31 | Like lovers do
»Even though we never said it to each other
we knew.«
Ada wischte sich ihre Handinnenflächen an ihrer Jeans ab. Ihr Blick huschte nervös aus dem Fenster und dann zurück zu ihrem Handy, während sich ihre Zähne in ihre Unterlippe gruben.
Objektiv gesehen, gab es wahrscheinlich gar keinen Grund aufgeregt zu sein. Schließlich war es nicht so, als ob Reece ein Fremder wäre. Trotzdem ließ die Tatsache, dass sie hier gleich alleine mit ihm sein würde, ihr Herz schneller schlagen. Davor hatten sich die beiden immer nur in Anwesenheit vom Rest der Band gesehen.
Allgemein war Reece in letzter Zeit immer öfter der Grund dafür, dass ihr Herz schneller schlug. Oder dass ihre Knie weich wurden. Oder dass sie ständig abgelenkt war.
Ada seufzte. Sie hatte beinahe vergessen, wie es war, wenn man sich in jemanden verguckt hatte. Wie es war, wenn sich die eigene Welt plötzlich nicht mehr um die Sonne, sondern um eine Person drehte. Obwohl sie diese Art von Gefühle so oft in ihren Romanen beschrieb, war es doch etwas anderes, sie selbst zu spüren.
Ihre Gedanken, die immer weiter abdrifteten, wurden plötzlich unsanft beendet, da die Klingel lautstark Besuch ankündigte. Für einen Moment stand sie wie angewurzelt da, bevor sie Richtung Tür hechtete.
„Hallo?", fragte sie, den Finger auf der Sprechanlage. Sie konnte das Zittern aus ihrer Stimme heraushören.
„Hey, ich bin's", antwortete ihr Reece. Sie schluckte, ihr Puls schoss in die Höhe.
„Moment, ich mach dir auf. Du weißt noch, wo es langgeht?", erkundigte sie sich.
„Zu dir würde ich immer finden", sie konnte sein Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Auch ihre eigenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und ihr wurde warm ums Herz.
Sie betätigte den Knopf an der Anlage und öffnete die Tür, um ihn zu empfangen, sobald er die Treppenstufen erklommen hatte. Obwohl es sich wahrscheinlich nur um Sekunden handelte, kam ihr diese Zeitspanne mindestens wie ein paar Stunden vor.
Schließlich erschienen Reece blonde Haare am Treppenansatz. Er hob den Kopf und ihr Blick traf auf ihren.
Die Welt hätte in diesem Augenblick untergehen können – Ada hätte es nicht bemerkt. Das einzige, was sie wahrnahm, war das starke Klopfen ihres Herzens und dass sie sich bei dem Lächeln, das er ihr nun schenkte, noch ein wenig mehr in ihn verliebte.
Mit einem Kribbeln im Bauch beobachtete sie, wie er sich ihr näherte. Seine langen Beine steckten in einer Jeans und ein schwarzes T-Shirt gab den Blick auf seine muskulösen Arme frei. Ein schwarzer Gitarrenkoffer war um seine Schulter geschlungen.
Er räusperte sich, als er schließlich vor ihr stand.
„Ich hab gehört, dass Sie einen Stripper bestellt haben?", fragte er mit verstellter Stimme.
Ada sah ihn verblüfft an, bevor sie losprustete. Reece grinste zufrieden und ihre Anspannung löste sich ein wenig.
„Du bist ein Idiot", sagte sie dann und schüttelte mit einem Lachen den Kopf über ihn, bevor sie einen Schritt zur Seite machte, damit er die Wohnung betreten konnte.
Sein Blick schweifte durch den Raum und blieb an der geschlossenen Zimmertür von Daphne hängen. „Bist du allein?"
Ada schüttelte den Kopf. „Nein, Daphne ist hier. Aber ich sehe sie selber gefühlt zweimal in der Woche. Sie wird dich also nicht bei deiner Striptease-Nummer stören."
„Du willst wirklich unbedingt, dass ich mich ausziehe, oder?" Er zog eine Augenbraue nach oben, woraufhin Ada nur die Augen verdrehte. Auch wenn das vielleicht ein kleines bisschen stimmte, musste sie ihm das ja nicht unter die Nase reiben.
Statt einer Antwort schob die Blondine Reece in Richtung ihres Zimmers. Dort angekommen sah sich der Gitarrist um. Obwohl er bereits ein paar Mal in der WG gewesen war, hatte er Adas Zimmer noch nie zu sehen bekommen.
Der Raum war relativ schlicht eingerichtet, die Möbel waren überwiegend weiß. An der rechten Seite stand ein Bett, auf dem eine fliederfarbene Tagesdecke lag, die Ada nun glattstrich. Daneben stand ein Nachttisch, auf dem sich drei Bücher stapelten.
Vor dem Fenster stand ein Tisch. Auf diesem befanden sich, abgesehen von ihrem Laptop, einige Blöcke und Ordner.
Gegenüber vom Bett befanden sich zwei große Bücherregale, die offensichtlich mit sehr viel Liebe eingerichtet worden waren. Neben den verschiedensten Romanen hatte Ada auch einiges an Deko platziert.
Das letzte große Möbelstück war der Kleiderschrank. Auch er war ganz schlicht weiß.
„Hast du all die Bücher schon gelesen?", fragte Reece und ließ seinen Blick über die Titel gleiten, doch keiner kam ihm wirklich bekannt vor.
„Naja, nicht ganz", gab Ada zu, „ich habe irgendwie eine Kaufsucht, wenn es um Bücher geht. Sobald ich eins beendet habe, kaufe ich mir zur Belohnung drei neue."
Reece lachte. „Das kenne ich irgendwie. So geht es mir mit Gitarren." Er schob den Träger des Gitarrenkoffers von seiner Schulter und stellte ihn neben Adas Bett ab.
„Oh, echt?", machte Ada überrascht, „dann ist die Gitarre, die ich beispielsweise bei eurem Auftritt gesehen habe, nicht die einzige, die du besitzt?"
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe noch zwei andere. Und zuhause in Montreal habe ich auch noch eine, die gehört jetzt aber eher meiner Schwester."
Die Erwähnung seines Familienmitglieds ließ ihn für einen Moment innehalten, bevor er sich räusperte und sich ihr zuwandte.
„Also, sollen wir anfangen?", fragte er. Ada hatte bei all dem Adrenalin, das durch ihren Körper rauschte, beinahe vergessen, dass Reece nicht einfach so zum Spaß vorbeigekommen war. Sie nickte langsam und blickte sich unschlüssig im Zimmer um, bevor sie sich zögernd neben ihn aufs Bett setzte, nachdem sie sich einen Block und einen Stift geschnappt hatte.
„Ich habe aber, wie gesagt, noch nie ein Lied geschrieben", warnte sie ihn. Er zuckte nur mit den Schultern.
„Keine Sorge, ich hab da auch nicht wirklich viel vorzuweisen", er holte seine Gitarre aus dem Koffer und legte diese auf seinen Knien ab. „Trotzdem habe ich in all den Jahren ein paar Dinge aufgeschnappt, die wichtig sind."
Ada nickte. Beide hatten die Arme hinter sich abgestützt und ihre Hände trennten nur wenige Zentimeter. Ihr Körper bebte.
„Als erstes ist es wichtig, dass wir den Text möglichst zugänglich halten. Dadurch kann man sich am besten in den Song hineinfühlen. Ansonsten sind prägnante Wörter immer ganz gut, also etwas, das einem im Kopf bleibt. Metaphern sind auch sehr beliebt, da bist du wahrscheinlich sowieso fitter als ich", er machte eine Pause, bevor er weitersprach, „und das Beste sollten wir uns für den Refrain aufheben. Daran erinnert man sich immer am besten, weshalb der am mitreißendsten sein sollte."
„Ich glaube, dass ich noch so viele Wörter aus deinem Mund habe kommen hören", scherzte Ada, als er seinen Satz beendet hatte. Reece lachte.
„Ist das deine Art mir zu sagen, dass ich die Klappe halten soll?"
Sie schüttelte den Kopf. „Es soll dich ermuntern, öfter mehr zu erzählen."
Er lehnte sich zu ihr und wie zufällig streiften seine Finger ihre. Die Berührung setzte ihren Körper in Brand, ein Zittern durchlief sie.
„Ich lasse lieber Taten für mich sprechen", murmelte er, Adas Puls schoss durch den plötzlichen Stimmungswechsel in die Höhe. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sich nicht einbildete, aber sie hätte schwören können, dass sein Blick kurz zu ihren Lippen schweifte.
„Das ist mir neu. Wann genau willst du diesem Vorhaben nachgehen?", provozierte sie ihn, selbst überrascht von den Worten, die aus ihrem Mund stolperten. Sie konnte aus ihrer eigenen Stimme den bittenden, nein, beinahe flehenden Unterton heraushören. Und sie war sich sicher, dass er es auch bemerkte. Aber in diesem Augenblick war ihr das egal. Die Intensität, mit der sie sich nach ihm sehnte, war so überwältigend, dass jede Scham ausgestellt war. Sie wollte ihn.
Reece lachte leise und er klang beinahe verzweifelt, als er sagte :„Jetzt noch nicht. Auch, wenn ich wirklich gern würde."
Er hob die Hand und berührte ihre Wange. Unbewusst hielt sie den Atem an, als sie seine Finger auf ihrer Haut spürte, als sein Daumen flüchtig über ihre Unterlippe strich. Ada seufzte leise und gab sich, ohne nachzudenken, ihren Gefühlen hin. Ließ zu, dass der Strudel sie mit nach unten riss.
Sie wusste, dass sie nicht mehr die Chance hatte umzukehren. Reece hatte alle Mauern, die sie sorgsam um sich erbaut hatte, runtergerissen. Er gab ihr das Gefühl, dass das, worüber sie in ihren Romanen schrieb, vielleicht doch auch in echt existierte.
Und das Flackern in seinen Augen sagte ihr, dass sie nicht die einzige war, die so dachte. Obwohl es keiner von ihnen aussprach, wussten sie es beide.
Beinahe bedauernd stellte sie fest, dass Reece den Abstand zwischen ihnen wieder vergrößerte. Doch sie merkte ihm an, dass sie sich die Intensität des Moments nichts eingebildet hatte: Schwer hob sich seine Brust gegen seine T-Shirt, seine Kiefermuskeln spannten sich an.
Sie lächelte und da Reece offensichtlich nicht wusste, was er sagen sollte, ergriff sie das Wort:„Okay, dann lass uns diesen Song schreiben."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top