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i n e x o r a b l e
september 2013
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Allison || Ein Nacktmull sähe wahrscheinlich besser aus als ich gerade. Meine Augen sind vor lauter Weinen so verquollen, dass sie bereits jucken und doch fließen regelmäßig neue Tränen, als würde alles kein Ende nehmen. Der Schlafanzug, den ich ohne Pause seit Tagen nicht gewechselt habe, empfiehlt sich wirklich dringend für eine Wäsche, aber dazu habe ich keine Kraft. Würde meine Mutter mich gerade sehen, dann würde sie in einen Schreikrampf verfallen.
Doch meine Mum befindet sich in meiner Heimatstadt, fernab von all dem Drama, und ich fühle mich so alleine. Selbst das Kissen, das ich umklammere, kann mir nur wenig Trost spenden. Am liebsten würde ich einfach zu meinen Eltern nach Manchester flüchten, aber ich habe ihn glaubhaft versichert, dass ich mit der Situation klarkomme und ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Das tut Harry schon genug.
Doch auch mein Freund ist unerreichbar für mich und selbst wenn uns nicht ganze Kontinente trennen würden, wüsste ich auch gar nicht, was genau ich ihm eigentlich sagen sollte. Er hat mich enttäuscht, mich alleine gelassen und selbst wenn er jetzt in London wäre, würden uns doch ganze Mauern voneinander trennen.
„Was für ein Leben", flüstere ich tonlos.
Benommen nippe ich an dem Kakao, bevor ich mir direkt eine ganze Tafel Schokolade hereinpfeffere. Man könnte meinen, ich hätte Liebeskummer, doch tatsächlich bin ich immer noch mit Harry zusammen. Ich leide nicht unter gebrochenem Herzen, sondern darunter, dass die ganze Welt über mich lacht und mich fertig macht. Das ist noch viel schlimmer, als mir nur wegen einer einzigen Person die Augen auszuheulen.
Mein einziger Trost ist der Laptop, der mir wohlwollend Gesellschaft leistet und mich ablenkt von all den Nachrichten, die ich sehe, sobald ich wieder ins Internet gehe. Es hilft nicht ganz, denn viel zu oft zwingt mich etwas, doch wieder nach dem Skandal zu suchen.
Ich kuschele mich fester in meine Bettdecke, eigentlich viel zu warm für den noch milden September, und lausche bemüht Gossip Girl dabei, wie sie eine neue Pleite erzählt. Ein wenig Klatsch habe ich gerade dringend nötig, solange es sich nicht um mein Leben dreht. Am liebsten wäre ich gerade auf einer einsamen Insel, um all das nicht ertragen zu müssen.
Chuck Bass ist gerade kurz davor vom Dach zu springen, als meine Zimmertür beinahe eingeschlagen wird. Seufzend klappe ich meinen Laptop zu und lege ihn neben mir auf die Bettseite, die schmerzlich leer aussieht.
Kurz überlege ich, ob ich das Klopfen einfach ignorieren soll, aber im Laufe der letzten beiden Wochen habe ich bereits gelernt, dass meine Mitbewohnerin Helen das nicht durchgehen lässt und es bloß als weitere Einladung versteht, mein Zimmer zu betreten. Ich weiß, dass sie sich bloß Sorgen macht, aber am liebsten will ich einfach miserabel alleine leiden.
Erneut schlagen Fingerknöchel bestimmt gegen die Holztür, sodass ich mürrisch die Erlaubnis gebe, einzutreten. Helens besorgtes Gesicht, das nun durch den Rahmen lugt, ist keine Überraschung. Dass Eleanor ihr allerdings ins Zimmer folgt, umso mehr.
„Hallo Ally", lächelt Louis' Freundin und dreht sich dann zu meiner Mitbewohnerin um. „Du hast nicht übertrieben, als du sagtest, dass sie sich ihr eigenes Gefängnis gebaut und seit Tagen nicht den Raum verlassen hat."
„Ich habe nicht –" Die beiden sehen mich bestimmt an und ich seufze, weil ich weiß, dass sie Recht haben. Dennoch bin ich nicht bereit für dieses Gespräch.
„Es ist wirklich schön, dass du vorbeischaust, El, aber ich bin gerade echt beschäftigt", murmele ich.
Sie lässt sich neben mich auf die Matratze fallen und sieht zu meinem Laptop herüber. „Womit? Dir all den Schwachsinn im Internet durchzulesen, der dich krank macht?"
Ertappt schiebe ich mein Notebook ein wenig weiter von mir weg. „Ich will nicht darüber reden."
„Musst du auch nicht", versichert Eleanor. „Wir schweigen einfach darüber und reden über sonst alles Mögliche. Aber es wird Zeit –"
„– dass du endlich hier rauskommst", ergänzt Helen und lässt sich ebenfalls wie selbstverständlich auf mein Bett fallen. Ich rechne es ihnen hoch an, dass sie über meinen Geruch nicht die Nase verziehen, denn eine Dusche habe ich auch schon lange nicht mehr von innen gesehen.
„Beindruckend, ihr ergänzt euch ja wunderbar", seufze ich. „Habt ihr das vorher geübt?"
Helen grinst mit schelmisch funkelnden Augen. „Vielleicht. Aber nur ganz kurz."
„So eine halbe Stunde", meint Eleanor lächelnd und stupst mich an. „Du siehst, uns liegt es wirklich daran, dass du endlich mal wieder unter Leute kommst. Du schwänzt seit zwei Wochen die Uni und wenn Helen dich nicht mit Nahrung versorgen würde, wärst du sicherlich schon verhungert."
Seufzend lasse ich mich in mein Kissen zurücksinken, wobei mein Bett aufgrund der Bewegung leise knatscht. „Ich will einfach nicht, dass mich alle anstarren."
Das ist keine vorsätzliche Panikmache, sondern die bittere Realität. Als ich nach dem Telefonat mit Harry wieder in das Café zu Grace und Matt zurückgekehrt bin, ist noch alles in Ordnung gewesen. Aber sobald wir uns wieder auf die Straße wagten, habe ich die Blicke der anderen spüren können. Einige neugierig, andere anzüglich oder voller Hass. Ich weiß nicht, was von all dem am Schlimmsten ist, aber ich habe auch nicht vor, es herauszufinden.
Grace ist wie ein Terrier auf ein Mädchen losgegangen, das sich direkt vor meinen Augen über mich lustig gemacht hat, aber es hat mich trotzdem getroffen und ich bin in meine Wohnung geflüchtet, die ich seitdem nicht wieder verlassen habe. Meine beiden Kommilitonen versorgen mich mit dem Vorlesungsmaterial und Helen mit allem anderen. So komme ich bisher super klar.
„Die meisten haben die Fotos sicherlich schon wieder vergessen. Die Medien sind schnell und schon wieder voller neuer Schlagzeilen", meint Helen aufmunternd.
Seufzend sehe ich sie an. „Ich dachte, ich muss nicht darüber reden?"
„Musst du auch nicht", versichert Eleanor mir eilig. „Wir beide werden jetzt einfach vor die Tür gehen und ein wenig Spaß haben."
„Ich weiß nicht einmal mehr, was das Wort überhaupt bedeutet", merke ich trocken an.
Doch als meine beiden Freundinnen mich vom Bett hochziehen und mich unter die Dusche zwingen, sehe ich ein, dass es keinen Sinn hat, zu protestieren. Sie werden nicht nachgeben und ich muss nur diesen einen Nachmittag mit Eleanor hinter mich bringen, um mich dann wieder in mein Bett zu kuscheln.
Helen wirft mir ein Outfit entgegen, mit dem ich direkt auf jeder Party erscheinen könnte und das ich nie im Leben im Alltag anziehen würde, aber ich werfe es ohne Widerstand über, damit der Nachmittag schnell wieder endet.
„Habt Spaß, ihr Zwei", ruft meine Mitbewohnirin, während sie mich aus der Tür schiebt und diese dann wieder schließt. Somit bin ich in Eleanors Händen, die mit funkelnden Augen die Hände zusammenreibt.
„Bereit für einen Nachmittag voller Dinge, die Ally Baker liebt?", fragt sie mich.
Ich zucke mit den Achseln, denn ehrlich gesagt bin ich in den letzten zwei Wochen zu nichts mehr wirklich bereit. Ich will einfach nur alles vergessen, was mit mir zu tun hat, in der Hoffnung, dass ich somit nicht mehr das Mädchen bin, das auf der Welt bekannt ist, weil sie mit Harry Styles halbnackt im Fotoautomaten herumgemacht hat.
„Das wird toll", will Eleanor mich überzeugen und hakt sich dann bei mir unter, um mich beschwingten Schrittes zu der nächsten U-Bahnstation zu ziehen. Eilig schiebe ich mir die Kappe tiefer ins Gesicht und will mir ebenfalls die Kapuze überziehen, als meine Freundin mich mahnend ansieht. Langsam lasse ich die Finger wieder fallen, aber gebe mir trotzdem Mühe, niemandem direkt in die Augen zu sehen und den Blick stattdessen starr auf den Boden zu richten, weil ich das mögliche Erkennen der Menschen nicht erfahren will. So muss es Harry jedes Mal gehen, wenn er mit mir unterwegs ist und versucht, sich vor neugierigen Augen zu verstecken. Einen Augenblick lang tut er mir deshalb wirklich leid, denn ich habe nie verstanden, dass man sich dabei so angespannt fühlen kann.
Vielleicht ist all das auch meine Schuld. Vielleicht habe ich den größten Fehler gemacht, als ich damals in diesem Restaurant darauf bestanden habe, dass Harry unsere Beziehung öffentlich macht. Vielleicht könnte ich jetzt noch unerkannt durch die Straßen laufen, wenn ich einfach auf ihn gehört und unsere Beziehung im Versteckten geführt hätte.
Doch es ist zu spät, ich bin das Risiko bereits eingegangen und es hat auf grausamste Weise zurückgeschlagen.
Schweigend laufe ich neben Eleanor her, weitaus weniger euphorisch und zucke bei jedem kleinen Geräusch zusammen, aus Panik, dass direkt der nächste Fotograph aus dem Gebüsch springen wird. Als wir uns in eine der Bahnen quetschen, entweicht mit ein erleichterter Seufzer, denn ich schätze, dass die Gefahr hier erkannt zu werden, deutlich geringer ist. Unser Abteil ganz am Ende ist so gut wie leer und die anderen Fahrgäste in hohem Alter, die sicherlich nicht One Directions Skandale verfolgen. Dennoch sehe ich vorsorglich nach unten.
„Wo gehen wir eigentlich hin", murmele ich, als Eleanor sich auf den Sitz neben mir fallen lässt und vergnügt beginnt, ein Lied zu pfeifen. Total schief, aber das stört sie nicht im Geringsten. Ich wünschte, ich hätte ihr Selbstbewusstsein.
„Ich habe mich ein wenig informiert und hoffentlich einen Ort gefunden, der dir gefallen wird, Ally."
Ich nicke stumm, um Eleanor nicht vor den Kopf zu stoßen, wobei ich ehrlich gesagt bezweifele, dass mich überhaupt irgendetwas ablenken kann.
Doch meine Freundin belehrt mich eines Besseren, als sie mich eine halbe Stunde später in eine uralte Buchhandlung schiebt, die direkt Heimisch wirkt. Sie lässt die Geräusche der Großstadt verschwinden, blendet die Skandale und Hektik aus. Stattdessen merke ich zum ersten Mal, wie mein Herz wieder ein wenig höher schlägt und dieses Mal nicht aus Panik.
Gerade die zentrale Galerie, mit beeindruckendem Bogenfenster und teilweiser Buntglasverglasung, lässt mich direkt mein Herz an die Buchhandlung verlieren.
„Und? Hilft es?" Fragend sieht Eleanor mich an.
„Ein wenig", gebe ich zu und atme tief ein, um den unvergleichbaren Geruch von frischen Büchern in mir aufzunehmen. Buchhandlungen sind eine andere Welt, eine Flucht vor der Realität, die ich nur zu gerne antrete.
Während wir durch den Laden laufen, lasse ich meine Finger sanft über die Buchdeckel streifen, die ganze Universen enthalten. Einige kenne ich bereits, manchen bin ich bis an mein Lebensende verfallen und wieder andere warten nur darauf, dass ich ihnen ihre Geheimnisse entlocke.
„Die Bücher sind nicht nach Genre, sondern nach Ländern sortiert", erzählt mir Eleanor, während sie geduldig neben mir läuft und mir dabei zusieht, wie ich von Zeit zu Zeit ein Buch aufschlage, um einen Blick hineinzuwerfen.
„Das ist eine wundervolle Idee", murmele ich. „So findet man vielleicht etwas, nachdem man eigentlich gar nicht sucht."
Eleanor schenkt mir ein Lächeln und legt mir dann einen Arm über die Schulter. „Das ist wirklich cool, oder? Aber deswegen habe ich dich gar nicht hierhergebracht. Nun gut, schon ein wenig und auch wegen dem alten Design, das irgendwie an Harry Potter erinnert – einer deiner Lieblingsfilmreihen, wenn ich Harry glauben kann?"
Bei seinem Namen sinkt mein Herz wieder hinab in die Dunkelheit. „Ja, da hat er nicht gelogen."
„Ehrlich gesagt ist das hier sogar seine Idee", gibt sie zu. „Ich habe ihn gefragt und er hat echt Stunden damit verbracht, etwas zu finden, was dich ablenken könnte. Mein Teil des Plans kommt erst später."
Ich gehe einen Schritt schneller, weil ich das wirklich nicht hören will.
„Was genau ist jetzt noch so besonders an diesem Ort?", erkundige ich mich eilig.
„Diese Buchhandlung hier ist bekannt für ihre wahnsinnig großzügige Reiseabteilung und Harry hat vorgeschlagen, dass es vielleicht helfen könnte, wenn du dir ein wenig ferne Orte ansiehst", erwidert sie.
Es tut weh, dass mein Freund mich so gut kennt und trotzdem mein Vertrauen gebrochen hat. Genau genommen nicht bloß das, sondern auch direkt mehr als ein Versprechen, seitdem wir uns kennengelernt haben. Das ist mir schmerzlich bewusst geworden, als ich näher über das Vertrauen zwischen uns nachgedacht habe. Das letzte gebrochene Versprechen, seine Stadtführung, die ich nie bekommen habe, ist nur eines von vielen.
„Was meinst du, Ally? Sollen wir uns die Reisebücher anschauen?"
Das erste Mal, seitdem ich Eleanor kennengelernt habe, sehe ich sie wirklich zögern. Diese umsichtige Eigenschaft von ihr habe ich bisher noch nicht oft gesehen, aber sie ist wirklich eine wunderbare Freundin.
„Gerne doch", entgegne ich vor allem ihr zuliebe. Als wir uns jedoch mit einigen Reisebänden auf zwei Stühle fallen lassen, die einladend in der Buchhandlung aufgestellt sind, merke ich, dass es wirklich ein wenig hilft und mich ablenkt.
Mit neugierigen Augen blättere ich durch all die fernen Orte, die ich am liebsten alle direkt bereisen würde.
„Was ist der schönste Ort, an dem du je gewesen bist?", frage ich Eleanor schließlich, während wir beide sehnsüchtig durch ein Buch über die italienische Toscana flippen.
„Wahrscheinlich Brighton", lächelt sie.
Überrascht sehe ich sie an, denn als Freundin von Louis Tomlinson ist sie bereits ordentlich herumgekommen und ich hätte etwas viel Exotischeres erwartet. Nach Brighton habe sogar ich es mittlerweile geschafft an einem Wochenende mit Helen.
„Wirklich Brighton? Wieso?"
„Weil es die erste Reise ist, die ich mit meinen Eltern gemacht habe, an die ich mich erinnern kann. Es ist längere Zeit auch die letzte gewesen, denn oft hat das Geld dafür nicht gereicht", erzählt sie mir und lacht dann, als sie meinen Blick bemerkt. „Guck nicht so überrascht, Ally, ich bin gar nicht so anders aufgewachsen als du und sehe Louis' Geld auch alles andere als selbstverständlich an. Es ist schön, dass er mir teure Sachen kauft, ohne sich großartig Gedanken darüber zu machen, und das ich seine Kreditkarte nutzen darf, aber das ist mir eigentlich total unwichtig. Ich würde ihn genauso lieben wie jetzt, wenn er auf der Baustelle arbeiten würde und wir jeden Cent dreimal umdrehen müssten."
Mit roten Wangen sehe ich sie an, denn ich hätte gedacht, dass ich meine Gedanken besser verbergen könnte, aber Eleanor hat sich schon immer als gute Menschenkennerin herausgestellt. „Tut mir leid, das ist auch überhaupt gar kein Vorwurf, ich habe nur einfach manchmal darüber nachgedacht, wie ich reagieren würde, wenn Harry mir so viel schenken würde."
„Du weißt, dass er es tun würde, wenn ich ihn nicht regelmäßig davon abhalten würde?", grinst sie. „Ich weiß, dass dir das furchtbar unangenehm wäre, ansonsten hättest du sicherlich auch schon ein Auto vor der Tür stehen. Louis musste ich damals auch schon runterhandeln, ansonsten hätte ich jetzt einen Porsche und keinen Mini."
Kopfschüttelnd sinke ich weiter in dem Polstersessel ein. „Wie können die Jungs das alles als so selbstverständlich ansehen?"
„Tun sie nicht", versichert sie mir. „Aber mit der Zeit gewöhnt man sich einfach an das Geld und es ist doch eigentlich schön, wenn man den Menschen, die man liebt, eine Freude machen kann."
„So habe ich das noch nie gesehen", gebe ich zu.
Eleanor sieht mich grinsend an. „Bedeutet das, dass ich Harry die Freigabe für ein Auto geben kann?"
„Nein, definitiv nicht", fluche ich eilig und funkele sie an, als sie in Gelächter ausbricht. Einen Augenblick später stimme ich ebenfalls mit ein, einfach, weil mir danach ist, und mir fällt schmerzlich auf, dass ich schon beinahe vergessen habe, wie es sich anfühlt, normal zu sein. Bloß zwei Wochen können das Leben total durcheinanderbringen.
„Ist notiert, kein Auto für Ally", lächelt Eleanor schließlich und zieht mich in eine Umarmung, die ich bitterlich nötig habe. Als sie mich schließlich wieder loslässt, ist mein Herz ein bisschen leichter.
„Warst du schon einmal in Italien?" Fragend sehe ich sie an, als wir weiter durch die Bücher stöbern und uns gerade im Süden Europas aufhalten.
Sie nickt begeistert. „Ja, die Konzerte dort sind wirklich total einzigartig. Außerdem haben Lou und ich letztes Jahr Urlaub in Sciacca gemacht, was eine wunderschöne Hafenstadt ist. Ich habe mich direkt in den Ort verliebt."
„Das hört sich toll an", meine ich mit einem Lächeln auf den Lippen und bringe sie dann dazu, mir mehr von Italien zu erzählen. Ich liebe Reiseberichte ohnehin und heute helfen sie mir dabei, die Realität ein Stück weit zu verdrängen.
Als Eleanor mich Stunden später dazu bringt, mit ihr noch in eine Bar zu gehen, stelle ich erstaunt fest, dass ich seitdem wir aufgebrochen sind, keinen einzigen Blick ins Internet geworfen habe. Es tut gut, denn zu sehr darin zu versinken zieht mich nur noch immer weiter in den Abgrund.
„Die Bar war meine Idee des Plans", erklärt Eleanor mir grinsend, während sie mir die Cocktailkarte rüberschiebt. „Alkohol hilft immer."
„Was soll's." Voller Tatendrang hebe ich das Menü hoch und werfe einen Blick auf die Auswahl. „Schlimmer kann es ohnehin nicht mehr werden, also lass uns trinken."
Der erste Cocktail schmeckt bitter auf meinen Lippen, weil ich den Alkohol nicht gewöhnt bin. Der zweite hingegen sorgt bereits für Betäubung und ich merke, wie ich lockerer werde. Es tut gut, sich endlich entspannen zu können und nicht jeden Augenblick zu befürchten, dass mich jemand erkennt.
Ich lausche gerade einer Geschichte über Eleanors Kommilitonen, der es dieses Semester geschafft hat, im Hörsaal einzuschlafen, als mein Handy anfängt zu klingeln.
Ein Blick auf das Display verrät mir, dass es Harry ist und ich merke, wie ich mich schuldig fühle. In den letzten Tagen bin ich ihm aus dem Weg gegangen und habe unsere Gespräche auf das Minimum reduziert. Und wenn wir dann mal reden, dann vor allem über Belangloses.
Ich schiebe mein Handy ein wenig von mir, denn ich habe keine Kraft, jetzt mit meinem Freund zu reden und schon wieder verzweifelt zu versuchen, nicht mit ihm über die Fotos reden zu müssen. Er kommt immer wieder darauf zurück, während ich es einfach vergessen will.
„Willst du da nicht drangehen?" Stirnrunzelnd sieht Eleanor mich an, als ich Harrys Nummer auch beim zweiten Mal wegdrücke.
„Ich rede später mit ihm."
Sie beißt sich auf die Lippe, während sie mich mustert. Ich weiche ihrem Blick aus, denn ich hasse nichts mehr, als wenn Leute mich zu genau ansehen.
„Es bringt nichts, Harry auszuschließen. Das ist keine Lösung", meint sie schließlich mit sanfter Stimme.
„Ich weiß." Seufzend nippe ich an meinem Cocktail und heiße den bittersüßen Geschmack willkommen. „Aber ich weiß einfach nicht, was ich zu ihm sagen soll. Er ist einfach so weit weg und kann mir ja überhaupt nicht helfen. Außerdem weiß ich, dass er sich Sorgen macht, aber ein Teil von mir nimmt es ihm wirklich übel, was passiert ist. Klar, es ist nicht seine Schuld, nicht wirklich, aber ich will momentan einfach alleine damit klarkommen."
Eleanor legt ihre Hand über meine. „Er macht sich aber wirklich Sorgen. Wenn Harry gekonnt hätte, wäre er direkt zu dir geflogen, aber sie hatten an dem Abend ein Konzert und seitdem einen verdammt straffen Terminkalender."
„Wie immer", sage ich und fühle mich gerade verdammt leer. „Das mache ich ihm auch nicht zum Vorwurf, aber einfacher macht es das jetzt auch nicht."
Eleanor nickt stumm, denn sie ist wahrscheinlich eine der wenigen Personen auf der Welt, die mich wirklich verstehen können. So viele Mädchen träumen davon, mit ihrem Lieblingspopstar zusammen zu sein, aber in Wirklichkeit ist dieses Leben furchtbar schwer und voller Verzicht.
„Harry sorgt sich wirklich um dich. Er tut wirklich alles, was er kann", murmelt meine Freundin.
„Das weiß ich", gebe ich zu, denn die Sorge in seiner Stimme ist nie zu überhören, was alles nur noch schwerer macht. Ich will nicht, dass es ihm schlecht geht, dafür bedeutet er mir viel zu viel, und jetzt bin ich auch noch der Grund dafür. „Ich habe einfach Angst davor, dass so etwas noch einmal passiert."
„Wird es."
Ich schnaube. „Das ist jetzt nicht gerade tröstend."
„Das soll es auch nicht sein. Aber es ist einfach die Wahrheit. Ich glaube, dass das manchmal wichtig ist, als irgendwelche Lügen zu erzählen", entgegnet Eleanor mit einem traurigen Lächeln. „Du wirst wieder in die Zeitung kommen, wenn du mit Harry zusammenbleibst, mehrmals sogar, und auch wenn du dich von ihm trennst, wirst du um mindestens einen Artikel nicht drum herum kommen. Das ist der Fluch vom Leben in der Öffentlichkeit und das kannst du nicht ändern."
Sie nippt an ihrem Cocktail, während ich schweigend darauf warte, dass sie weiterredet.
„Aber weißt du, was das Gute ist, Ally? Es wird jedes Mal ein wenig einfacher und Nacktfotos sind wahrscheinlich das Schlimmste, was überhaupt passieren kann. Das heißt, wenn du das hier überstehst, dann wird alles andere ein Kindergeburtstag hiergegen."
Irgendwann im Laufe der letzten Stunden habe ich meinen Wunsch, gar nicht darüber reden zu wollen, über Bord geworfen, denn es tut gut, einfach einmal eine andere Sichtweise zu bekommen von der Person, die wahrscheinlich am besten versteht, was gerade in mir vorgeht.
„Wie hältst du das alles aus?", frage ich Eleanor leise.
„Es ist furchtbar schwer und gleichzeitig doch ganz einfach, denn ich weiß, dass ich Louis mehr liebe, als das mir der ganze Hass und die ganzen Lügen wehtun. Wenn ich meinen Freund so haben kann, dann ist das immer noch besser, als eine Welt ganz ohne ihn."
Eleanor schenkt mir ein kämpferisches Lächeln. „Versteh mich nicht falsch, ich habe auch Tage, an denen ich am liebsten alles hinschmeißen will. Aber dann hätten die Hater doch gewonnen."
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich so weiter machen kann", wispere ich und entlasse damit zum ersten Mal die Worte in die Freiheit, die schon seit zwei Wochen in meinen Kopf schwirren. „Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin für Harrys Leben."
„Das bist du", versichert sie mir ohne Zögern. „Aber das ist auch gar nicht der springende Punkt. Es ist egal, ob du es kannst oder nicht. Viel wichtiger ist es, ob du es überhaupt willst. Keiner nimmt es dir übel, wenn du das nicht tust. Ich könnte es verstehen und Harry wird das ebenfalls, auch wenn es ihm das Herz brechen wird."
Ich hole zittrig Luft. „Das will ich auch nicht. Ich will ihm nicht wehtun."
„Vielleicht kommst du aber auch nicht daran vorbei. Manchmal muss man zwischen zwei schlechten Optionen einfach für sich selbst die bessere wählen."
Ich drehe mein fast leeres Cocktailglas zwischen meinen Fingern, woraufhin der Inhalt Wellen in alle Richtungen schlägt. „Und was ist, wenn ich nicht einmal weiß, was ich überhaupt will?"
Eleanor wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu. „Das wirst du schon herausfinden. Aber um das tun zu können, solltest du wirklich endlich mit Harry reden."
„Ich rede doch mit ihm", entgegne ich stur.
Amüsiert schüttelt sie den Kopf. „Aber nicht wirklich und es wird Zeit, dass du es tust. Lauf nicht weiter weg."
Ich nippe an meinem Cocktail. „Das bin aber nicht ich. Ich rede nicht über meine Probleme, sondern mache sie lieber mit mir selbst aus."
„Das tut aber nicht immer gut", entgegnet Eleanor und legt mir tröstend eine Hand auf den Arm, als ich stumm bleibe. „Wenn du nicht willst, dann musst du ja nicht einmal mit ihm reden. Aber nimm dir Zeit, darüber nachzudenken, was du wirklich willst und dann triff eine Entscheidung. Denn diese Situation gerade, tut keinem von euch beiden gut."
Ich nicke und als ich zwei Stunden später schließlich Harrys Stimme durchs Telefon höre, geht es mir einen Augenblick lang auch wieder gut. Dann jedoch legt er auf und ich befinde mich wieder alleine auf dieser kalten Welt. Inmitten einem Gedankenstrom, der nicht weiß, wohin. Zerrissen, zwischen unendlichen Möglichkeiten, von denen mich bisher keine überzeugen kann.
Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Entweder ich verzeihe Harry, wage eine Zukunft mit ihm, egal was noch alles kommen mag. Oder ich beende es, bevor es uns beiden das Herz brechen wird. Wobei es da auf meiner Seite wahrscheinlich bereits zu spät für ist, denn ich bin längst verloren.
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Hallöchen ihr Lieben,
Ich bin momentan dabei, die nächsten Kapitel zu überarbeiten und weiß ehrlich gesagt selbst nicht mehr, was genau passieren wird. Das hat man davon, wenn man eine Geschichte vor einem Jahr fertig geschrieben hat und nicht mehr hinterherkommt. Aber immerhin kann ich jetzt mit euch gemeinsam rätseln 😂
Glaubt ihr, dass Ally die Beziehung beenden wird?
Und da Al gerade Reisefieber hat: Welche Stadt oder welches Land wollt ihr unbedingt mal besuchen?
Bis zum nächsten Mal!
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