nicht.
Mein Kopf lehnt sich gegen die Fensterscheibe und ich heiße das kalte Glas willkommen, erinnert es mich doch nur an das Eis in meinem Herzen. „So einfach ist das nicht, Nialler."
„Nichts ist einfach", meint Zayn überzeugt. „Aber das ist egal, solange es wichtig ist. Ist Ally das?"
Die Erinnerung an ihre Umarmung und ihre Lippen auf meinen drängt sich in meine Gedanken. An ihre gewitterblauen Augen, die mich vernichten oder fliegen lassen können. An ihr wunderschönes Lächeln und all ihre wunderbaren Eigenarten, so viel wichtiger als ihr Aussehen selbst. Alles an ihr ist unglaublich und alleine wenn ich an sie denke, schlägt mein Herz einen Takt schneller.
„Auf jeden Fall", entgegne ich. „Al ist wichtiger als alles andere."
„Da hast du deine Antwort", sagt Liam mit einem kleinen Lächeln.
Wahrscheinlich habe ich damit meine Antwort. Denn egal wie sehr mir die Trennung von Ally schmerzt, noch schlimmer wäre es, wenn sie für immer verloren wäre. Ich werde alles dafür tun, damit es nie dazu kommen wird.
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