08 | Twisted

»I remember the first time I met you.«

"Konntest du dir nicht besseres Wetter für deinen Umzug organisieren?", grummelte Reece. Die Nässe des Regens war bereits durch seine Jacke gesickert und hatte sein Shirt erreicht, was dadurch auf eine unangenehme Weise an seinem Oberkörper klebte.

"Oh tut mir leid, ich wusste nicht, dass du aus Zucker bist." Nylah zog eine Augenbraue nach oben und schaute Reece dabei zu, wie er den letzten Karton in Nathans Auto packte. Nathan hatte bereits einmal rüberfahren müssen, da Nylah so viele Sachen besaß. Zum Glück war die Fahrt zur WG nur etwa zehn Minuten lang.

"Was dachtest du denn? Man sieht doch eindeutig, wie süß ich bin." Reece grinste über seinen eigenen doofen Spruch. Nylah schürzte die Lippen, um ihre Belustigung zu verbergen.

Es erleichterte Reece, dass Nylah anscheinend doch noch dazu in der Lage war, zu lachen. Auch wenn er nicht gerne über Gefühle sprach, war er dennoch nicht blind. Er hatte die dunklen Ringe und das bleiche Gesicht von Nylah bemerkt. Reece kannte sie schon zu viel lange, als dass ihm so etwas entgehen würde.

Jedoch konnte er absolut verstehen, wieso es Nylah so schlecht ging. Die ganze Sache mit Kol war auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen.

Eigentlich hatte Reece Kol erst durch Nylah kennengelernt und er hätte nie gedacht, dass zwischen ihnen so eine tiefe Freundschaft entstehen würde. Aber als sie vor fünf Jahren, zu Beginn der Beziehung von Nylah und Kol, die Band gegründet hatten, verbrachten sie zwangsläufig viel Zeit miteinander. Es hatte eigentlich kein Weg dran vorbeigeführt, als dass sich Reece und Ewan mit Kol anfreundeten.

Der Schock über Kols Verhalten saß demnach nicht nur in Nylahs Knochen. Nicht nur, dass er die Band verlassen hatte, mit der Begründung, dass er nicht mehr daran interessiert war, Musiker zu werden; als er sich zeitgleich von Nylah trennte, brach er auch den Kontakt zu Reece und Ewan ab. Kol hatte gemeint, dass es für ihn völlig verständlich war, dass sowohl Reece als auch Ewan eher zu Nylah halten würden, da die drei sich seit dem Kindergarten kannten.

Natürlich waren Ewan und Reece nach der Trennung sehr damit beschäftigt gewesen, Nylah abzulenken und zu trösten. Dennoch fand Reece es schade, dass Kol auch zu ihnen den Kontakt abgebrochen hatte. Sie hatten schließlich die letzten fünf Jahre beinahe jeden Tag miteinander verbracht.

Reece seufzte. Es brachte nichts, sich darüber weiter den Kopf zu zerbrechen. Diese Gedanken hatten ihm bereits die letzten Monate keine Ruhe gelassen.

Es war an der Zeit für einen Neuanfang.

Reece stieg nun als letzter in Nathans Auto. Ewan saß mit ihm auf der Rückbank, während Nylah den Beifahrersitz in Beschlag genommen hatte.

"Also, hast du jetzt endlich alles? Oder müssen wir noch ein drittes Mal rüberfahren?", beschwerte sich Ewan bei Nylah, als Nathan losfuhr und sich in den Verkehr einklinkte.

"Du brauchst hier gar nicht so tun, als hättest du weniger Sachen gehabt. Alleine wie viel Platz deine ganzen Blu-rays eingenommen haben!" Nylah drehte sich im Sitz um und warf Ewan einen genervten Blick zu.

"Ja, aber die sind im Gegenteil zu deinem Kram auch wichtig." Ewan grinste. Er liebte es Nylah zu nerven. Oder Reece. Oder sonst wen.

"Meine Sachen sind unwichtig? Mein ganzer 'Kram' sind vor allem meine Klamotten. Aber wenn dir das zu viel ist, laufe ich in Zukunft wohl nackt rum", meckerte Nylah zurück.

"Willst du in dem Fall nicht doch bei uns wohnen?", schaltete sich Nathan ein. 

Ewan grinste über Nathans Aussage. "Je länger ich Nathan kenne, desto sympathischer wird er mir. So ein Spruch hätte auch von mir kommen können." 

Nylah schüttelte bloß den Kopf.

"Ach, wirklich? Also ich höre dich eigentlich immer nur quengeln", stellte Reece mit verschränkten Armen fest. Ewan blickte seinen Bandkollegen genervt an.

"Und du wirst jeden Tag mehr wie ein griesgrämiger Opa", antwortete Ewan, woraufhin Reece nur mit den Schultern zuckte.

"Was soll ich sagen? Ich reife wie ein guter Wein." Während Nathan über Reece Antwort lachte, verdrehte Ewan nur genervt die Augen.

Reece würde es niemals zugeben, aber er genoss diese Momente, in denen sie alle miteinander spaßten oder sich gegenseitig nervten. Für ihn waren Ewan und Nylah - und irgendwann mit Sicherheit auch Nathan - Familie. Reece selbst hatte sowas nie so wirklich gehabt, weshalb er diese kleinen Augenblicke so wertschätzte.

Er wusste, dass es für die anderen oft so rüberkam, als würde er nur grummelnd und mit schlechter Laune durch die Gegend laufen. Sobald es darum ging, Zuneigung zu zeigen, allgemein Gefühle nach außen zu tragen, wurde die Situation für ihn irgendwie unangenehm. Er war furchtbar schlecht darin, das, was er fühlte, zu kommunizieren. Zum Glück nahmen ihm seine Bandkollegen seine oftmals distanzierte Haltung nicht übel. Sie wussten, dass das einfach Reece Art war.

Mittlerweile waren sie an der WG angekommen. Nathan parkte auf dem Parkplatz, woraufhin alle aus dem Auto ausstiegen.

"Wohin müssen wir die ganzen Kartons denn schleppen?", erkundigte sich Reece bei Nylah, da er vorhin, als Ewan und Nathan die ersten Sachen hier abgeliefert hatten, nicht dabei gewesen war.

"In den dritten Stock." Nylah schnappte sich einen Karton und schloss die untere Wohnungstür auf. Die vier liefen die Stufen nach oben.

"Du hast Glück, dass mein Adoniskörper vom Boxen gut trainiert ist, sonst würde ich das nicht schaffen", erklärte Reece bescheiden.

"Heute hast du aber wieder viel Eigenlob für dich übrig", erkannte Nylah. Ihr Atem entwich hektisch ihren Lungen. Reece vergaß manchmal, wie unsportlich sie war.

"Was soll ich sagen? Ich bin auch jeden Tag aufs Neue von mir beeindruckt", antwortete Reece mit einem Grinsen im Gesicht.

"Das einzige, was ich an dir beeindruckend finde, ist dein immenses Ego." Nylah pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und erklomm die letzten Stufen.

"Reece, lass dir nichts von ihr sagen. Gestern erst hat sie beinahe das exakt selbe zu mir gesagt", schaltete sich Nathan ein.

"Ja, das ist unsere Nylah. Sie versucht es immer mit denselben Sprüchen bei den Männern", entgegnete er.

"Für euch Idioten lass ich mir doch nichts Neues einfallen", schoss Nylah zurück. Reece und Nathan lachten bloß als Antwort.

Oben angekommen wühlte Nylah in ihrer Jackentasche, bis sie den Schlüssel gefunden hatte, mit welchem sie dann sogleich die Tür öffnete.

"Stellt die Kartons erstmal in das Zimmer", meinte Nylah und deutete auf einen Raum, woraufhin Reece, Ewan und Nathan ihrer Aussage nachkamen.

Als die drei Jungs zurück in den großen Raum liefen, der eine offene Küche, sowie das Wohnzimmer und das Esszimmer beherbergte, hatten sich bereits Ada und Daphne dazu gesellt.

"Können wir dir bei irgendetwas helfen, Nylah?", erkundigte sich Ada, woraufhin diese abwinkte.

"Ach was, ich habe ja extra drei starke Männer gebracht. Die sollen sich nicht langweilen."

"Drei?", fragte Ada stirnrunzelnd nach, da sie vorhin erst Ewan kennengelernt hatte, der zusammen mit Nathan die erste Ladung an Kartons rübergebracht hatte.

"Achso ja, Reece war vorhin nicht dabei", bestätigte Nylah und sah sich nach Reece um, der sogleich an ihrer Seite war. 

Ada musste beinahe den Kopf in den Nacken legen, da Reece sie weit überragte.

"Hallo, ich bin Ada", stellte sie sich vor, wobei sie sich irgendwie von der Art und Weise, wie seine braunen Augen sie musterten, eingeschüchtert fühlte. Seine Gesichtszüge wirkten kühl und distanziert, das komplette Gegenteil von Ewan, den Ada vorhin bereits kennengelernt hatte.

Reece Hand war jedoch, im Gegensatz zu seinem Gesichtsausdruck, erstaunlich warm, als Ada diese kurz schüttelte.

"Ich bin Reece. Aber das hat Nylah ja gerade schon erwähnt", antwortete der blonde, hochgewachsene Junge mit der tiefen Stimme. Ada lächelte unsicher.

"Ich bin Daphne", stellte sich nun auch ihre Mitbewohnerin vor, die die ganze Zeit schweigend neben ihr gestanden hatte. Sie schüttelte ebenfalls kurz Reece Hand. Ada war froh, dass sie sich wenigstens ein bisschen bemühte, höflich zu sein.

"Okay, je schneller wir anfangen, desto schneller sind wir fertig", meinte Nylah nun, woraufhin sie mit Reece, Ewan und Nathan in ihrem Zimmer verschwand.

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