29 | Fire breather
»I'm scared as hell to want you.
But here I am,
wanting you anyway.«
„Siehst du, da sind sie! Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen", sagte Ewan an Nylah gewandt, der Ada und Reece, die beide vor geraumer Zeit verschwunden waren, in der Menge erblickt hatte. Nylah nickte und ihre Schultern entspannten sich ein wenig. Sie konnte nicht sagen warum, aber, wenn es um Reece ging, benahm sie sich manchmal wie eine Mutter.
Doch auch um Ada hatte sie sich Sorgen gemacht. Allein der Gedanke, dass ihr, der kleinen , zierlichen Blondine etwas zustoßen konnte, ließ kalten Schweiß bei Nylah ausbrechen. Der Pessimist in ihr flüsterte ihr immer irgendwelche Szenarien zu, die sie dann nicht mehr losließen.
Doch offensichtlich war ihre Angst nicht berechtigt gewesen. Reece und Ada schien es gut zu gehen. Ein bisschen zu gut, stellte Nylah mit einem Blick auf Ada, die gerade mit rosigen Wangen über etwas lachte, was Reece gesagt hatte und eben genannter, der für seine Verhältnisse viel zu entspannt und gesprächig wirkte, fest.
Sie zog eine Augenbraue nach oben und blickte zu Nathan, dem der Stimmungswechsel der beiden auch nicht entgangen war.
„Hab ich da irgendetwas verpasst?", fragte sie ihn, immer noch irritiert von dem Anblick, der sich ihr gerade bot. Die Art und Weise, wie Ada und Reece sich ansahen, war irgendwie furchtbar intim.
Nathan lachte und sein Atem kitzelte ihre Haut, als er sich zu ihr runter beugte, damit sie ihn, trotz der lauten Musik verstehen konnte.
„Ganz offensichtlich. Das geht schon eine ganze Weile so", antwortete er ihr und stützte sich hinter ihr am Tresen ab. Ungläubig wandte Nylah ihr Gesicht zu ihrem Bandkollegen um und für einen Moment stockte ihr Atem, weil sich beinahe gar kein Abstand zwischen ihr und Nathan befand. Ohne, dass sie es wollte, spürte sie, wie ihr verräterisches Herz schneller schlug.
„Bin ich wirklich so blind? Wann ist dir das denn bisher immer aufgefallen?", hörte sie ihren Mund sagen, während sie selbst viel zu beschäftigt damit war, sich von Nathans grünen Augen, die in diesem Licht beinahe schwarz wirkten, nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.
Er selbst trug jedoch nicht viel zu diesem Vorhaben bei, da er ihren Blick festhielt. Seine Lippen verzogen sich langsam zu einem Lächeln. „Ach, eigentlich schon von Beginn an", sagte er und kurz fragte sich Nylah, ob er noch von Reece und Ada sprach, bis er hinzufügte: „bei der Begrüßung hat man das beiden schon angesehen. Dann als wir bei euch in der WG gewesen sind, waren sie auch verdächtig lange gemeinsam draußen auf dem Balkon. Und nach unserem Auftritt in der Bar."
Nathan zuckte mit den Schultern und warf einen Blick in die Richtung der beiden. „Und wenn dieser Anblick nicht Bände spricht, weiß ich auch nicht."
Nylah bemühte sich um ein bestätigendes Nicken und versuchte nicht allzu atemlos zu erscheinen, wie sie sich fühlte, als Nathans Hand, die immer noch hinter ihr auf dem Tresen abgestützt war, ihren Rücken streifte. Die Berührung sollte eigentlich nicht der Rede wert sein und trotzdem war es ihr, als würde sich die Wärme seiner Finger durch den Stoff ihres Tops brennen. Die Luft kam ihr auf einmal noch stickiger vor, als sowieso schon.
Nylah räusperte sich und brachte mit glühenden Wangen unauffällig wieder etwas Abstand zwischen Nathan und sie. Er ließ nicht durchblicken, ob er davon etwas bemerkte.
„Du hast wohl recht. Ich glaube, ich bin einfach nicht so gut darin, solche zwischenmenschlichen Zeichen zu deuten", sagte sie, einfach nur, um überhaupt etwas zu sagen. Die Spannung, die Nylah zwischen sich selbst und Nathan spürte, schien ihr Innerstes zu zerreißen. Sie hätte sich gerne eingeredet, dass gerade einfach nur ihre Hormone mit ihr durchgingen. Aber was für einen Einfluss der Bassist auf sie hatte, war langsam nicht mehr zu leugnen. Ihr Körper reagierte auf jeden Blick, den er ihr schenkte und auf jede kurze, flüchtige Berührung.
„Wahrscheinlich kapierst du deshalb auch einfach nicht, dass ich dir ebenfalls die ganze Zeit solche Signale zusende", neckte er sie und für einen Moment konnte sie nicht anders, als sich zu wünschen, dass Nathan einmal nicht scherzte. Doch sie wusste, dass hinter diesen Sprüchen nichts wirkliches dahintersteckte und dass das einfach seine Art war.
Nicht zum ersten Mal bedauerte sie diese Tatsache.
„Sorry, wie gesagt, ich bin da etwas schwer von Begriff. Deine Signale müssen wohl noch offensichtlicher werden", antwortete sie gespielt amüsiert und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen.
Obwohl Nylah eigentlich nur vorgehabt hatte, auf seinen Witz anzuspringen, sah sie nun nichts als Ernsthaftigkeit in seiner Mine. Ihre Handinnenflächen fühlten sich mit einem Mal schweißnass an.
Quälend lange hielt sein Blick ihren fest, glitt über ihr Gesicht und für einen Moment bildete sie sich ein, dass dieser an ihren leicht geöffneten Lippen hängenblieb.
Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte.
„Wird gemacht", sagte er auf eine Art und Weise, die nur für sie bestimmt schien. Ihr Herz raste in ihrer Brust.
Sie hätte gerne irgendwas gesagt, um die Situation aufzulockern, doch sie war dazu nicht in der Lage.
Bebend hielt sie seinem Blick stand und verlor sich nicht zum ersten Mal in seinen grünen Augen. Und nicht zum ersten Mal, entdeckte sie dort ein verloren geglaubtes Stück von sich selbst.
Obwohl der Club immer noch unglaublich voll war, kam es ihr vor, als ob sie beide hier alleine wären. Als ob sie die einzigen Menschen auf dem ganzen Planeten wären.
All die Monate hatte sie versucht dieses Gefühl zu ignorieren, hatte es beiseite geschoben, dass Nathan bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen tief etwas in ihr bewegt hatte. Doch in diesem Augenblick traf sie die Realität mit einer unglaublichen Wucht. Und zum ersten Mal konnte sie ihr nicht entfliehen.
Nylahs Verlangen Nathan zu berühren, war mit einem Mal so brennend, dass sie ihr eigenes Handgelenk umklammert hielt, um dem standhalten zu können.
Dabei wollte sie nichts anderes, als zu wissen, wie sich seine Haut unter ihren Fingern anfühlen würde. Wie es sein würde, wenn er sie nicht nur flüchtig berührte. Wie seine Lippen schmeckten.
Und vor allem wollte sie wissen, was das mit ihrem Innersten anstellen würde, wenn bereits ein Blick von ihm genügte, um ihre Welt in Flammen zu setzen.
„Nylah, ist alles in Ordnung?" In diesem Moment zerplatzte die Blase, in der Nathan und sie sich bis eben befunden hatten. Dieser Kokon, der sich um sie gelegt hatte, war verschwunden. Und damit auch dieser tranceartige Zustand, der von ihr Besitz ergriffen hatte.
Ihr Körper schien ihr nicht ganz gehorchen zu wollen, als sie ihren Kopf nun zu Ewan drehte. Sie bemühte sich um ein Lächeln.
„Ja, klar", beeilte sie sich zu sagen und wagte kurz wieder einen Blick in Richtung Nathan. Der hatte sich jedoch von ihr abgewandt. Sein Kiefer war angespannt und sein Brustkorb hob sich schwer gegen sein schwarzes Shirt.
„Ich glaube, dass wir nochmal tanzen gehen sollte!" Ihr Vorschlag klang beinahe nach einem Flehen.
„Du willst tanzen?", wiederholte Ewan ungläubig. Sie nickte und zog ihn Richtung Tanzfläche. Außerdem bedeutete sie Ada und Brianna mit einer Handbewegung, dass sie ebenfalls folgen sollte.
Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, vergrößerte sie den Abstand zwischen Nathan und sich immer weiter. Sie zwang sich nicht zurückzusehen. Ihre Finger zitterten und in ihrem Kopf war ein riesiges Durcheinander.
Und doch kristallisierte sich ein Gedanke glasklar heraus: Sie hatte einen Fehler begangen.
Sie hatte sich von diesem Gefühl überwältigen lassen, hatte zugelassen, dass sie darüber nachdachte, wie es wäre, wenn sie zu ihm gehören würde.
Aber nach der Trennung von Kol hatte sie sich etwas geschworen: Sie würde nie wieder privates und berufliches vermischen. Nylah wusste bereits, wie diese Geschichte enden würde. Und sie wusste außerdem, dass sie das kein weiteres Mal durchstehen würde.
Mit Mühe hatte sie sich die letzten Monate wieder aufgerafft, hatte sich darum bemüht, die Wunden zum Heilen zum Bringen.
New York war das beste, was Serendipity seit dem Ausstieg von Kol passiert war. Nathan war das beste, was ihnen seitdem passiert war.
Und dieses Glück, diese Chance würde sie nicht aufs Spiel setzen, um ihren eigenen egoistisch Wünschen nachzukommen.
Sie würde das alles, was sie sich erarbeitet hatten, nicht aufs Spiel setzen. Auch wenn sie dabei ihr Herz verlor.
Ohne, dass sie es wollte, wanderte ihr Blick erneut Richtung Nathan. Ein bittersüßes Gefühl erfasste sie und Tränen verschleierten ihre Sicht, die sie jedoch eilig fortblinzelte.
Seine dunklen Augen richteten sich in diesem Moment ebenfalls auf sie. Und in diesen lag ein Versprechen: das Versprechen, dass es wahre Liebe immer noch gab, wenn sie dem nur nochmal eine Chance geben würde. Diese Möglichkeit ließ ihr Innerstes beben, berauschte und verängstigte sie gleichermaßen.
Nylah wollte nichts anderes, als diesem Gefühl nachzugeben.
Aber sie würde es nicht tun.
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