Kapitel 23 – »Park-Geburtstag«
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»I feel a fire burning underneath my skin
Now that I breathe inI breathe you in
I feel a freedom from this hopelessness within
Now that I breathe inI breathe you in«
Breath You In – Papa Roach
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Sa., 13. Oktober 2012
Moonhee
Ich konnte von Glück sprechen, dass meine Eltern tatsächlich nicht bemerkt hatten, dass ich am Abend meines ersten Besuchs im Dorm der Jungs betrunken gewesen war. Sohee schaffte es irgendwie am Tag darauf, die beiden mit dem Argument zu besänftigen, dass es sich bei Seoul um eine sehr sichere Stadt handelte und mich ja immerhin eine »Freundin« heimgefahren hatte. Ich Glückspilz bekam so kein Hausarrest. Als Entschädigung musste ich Sohee dafür jedes Detail über die Jungs und unser Verhältnis zueinander erzählen.
Meine große Schwester schien sich so über meine ersten Freundschaften zu freuen, dass sie sogar versprach, mir, wenn nötig, bei einem Alibi für Jimins Geburtstag zu helfen. Denn ich hatte keine Ahnung, wie dieser Tag und der damit verbundene Abend verlaufen würde und ich wollte mich ganz sicher nicht auf eine von meinen Eltern festgelegte Uhrzeit beschränken lassen.
Die Schulwoche war rasend schnell vergangen in der neugewonnenen Dauergesellschaft von Jimin und Taehyung. Die beiden verbrachten seit neuestem so gut wie jede Pause mit Chaewon und mir, wenn sie auch gerne das Mittagessen ausfallen ließen. Am Freitag hatte mir Jimin mitgeteilt, dass er seinen Geburtstag ausschließlich mit der Band, Chaewon und mir feiern würde. Dazu sollte es kein besonders großes Ding werden. Er wünschte sich lediglich einen schönen Tag in der Natur, wofür der Seoul Forest herhalten sollte.
So kam es also, dass wir uns alle am frühen Samstagnachmittag am Eingang 1 des Parks trafen. Die Jungs und Chaewon kamen über die Bundang-Line, eine von Seouls vereinzelten S-Bahnen, während ich den Weg zu Fuß auf mich nahm. Ich war so aufgeregt, den Rest der Band endlich kennenzulernen, dass ich viel zu früh am Treffpunkt erschien und auf einer Bank kurz vor dem Eingang dauerhaft die ohnehin schon knittrige Verpackung von Jimins Geschenk befummelte.
Es war nicht einfach gewesen, ihm etwas Passendes zum Geburtstag zu besorgen. Mein Weg hatte mich in die Stadt in ein Fotogeschäft geführt, doch die Kamerapreise waren zu utopisch für meinen Geldbeutel gewesen. Aber obwohl wir uns erst seit gut eineinhalb Monaten kannten, wollte ich Jimin etwas Tolles schenken. In einem Second-Hand-Geschäft war ich dann schließlich fündig geworden.
Eine alte Leica-Analog-Kamera mit Lederüberzug an den Seiten, einem Gurt zum Umhängen und silbernem Objektiv. Ein Prachtstück für Vintage-Liebhaber und noch einwandfrei, soweit ich das beurteilen konnte. Der Verkäufer hatte keine Ahnung gehabt, was man für solche Relikte der Zeit eigentlich verlangen konnte. Trotzdem war der Preis weit aus dem Rahmen meines armen Geldbeutels gefallen. Aber für Jimin hatte ich nicht eine Sekunde gezögert. Auf unseren Streifzügen für das Projekt im Seoul Forest war mir schnell aufgefallen, dass die Fotografie ihn wirklich faszinierte. Und ich hätte es zu schade gefunden, wenn er der nicht weiter nachgehen könnte.
Der Himmel an diesem Tag war bedeckt von Wolken und die Temperaturen seltsamerweise ziemlich warm für Mitte Oktober. Ich wusste, dass Chaewon eine Menge Snacks für ein mögliches Picknick vorbereitet hatte. Ich dagegen konnte nur mit einer Decke dienen, da mein Geldvorrat restlos aufgebraucht worden war. Ein Glück musste ich nicht für das Essen in der Kantine zahlen, sonst wäre ich in diesem Monat in der Schule restlos verhungert.
Es dauerte fast 20 Minuten, bis sich in der Ferne endlich eine Gruppe von acht Personen bemerkbar machte, die verdächtig nach Jimin, seiner Band und meiner besten Freundin aussahen. Sofort nahm mein Herzschlag wieder an Geschwindigkeit auf, dieses Mal aber nicht nur wegen einer bestimmten Person. Wie wohl die zwei übrigen Members von Bangtan Sonyeondan waren?
Jimins strahlendes Lächeln begrüßte mich und nahm mich für den Moment komplett für sich ein, bevor ich irgendwem anderen Beachtung schenken konnte. Zu meiner unglaublichen Erleichterung streckte er ohne große Umschweife seine Arme aus, so dass ich ihn direkt in eine Umarmung ziehen konnte. Sein zitroniges Parfum schlug mir entgegen und ich spürte zum ersten Mal mehr oder weniger seinen muskulösen Körper durch unsere Klamotten hindurch. Dazu überragt er mich um einiges, so dass er kurzzeitig seine Wange an meinen Kopf drückte und mir damit fast einen Herzinfarkt bescherte.
»Saengil chukhahabnida, Jimin-oppa«, murmelte ich in sein Ohr. Ich hätte mich nicht getraut, ihn vor all den anderen Jimin-ah zu nennen. Und das trotz der Tatsache, dass wir mit nur zwei Monaten Unterschied fast gleich alt waren.
»Dankeschön«, säuselte er mir ins Ohr, ehe er mit einem Lächeln von mir abließ. »Darf ich dir noch den Rest der Band vorstellen?«
Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf zwei mir unbekannte Gesichter frei. Die beiden Jungs schienen sich schon bereitgehalten zu haben und musterten mich nun neugierig. Der eine von ihnen trug eine umgedrehte Basecap und strahlte mich mit einem dermaßen großen Lächeln an, dass ich mich fast davon erschlagen fühlte.
»Jung Hoseok. Freut mich, dich kennenzulernen, Moon-ah!«
»Hobi geht auch«, grinste Jimin. »Oder noch besser: J-Hope.«
»J-Hoooope«, dröhnte Yoongi leise und trocken mit seiner tiefen Stimme, jedoch laut genug, um die anderen zum Lachen zu bringen.
»Freut mich auch...äh...J-Hope?«, erwiderte ich, während mir schon wieder die Röte ins Gesicht stieg.
»Das ist mein Stagename«, erklärte mir J-Hope freundlich. »Cool, oder? Ich bin die Hoffnung.«
»Ja und jetzt mach mal Platz für den Leader, bevor dieser noch die Hoffnung verliert, sich jemals bei ihr vorstellen zu können«, kicherte Taehyung, was Hoseok tatsächlich dazu verleitet, erschrocken die Augen aufzureißen und wie ein Flummi zur Seite zu hüpfen.
Mein Blick fiel auf den letzten Unbekannten im Bunde, einen hochgewachsenen Typen mit gebräunter Haut, klobiger Sonnenbrille und Sidecuts. Die Brille nahm er schnell ab und damit wohl auch seine ganze coole Fassade. Das leicht schüchterne Lächeln, das er mir schenkte, offenbarte zwei niedliche Grübchen in seinen Wangen.
»Ich bin Kim Namjoon, Stagename RapMonster, aber du kannst es ruhig bei meinem richtigen Namen belassen.« Er zwinkerte mir zu und schmunzelte, wobei er nicht bemerkte, wie Taehyung Anlauf nahm und ihm auf den Rücken sprang.
»Du bist und bleibst unser RapMon«, flötete er ihm ins Ohr, während Namjoon vor Schreck und unter seinem Gewicht fast zusammenklappte.
»Was ist denn das für ein Name?!«, lachte Chaewon auf. »Den hast du mir vorhin in der Bahn gar nicht verraten. Bist du so ein begnadeter Rapper?«
»Uff...ähhh...«, keuchte der Leader der Band auf, nachdem er Tae wieder abgeschüttelt hatte. »Nun ja, in der Underground-Szene hatte ich eigentlich einen anderen Namen, aber das Management hielt diesen für besser.«
Meine beste Freundin verstand den Wink und nickte nur als Bestätigung mit dem Kopf. Ein Glück schien sie wohl nun, nach dem Vorfall im Dorm, ein wenig sensibler gegenüber solchen Trainee-Themen zu sein.
»Wollen wir hier eigentlich Wurzeln schlagen?«, schaltete sich Yoongi plötzlich wieder ein, der neben dem ziemlich stillen Jungkook stand. »Ich würde gerne so langsam los und einen Platz suchen, wo ich mich hinsetzen kann.«
»Yoongi hat wieder die ganze Nacht durchgemacht für ein paar neue Beats«, murmelte mir Jimin ins Ohr, was mir einen kleinen Schreck einjagte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er so nah an mich herangetreten war.
Die Gruppe setzte sich in Bewegung und wir betraten den Seoul Forest über den Haupteingang. Anscheinend schien es schon einen Plan zu geben, wo es hin gehen sollte, denn die Jungs schlugen zielstrebig die Wege ein, während sie sich untereinander unterhielten.
Mir fiel dabei sofort auf, was Hoseok für ein lautes Mundwerk besaß. Egal, wie viele Gespräche sonst noch nebenbei liefen – seine leicht quäkende Stimme stach immer heraus.
Netterweise blieb Jimin die ganze Zeit bei Chaewon und mir und ließ uns nicht wie das dritte Rad am Wagen fühlen. Dabei fokussierte er mehrfach mehr oder weniger unauffällig das Geschenk in meinen Händen. Hätte ich es in meinen Rucksack gepackt, wäre die Verpackung wahrscheinlich völlig dahin gewesen. Als ich ihn einmal heftig dabei erwischte, wie er mit großen Augen das Päckchen betrachtete, lief er auf der Stelle rot an und senkte verlegen den Kopf.
»Da hast nicht wirklich was zum Geburtstag gekauft, oder?«, fragte er peinlich berührt und ziemlich kleinlaut.
»Nein, das ist das Kennenlern-Geschenk für deine Bandkollegen«, witzelte ich und stieß ihn dabei sanft von der Seite. »Natürlich ist das für dich. Aber du willst es ganz sicher nicht beim Laufen auspacken, oder?«
Jimin setzte erneut ein schüchternes Lächeln auf und wich meinem Blick aus. »Du bist doof.«
»Ist sie nicht«, grinste Chaewon und knuffte mich von der Seite. »Nur manchmal. Aber ganz selten.«
Ich verdrehte die Augen, während die Jungs schon vom Weg auf eine der vielen freiliegenden Grünflächen abbogen. An einer geeigneten Stelle breiteten Seokjin, Jimin und ich unsere mitgebrachten Picknickdecken aus und meine beste Freundin begann eifrig damit, ihre Tupperdosen voller Essen aus den Taschen zu holen. Sie hatte Ddeokbokki, würzige Reiskuchen, gemacht. Dazu gab es Dakgangjeong – süßsauer-frittiertes Hühnchen – und den mit Kimchi angebratenen Reis, besser bekannt als Bokkeumbap.
»Das ist so gut!«, lobte Jin mit vollem Mund das Essen, das er förmlich in sich hineinschlang. Dabei sah er ein wenig so aus wie ein fressendes Alpaka, was mich insgeheim ein wenig zum Lachen brachte. »Wie hast du dieses Hühnchen gewürzt? Ich bekomm das nie so hin, dass es mit der Soße noch so knusprig bleibt.«
»Tja«, grinste Chaewon und wirbelte ein Stück davon mit ihren mitgebrachten Einwegstäbchen durch die Luft. »Vielleicht verrat ich dir es mal. Aber nur, wenn du mir dafür sagst, was du mit den Ramen letztes Wochenende angestellt hast, dass ich nachts noch davon geträumt habe.«
Jin riss die Augen auf. »War es so schlimm?«
»Nein, verdammt! Es war so gut«, rief sie und verdrehte gespielt genervt die Augen. »Hast du mir überhaupt einmal zugehört an diesem Abend?«
»Sie hat recht«, kicherte Jimin. »Sie hat euer Essen in den Himmel gelobt und das sogar ziemlich oft.«
Zum ersten Mal sah ich, wie Seokjin rot um die Ohren wurde und ein wenig verlegen den Blick wieder seiner Schale zuwendete. Chaewon dagegen schüttelte nur belustigt den Kopf, ehe sie ihre Aufmerksamkeit ebenfalls wieder ihrem Hühnchen schenkte.
Als wir das Essen beendet hatten, gab ich Jimin endlich sein Geschenk zum Auspacken. Mir war es ziemlich unangenehm, dass alle neugierigen Blicke der Jungs darauf lagen, als er das blaue Verpackungspapier, ohne es dabei zu zerreißen, von der Kamera löste und sie so zum Vorschein brachte. Als er die Leica endlich in den Händen hielt, riss Jimin seine Augen auf und drehte sie sprachlos von einer Seite zur anderen. Ich lief puterrot an, als Hoseok ein lautes »Woah!« von sich gab und sogar Yoongi ein leises beeindrucktes Pfeifen verlauten ließ.
»Du hast doch eine Vollmeise!«, empörte sich das Geburtstagskind schließlich und schüttelte fassungslos den Kopf, ehe er mir den Blick zuwandte. »Du...du hast doch selbst nicht viel –«
Er hielt inne, als er merkte, dass dieser Satz vielleicht etwas unangebracht sein könnte in Anwesenheit von Leuten, die mich gerade erst kennengelernt hatten. Aber ich wusste es ja selbst. Dieses Geschenk musste so seltsam rüberkommen von jemand, von dem er wusste, dass sie noch das Zimmer mit ihrer großen Schwester teilte. Andererseits war ich ein Mensch, der ohnehin nicht viel Geld ausgab. Diese Kamera hatte mich 81.000 Won gekostet. Drei Monatstaschengelder.
»Der Verkäufer war dumm«, murmelte ich verlegen. »Er hatte keine Ahnung, was für ein Schatz das ist. Allerdings konnte ich nur einen Film kaufen, der sich schon in der Kamera befindet. Neue musst du dir dann leider selbst besorgen...«
Jimin starrte mich für einen Moment mit einer undurchdringlichen Miene an, ehe er, ohne seine Augen von mir abzuwenden, blitzschnell sein Geschenk erhob und mit einem Aufblitzen ein Foto von mir schoss. Erschrocken zuckte ich zurück. Hilfe, das musste das hässlichste erste Bild auf der Kamera sein, dass er je hätte machen können! Doch noch ehe ich mich wieder aufrappeln und ihm das an den Kopf werfen konnte, spürte ich seine Arme um mich, die mich wieder in eine gerade Position brachten und dann nicht mehr losließen. Wieder umhüllte mich sein zitroniges Aftershave und benebelte mir alle Sinne.
»Das ist so schön. Wirklich. Ich liebe es«, wisperte Jimin mir selig ins Ohr, während er mich überglücklich ein wenig hin und herwiegte. »Vielen, vielen Dank.«
Ich hätte so gerne für immer in seinen Armen gelegen. Nie wieder diese Position verlassen. Mir war es seltsamerweise egal, dass uns wahrscheinlich alle anderen anstarrten. Leider jedoch kam uns etwas ziemlich Unerwartetes dazwischen. Ein lautes Grollen in der Ferne, das Jimin und mich und vor allem auch Hoseok und Seokjin erschrocken zusammenzucken ließ.
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