52 - Der Tag, an dem der Traum begann
Kapitel 52 – »Der Tag, an dem der Traum begann«
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»What is the you that you dreamed of?
Who do you see in your mirror, I gotta say
Go your own way
Even if you live a day
Do something
Put weakness away
Hey, what's your dream?«
No More Dream – BTS
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Do., 13. Juni 2013
Moonhee
»Willst du deine Haare nicht mal lockig lassen? Ich wette, das würde der Person, die du beeindrucken willst, noch viel besser gefallen.«
Ich warf Sohee einen bösen Blick zu, die kichernd am Türrahmen unseres ehemaligen gemeinsamen Zimmers stand und mich dabei beobachtete, wie ich vor dem Schrankspiegel meine Haare glättete. Sie war heute ausnahmsweise mal wieder zu Besuch und wollte ihre rare Zeit wohl am liebsten damit verschwenden, mir dabei zuzusehen, wie ich mich fertig machte.
»Wer sagt, dass ich jemanden beeindrucken will?«, murrte ich zurück. »Wenn ich Pech habe, sieht man mich im Fernsehen. Da will ich nicht aussehen, als hätte ich ein Vogelnest auf dem Kopf.«
Meine große Schwester verdrehte die Augen, kam zu mir herüber und nahm mir das Glätteisen aus der Hand. Kurz darauf kümmerte sie sich um die Haare an meinem Hinterkopf, mit denen ich immer am meisten Probleme hatte.
»Du kannst mir nicht erzählen, dass dir bei sieben gutaussehenden und obendrauf talentierten Typen keiner bisher den Kopf verdreht hat«, schmunzelte sie und zwinkerte mir über den Spiegel zu.
Oh man, wenn sie nur wüsste. Doch mein Drang, noch einer weiteren Person die ganze Geschichte zu erzählen, ging gleich null. Bei Chaewon hatte es mich schon all meine Überwindung gekostet. Sohee war zwar meine große Schwester und zählte zu meinen engsten Vertrauenspersonen, doch gerade wollte ich mit dem ganzen Thema einfach nur für mich sein. Wollte nicht noch eine weitere Person ins Vertrauen ziehen, die potentiell versuchen würde, mir irgendetwas auszureden. Vor allem heute, am Tag von BTS' Debüt, musste ich mich vor unangenehmen Gedanken bewahren. Heute ging es schließlich nicht um mich.
Ich hatte in der letzten Woche leider nicht mehr sehr viel von den Jungs gehört, da sie rund um die Uhr mit den letzten Vorbereitungen für die Show beschäftigt gewesen waren. Pre-Recordings, Stage-Outfit-Fittings und natürlich jede Menge Training – daraus bestand momentan ihr täglicher Plan. Und daran würde sich wohl in naher Zukunft nichts ändern. Auftritte bei KBS, SBS und Show Champion, Radiointerviews und sogar erste Fanmeetings und Fansigns füllten ihre nächsten zwei Wochen und würden ihnen neben dem nach wie vor anstehenden Training kaum Luft zum Atmen lassen.
Auf mich wirkte es immer noch total surreal und ich wollte es noch nicht so recht glauben, dass das alles jetzt schon passierte. Immerhin konnte ich dem Ganzen nun etwas friedlicher entgegenblicken, jetzt, wo Chaewon wieder mehr Zeit für mich hatte. Gestern hatte sie sich von Kwangseok getrennt und hätte heute in der Schule nicht unbekümmerter darüber sein können. Ich musste mir eingestehen, dass ich echt ein wenig froh darüber war. Jetzt, wo Jimin und Taehyung so gut wie gar nicht mehr die Schule besuchen würden, konnte ich ihre Gesellschaft mehr als gut gebrauchen. Obendrauf musste ich auch zugeben, dass ich sie als beste Freundin echt vermisst hatte.
»Keine Antwort ist auch eine Antwort«, grinste meine Schwester nahe an meinem Ohr, ehe sie mir mein Glätteisen wieder hinstreckte. »Glatter geht's nicht, sorry.«
»Danke«, grummelte ich und nahm ihr das Gerät aus der Hand, ehe ich nach meiner Make-Up-Tasche auf dem Schreibtisch griff, um mich noch ein wenig zu schminken.
Irgendwie hatte Sohee ja schon nicht ganz unrecht. Ich wollte heute gut aussehen für den Fall, dass Jimin mich in der Menge sah. Oh ja, dafür wollte ich verdammt gut aussehen. Seit Tagen plante ich mein Outfit für den heutigen Tag und das nur wegen des einfachen Satzes, den Chaewon mir am Abend der Party an den Kopf geworfen hatte. Es war, als hätte sie damit einen Funken Hoffnung entfacht, Jimin könnte doch noch einmal seine Meinung ändern... Und an diesen klammerte ich mich, als wäre er mein letztes Rettungsboot.
Gleichzeitig schweiften meine Gedanken auch immer wieder zu Yoongi. Seit unserem Sex im Wald hatte sich ein seltsames Gefühl in meiner Magengegend breit gemacht, das mich irgendwie unruhig stimmte. Als hätte jemand einen Schwarm Hummeln in mir freigelassen. Auf der einen Seite wollte ich um jeden Preis an dem festhalten, was ich mit ihm hatte. Auf der anderen Seite machte es mir plötzlich ungeheure Angst und eine innere Stimme drängte mich dazu, das Ganze auf der Stelle zu beenden. Doch ich konnte mir nicht erklären, was dieses Chaos in mir antrieb. Um ehrlich zu sein wollte ich mich auch heute nicht damit beschäftigen. Ich durfte es nicht an mich ranlassen...dem großen Tag der Jungs' Willen.
Ich machte mich gegen 13 Uhr auf den Weg zur U-Bahn-Haltestelle. Das CJ Entertainment & Media Center, von dem die M-Countdown-Live-Shows ausgestrahlt wurden, befand sich im Mapo-gu. Chaewon stieg dabei erst kurz vor unserer Endhaltestelle zu, da sie vom Seocho-gu sonst einen riesigen Umweg hätte fahren müssen. Sie hatte sich ebenfalls ganz schön in Schale geworfen und als ich sie fragte, wofür der ganze Aufwand, schob sie es mit roten Wangen, wie schon ich zuvor bei meiner Schwester, auf die Fernsehkameras.
Das CJ E&M Center war ein riesiger moderner Komplex, bestehend aus mehreren miteinander verbundenen Hochhäusern. Unzählige koreanische Sender hatten hier ihren Sitz, sowie einige Plattenlabel und Filmproduktionsfirmen. Die Studios von Mnet stellten nur einen winzigen Teil von dem dar, was dieses Gebäude zu bieten hatte. Doch es war das Einzige, was uns in diesem Moment interessierte. Chaewon und ich waren furchtbar aufgeregt, unsere Freunde endlich auf einer Bühne performen zu sehen.
Um 14 Uhr betraten wir das Gebäude und wandten uns gleich darauf nach links, um die Treppe ein Stockwerk tiefer zu nehmen. Dort sahen wir den Ticketschalter, vor dem sich bereits eine beträchtliche Schlange gebildet hatte. Offensichtlich waren einige vor uns so schlau gewesen, früher zu kommen, um sich die besten Stehplätze sichern zu können.
Ein wenig frustriert stellten wir uns an, nur um dann eine geschlagene halbe Stunde zu warten, bis endlich der Einlass startete. Nur mühsam kamen wir in der Reihe vorwärts und es dauerte tatsächlich noch weitere zwanzig Minuten, bis wir endlich unsere Tickets und Ausweise vorzeigen konnten und darauf unsere Einlassbänder und -nummern für die Show erhielten. Man wurde hierbei einer Gruppe zugeteilt, die später nach dem Losverfahren nacheinander in die Halle eingelassen werden würden. Früher da zu sein war trotzdem hilfreich, da man so innerhalb seiner Gruppe weiter vorne stand. Chaewon und ich lagen immerhin noch im ersten Drittel, so wie es aussah.
Die Zeit bis zur endgültigen Show schlugen wir in der Digital Media City tot, einer modernen Ansammlung von Broadcasting-Stationen, Shops und Restaurants. Wir beließen es bei ein paar Snacks, ehe wir uns wieder auf den Weg zurück ins Gebäude machten, um uns zu unserer Gruppe zu gesellen.
Um 17:30 Uhr begannen die Mitarbeiter mit der Auslosung. Zu Chaewons und meinem großen Glück schaffte es unsere als zweites gezogen zu werden. Mit klopfenden Herzen folgten wir dem kleinen dunklen Gang, der uns in die Halle führte, welche sich als überraschend klein herausstellte. Im Fernsehen sah wohl alles immer größer aus...
Durch den begrenzten Raum gelang es meiner besten Freundin und mir leider nur Plätze in der dritten Reihe zur Bühne zu ergattern, doch das war völlig okay. Die Sicht war gut und damit konnte ich schon einmal ein wenig beruhigter sein. Meine größte Angst hatte darin bestanden, letztendlich hier anzukommen und doch nichts von dem Auftritt zu sehen, der den Jungs ihr Leben bedeutete. Ob sie wohl schon hinter der Bühne in den Startlöchern standen? Ich konnte mir nur bildlich vorstellen, wie aufgeregt sie gerade sein mussten.
»Hilfe, ich bin so gespannt«, zischte mir Chaewon ins Ohr und wippte aufgeregt auf der Stelle herum. Im Gegensatz zu mir fieberte sie nicht nur dem Debüt der Jungs, sondern auch den Auftritten von SISTAR, EXO und VIXX entgegen, die heute unter anderem mit ihren Comeback-Songs auf der Bühne stehen würden. Ich konnte mit dem ganzen K-Pop-Genre nach wie vor nichts anfangen und hatte deshalb auch keinen Schimmer, wer diese Bands genau waren.
Ich zuckte heftig zusammen, als die Stimmen der heutigen MCs plötzlich aus den Boxen um uns herum dröhnten und den Beginn der heutigen Show ankündigten. Die Kameras wurden positioniert und um uns herum machte sich eine rege Aufregung breit. Hier und da wurden Fanchants geübt und einige Lightsticks bereits durch die Luft geschwungen. Mein Blick war jedoch nur auf die Bühne gerichtet, wo sich zum ersten Mal seit unserem Betreten der Halle etwas regte. Jetzt war es endlich soweit. Der Abend, der das Leben meiner besten Freunde für immer verändern sollte, hatte begonnen.
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»Verdammt, es hat keiner bemerkt. Wirklich! Mir ist es selbst nicht einmal aufgefallen, ich schwör's!«
Chaewon saß neben Seokjin vor dem Zataku. Das Wohnzimmer des Dorms bot kein Platz für eine richtige Couch, weswegen wir uns hier auf dem Boden versammelt hatten. Jin hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Er saß schon minutenlang so da, um keinem von uns zu zeigen, dass er eigentlich bitterlich weinte.
»Sie hat recht«, versuchte ich meiner besten Freundin hastig zu Hilfe zu eilen, die inzwischen einen Arm um den Ältesten gelegt hatte. »Ich habe es auch nicht gesehen.«
Das war eine glatte Lüge. Ich hatte sehr wohl gesehen, wie Jins Hosen während ihres zweiten Songs ganze zwei Mal nach unten gerutscht waren. Klar, es musste für viele Zuschauer nicht sichtbar gewesen sein, dementsprechend wo sie im Saal gestanden hatten. Jin stand in der hintersten Reihe der Tanzkonstellation und wurde so aus vielen Sichtwinkeln von der Dance Line bestehend aus Hoseok, Jimin und Jungkook verdeckt. Aber von unserem Standpunkt aus hatte man wirklich alles bis ins kleinste Detail beobachten können. Es blieb nur zu hoffen, dass die Kameras in diesem Moment jemand anderes in den Fokus genommen hatten.
Der Grund, warum ich den Ältesten der Band trotzdem anlog, war, dass der Auftritt bis auf diesen kleinen Zwischenfall mich komplett aus den Socken gehauen hatte. Vielleicht war es etwas seltsam gewesen, die Jungs in solchen offensichtlichen Stage-Outfits zu sehen, vor allem Hobi in seinem Badass-Look, der mal so gar nicht zu ihm und seinem Wesen passte. Dennoch hatte mich jeder Tanzmove, jede gerappte oder gesungene Strophe, jede Mimik und jeglicher Körpereinsatz so beeindruckt, dass ich es für Seokjin nur so erträglich machen wollte, wie irgendwie möglich. Geschehen war geschehen. Man konnte jetzt ohnehin nichts mehr daran ändern.
Wir befanden uns inzwischen seit einer guten Stunde im Dorm. Die Jungs hatten uns eingeladen, nach der Show vorbeizuschauen. Inzwischen war es kurz nach 22 Uhr und Chaewon und ich konnten nicht mehr allzu lange bleiben, da wir morgen in die Schule mussten. Doch ich bezweifelte stark, dass wir den Rückweg wirklich antreten würden, ehe wir nicht sichergestellt hatten, dass es Jin wieder einigermaßen besser ging.
In diesem Moment fing ich Yoongis Blick auf. Er saß schräg gegenüber von mir, hatte sich ein wenig gegen das Regal hinter ihm gelehnt und beobachtete mich mit ausdrucksloser Miene. Er trug immer noch sein Bühnen-Make-Up in Form von tiefschwarzem Eyeliner, der ihn so viel älter und ruppiger wirken ließ.
Irgendwas lag in seinen Augen, was ich nicht entziffern konnte und mir ein seltsames Gefühl gab. Das letzte Mal, dass wir richtig miteinander gesprochen hatten, lag über eine Woche zurück. Und seit dem Sex im Wald war es zu keinerlei körperlichen Intimitäten mehr zwischen uns gekommen. Ob er wohl gerade darüber nachdachte, wann es überhaupt wieder möglich wäre, mit mir alleine zu sein? Zugegeben, ich hatte auch schon darüber nachgedacht, ob –
»Hey Jebi...meinst du, wir können...kurz reden?«
Ich riss meinen Kopf herum und bekam einen halben Herzinfarkt, als ich mich Jimins Rehaugen nur auf einen guten Meter Abstand gegenübersah. Sein Gesicht war ebenfalls noch nicht abgeschminkt. Dennoch trug er nun eine von seinen eigenen Caps verkehrtherum auf dem Kopf. Er hatte sich unbemerkt neben mich auf den Boden niedergelassen und saß nun etwas bedröppelt da, während er verlegen an seinen Fingernägeln herumspielte.
Für einen kurzen Moment war ich wie gelähmt. Er hatte mich beim Spitznamen genannt. Wie lange war er ihm nicht mehr über die Lippen gekommen? Wie lange war es überhaupt her, dass wir so richtig miteinander gesprochen hatten? Seit seiner Abfuhr war ich Jimin bestmöglichst aus dem Weg gegangen, jedoch ohne ihm oder sonst wem den Eindruck zu vermitteln, wir hätten gestritten oder ähnliches. Natürlich wusste ich, dass es den anderen aufgefallen war. Da wir jedoch völlig »normal« miteinander umgingen, hatte sich wohl keiner wirklich getraut oder dazu berufen gefühlt, mich darauf anzusprechen.
Alles in allem hielt mir dieser Augenblick und seine Präsenz direkt vor mir nur einmal wieder mehr vor Augen, dass sich bezüglich meinen Gefühlen absolut nichts geändert hatte. Ich sehnte mich immer noch danach seine vollen Lippen zu küssen und in seinen Armen zu liegen. Ich vermisste unsere inzwischen nicht mehr stattfindenden Nachhilfestunden, die viele Zeit, die wir miteinander verbracht hatten. Ich vermisste unsere Besuche bei billigen Imbiss-Buden und Restaurants nach der Schule, die inzwischen schon Ewigkeiten zurückzuliegen schienen. Und vor allem vermisste ich ihn und sein Lachen, wenn er es meinetwegen hören lassen hatte.
»Ich...äh...«, stotterte ich auf Jimins fragenden Blick los und strich mir nervös die Haare aus dem Gesicht. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich immer noch mein einzig und alleine für diesen Tag zusammengestelltes Outfit und mein Make-Up trug. Das gab mir wohl den entscheidenden Tropfen Selbstbewusstsein zurück, um wieder normale Sätze bilden zu können.
Ich räusperte mich und verzog die Lippen zu einem Hauch eines Lächelns. »Okay...wie du willst.«
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