70 - Das Dinner Pt. I
Kapitel 70 – »Das Dinner Pt. I«
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»"Come on, little lady, give us a smile"
No, I ain't got nothin' to smile about
I got no one to smile for, I waited a while for
A moment to say I don't owe you a goddamn thing«
Nightmare – Halsey
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Fr., 2. März 2018
Moonhee
»Du hättest dich ruhig etwas mehr zurecht machen können...Ein bisschen mehr Schminke würde dein Gesicht mehr strahlen lassen.«
Meine Mutter stand bereits in ihrem schicken Hosenanzug im Flur und musterte mich skeptisch von oben bis unten, als ich aus meinem Zimmer trat. Nur mit Mühe konnte ich mir ein Augendrehen verkneifen und sie stattdessen ignorieren, während ich in mein einziges Paar hoher Schuhe schlüpfte. Es waren Stiefeletten mit einer matten Optik, die meiner Meinung nach sehr gut zu dem langen dunklen Jumpsuit und dem Blazer passten, den ich darüber trug. Meine Haare hatte ich in einem Dutt gebändigt, was meiner Mutter aber nun leider wirklich viel zu viel Blick auf mein so gut wie gar nicht geschminktes Gesicht ließ.
»Sind die Damen bald fertig?«, fragte mein Vater, der gerade seinen Anzug glattstreichend aus dem Badezimmer kam. »Moonhee-yah, du sagtest ja, dein Freund würde direkt zu der Adresse kommen, oder? Ich würde gerne in der nächsten halben Stunde losfahren.«
Ich atmete genervt durch, ehe ich antwortete. »Erstens, Appa, habe ich euch nie gesagt, dass er mein Freund ist...Zweitens warte ich noch auf seine Antwort, er hat gerade noch ein Meeting.«
Meine Mutter rümpfte die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nicht, dass er letztendlich doch noch absagt...Es macht keinen guten Eindruck, wenn wir ohne die angekündigte Begleitung erscheinen.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und beäugte sie misstrauisch. »Ihr habt dem Chef von Beauty Revolution nicht ernsthaft gesagt, ich bringe einen Member der Band BTS mit, oder? Also ihr habt ihm das doch nicht so gesagt...oder?!«
»Ach, wo denkst du denn hin...Das wäre ja mehr als plump gewesen«, erwiderte meine Mutter in einem verächtlichen Ton. »Wir haben ihn ohne Namen und lediglich als deinen Freund angekündigt...Ob er das nun ist oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Vor Lee Wonmin-nim werdet ihr jedenfalls ein Paar sein müssen, sonst denkt der noch weiß der Himmel was über uns!«
Es war wirklich unglaublich, was meine Eltern da wieder auf die Beine stellten, um ihren Willen durchzusetzen. Was ich dabei dachte, zählte natürlich wie immer nicht. Hatte es ja auch schließlich noch nie. Ich war schon wieder drauf und dran meine Handtasche auf den Boden zu pfeffern und mich schlichtweg zu weigern, sie auf dieses verdammte Essen zu begleiten, als mir – wie schon so oft in letzter Zeit – Jimins Worte durch den Kopf echoten. Du verpflichtest dich mit deinem ersten Job nicht ein Leben lang. Es kann dir in jeglicher Hinsicht nur Erfahrung und Starthilfe für den nächsten geben.
Ich atmete erneut tief durch, um mich ein wenig zu beruhigen. Vielleicht würde ich meiner Mutter ja etwas entgegenkommen, wenn ich ihr sagen würde, dass ich kurz noch etwas mehr Make-Up auftragen ginge. Immerhin konnte ich dann noch ein paar Minuten ohne ihre Anwesenheit im gleichen Raum ergattern. Doch noch ehe ich überhaupt dazu kam, meinen Mund zu öffnen, ertönte ein leises Summen aus der Tasche in meinen Händen. Ein eingehender Anruf. Und im Prinzip konnte es nur eine Person sein.
»Ich bin kurz telefonieren«, entschuldigte ich mich bei meinen Eltern, huschte ohne einen Blick zurück in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. Erst dann begann ich in einer unbändigen Hast, mein Handy aus der Tasche zu kramen. Natürlich war es Jimin, der mich anrief. Und ich zögerte keine Sekunde, den Anruf anzunehmen.
»Gut, dass du dich meldest«, stöhnte ich mit gedämpfter Stimme in den Hörer. »Meine Eltern haben mein Limit jetzt schon erreicht und ich hab echt keinen blassen Schimmer, wie ich diesen Abend überleben soll.«
»Jebi«, ertönte Jimins Stimme und mit einem Mal sank mir das Herz in die Hose. Er klang nicht gut. Ganz und gar nicht gut.
»Was ist los? Stimmt was nicht?«, fragte ich ihn vorsichtig.
Ich hörte ihn am anderen Ende der Leitung zittrig durchatmen. »Ich...Moon-ah, es tut mir so leid, aber...ich kann heute Abend nicht kommen.«
Für einen Moment herrschte völlige Stille zwischen uns. Mein Herz hing immer noch ein paar Stockwerke zu tief und es fiel mir unglaublich schwer, mich zu einer Antwort durchzuringen.«
»W-wieso? Ist was passiert?«
»Bei dem Meeting, das wir gerade hatten...Sie haben uns gesagt, dass Hoseok und ich jetzt noch ein paar kurzfristige Termine für Japan reingequetscht bekommen haben und wir müssen schon in ein paar Stunden zum Flughafen, um nach Tokio zu fliegen. Das kam jetzt auch für uns komplett unerwartet, aber...ich kann leider nichts daran ändern...«
»Oh«, war das Einzige, was mir dazu über die Lippen kam. Mein Kopf fühlte sich von einem Moment auf den anderen seltsam leer an.
»Ich möchte aber nicht, dass du denkst, dass ich dich heute Abend hängen lasse!«, platzte es plötzlich aus Jimin hervor. »Ich...ich habe mit...mit Namjoon geredet, weißt du? Er hat sich bereiterklärt, an meiner Stelle mit dir zu dem Essen zu gehen. Glaub mir, er ist wahrscheinlich sogar besser als ich als deine Begleitung! Er kann so gut reden und wird zu hundert Prozent einen guten Eindruck machen, glaub mir!«
»Oh...äh...ja...ja, das ist gut«, würgte ich hervor und zwang mich zu einem Lächeln, das er nicht einmal sehen konnte.
Eigentlich war absolut gar nichts gut. Namjoon als meine Begleitung? Er nahm mir doch bis zum heutigen Tag noch unterschwellig übel, was damals vorgefallen war. Bei all unseren Aufeinandertreffen war er tendenziell eher distanziert als offen zu mir gewesen. Wie zur Hölle hatte Jimin ihn überhaupt überreden können, mich an seiner Stelle zu dem Essen zu begleiten?!
»Tut mir wirklich leid, dass es jetzt so gekommen ist«, murmelte der Sänger erneut in einem mehr als wehleidigen Ton. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie angepisst Hobi und ich von der ganzen Sache sind. Normalerweise wären wir erst übermorgen nach Tokio geflogen...«
»Ist schon gut«, erwiderte ich leise. »Du kannst nichts dafür. Ich nehme dir das nicht übel...«
Jimin seufzte und es klang nicht gerade überzeugt. »Lass mich das irgendwie wiedergutmachen, wenn ich zurück in Seoul bin, ja? Ich muss jetzt leider auflegen, weil ich noch packen muss...«
»Okay, ja klar...versteh ich.«
Fünf Minuten später kam ich ohne einen weiteren Fetzen Make-Up auf meinem Gesicht aus meinem Zimmer gestapft. Nachdem Jimin aufgelegt hatte, war es mir erstmal nicht gelungen, mich aus meiner Schockstarre zu bewegen. Dann hatte es noch eine Weile gedauert, bis ich mich dazu durchringen hatte können, meinen Eltern wieder unter die Augen zu treten...Nun musste ich ihnen nämlich erklären, dass statt Jimin jemand anderes mit uns auf dieses Essen gehen würde. Falls es überhaupt dazu kommen sollte und sie mir nicht vorher den Hals umdrehten.
Es war seltsam, das Gefühl, das mich in diesem Moment beherrschte, in Worte zu fassen. Auf eine wirklich schräge Weise hatte ich mich gefreut, einen Abend mit Jimin verbringen zu können. Trotz der Tatsache, dass ich absolut keine Lust auf dieses Dinner hatte. Immerhin wäre es etwas Zeit gewesen, die ich mit ihm verbringen hätte können. Sogar Zeit, in der wir wohl oder übel ein Paar hätten mimen müssen...was in der koreanischen Kultur aber nicht wirklich viel zu sagen hatte, da man sich ohnehin mit jeglichen Berührungen und der gleichen zurückhalten musste. Was für mich in diesem Sinne jedoch gezählt hätte, wäre das Gefühl gewesen. Das Gefühl, als wären wir schon in dieser seltsamen unvorstellbaren Realität angekommen, in der er mein Freund und ich seine Freundin war. In einer Welt, in der er sich von allen Frauen auf dieser Welt, die er hätte haben können, ausgerechnet mich ausgesucht hatte.
Und nun? Jetzt musste ich dieses ganze Schauspiel ausgerechnet mit Namjoon durchführen. Ob er überhaupt einen blassen Schimmer davon hatte, was ihm bevorstand? Bestimmt...der BTS-Leader war schon immer ein Talent darin gewesen, die Dinge richtig zu verknüpfen und so würde er wahrscheinlich schon ein zutreffendes Bild von meinen Eltern haben, noch bevor er sie jemals getroffen hatte.
Das Vibrieren des Handys in meiner Hand teilte mir mit, dass Jimin mir gerade dessen Nummer geschickt haben musste, damit ich mit ihm persönlich den Treffpunkt ausmachen konnte. Er musste sich seiner Aussage nach wohl gerade schon fertigmachen und dann von Seokjin oder Yoongi gefahren werden. Da der Chef von Beauty Revolution wohl auch ziemlich gut betucht war und ebenfalls im Hannam-dong gelegenen UN Village wohnte, würde es ihn ohnehin nur wenige Minuten kosten, zu meinen Eltern und mir zu stoßen.
Ich starrte hinab auf meinen aufleuchtenden Sperrbildschirm mit der Vorschau von Jimins Nachricht und beobachtete gleich darauf, wie das Display wieder schwarz wurde. Dringlichkeit hin oder her... Bevor ich Namjoon schrieb, musste ich erst einmal meinen Eltern beichten, was der neue Stand der Dinge war.
Ich fand die beiden nicht mehr im Flur, sondern im Esszimmer am Tisch vor. Offensichtlich waren sie es leidgewesen, dort auf mich zu warten und saßen nun schweigend und mit gestressten Mienen da und starrten vor sich hin. Naja...bis sie mich auf mein Räuspern hin im Türrahmen bemerkten.
»Ah, da bist du ja endlich«, kam es prompt von meiner Mutter und sie sprang von ihrem Stuhl auf. »Hast du alles mit deinem Jimin abgeklärt? Ist er pünktlich?«
»Eomma, er...er...« Ich schluckte, um meine ohnehin schon zittrige Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Er wird nicht kommen können.«
Die Reaktion kam, wie ich sie bereits erwartet hatte. Meine Eltern rissen beide ihre Augen auf und riefen mir wie aus einem Mund ein schockiertes »Wie bitte?!« entgegen, das mich wie eine Faust in den Magen traf.
»Macht euch keine Sorgen! Ein Bandkollege von ihm...zudem ein Freund von mir...wird...wird für ihn einspringen.«
Es fühlte sich so falsch an, Namjoon zur heutigen Zeit noch als sowas wie einen Kumpel zu bezeichnen. Meinen Eltern jedenfalls entlockte diese Bezeichnung jede Menge tiefe Falten auf den Stirnen und kritische Blicke in ihren Augen.
»Ach ja?«, fragte mein Vater skeptisch. »Wie kommt es, dass dein Jimin beschäftigt ist und er nicht?«
Dieses Mal konnte ich mir wirklich nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. »Appa, du solltest doch von Sohee am besten wissen, wie es in diesem Business läuft! Natürlich haben die alle verschiedene Terminpläne und Jimin muss jetzt eben spontan für Promotions nach Japan fliegen. Er hat sich das nicht ausgesucht! Bitte macht ihm keinen Vorwurf deswegen. Ihr hättet schon beim Richten eurer Einladung an ihn damit rechnen müssen, dass sowas passieren kann. Gerade ihr.«
Offensichtlich taten meine Worte ausnahmsweise tatsächlich mal die gewünschte Wirkung, denn sie schienen meine Eltern wohl ein wenig zu besänftigen. Es dauerte nicht lange, da ließen sie sich ohne weitere Fragen und Kommentare darauf ein, endlich das Haus zu verlassen.
Erst, als wir im Auto saßen und unsere wahrscheinlich halbstündige Fahrt durch den Feierabendverkehr antraten, holte ich mein Handy hervor, um Namjoon eine Nachricht zu schreiben und ihm unsere ungefähre, vom Navi berechnete Ankunftszeit zu schicken. Seine Nachricht kam schnell und sie ermutigte mich keineswegs.
[19:24] Namjoon: Gibt es irgendwelche Dinge, die ich vorher wissen muss? Jimin hat mir nur die Basics erklärt
Ich atmete tief durch, ehe ich schnell zu tippen begann und ihm kurz und knapp die Situation erklärte, in die meine Eltern mich heute Abend werfen wollten und was das Ziel des Dinners war. Nachdem ich dies abgeschickt hatte, begann ich eine neue Nachricht zu schreiben. Die, die ihm wohl am wenigsten gefallen würde...
[19:26] Ich: Die Sache ist, meine Eltern haben Jimin als „meinen Freund" angekündigt...ohne Namen. Dementsprechend müssen wir uns auch verhalten, wenn du verstehst, was ich meine
Namjoon las die Nachricht sofort...begann aber nicht mehr zu tippen. Ein paar Sekunden starrte ich auf das Chatfenster, doch nichts rührte sich. Ein wenig nervös betätigte ich die Ruhestand-Taste meines Handys und richtete meinen Blick wieder aus dem Fenster. Er wusste immerhin, wo der Treffpunkt war und wann er dort erscheinen musste. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich die vielen Autos auf der mehrspurigen Straße der Hannam-Brücke beobachtete, die – genau wie wir – durch den bedingten Feierabendstau im Schritttempo tuckerten.
Die Fahrt zog an mir vorbei, als würde sie nicht weitere zwanzig Minuten, sondern lediglich fünf dauern. Namjoon antwortete mir in dieser Zeit nicht und ich traute mich auch nicht, ihm noch einmal zu schreiben. Wahrscheinlich hatte er die Zeit weiser genutzt, um sich bei einem anderen Bandkollegen über den ihm bevorstehenden Abend auszukotzen.
Missmutig raffte ich mich auf, als mein Vater den Wagen in einer parallel zur Straße liegenden Parklücke abstellte und meine Mutter und er Anstalten machten, auszusteigen. Die kühle Abendluft traf mich noch eisiger als beim Verlassen des Apartments, während ich mich voller Angst in der umliegenden betuchten Wohngegend umsah. Ein teuer aussehendes Haus reihte sich an das nächste. Sie alle wirkten im Licht der Straßenlaternen geradezu gespenstisch schön.
Bisher fehlte weit und breit jede Spur von einer weiteren Menschenseele, was mich nochmal einen ganzen Schlag nervöser machte. Was, wenn Namjoon nun einen Streit mit Jimin angefangen hatte, dass er sich weigerte, heute Abend meinen Freund zu spielen? Ich zog schnell mein Handy hervor, um zu checken, ob in der letzten Minute vielleicht doch noch eine neue Nachricht von einem der beiden eingetrudelt war, doch Fehlanzeige.
»Wo steckt dieser ominöse Freund denn nun, der einspringen möchte?«, fragte meine Mutter spitz, als sie meinen suchenden Blick über die Straße bemerkte.
»Er...er muss gleich hier sein«, antwortete ich, wobei ich so souverän und zuversichtlich wie möglich zu klingen versuchte. Dieser Abend entwickelte sich jetzt schon von Minute zu Minute katastrophaler und ich fing wirklich an, zu bereuen, mich nicht direkt geweigert zu haben. Mir wäre es lieber, der Hass meiner Eltern würde sich nur voll und ganz auf mich beziehen, statt mitunter auf die BTS-Members.
Doch da! Ein leises Motorengeräusch und Scheinwerfer kündigten die Ankunft eines Wagens an und ich erkannte schnell, dass es sich dabei um Yoongis Hyundai handelte. Ich war überzeugt davon, dass der Fahrer – ob es nun Seokjin oder Yoongi sein mochte – nur kurz anhalten und Namjoon rauschmeißen würden, doch dem war nicht so. Stattdessen parkte der Wagen seitlich in einer Parklücke ein paar Meter entfernt von uns. Hatte ich was verpasst oder besaß Namjoon inzwischen doch einen Führerschein?
Es stieg nur eine Person aus, die sich tief unter die Kapuze ihrer schwarzen Winterjacke geflüchtet hatte. Eine Autotür knallte zu und gleich darauf hastete eben diese Gestalt auf meine wartenden Eltern und mich zu. Und ich erkannte schon an der leicht o-beinigen Gangart und der Größe, dass es sich hierbei nicht um den BTS-Bandleader handelte. Das durfte jetzt doch echt nicht...
Und doch zeichnete sich schon bald seine fahle Haut im Licht der Straßenlaternen ab. Sein Gesicht war durch die Kapuze nur sichtbar für uns, doch durch seine offene Jacke konnte ich das schwarze, wohl sündhaft teure Hemd sehen und die Stoffhose mit den schönen Lackschuhen, die er darunter trug.
Gut, dass ich vor meinen Eltern keine Namen genannt hatte...sonst hätte ich ihnen nun erklären müssen, dass nun auch kein Kim Namjoon sondern ein gewisser Min Yoongi zu unserem Dinner aufgekreuzt war.
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