46 - Vom Loslassen & der guten alten Geheimniskrämerei
Kapitel 46 – »Vom Loslassen & der guten alten Geheimniskrämerei«
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»Now all my nights are filled with sin
And all my days I scratch my skin
Don't care who I offend
I'm gonna do it again...«
Loop Hole – Normandie
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Di., 21. Mai 2013
Moonhee
»Lass es raus...los, mach schon!«
»Ich...ich kann nicht.«
»Stöhn! Los, jetzt mach!«
Doch ich konnte es einfach nicht. Auch wenn ich es gerne getan hätte, schaffte ich es einfach nicht, sowas wie ein Stöhnen über die Lippen zu bringen. Yoongi forderte mich nicht zum ersten Mal dazu auf. Und nicht zum ersten Mal wurden seine Stöße darauf nur noch aggressiver.
Es passierte wieder hier, in diesem verdammten Hyundai. Wir hatten die vorderen Sitze bis zum Anschlag nach vorne geschoben und Yoongi kniete vor mir auf der Fußmatte, während ich auf der Rückbank saß. Oder besser gesagt von ihm in die Polster genagelt wurde, während er mein Becken in seiner Gewalt hielt. Das Auto befand sich auf einem dunklen Parkplatz in der Nähe von meinem Zuhause und dem Seoul Forest. Ich hätte nicht gedacht, dass es in Seoul tatsächlich ein paar unbeleuchtete Fleckchen gab, doch offensichtlich schon.
»Das wird nichts, wenn du es nicht zulässt«, knurrte Yoongi und bohrte dabei seine Fingernägel in meine Schultern, die er in die Ledersitze presste. Mit der anderen Hand hielt er nach wie vor meinen Unterkörper bei sich. Ein Glück bestand jeder Bezug dieses Wagens aus glattem Leder. Von dem konnte man jegliche Sauerei einfach mit einem Wisch entfernen.
»Ich...ich...«, presste ich hervor, immer noch in einem Kampf mit mir selbst. Wenn ich jemals einen Orgasmus während des eigentlichen Sex erleben wollte, musste ich auf ihn hören. Doch verdammt, es war so schwer! Niemand erzählte einem vorher, wie viel Überwindung es einen selbst kosten konnte, sich voll und ganz gehen zu lassen.
»Vertrau mir, okay?«, sagte Yoongi ruhiger und kam dabei näher an mein Gesicht, um mir einen Kuss von den Lippen zu stehlen. Sein natürlich geschwungener Schmollmund fühlt sich so gut auf meiner Haut an. Fast noch besser als seine Zunge, wenn sie auf meine traf.
Vielleicht war es das, was mir letztendlich half. Zusammen mit seinen Berührungen, bei denen der schmale Grat zwischen Zärtlichkeit und Grobheit verschwamm. Ich konnte es rauslassen, in einem Atemzug. Nicht besonders laut, doch es war da. Und es schien ihn mehr als nur anzuturnen.
»Brav so, Sternchen«, zischte er und drückte mich darauf nur noch mehr in die Rückbank.
Ich ließ ihn alles mit mir machen und tat genau das, was er mir befohlen hatte. Ich ließ mich gehen. Achtete nicht mehr auf das, was meinen Mund verließ. Und plötzlich passierte etwas viel schneller, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Jegliche Spannung sammelte sich in meinem Unterleib...und brach über mich herein wie ein Vulkanausbruch. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht denken, nicht einmal mehr stöhnen. Alles war von Lichtern überschwemmt...obwohl wir in fast vollkommene Dunkelheit getaucht waren.
Es war mein erster Orgasmus beim Sex. Nach den vier Malen, die ich bisher mit Yoongi gehabt hatte. Nun, heute, beim fünften Versuch, hatte es endlich geklappt.
Ich spürte, wie auch er kam und sich dabei mit zusammengebissenen Zähnen an meinem Nacken festklammerte. Ich spürte ihn in mir, ehe er langsam auf mir zusammensackte und sein Gesicht in meinem Shirt vergrub. Er trug seins ebenfalls noch, auch wenn es jetzt vom Schweiß ein wenig an seinem Körper klebte. Seine Jeans hatte er nur bis zu den Oberschenkeln runtergezogen, um sich die Knie nicht völlig an den kratzigen Fußmatten aufzuscheuern.
»Du solltest vielleicht mal früher auf mich hören...das war verdammt anstrengend, ja?!«, versuchte er mich aufzuziehen, während sein Atem immer noch schwer ging, doch man hörte sein Lächeln heraus. Ich musste ebenfalls etwas grinsen und schloss die Augen angesichts der in mir aufkeimenden Müdigkeit. Tatsächlich hätte ich mich an diesem Punkt gerne mit ihm auf der Rückbank eingekuschelt und auf der Stelle geschlafen.
In gewisser Weise gab mir Yoongi die Zuneigung, die ich mir eigentlich von Jimin ersehnte. Und das, ohne dass man es als Ausnutzen deklarieren konnte. Wir hatten von Anfang an klargestellt, was das zwischen uns war. Noch mehrmals danach. Und es war meistens nicht einmal von mir ausgegangen. Yoongi hatte sich oft nicht beherrschen können und mich wieder und wieder darauf angesprochen. Zum wiederholten Male sein allerliebstes »Nur Freunde« gesagt. Und ich hatte es ihm nachgebrabbelt. Es war ja schließlich nichts als die Wahrheit, oder?
Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich eine gewisse Zuneigung für ihn verspürte. Nicht zu vergleichen mit der, die ich für Jimin empfand. Es war genau das, was man wohl brauchte, um eine Freundschaft Plus überhaupt am Leben zu erhalten. Ich fand ihn anziehend, keine Frage. Aber da bestand einfach eine emotionale Grenze, die alles im Griff hielt. Die mich leider nach der Verabschiedung an jedem Abend, an dem wir uns heimlich trafen, wieder an Jimin und meine immer noch bestehenden Gefühle für ihn erinnerte.
Yoongi schaffte es irgendwie sogar auf eine halbwegs elegante Weise auf dem beengten Raum seine Hose wieder überzuziehen und ließ sich neben mich auf die Rückbank fallen, als wäre er gerade den heftigsten Marathon seines Lebens gelaufen. Prompt legte er sich hin, wobei er seinen Kopf auf meinem Schenkel bettete, über dem wieder mein T-Shirt-Kleid lag. Seine Beine musste er anwinkeln, um überhaupt ansatzweise genug Platz zu haben. Das ganze Auto roch nach Sex und die Scheiben waren angelaufen, so dass ich es mir nicht nehmen ließ, das Fenster auf meiner Seite runterzulassen. Sofort strömte Nachtluft zu uns herein und kitzelte auf meiner immer noch unter Strom stehenden Haut.
Yoongi lag da, als würde er schlafen. Er brummte ein wenig vor sich hin und schien tiefenentspannt. So mochte ich ihn am liebsten. In letzter Zeit schaute er viel zu oft verdrießlich drein, wenn er wieder tagelang dank des Trainings keinen Schlaf bekommen hatte.
»Namjoon hat mich schon wieder gefragt, wo ich hinwill, als ich vorhin los bin«, murmelte er, ohne dabei die Augen zu öffnen. Er drehte nur den Kopf, so dass seine Nase gegen meinen Bauch stieß und wie automatisch legte ich meine Hand auf seine Haare. Wieder brummte er...wobei es auch ein Schnurren hätte sein können.
»Sag ihm doch, du triffst dich mit jemand anderem«, sagte ich achselzuckend.
Yoongi schnaubte belustigt an meinem Bauch. »Ich sollte mich gerade mit niemandem treffen, von daher...«
»Was hast du ihm dann vorhin erzählt?«
»Dass ich nochmal zur Arbeit muss.«
»Wahrlich kreativ.«
Er öffnete die Augen und schenkte mir sein dunkles Katzenlächeln. »Soll ich ihm das nächste Mal sagen, ich geh ins Fitnessstudio? Oder noch besser, durch Hongdae bummeln? Klingt das mehr nach mir?«
Ich lachte auf. »Okay, okay...bleib doch besser bei der üblichen Ausrede.«
Gleich darauf herrschte wieder Stille zwischen uns, in der wir einfach nur kurz die Seele baumeln ließen. Die Nachtgeräusche Seouls klangen hier in diesem Hyundai auf dem verlassenen Parkplatz so fern, und das trotz des offenen Fensters. Ich erlaubte mir erneut, kurz die Augen zu schließen, während meine Hände durch Yoongis weiche, dunkelbraune Haare wanderten.
»Manchmal wünsch ich mir, wir könnten danach wirklich einfach so einschlafen. Und müssten uns nicht irgendwo verstecken, nur um dann bald wieder die Kurve zu kratzen, um rechtzeitig nach Hause zu kommen.«
Die Worte waren mir einfach so herausgerutscht und ich bereute sie schon wenige Sekunden danach. Meine Lider flogen auf und mein Blick wanderte zu Yoongis Gesicht auf meinem Schoß, der seine Augen ebenfalls geöffnet hatte. Er hatte die Augenbrauen mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung hochgezogen.
»Du meinst...so wie Pärchen das machen?«
»N-nein...so meinte ich das nicht...Ich meine, man kann doch auch...bitte versteh mich nicht falsch, okay?«
Er gluckste. »Verlieb dich nicht in mich, ist das klar?!«
Ich schnaubte und schlug ihm gespielt beleidigt mit der Hand auf den Kopf. »Dreh mir die Worte nicht im Mund rum!«
»Ich dreh dir gleich was anderes im Mund rum, wenn du weiterhin so einen Müll redest«, lachte er auf, während er sich in einer geschmeidigen Bewegung aufrichtete und kurz darauf halb auf meinem Schoß saß. Keine paar Sekunden später steckte seine Zunge zwischen meinen Lippen und entlockte mir ein unkontrolliertes Seufzen.
So lustig es in diesem Moment klingen mochte, so bitter war Witz insgeheim und wir beide wussten das. Das war auch der Grund, weshalb Yoongi nun meine Lippen wieder vereinnahmte, als gäbe es nichts Wichtigeres in seinem Leben. Vielleicht schon in ein paar Stunden würden wir beide im Bett liegen. Er würde mir schreiben, ob alles gut war und ich würde ihm unter Tränen mit dem üblichen Satz antworten: Ich wünschte, ich hätte ihn nie getroffen.
Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Yoongi es als eine Art Seelsorge ansah, auf diese körperliche Weise für mich da zu sein. Mit Worten hantierte er gut in seinen Songs...jedoch nicht, wenn ich zum gefühlt tausendsten Mal wegen Jimin heulte und er mich eigentlich trösten wollte. Vielleicht war es auch eine kleine Seelsorge für ihn selbst. Eine kleine Zuflucht von dem ganzen Stress, der ihn im Moment vereinnahmte. Manchmal fragte ich mich jedoch trotzdem, wie er es fertigbrachte, sich auf eine solch körperliche Nähe einzulassen. Bei jeglichen anderen Menschen bevorzugte er seinen Sicherheitsabstand.
»Wirst du es ihm irgendwann sagen?«, hauchte ich schließlich in den Kuss, als Yoongi sich für eine kurze Verschnaufpause von mir löste.
»Klaro«, erwiderte er mit seinem üblichen Pokerface. »Und danach lad ich ihn ein zu einem Dreier, wie wär's?«
Erneut landete meine Hand zu einem halbherzigen Schlag auf seinem Kopf und er blies mit zusammengekniffenen Augen gespielt entrüstet die Backen auf.
»Da will wohl jemand nach Hause laufen?«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen, während er von meinem Schoß krabbelte und Anstalten machte, nach vorne auf den Fahrersitz zu klettern. Letztendlich tauchte er jedoch nur mit seiner Packung Marlboros wieder auf, von denen er mir eine gab, ehe er sich selbst eine zwischen die Lippen steckte. Er zündete sie zu meiner Überraschung im Auto an und ließ lediglich das Fenster auf seiner Seite noch dazu herunter. Normalerweise verließen wir den Wagen, um zu rauchen.
»Wenn Namjoon das riecht...«, begann ich, als ich sein Feuerzeug entgegennahm.
»...dann riecht er immerhin nicht, nach was es hier eigentlich mufft«, zuckte Yoongi mit den Achseln und aschte nach draußen in die laue Nachtluft.
Den Rest unseres Rituals verbrachten wir größtenteils schweigend. Und das war auch eines der schönen Dinge an meiner Freundschaft zu ihm. Die Stille, die nicht drückte. Die Stille, die man voll und ganz genießen konnte, ohne dass jemand fieberhaft nach einem neuen Thema suchen musste. Yoongi und ich waren beide Kinder der Stille. Und ja verdammt, ich würde immer noch gerne hier auf der Rückbank neben ihm einschlafen. Warum musste er dieses blöde Pärchen-Kommentar dazu gemacht haben? Konnte man nicht auch als Freunde kuschelnd gemeinsam einschlafen?
Diese und viele andere Fragen geisterten mir nicht zum ersten Mal durch den Kopf. Aber wen wunderte das schon. Das hier war das erste so intime Verhältnis, das ich überhaupt zu jemanden pflegte. Ich hatte keine Ahnung von nichts und zerbrach mir über jede Kleinigkeit den Kopf. Machte ich dies richtig und machte ich jenes falsch? Aber am Ende strahlte mir immer nur eine Antwort entgegen. Du machst es nicht mit der Person, die du liebst.
Mein Blick wanderte unauffällig zu Yoongi neben mir. Der Rauch seiner Zigarette umspielte seine weichen Gesichtszüge, die in diesem fahlen Hauch von Licht noch katzenhafter als sonst wirkten. Er schien wieder in Gedanken versunken zu sein. Das war er immer, wenn sein Mund leicht offen stand, so wie jetzt. Die Kippe bewegte er in langen Abständen zu seinem Mund und den Rauch blies er wie in Zeitlupe aus dem Fenster. Er hatte es absolut nicht eilig.
Leider fand unser kleines geheimes Treffen dann doch sehr bald Ende, als wir die Kippenstummel aus dem Fenster geschnippt hatten und Yoongi dieses Mal echte Anstalten machte, zurück auf den Fahrersitz zu klettern. Ich folgte ihm nach vorne, schnallte mich an und ließ meinen Kopf an der Fensterscheibe nieder, während er den Wagen startete und kurz darauf von dem dunklen Parkplatz manövrierte.
Ich beobachtete sein Profil dabei. Erst vor ein paar Tagen war mir aufgefallen, dass Yoongi ein wenig schielte. Man merkte es kaum, wenn man ihm nicht ganz nahe kam. Kein Wunder also hatte ich es erst in letzter Zeit gemerkt. Es machte seine Augen irgendwie noch ein wenig katzenhafter und gab ihm etwas Weiches, etwas geradezu Süßes. Genau wie die herzförmige Wölbung seiner Oberlippe. Sie war so minimalistisch und doch so einladend. Dennoch störte es mich gar nicht, dass von ihr nur eine schmale Linie übrigblieb, wenn Yoongi sein Gummy-Smile zeigte. Leider sah man das in letzter Zeit viel zu selten.
Es dauerte circa zehn Minuten, bis Yoongi den Wagen vor meinem Haus anhielt. Wie immer bekam ich Flashbacks von der Nacht, in der er mich hier zum ersten Mal abgesetzt hatte. Der Nacht, in der ich erfahren hatte, dass Jungkooks Lieblingsfarbe Schwarz war. Der Nacht, in der Jimin mit mir zu Start Me Up der Rolling Stones getanzt hatte.
»Ich schreib dir später, okay?«, sagte Yoongi und erwiderte meine kurze Abschiedsumarmung. Wie küssten uns nicht außerhalb unserer Sessions. Ich wusste nicht, warum wir es nicht taten, aber es stand wie ein unausgesprochenes Gesetz zwischen uns. Was ich jedoch wusste, war, dass er seine Worte in diesem Moment wirklich so meinte. Er würde mir tatsächlich schreiben und sagte es nicht nur so daher, wie man es bei einem Abschied eben sagte. Yoongi schrieb mir immer, wenn er es ankündigte.
»Danke«, murmelte ich ihm entgegen, ehe ich mich wieder zurück auf den Beifahrersitz lehnte und Anstalten machte, die Tür zu öffnen.
Er nickte mit dem Hauch eines Lächelns während ich aus dem Wagen stieg und noch kurz innehielt, bevor ich mich abwendete. Mir war gerade etwas in den Sinn gekommen, das ich mir in aller Eile vor meinem Abgang von Zuhause noch in die Tasche meiner Weste gestopft hatte. Sofort griffen meine Hände danach und kurz darauf flog das Etwas in hohem Bogen auf Yoongis Schoß, der überrascht zusammenzuckte.
»Hatte ich voll vergessen...Hab's in der Stadt gesehen und da kam mir diese Idee. Es ist echt nichts Besonderes, aber ich hoffe, du weißt, wie ich es meine...Sieh es als Bezahlung für deine ganzen abendlichen Chauffeurdienste«, kicherte ich, ehe ich ihm zuwinkte, die Tür hinter mir zuschlug und auf die Haustür zuging.
Seine Reaktion musste ich nicht abwarten. Er würde mir ohnehin nicht seine wahren Gefühle offenlegen. Aber mir reichte die Gewissheit, dass er wusste, dass es eigentlich ein Dankeschön für alles war. Für alles, was er in letzter Zeit für mich tat, um mir zu helfen.
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