88 - Der Plan Pt. III

Kapitel 88 – »Der Plan Pt. III«


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»I thought we could put it all to rest
Let the past go but I can't forget

Can't get this out of my head
And all I see is this sweat on your soul
Now you're hollowed out

Tell me all the reasons you treat me this way
When you're feeling low to make yourself okay«

Let This Haunt You – Slaves

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»Moon?! Moonhee!«

Ich schreckte auf, als ich meinen Namen hörte und noch einmal mehr, als ich bemerkte, dass meine große Schwester direkt vor mir stand. Erst dann realisierte ich, dass die Gespräche im Raum größtenteils verstummt waren. Unweigerlich sah ich zu Noah, der immer noch auf seinem Platz am Tisch saß. Sein Kopf war zu seinem Schoß gesenkt, wodurch ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.

»Alles okay?«, fragte Sohee und musterte mich scharf. Ich nickte schnell, um zu verschleiern, wobei ich mich gerade eigentlich verloren hatte. Nämlich Yoongi anstarren.

»Noah möchte noch einmal mit dir alleine reden, falls du es nicht mitbekommen hast«, sagte sie und schielte dabei kurz zu dem Häufchen Elend auf dem Stuhl. »Ich denke, du schuldest Yunhee nach heute eine ganze Menge.«

Meine kleine Schwester zwinkerte mir aus dem Hintergrund zu, ehe sie sich langsam, so wie fast alle anderen auch, zur Tür bewegte. In mir dagegen stieg ein leichtes Gefühl von Panik auf. Wollten sie mich jetzt etwa mit Noah ganz alleine lassen? Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich eigentlich so gut wie keinen Schimmer hatte, was sie denn eigentlich alle tatsächlich miteinander gesprochen hatten. Mein Kopf war die ganze Zeit ganz woanders gewesen. Beim Elend dieser ganzen Situation oder bei den neuen, mir gerade klargewordenen Tatsachen, die mir nun dauerhaft ein leichtes Herzrasen und Unwohlsein bescherten.

»Ich denke, das ist wirklich keine gute Idee, sie jetzt alleine zu –«, setzte Jimin hinter mir an, während sich sein Arm fester um mich schlang, doch Sohee schüttelte sofort den Kopf.

»Sie ist nicht aus Zucker«, erwiderte sie trocken und nickte ihn in Richtung der Tür, zu der sie gerade eigentlich schon unterwegs gewesen war.

Jimin zögerte noch ein paar wenige Sekunden, dann jedoch löste er seinen Griff und kam um mich herum. Als er direkt vor mir stand, zog sich mein Herz auf eine unangenehme Weise zusammen und ich schaffte es nicht wirklich, ihm in die Augen zu sehen. Er dagegen sah auf mich runter, als wäre es gerade das allerschwerste für ihn, mich für einige Minuten mit meinem Ex alleine in einem Raum zu lassen.

»Wir sind direkt vor der Tür, ja?«, murmelte er beschwichtigend und strich mir mit den Fingern über die Wange. »Wenn irgendetwas ist...dann schrei einfach und wir kommen sofort!«

Ich presste die Lippen zusammen und nickte. Jimin gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn, ehe er mit einem wehleidigen Blick den anderen aus dem Raum folgte. Als die Tür hinter ihnen zuschlug, traf mich das Geräusch wie ein eiskalter Schauer. Irgendwie konnte ich wirklich nicht glauben, dass sie mich gerade mit Noah alleine gelassen hatten, der immer noch eingesunken auf einem der Stühle saß.

Etwas widerwillig setzte ich mich mit steifen Schritten in Bewegung, um mich auf die gegenüberliegende Seite des Tisches zu setzen. Immerhin befand sich dann ein nicht zu unterschätzendes Stück Holz zwischen ihm und mir, durch das er sich nicht direkt auf mich stürzen könnte...falls er das denn vorhaben sollte.

Noah sah erst auf, als ich schon längst saß und begonnen hatte, meine Daumen schmerzhaft in meinen Fäusten zu zerdrücken. Sein Gesicht war bleich und er wirkte ganz schön mitgenommen. Irgendwie schien er mich auch gar nicht richtig wahrzunehmen, sondern starrte eher in die Luft direkt vor mir.

»Ich wusste wirklich nicht, dass das, was ich tue, dich so in Gefahr bringen könnte.«

Ein seltsamer Schauer wanderte über meine Arme und ich konnte mir das Blinzeln nicht verkneifen. Es wäre wirklich schlau gewesen, mehr aufzupassen, als die ganze Mannschaft mit ihm geredet hatte. Plötzlich fühlte ich mich ziemlich undankbar gegenüber der Tatsache, was sie hier eigentlich für mich taten.

»Hättest du dir das nicht denken können, wenn du schon damit drohst, die Öffentlichkeit gegen mich aufzuhetzen?«, würgte ich hervor und verkrampfte meine Fäuste wieder um meine Daumen.

Noah atmete hörbar durch. »Ich...ich dachte nicht, dass es...so heftig sein würde. Ich wusste auch nicht, dass es sowas wie diese...Sasaengs oder wie sie genannt werden, gibt...Ich dachte...«

»Du hast gar nicht gedacht. Du wolltest einfach nur.«

Ich senkte mit zusammengepressten Lippen den Kopf und starrte auf meine Hände. Yunhee musste ganze Arbeit geleistet haben, indem sie ihn mit ihrem ganzen angesammelten Wissen über all die dunklen Seiten der K-Pop-Welt niedergemetzelt hatte. Natürlich war Noah nicht informiert genug gewesen, um zu verstehen, dass er mir mit seiner Drohung eigentlich auch gleich den Tod hätte wünschen können. Nun zu erfahren, dass schon viel weniger »Skandal« das ein oder andere Idol in den Selbstmord getrieben hatte, musste ihn ganz schön schwer getroffen haben.

»Ja«, murmelte er bitter. »Ich wollte dich. Und ich will dich immer noch.«

»Man kann nicht immer alles haben«, erwiderte ich tonlos. »Also nimm bitte endlich an, was ich dir sage. Das zwischen uns ist vorbei. Und inzwischen weiß ich auch, dass es nie etwas war, was mich komplett erfüllt hat. Sonst hätte ich damals alles darangesetzt, mit dir zusammenzubleiben.«

Noah hob den Kopf und sah mich zum ersten Mal richtig an. In seinen Augen lag der Schmerz, den diese Aussage offensichtlich bei ihm verursachte. Immerhin bewies mir das, dass er nun endlich zuließ, meine Worte für voll zu nehmen und sie mir nicht mehr im Mund herumdrehte.

»Ich werde die Bilder löschen«, sagte er nach einer Weile und ein säuerlicher Unterton hatte sich dabei in seine Stimme gemischt. »Aber gibt es wirklich keine Chance, dass wir beide –«

»Nein«, fiel ich ihm ins Wort. »Es gibt keine Chance.«

Noah öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder und raufte sich die Haare. Verzweiflung stand in sein Gesicht geschrieben und er schien nun doch lieber nach jedem verbliebenen Strohhalm greifen zu wollen, als endlich zu akzeptieren, dass es vorbei war.

»Ich kann dir beweisen, dass ich dich glücklich machen kann! Auch, wenn wir erstmal nur befreundet sind! Wirklich, Moon, ich kann's dir zeigen! Ich habe viel mehr Zeit als deine...deine jetzigen Leute und ich werde alles besser machen! Versprochen!«

Ich kniff die Augen zusammen und wehrte mich innerlich gegen den Drang, einfach all das angerichtete Geschirr auf dem Tisch auf ihn zu werfen. Wie konnte ich gerade noch die Hoffnung gehabt haben, er würde endlich verstehen, was ich ihm sagen wollte? Warum hing er mir immer noch am Rockzipfel wie ein kleines Kind? Wie konnte man als erwachsener Mann so immens jede Achtung vor sich selbst verlieren?

»Lass mich in Ruhe, Noah«, presste ich hervor und erhob mich dabei so ruckartig von meinem Stuhl, dass dieser dabei krachend umfiel. »Du hast es wirklich geschafft, dass ich jetzt Angst vor dir habe. Weil ich nun weiß, zu was du alles bereit und fähig wärst, um das zu bekommen, was du willst. Ich will dich nicht mehr in meinem Leben haben und das hast du dir ganz alleine selbst zuzuschreiben.«

Ich stürmte um den Tisch herum in Richtung der Tür, doch ein Schleier von Tränen behinderte erheblich meine Sicht. Ich hörte die Stimmen der anderen, die vielleicht darum stritten, ob sie reinkommen sollten, nachdem der Stuhl so geräuschvoll umgefallen war. Dennoch hielt ich drei Meter vor der Tür inne und drehte mich erneut um. Verschwommen sah ich Noah immer noch dort am Tisch sitzen. Wenn ich mich nicht irrte, weinte auch er.

»Ich habe mich anfangs auch nicht richtig verhalten«, schluchzte ich hervor, die Hände wieder zu Fäusten geballt. »Ich hätte mich mehr um dich kümmern sollen. Das wäre ich dir schuldig gewesen nach all den Jahren. Ich hätte nicht einfach abhauen und den Kontakt komplett abbrechen sollen. Ich dachte, es wäre das Beste für uns beide, um mit der Sache abzuschließen. Offensichtlich war es das aber nur für mich.«

Noah stand auf und machte ein paar wenige Schritte auf mich zu. »Du sagtest vorhin, es wäre nie wirklich das Richtige mit mir gewesen...Wieso, Moon? Wieso hast du dann nicht früher Schluss gemacht? War ich nur ein Zeitvertreib für dich?«

Seine Worte trafen mich wie eine metallene Faust in die Magengegend und erneut stieg sengende Hitze in mein Gesicht. Und das nur, weil seine Frage doch irgendwie berechtigt war. Hatte er denn bloß eine Art Zeitvertreib für mich dargestellt? Das sicher nicht... Wohl eher einen Rettungsanker für die Zeit, in der ich mich einsam und verlassen gefühlt hatte. So oder so konnte man es als Ausnutzen bezeichnen.

»Manchmal wird einem selbst einiges erst dann klar, wenn man ein wenig Abstand zu den Dingen gewonnen hat«, krächzte ich und wischte mir mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht. »Aber du warst nie ein Zeitvertreib für mich. Wirklich nicht.«

Das schien Noah nun letztendlich den Rest gegeben zu haben. Er presste seine Lippen aufeinander, senkte den Kopf und nickte steif. Dann setzte er zu einem schlurfenden Gang an, wobei er einen riesigen Abstand zu mir wahrte.

»Dann...war's das hier wohl«, sagte er leise und ohne mich dabei anzusehen, als er auf meiner Höhe ankam. Dann zögerte er plötzlich und schielte ganz leicht zu mir herüber. »Beantworte mir nur eine Frage ehrlich...Ich muss das einfach wissen...Hast du mich je richtig geliebt?«

Ich starrte in seine traurig dreinblickenden Augen, während mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Wir standen hier förmlich zwischen Tür und Angel...und ich wusste, dass das wohl die letzten Worte sein würden, die ich an ihn richtete. Dementsprechend schaltete sich mein Gehirn in diesem Moment förmlich aus. Ich wusste nicht mehr, was ich hier eigentlich tat. Was das hier alles eigentlich sollte.

»Mir ist hier in Seoul klar geworden, dass ich bisher in meinem Leben nur zwei Menschen wirklich geliebt habe. Und du...du bist keine davon.«

Noah nickte, als hätte er sich diese Antwort schon gedacht. »Dann lebe wohl, Moonhee. Ich hoffe, du wirst irgendwann...noch wirklich glücklich.«

Mit diesen Worten ging er an mir vorbei. Ich drehte mich mit ihm...nur um dann erneut einen heftigen Schlag in meinen Bauch verkraften zu müssen. Die anderen hatten inzwischen die Tür geöffnet...und da standen Jimin und Yoongi und starrten mich an, als würden sie mich nicht mehr kennen. Mit einem Mal wurde mir bewusst, was mir gerade gegenüber Noah herausgerutscht war, der sich schon längst an den anderen vorbei nach draußen gedrängt hatte. Eine Tatsache, die nun im Raum schwebte, obwohl sie sich erst seit wenigen Minuten in meinem Kopf manifestiert hatte.

»Jimin«, hauchte ich und trat einen Schritt auf ihn zu. »Ich hab das nicht so...Ich wollte nicht...«

Der Sänger riss seinen Kopf zu Yoongi herum, nur um dann gleich wieder zu mir zu starren. »Ich wusste es...Ich wusste es die ganze Zeit.«

Yoongi presste die Lippen aufeinander und knirschte mit den Zähnen. Er sah so aus, als würde er sich am liebsten ebenfalls umdrehen und einfach gehen.

»Du hast doch ihn gemeint, oder?«, rief Jimin hysterisch und deutete auf seinen Bandkollegen. »Wen willst du sonst damit gemeint haben?«

»Jetzt mach mal halblang«, murmelte der Rapper trocken und drückte dessen Arm wieder nach unten. »Das ist kompletter Schwachsinn.«

Wenn er nur wüsste, schoss es mir durch den Kopf, während es mir mein Herz in der Brust förmlich zerfetzte. Nun hatte ich mich quasi von einem Schlamassel direkt ins nächste geritten. Keine Verschnaufpause...es ging direkt weiter mit dem nächsten Drama. Eines, das wohl längst überfällig gewesen war.

Das Schlimmste war wohl, dass ich in diesem Moment einfach nicht mehr antworten konnte. Es gelang mir nicht, zu sagen »Hey, das war alles nur ein Missverständnis. Du bist der Einzige für mich, Jimin. Ich liebe nur dich und niemanden sonst.« Ich konnte lediglich hier rumstehen und mit aller Gewalt versuchen, die Macht über meine Zunge zurückzubekommen.

»Jetzt sag schon«, begann Jimin erneut und trat mit einem verzweifelten Blick auf mich zu. »Was sollte das heißen, du hast bisher nur zwei Personen geliebt? Hast du Yoongi geliebt? Tust du es immer noch?«

»Nicht...nicht so wie dich«, presste ich hervor, weil sich das wohl am wenigsten wie eine Lüge anfühlte. Gleichzeitig fragte ich mich, warum es nicht einfach direkt bei der eiskalten Wahrheit beließ. So oder so würde ich uns alle irgendwie verletzen...nur bei dieser Lüge blieb wenigstens Jimin verschont.

»Siehst du«, sagte Yoongi mit tonloser Stimme. »Kein Grund zur Panik. Können wir jetzt endlich von hier verschwinden? Sonst will der Kellner sicher nochmal Geld, damit er uns in Ruhe lässt.«

Unsere Blicke begegneten sich ganz kurz, ehe Yoongi ohne eine Antwort des Jüngeren abzuwarten nach draußen huschte. Durch seinen Abgang entdeckte ich auch meine beiden Schwestern, die sich im Flur aufhielten und immer wieder unauffällig zu uns herüberschielten. Ich musste mich heftig dazu zwingen, wieder zu Jimin zu sehen.

Mein Freund starrte mich mit so vielen Emotionen in seiner Miene an, dass es mich schier überforderte, sie alle zu deuten. Am meisten stach wohl seine Verunsicherung hervor. Diese hielt ihn letztendlich jedoch nicht davon ab, mir eine Hand auf den Oberarm zu legen.

»Wir...wir reden morgen darüber, oder? Ich denke, für heute war das erstmal genug. Dein Ex ist keine Gefahr mehr und das sollte uns erst mal reichen...«

Er wirkte nicht überzeugt von seiner Aussage, legte mir jedoch die Hand auf den Rücken, nachdem er sich wieder verhüllt hatte, um mich nach draußen zu geleiten. Der Weg führte uns in die entgegengesetzte Richtung des Flurs, zu einem Hinterausgang. Als wir nach draußen traten, erhaschte ich noch einen ganz kurzen Blick auf die Zigarette, die Yoongi auf den Boden fallen ließ und zertrat, ehe er uns voraus aus dem Innenhof herausstapfte.

Als ich mich kurz umdrehte, entdeckte ich Chaewon und Namjoon bei Sohee und Yunhee. Meine kleine Schwester schien sich gerade auf eine peinlich berührte Weise mit dem Bandleader zu unterhalten, wobei ihr Gesicht ganz rot angelaufen war. Namjoon selbst grinste. Das konnte man an seinen Augen sehen, die als einzige nicht durch Mütze und Maske verborgen waren.

Die Tatsache, dass meine kleine Schwester happy war, erschien mir aus irgendeinem Grund als das einzig Schöne, was ich diesem eigentlich ziemlich gut verlaufenen Abend gerade abgewinnen konnte.

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