13 - Gar nicht so unähnlich
Kapitel 13 – »Gar nicht so unähnlich«
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»All alone as you look through the door
Nothing left to seeIf it hurts and you can't take no more
Lay it all on me
No you don't have to keep it on a locking key
'Cause I will never let you down
And if you can't escape all your uncertainties
Baby I can show you how«
Lay It All On Me – Rudimental ft. Ed Sheeran
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Mi., 3. Oktober 2012
Moonhee
»Es tut mir so leid, mein Kunst-Lehrer hat mir noch das Ohr abgequatscht wegen dem Projekt«, platzte es aus mir heraus, als ich völlig atemlos in den Tanzsaal stürzte und Jimin dort am Boden hockend entdeckte. Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, während er sich entspannt weiterdehnte.
»Alles gut, solange wir heute mit der Choreografie fertig werden. Du weißt, morgen bin ich dran.«
Ich nickte hastig und schmiss meine Tasche in die Ecke. Mein Ebenbild in den wandfüllenden Spiegeln sah völlig fertig aus und ich kam mir unglaublich dumm vor, so außer Atem hier vor Jimin aufzukreuzen. Ihn schien das ganze obendrauf auch noch köstlich zu amüsieren.
Heute war der letzte Tag unseres gemeinsamen Trainings für die Projektwoche. Zwar hatte ich die uns in den entsprechenden Unterrichtsstunden zustehende Zeit genutzt, um alleine zu üben, doch es wollte nie so klappen wie mit ihm an meiner Seite. Jimin hatte deshalb extra einen seiner Tanz-Lehrer darum gebeten, den Saal nach dem Unterricht weiter nutzen zu dürfen. Als Trainee besaß man an dieser Schule wohl besondere Privilegien, weswegen ihm sogar einen Zweitschlüssel ausgeliehen worden war.
Am Freitag musste alles für meine Department-Stunde sitzen, wenn ich die Choreografie vor allen vortragen sollte. Ich schämte mich jetzt schon in Grund und Boden aufgrund der Vorstellung, doch Jimin machte es seltsamerweise bei unseren Trainingsstunden irgendwie immer wieder halbwegs wett. Es lag ihm, Lob zu verteilen und mir das Gefühl zu geben, dass ich gut war. Auch, wenn das, was ich da auf dem Parkett veranstaltete, nicht ansatzweise an vernünftige Tanz-Skills rankam.
Jimin dagegen würde am Freitag in seiner Klasse sein Foto-Projekt vorstellen. Dafür waren wir in den letzten Wochen zweimal nach der Schule zusammen in den nahegelegenen Seoul Forest gefahren, welcher einige schöne Motive geboten hatte und praktischerweise nur ein paar Blocks von meinem Zuhause entfernt lag. Die Fotos befanden sich alle auf meiner Kamera. Wir hatten Yoongi nicht noch einmal zumuten wollen, sein Heiligtum aus der Hand zu geben. Für morgen planten Jimin und ich dann, gemeinsam die Bilder zu sichten, zu bearbeiten und als eine Serie zusammenzustellen.
Im Laufe unserer heutigen letzten Stunde, stellte ich leider fest, dass irgendwas nicht mit meinem Klassenkameraden zu stimmen schien. Das erste Lächeln, mit dem er mich noch begrüßt hatte, verschwand relativ schnell und wich einer nachdenklichen Miene. Auch sein sonst so allgegenwärtiges Lob blieb aus und verunsicherte mich unfreiwillig.
»Ist alles okay bei dir?«, fragte ich ihn schließlich vorsichtig, nachdem wir unseren dritten Durchgang fehlerfrei hinter uns gebracht hatten. »Du bist so still.«
Jimin fuhr sich durch die Haare und Augen wanderten zum Spiegel, in dem er sich musterte. Er hatte für das Training seine Schuluniform gegen weite Basketballshorts und ein schwarzrotes Tanktop ausgetauscht, das den Blick auf seine überraschend muskulösen Arme freigab. Schnell zwang ich mich (nicht zum ersten Mal an diesem Tag), nur auf sein Gesicht zu sehen.
»Weißt du«, begann er schließlich nach ein paar Sekunden der Stille, »ich glaube manchmal, wir sind uns in unserem Weg gar nicht so unähnlich.«
»Wie...wie meinst du das genau?«
Ich zog die Augenbrauen hoch und ging ein wenig auf ihn zu. Als er sich im Schneidersitz auf den Laminat-Boden sinken ließ, tat ich es ihm gleich, so dass wir gegenüber voneinander saßen.
»Ich meine damit...ach, es ist schwer zu erklären. Tatsache ist, dass sie mich schon wieder fast aus dem Line-Up der Band gekickt hätten«, seufzte Jimin und wirkte plötzlich nur noch niedergeschlagener. »Und das ist nicht das erste Mal. Die Band soll Mitte nächsten Jahres debütieren und ich bin erst seit letztem Mai dabei. Das heißt, ich habe am wenigsten Training von allen und das stört die Agentur. Sie finden meinen Gesang nicht gut genug...und egal, wie hart ich übe, es scheint sie bei den monatlichen Evaluationen nie zufrieden zu stellen.«
Ich realisierte, was er mir damit sagen wollte. Nicht gut genug sein...das war mir ganz sicher kein Fremdwort. So wie er sich vor seiner Agentur behaupten sollte, ging es mir mit meinen Eltern. Immer im Schatten der anderen zu stehen... Oh Jimin, ich versteh dich viel zu gut.
»Mich macht das einfach fertig, nicht zu wissen, ob ich jetzt die Chance bekomme, ein Idol zu werden, oder nicht«, fuhr er mit wehleidiger Stimme fort und stemmte seinen Kopf in die Hände. »Ich halte mich an die Diäten, ich trainiere ganze Nächte durch, ich mache alles, was in meiner Macht steht.«
»Sie wären ganz schön blöd, wenn sie dich aus dem Line-Up kicken«, murmelte ich und schielte mit gesenktem Kopf zu ihm. Sein Blick war immer noch auf sein Spiegelbild gerichtet. Als würde er versuchen, sich selbst zu röntgen.
Als er weiterhin schwieg, wurde ich zusehends unsicherer. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn ich war noch nie eine Schwingerin großer Reden gewesen. Die Art, wie er sich da selbst im Spiegel anstarrte, machte mich aber traurig und ich wollte verdammt noch mal irgendwas tun. Irgendwas, was ihm irgendwie helfen würde. Und so nahm ich all meinen Mut zusammen, um ein wenig näher an ihn heranzurücken.
»Du bist nicht alleine...okay?« Es brauchte all meinen Mut, um diese Worte über meine Lippen zu pressen. Und noch schlimmer gestaltete sich mein nächstes Vorhaben. Ich legte ihm eine viel zu verschwitzte Hand auf den Unterarm, der inzwischen locker über seinen Knien hing.
Ich sah genau, wie Jimin den Blick im Spiegelbild überrascht meiner Hand zuwendete und dann schließlich den Kopf ganz zu mir drehte. Seine Augen waren ein wenig geweitet...doch irgendwas sagte mir, dass seine schockierte Art zu reagieren nichts damit zu tun hatte, dass ich ihm zu nahegetreten war. Das schwache Lächeln, das sich kurz darauf auf seinen Lippen bildete, bestätigte es. Die freie Hand, die er kurz darauf auf meine Finger legte und mir einen Schauer über den ganzen Körper jagte, nur noch einmal mehr.
»Danke«, sagte er mit seiner viel zu sanften Stimme und schenkte mir dabei einen intensiven Blick, der mich fast schon schlucken ließ. Hilfe, was stellte dieser Junge nur mit mir an?
Als er seine Hand wieder von meiner löste, zog ich meine ebenfalls schnell wieder weg und presste verlegen die Lippen aufeinander. Jimin dagegen setzte wieder eine etwas glücklicher Miene auf, wobei ich mir aber nicht sicher war, ob diese nur als Maske diente. Mit einem kleinen Seufzen sprang er wieder auf seine Beine und bestand danach vehement darauf, mir aufzuhelfen. Erneut seine Haut auf meiner zu spüren fühlte sich nicht minder elektrisierend an. Verdammt, das wurde so langsam wirklich gruselig.
»Wie sieht es aus? Wollen wir weitermachen?«, fragte mich Jimin, während er sich schnell seine Klamotten zurecht strich und seine Frisur im Spiegel richtete.
»Gerne«, erwiderte ich und erntete damit erneut ein Lächeln von ihm, ehe er die Musik startete und mit mir auf den Einsatz vom Text zu Somebody To Love wartete.
Wir trainierten und trainierten und zum ersten Mal an diesem Tag flogen auch wieder die gewohnten Komplimente durch den Raum. Dennoch konnte ich diese nicht wirklich so annehmen, wie sonst auch, da ich immer noch nicht davon überzeugt war, dass es Jimin wirklich besser ging. Ich machte mir so viele Gedanken um seinen psychischen Zustand, dass ich völlig vergaß, mich vor der übermorgigen Performance vor der ganzen Klasse zu fürchten.
Als wir unser letztes Training beendet hatten und in den Umkleidekabinen nebenan schnell zurück in unsere Schuluniformen geschlüpft waren, schloss der Trainee den Raum ab und verließ mit mir zusammen das inzwischen wie leergefegte Schulgebäude. Mein Handyanzeige teilte mir mit, dass es bald 18:30 Uhr schlug. Dem Grummeln in meinem Magen nach definitiv Zeit fürs Abendessen.
»Hast du vielleicht Lust an der Wangsimni-Station noch was essen zu gehen?«, fragte er mich völlig unbedarft, als wir gerade den Weg in Richtung von ihm genannten U-Bahn-Haltestelle einschlugen. Ich betete, dass diese Frage nicht daher rührte, dass er meinen Magen gehört hatte.
»Ähh...klar, warum nicht?«, willigte ich ein und versuchte nicht zu auffällig zu zeigen, wie sehr ich mich über dieses Angebot freute. Ich genoss jede Minute mit ihm, doch besonders die, in denen wir nicht gezwungen waren, irgendwas für die Schule zu machen. Das hatte ich schon bei unserem Samstagsausflug vor zwei Wochen gemerkt. Auch mochte ich es sehr gerne, mit ihm über KakaoTalk zu schreiben. Inzwischen waren wir sogar an dem Punkt angekommen, dass unsere Nachrichten nicht mehr nur die geplanten Nachhilfestunden oder Treffen für das Projekt betrafen.
Auch hier, auf dem Weg zur U-Bahn-Station, überstiegen unsere Gespräche längst die Grenzen der Schule. Und inzwischen wagte er es auch, mir von seinem Trainee-Alltag zu erzählen. Ich wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund hörte ich ihm so langsam gerne dabei zu. Und er schien das auch zu merken, sonst würde er mir sicherlich nicht so offen davon berichten. Nicht nach unserem Gespräch in der Bibliothek.
An der Wangsimni-Station angekommen betraten wir den riesigen Bahnhof über Eingang 1. Dieser enthielt unter anderem Südkoreas größtes IMAX-Kino und eine riesige Shopping-Mall namens Enter-6, welche für uns genug Auswahl an Möglichkeiten für das Abendessen bot.
Jimin überredete mich relativ schnell, zum Grill Thai zu gehen, wo wir uns gemeinsam einmal Nasi Goreng bestellten. Die Portionen – wie er mir bereits angekündigt hatte – waren so groß, dass sie uns locker zu zweit reichen sollten. Und er behielt nicht unrecht. Wenig später saßen wir gemeinsam vor der wirklich riesigen Pfanne voll thailändischem gebratenen Reis und schaufelten uns mit Stäbchen die Münder voll. Dies hielt uns aber nicht davon ab, weiter über Gott und die Welt zu quatschen.
»Ich glaube, ich habe dich noch nie so viel reden gehört, wie heute«, grinste Jimin, woraufhin er einen Schluck von seinem Wasser nahm.
»Genieß es«, erwiderte ich mit einem trockenen Lächeln. »Kommt nicht so oft vor.«
Er lachte und warf dabei ein wenig den Kopf in den Nacken. »Okay, dann werde ich das jetzt alles in mich aufsaugen.«
Er legte seine Finger an die Schläfen und machte mit gespitzten Lippen ein hochkonzentriertes Gesicht. Kurz darauf sah es so aus, als würde sein Kopf gleich explodieren, was mich in Gelächter ausbrechen ließ. Es dauerte nicht lange, da hielt er seine Position nicht mehr aus, da er ebenfalls von einem Lachanfall geschüttelt wurde.
»Wenn mir nicht mehr einfällt, was ich dir sonst noch erzählen kann, kann ich ja anfangen zu singen«, kicherte ich. »Vielleicht merkst du dann, dass deine Stimme nur gut sein kann im Gegensatz zu meiner.«
»Woher willst du das wissen?«, sagte Jimin gespielt empört. »Du hast mich noch nie singen gehört.«
»Ja, dann leg mal los!«
Er riss ein wenig überrascht die Augen auf und sah sich reflexartig um. Als er feststellte, dass sich gerade gar nicht so viele Leute um uns herum aufhielten, begann er plötzlich in meiner mir allzu bekannten Bewegung die Schultern zu bewegen und ein mir bisher unbekanntes dreckiges Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
»Somebody to love...somebody to love...i gin banghwangeul meomchuge...I want somebody to love...so-somebody to love...«
Er führte völlig übertrieben die Tanzschritte im Sitzen aus, was mich vor Lachen fast vom Stuhl fallen ließ.
»Hey! Das war kein richtiges Singen«, beschwerte ich mich, als ich wieder halbwegs zu Atem kam und erst einmal feststellen durfte, dass es Jimin vor lauter Belustigung wirklich von seinem Sitzplatz gefegt hatte. Mit hochrotem Kopf rappelte er sich wieder auf und vergrub das Gesicht in den Händen, während ihn immer noch ein paar Nachläufer des Gelächters durchschüttelten.
»Du bist so bescheuert«, fügte ich noch mit einem Grinsen hinzu und schlug ihm auf den Arm.
Er ließ seine Hände wieder sinken und wackelte mit den Augenbrauen, ehe er sich sein Wasserglas schnappte und spielerisch den Strohhalm zwischen seine Lippen nahm.
»Gaseum seolleineun gamjeongeul neukkyeo geudaero...du nuneul kkok gamgo kkeullineun daero how we go...tiktiktak siganeun ga don't don't don't stop meomchujima...maeumeul yeoreo make it bounce make it bounce, make it bounce...«
Jimin schaffte es innerhalb weniger Sekunden mit seinem Gesang von Taeyangs Part des Songs mir das Lächeln vom Gesicht bröckeln zu lassen. Und das lag nicht nur an seiner Stimme, die so zart und hell klang, dass sie von einem Engel hätte stammen können. Jimin setzte jeden Muskel dazu ein, seinem Singen obendrauf mehr Ausdruck zu verleihen. Und das, so stellte ich mit einem Schlucken fest, wirkte auf mich wie eine ziemlich eindeutige Art von Flirten. Alleine sein Blick und wie er weiterhin mit dem Strohhalm an seinen Lippen spielte. Hilfe, ich durfte jetzt verdammt nochmal NICHT rot werden!
Als er seine kleine Singeinlage beendete, wischte sich der anzügliche Ausdruck von einer Sekunde auf die andere von seinem Gesicht und wich dem mir nur allzu bekannten peinlich berührten Lächeln.
»Das war verdammt unangenehm«, murmelte er und nahm schnell einen Schluck von seinem Wasser, während sein Blick unauffällig um uns flog. Wahrscheinlich wollte er checken, ob er damit unfreiwillig irgendjemandes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
Ich dagegen brauchte ein paar Augenblicke, um mich von dem Schreck wieder zu erholen. Jimins Gesichtsgeflirte hatte mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt und ein eigenartiges Kribbeln in meiner Magengegend hinterlassen, genau wie sein wundervoller Gesang. Als ich mich wieder halbwegs gefangen hatte, beugte ich mich ein wenig über den Tisch zu ihm.
»Ich bleib dabei...wenn sie dich nicht mit ins Line-Up nehmen, sind sie komplett bescheuert.«
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