89 - Offen und ehrlich
Kapitel 89 – »Offen und ehrlich«
────•~❉᯽❉~•────
»I'm way too good at faking it
I'm way too good at making it look like I don't want nobody else
I even started fooling myself
I'm way too good at faking it«
Faking It – Sasha Sloan
────•~❉᯽❉~•────
Die Jungs, Chaewon und auch meine Schwestern ließen es nicht zu, dass ich an diesem Abend alleine in meiner Wohnung schlief. Noch traute sich niemand so recht, mit der ganzen Noah-Sache wirklich abzuschließen, weswegen quasi über meinen Kopf hinweg entschieden wurde, dass ich mit in den Dorm gehen sollte. Wir fuhren nur an meinem – oder besser gesagt Sohees Apartment – vorbei, damit ich mir ein paar Sachen für die Nacht zusammensuchen konnte. Erst, als Jimin, der mich nach oben begleitet hatte, mir kommentarlos immer mehr Klamotten in die Tasche stopfe, wurde mir bewusst, dass er nicht beabsichtigte, mich nach einer Nacht schon wieder gehen zu lassen. Diese Tatsache verursachte ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend, vor allem, wenn ich bedachte, welche Dinge zwischen uns noch alles andere als geklärt waren und welche Person ebenfalls im Dorm wohnte.
Das ganze Spektakel gestaltete sich sehr schweigsam und auch über die restliche Fahrt zum Dorm sagte kaum jemand der Verbliebenen im Auto ein Wort. Meine Schwestern und Chaewon waren inzwischen zuhause abgesetzt worden, weswegen ich mich nun mit Yoongi, Namjoon und Jimin alleine im Wagen befand. Der Einzige, der sprach, war der Leader, der gerade mit Hoseok telefonierte und von der ganzen Sache erzählte. So, wie es sich für mich anhörte, waren Jin, Taehyung und Jungkook auch da und Namjoon auf Lautsprecher.
Ich versuchte, nicht allzu sehr bei dem Gespräch mitzuhören, sondern stattdessen die Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Spätestens, als wir die Hannam-Brücke überquerten, driftete dieses Vorhaben jedoch in eine sehr bedrückende Stimmung ab. Ich saß direkt hinter dem Fahrersitz und immer wieder wanderte mein Blick unfreiwillig zum Rückspiegel, in welchem ich Yoongis Gesicht sehen konnte. Seine Augen waren stur auf die Straße gerichtet und seine Miene gab mal wieder kein bisschen aus seiner Gedankenwelt preis.
Als wir im Dorm ankamen, begrüßten uns die übrigen Members schon an der Tür, obwohl es bereits nach 0 Uhr war und sie alle morgen arbeiten mussten. Taehyung würde wohl bei Jin übernachten und hatte nur darauf gewartet, dass wir zurückkamen. Allerdings schien mein Anblick genug zu sein, um alle Unbeteiligten davon abzuhalten, mich mit Fragen zu bombardieren. Stattdessen kümmerten sich der Älteste und Jungkook darum, dass noch für alle etwas zu Essen bestellt wurde.
Als die Ladung Gimbap eine halbe Stunde später ankam, schaffte ich es kaum, auch nur einen Bissen runterzubekommen. Mir war inzwischen einfach nur noch schlecht und ich wusste nicht, wohin mit mir. Zwischen den Jungs, die fast alle zusammen mit mir am Esstisch saßen, fühlte ich mich unwohl. Und das, obwohl Yoongi sich direkt nach unserer Ankunft in sein Zimmer verzogen hatte. Gerade wollte ich am liebsten einfach nur alleine sein...obwohl mir die Vorstellung davon auch irgendwie Angst machte.
Nach dem, was mir Noah gegenüber herausgerutscht war, konnte ich kaum noch über die ganze Geschichte mit meinem Ex nachdenken. Um genau zu sein, wusste ich gar nicht mehr wirklich, was ich eigentlich die ganze Zeit dachte. Es fühlte sich so an, als ob ich mir meinen Kopf zermarterte, ohne dass sich dabei wirklich handfeste Gedanken bildeten. Es war zum Verrücktwerden. Und es machte mich krank.
Jimin schien es ähnlich wie mir zu gehen. Er redete kaum ein Wort, aß so gut wie gar nichts und machte sich auch als einer der ersten daran, sich in sein Zimmer zu verziehen. Das Einzige, was er noch zu mir sagte, war, dass ich bei ihm schlafen konnte und Hoseok die Couch nehmen würde. Dieser nickte darauf beipflichtend und schenkte mir ein warmes Lächeln.
»Moon?«, schreckte mich eine dunkle Stimme aus meinen Gedanken, als ich gerade dabei half, die letzten Reste vom Tisch zu räumen. Als ich mich umdrehte, starrte ich in Namjoons ernste Miene, welcher sich unruhig mit der Hand an der Kochinsel abgestützt hatte.
»Würde es dir was ausmachen, wenn wir kurz unter vier Augen sprechen, bevor du schlafen gehst?«, fragte er und strich sich dabei mit den freien Fingern über den Nacken. Ganz kurz ließ er seinen Blick zu den letzten verbliebenen Members – Hobi und Jungkook – schweifen, die jedoch so taten als hätten sie gar nichts mitbekommen.
»Ja...klar«, erwiderte ich unschlüssig und warf die letzte leere Schachtel in den Müll, aus dem ich vor ein bisschen mehr als einer Woche das Feuerzeug gefischt hatte. Der Gedanke daran machte mich sofort wieder noch eine ganze Schippe wehleidiger, als ich es ohnehin schon war.
Ich folgte dem Bandleader, der mich zielgerichtet durch den Flur in Richtung seines Zimmers führte. Dieses lag direkt gegenüber von Yoongis, was das Ganze für mich natürlich absolut nicht besser machte. Ganz kurz versuchte ich kein einziges Geräusch beim Gehen zu machen, um zu lauschen, ob man etwas bei ihm hören konnte...doch Fehlanzeige. Es herrschte eiskalte Stille und so wie es aussah, brannte auch kein Licht mehr in seinem Zimmer.
Namjoon schloss die Tür, nachdem ich bei ihm eingetreten war und bot mir an, sich auf seinen Schreibtischstuhl zu setzen. Von ihm hatte ich immer in Erinnerung gehabt, dass er definitiv zu den chaotischeren Members gehörte, doch offensichtlich schien BTS' derzeitiger Lebensstil gar nicht mehr wirklich zuzulassen, dass Zeit zum Chaos stiften übrigblieb. Das Zimmer war ziemlich ordentlich, wenn auch hier und da ein vergessenes Shirt oder ein paar zerknüllte Blätter, vielleicht mit gescheiterten Songideen, auf dem Boden lagen.
Ich ließ mich auf dem Stuhl nieder, während der Bandleader sich unter einem kleinen, gequälten Ächzen auf sein Bett setzte. Durch den Höhenunterschied der beiden Sitzgelegenheiten befanden sich unsere Köpfe nun auf einer Höhe. Ein wenig nervös schob ich meine Hände unter meine Schenkel.
»Ich denke, es wird mal Zeit, dass wir nur zu zweit reden«, begann Namjoon etwas unsicher. »So langsam brennt mir einiges auf der Zunge...Vielleicht hätte ich dich schon viel früher zur Seite nehmen sollen.«
Ich schwieg, denn ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Zudem fühlte es sich mehr so an, als würde er etwas Zeit brauchen, um seine Gedanken zu ordnen, als dass ich ihn jetzt unterbrechen sollte. Und letztendlich behielt ich recht. Namjoon redete von ganz alleine weiter.
»Die Sache ist...Ich beobachte euch jetzt nun schon von Anfang an. Die Pre-Debut-Zeit meine ich. Jimin und dich...und natürlich Yoongi. Immerhin war ich der Erste, der von der ganzen Sache Bescheid wusste und ich würde auch mal behaupten, dass meine Auffassungsgabe gut genug ist, um mir auch ohne dauerhafte Informationszufuhr ein gutes Bild über die Situation machen zu können...oder konnte...wie auch immer. Ich wollte dich jedenfalls einmal gerne fragen, ob du dir eigentlich wirklich über die Sachlage bewusst bist...und damit meine ich die Gesamtlage. Mit der heutigen eingeschlossen.«
Eigentlich wäre es ein Zeitpunkt gewesen, um weiter nachzuhaken. Namjoon dazu zu zwingen, konkreter zu werden, doch leider wusste ich genau, worauf er hinauswollte. Ich hatte es irgendwie schon gewusst, bevor wir überhaupt sein Zimmer betreten und er den Mund aufgemacht hatte. Demonstrativ schob ich meine Hand in meine Hosentasche und schloss meine Finger um das Feuerzeug, das ich seit seinem Fund immer bei mir trug.
»Er hat es mir gesagt...«, murmelte ich tonlos. »Yoongi hat es mir gesagt.«
Namjoon starrte mich kurz an, als hätte er mit dieser Aussage nicht gerechnet, riss sich dann jedoch sehr schnell wieder zusammen und nickte.
»Mir hat er es noch nie gesagt...aber ich wusste es auch so. Yoongi hat sich schon mal ein wenig in jemanden verliebt, als wir gerade frisch hier in Seoul waren. Es gab da einfach zu viele Parallelen zu seinem Verhalten. Dazu die Tatsache, dass er sich dir so geöffnet hat. Er ist nicht der Typ, der sich auf sowas wie Freundschaft Plus einlassen würde. Ich sag dir das ganz offen und ehrlich. Alleine das beweist schon genug. Die Sache mit dir hat ihm von vorneherein mehr bedeutet, sonst hätte er nicht alle seine Prinzipien über den Haufen geworfen und sich einfach vollkommen fallengelassen.«
Ich atmete tief durch, ohne dabei das Feuerzeug in meiner Hosentasche loszulassen. Es nun von Namjoon ausgesprochen zu hören, machte es so erschreckend real. Es verzerrte jedes Bild, jede Erinnerung, die ich mit Yoongi teilte. Sie alle fühlten sich nun anders an. Und auf eine seltsame Weise auch irgendwie bunter.
»Eigentlich«, fuhr der Bandleader fort, »habe ich immer gedacht, Yoongi würde über das alles hinwegkommen. Er ist so viel besser darin, mit seinem Frust umzugehen und ihn zu verstecken, als zum Beispiel Jimin. Aber ich habe gespürt, dass er sehr lange an dieser ganzen Sache zu kauen hatte, nachdem sich deine und unsere Wege getrennt hatten. Ich dachte sehr lange, es läge an Jimin, aber dann sind vier Jahre vergangen und du bist wieder aufgetaucht. Und da wurde mir klar, dass das alles zum größten Teil wahrscheinlich gar nicht mit einer schweren Schuld zu tun hatte...sondern mit der Tatsache, dass er dich vermisste. Und dann wurde es mir schrittweise immer mehr bestätigt. Er hat gegen meine Bitte mit dir Kontakt aufgenommen. Sich mit dir getroffen. Dich sogar zu unserer Arbeit kommen lassen.«
»Er hat mir gesagt, er glaube, dass Jimin noch Gefühle für mich hätte«, warf ich mit bitterer Stimme ein und senkte den Kopf. »Er hat darin die einzige Möglichkeit gesehen, dass ich mich je wieder auf den Kontakt mit euch einlassen würde.«
Namjoon schloss die Augen und seufzte schwerfällig. »Es ist so typisch...Yoongi stellt sich immer hinten an. Aber es ist unglaublich, wie er sich da lieber darauf einlässt, verletzt zu werden, oder? Alles nur, um eine bestimmte Person um sich zu haben, anstatt einfach nie Kontakt aufzubauen und sich all die Probleme zu ersparen.«
»Aber er hat den Kontakt wieder abgebrochen«, sagte ich, wobei meine Stimme wieder zu zittern begann. »Als er erfahren hat, dass Jimin und ich...«
»Ja...ich hab's mitbekommen. Das ist auch so eine Sache, weswegen ich es inzwischen wirklich als unausweichlich empfunden habe, dieses Gespräch mit dir zu führen.«
Ich musste schon wieder gegen die Tränen ankämpfen, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, heute nicht mehr zu weinen. Oder zählte das schon nicht mehr, weil längst nach Mitternacht war?
»Sag mir nur eines, Moon-ah«, sagte Namjoon leise und beugte sich dabei etwas in meine Richtung. »Warum zur Hölle arbeitest du die ganze Zeit in eine Richtung, von der du genau weißt, dass es die falsche ist?«
Ich riss den Kopf hoch und starrte ihn bestürzt an. Woher...Wie konnte er wissen, dass...? Hatte er etwa nicht nur Yoongi, sondern auch mich genau beobachtet? Okay...wenn er es selbst geschafft hatte, den König des Pokerfaces zu durchschauen, warum sollte ihm das nicht auch bei mir gelungen sein?
»Yoongi und ich...Das sollte nie sein«, begann ich in einem kläglichen Ton. »Es war alles einfach ein unglücklicher Zufall, dass wir auf dieser Party...«
»War es ein unglücklicher Zufall...oder wurde es das nur, weil ihr es dazu gemacht habt?«
Ich öffnete schon den Mund, doch merkte schnell, dass ich nichts hatte, was ich darauf entgegnen konnte. Die Frage schlich sich wie ein Nervengift in meinen Kopf. Es wirkte nur langsam. Namjoon seufzte erneut.
»Weißt du, Moon-ah...ich mag dich. Ich mag dich wirklich! Auch, wenn du wahrscheinlich denkst, dass ich es nicht tue. Ich weiß, dass du ein gutes Herz hast und niemandem vorsätzlich wehtun wolltest. Aber du bist einfach wirklich ein wahrer Profi darin, dich selbst für manche Dinge blind zu machen. Du hast dich damals in Jimin verknallt...das war hier jedem klar! Alle aus der Band wussten das. Es stand euch ja förmlich ins Gesicht geschrieben. Aber von da an dachtest du, es könnte nach der ersten Liebe nichts Besseres kommen. Du hast dich so auf Jimin versteift, dass du irgendwann wirklich geglaubt hast, er wäre der Eine für dich...obwohl er es, meiner Meinung nach, ganz klar nicht ist. Schaut euch doch an! Ihr habt keine Vertrauensbasis mehr und werdet diese auch nie wieder herstellen können. Ihr wart noch nicht einmal offiziell zusammen, da hattet ihr schon dauernd Dinge, die geklärt werden mussten. Missverständnisse, Ungesagtes, Vorsichtsmaßnahmen, um niemanden zu verletzen. Willst du das wirklich den Start in die Beziehung nennen, die für immer halten soll?«
Namjoons Worte hatten es nun doch geschafft, die Tränen in meine Augen zu treiben. Nun kullerten sie mir stumm die Wangen hinunter, während er mich mit einer Mischung aus Mitleid und Ernst musterte.
»Vielleicht hört sich das für dich jetzt alles so an, als wäre ich ein kompletter Vollidiot. Vielleicht denkst du dir jetzt "Was bildet der sich ein, so über mein Gefühlsleben zu urteilen?" Eigentlich will ich das auch gar nicht, denn es ist nicht meine Sache! Aber Moon...Ich habe Augen im Kopf. Ich kann sehen, wie du dich quälst. Wie du dich eigentlich wo ganz anders hinwünschst, wenn Jimin neben dir ist. Es ist kein Vergleich zu der Art, wie du Yoongi ansiehst. Wie du dich verhältst und was du ausstrahlst, wenn er bei dir ist. Ja, Moon-ah, ich hab euch alle genauer beobachtet. Und ich habe auch vorhin deinen Blick gesehen, mit dem du ihn im Restaurant angestarrt hast. Du willst mir nicht erzählen, dass der nicht genau das bestätigt, was ich dir gerade erzählt habe.«
Ich schloss die Augen und heiße Tränen zwängten sich zwischen meine Wimpern. Was war ich nur für eine blinde Kuh, dass ich mir nun von Namjoon meine eigene Lage vor Augen halten lassen musste? Ich wollte nicht, dass seine Worte wahr waren. Dass Problem bestand darin, dass sie sich wahr anfühlten.
Der Bandleader erhob sich genauso schwerfällig von seinem Bett, wie er sich auch darauf niedergelassen hatte. Dann kam er zum Schreibtisch herüber und zog eine Packung Taschentücher hervor, von denen er mir eines gab.
»Ich wollte nicht mit dir reden, um es wie einen Vorwurf klingen zu lassen«, setzte er erneut an, als ich ganz eindeutig keine Anstalten machte, etwas zu sagen. »Meine Intention war mehr, dich vielleicht ein wenig zum Nachdenken anzuregen. Du und ich, wir zwei wissen, dass das mit Jimin wahrscheinlich nicht das Richtige für euch beide ist. Aber so, wie ich euch kenne, werdet ihr euch erst richtig damit auseinandersetzen, wenn es schon lange zu spät ist. Ihr klammert euch zu sehr an dem Gedanken fest, dass es nach all dem Aufwand der richtige Weg für euch beide sein muss...und normalerweise würde ich niemals so weit gehen und solche Aussagen tätigen, aber...wenn ich jemanden an deiner Seite sehe, dann ist das Yoongi. Hass mich dafür und mach letztendlich das, was sich für dich richtig anfühlt...aber ich werde bei meinen Worten bleiben.«
Ich schniefte und wischte mir mit dem Taschentuch über die Wange. »Wieso...sagst du mir das? War es dir nicht immer wichtig, dass Frieden zwischen den Members herrscht?«
Ein gequältes Lächeln erschien auf Namjoons Gesicht. »Weißt du...Wenn ich eines über die Jahre gelernt habe, dann dass in dieser Band jeder von jedem abhängt. Geht es einem schlecht, geht es allen schlecht. Alleine das ist mitunter ein Grund, weshalb ich dir das so unverblümt sage und dir diese Gedanken näherbringen will. Ich sehe, wie es Yoongi jetzt geht. Ich sehe, wie es dir jetzt geht. Und ich meine auch zu wissen, dass Jimin ähnlich unglücklich ist. Das ist keine Situation, die ich so bestehen lassen will. Ich würde es nie wieder wagen, zu sagen, dass du dich von der Band fernhalten sollst. Aber ich maße mir an, dieses Mal einzugreifen, bevor wieder alles in einem kompletten Desaster endet. Entscheide dich für das Richtige, solange du es noch kannst, Moon-ah. Denn irgendwann wird es zu spät sein.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top