Kapitel 1- Sonnenlicht
Mit ausgebreiteten Armen, ließ ich mich von der kalten Strömung treiben. Ich genoss die Schwerelosigkeit, selbst wenn ich viele Jahre nichts anderes gekannt hatte. Wir durften erst mit 12 das erste Mal die Oberfläche durchbrechen und Luft durch unseren Mund, statt durch die Kiemen an unserem Hals, aufnehmen.
Als ich das erste mal richtig eingeatmet hatte, dachte ich, meine Lunge könnte platzen bei dieser riesen Menge Sauerstoff, die mich durchflutete wie eine riesige Welle. Meine Haare schwebten wie ein dunkler Vorhang um meinen Kopf. Einige Strähnen waren schwerer von den Muscheln und Perlen die hineingeflochten waren.
Ich drückte die Arme herunter und setzte mich in Bewegung.
Meine Flosse bewegte sich geschmeidig, wie von selbst und ich schwamm durch das strahlende Korallenriff. Die Farben schillerten in der Sonne. Es sah einfach wunderschön aus...die bunten Fische und Korallen... wie eine andere Welt.
Wir schwammen nicht oft an die Korallenriffe, sie waren zu dicht am Ufer und das Wasser war nicht tief genug, als dass wir nicht mehr sichtbar wären. Wir mussten entweder früh morgens oder spät abends herschwimmen, wenn die Menschen schliefen.
Die Menschen würden unsere Existenz nicht akzeptieren, sie würden uns jagen und untersuchen und ausnehmen wie normale Fische. Natürlich, wir waren zur Hälfte Fische aber wir waren auch Menschen. Ich betrachte meine Freundin Achenn mit ihrem goldenen Haar und der grün schillernden Schwanzflosse. Sie spielte gerade mit dem Delfin der uns bis hierher gefolgt war. Dieser Delfin wurde langsam lästig. Meine Freundin war die Verkörperung der Schönheit.
Sie passte nur zu gut in dieses strahlende Korallenriff. Ich hingegen fühlte mich hier eher fehl am Platz. Ich hatte eine schwarze Flosse, lange schwarze Haare und eine milchig blasse Haut. Das einzig farbige an mir waren meine azurblauen Augen.
Ich schlug kräftig mit der Schwanzflosse und schwamm zu Achenn rüber. Sie blickte auf und schwamm mir entgegen.
„Ich bin am verhungern", klagte ich in ihre Gedanken hinein. Noch ein unterschied zu den Menschen, wir brauchten zum sprechen nicht den Mund, wir sprachen durch die Gedanken miteinander. Sie nickte zustimmend und zeigte Richtung Osten, wo es tief runter ging. Ich sah genauer hin und entdeckte einen Schwarm von Fischen. Heringe vermutete ich.
„Mal sehen wer mehr fängt!", forderte sie mich heraus und flitzte los. Ich folgte ihr sofort und schwamm schräg runter um den Schwarm von unten zu überraschen. Achenn benutzte dieselbe Technik.
Sobald ich mich unter den Fischen befand schoss ich nach oben und fing drei Stück auf einmal. Der Schwarm teilte sich und floh in alle Richtungen. Achenn hatte es nun schwerer einen Fisch zu fangen, doch sie schaffte es noch.
Wir machten uns auf den Weg zu den Felsen um dort die Fische zu essen. Als die Felsen in Sicht kamen, nahmen wir Schwung, sprangen hoch und setzten uns auf den von der Sonne erwärmten Stein. Wir waren nicht allein, auch andere Nixen ließen sich auf den Felsen nieder. Die meisten kamen wie wir gerade von der Jagd. Andere waren nur hier um sich zu Sonnen.
In ein paar Stunden mussten wir von hier wieder verschwunden sein, denn dann kamen die Anglerschiffe. Achenn und ich fingen hastig an die Fische zu verputzen, und unterhielten uns nebenbei in Gedanken, über alles Mögliche.
„Hey Serena, Achenn wie geht's?", hörten wir Brams Stimme rufen.
„Na toll", sagte ich per Gedanken zu Achenn „der hat gerade noch gefehlt", fügte sie hinzu.
Wir sahen wie Bram ins Wasser sprang und vor uns schwamm um zu reden.
„Was habt ihr heute vor?"
„Sicher was anderes als du", antwortete ich genervt.
Bram war harmlos, das war inzwischen klar. Doch man erzählte sich die verrücktesten Dinge über ihn. Man sagte, er sei schon Sirenen begegnet, habe gegen sie gekämpft und sogar gesiegt! Aber so richtig, glaubte das niemand, doch allen war klar das mit ihm was nicht stimmte. Deshalb sollte man ihn lieber auf abstand halten. Er sah mich beleidigt an. Ich sah etwas in seinen Augen aufblitzen.
„Aber schwimmt nicht zu spät weg, nicht, dass euch die Anglerboote holen", sagte er und tauchte ab. Ich rieb über die Kiemen an meinem Hals und sah Achenn an. Auch sie sah ein wenig verwirrt aus, war ihr der seltsame Unterton auch aufgefallen? Ich trocknete langsam und spürte wie meine Kiemen verschwanden. Ich sah auf meine schwarze Flosse hinab, natürlich trocknete ich schneller als die anderen. Meine Flosse trennte sich und wurde zu zwei langen, bleichen Beinen. Wir liefen nicht oft, deshalb waren wir nicht besonders gut darin. Ich stand wacklig auf und kletterte vorsichtig über den Felsen bis ich auf der Spitze war.
„Serena komm da wieder runter!", rief Achenn.
„sonst verletzt du dich noch!" ihre Stimme klang ernsthaft besorgt. „Keine Sorge", rief ich mit meiner, rauen Stimme „ich komm runter!"
Ich ging leicht in die Knie und sprang vom Felsen mit einem Schrei ins Wasser. Ich tauchte lachend auf.
„das musst du auch mal machen", rief ich ihr zu. Ihre Flossen waren jetzt auch verschwunden und an deren Stelle waren lange Beine. Ich schien sie neugierig gemacht zu haben denn sie kletterte nun auch den Felsen hoch. Die anderen sahen uns an, als wären wir verrückt geworden. Achenn sah unsicher zu mir herunter.
„Es macht riesigen Spaß vertrau mir!", rief ich ihr ermutigend zu. Sie nickte, ging wie ich leicht in die Knie und stieß sich vom Felsen ab. Auch sie schrie auf und tauchte mit begeistertem Lächeln auf. Ich wollte zu ihr schwimmen doch meine Flosse hing an irgendwas fest. Erschrocken tauchte ich runter und entdeckte ein altes Netz in dem ich mich verfangen hab. „Achenn hilf mir mal", bat ich in ihre Gedanken hinein, immer noch mit dem Kopf unter Wasser.
Sie tauchte unter und machte sich an dem Netz zu schaffen; als wir sie hörten. Die Anglerschiffe kamen.
Und zwar viel zu früh. Ich hörte die singenden Matrosen auf den Schiffen und das Läuten einer Glocke.
Mein Kopf schoss aus dem Wasser und ich sah wie alle Nixen ins Wasser sprangen und davon schwammen.
Ich schaute wieder runter, Achenn versuchte panisch mich aus dem Netz zu befreien. „Schwimm!", schrie ich ihr in Gedanken zu. „Niemals lasse ich dich hier zurück", rief sie mit einem Ausdruck der Verzweiflung in den Augen.
„Ich komm schon klar ich befreie mich selber. Ich schaff das schon und nun schwimm!" gequält sah sie von meiner, hoffnungslos verhedderten, Flosse auf. Ich nickte wie wild... dann nickte sie, mit einer kurzen traurigen, Bewegung zurück und schwamm so schnell sie konnte davon.
Ich machte mich weiter an dem Netz zu schaffen, zerrte so fest ich konnte daran, da hörte ich etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, „Da unten! Seht! da ist ein ganz großer, werft das Netz aus!"
Okay, keine Panik. vielleicht haben sie wirklich nur einen Fisch gesehen, so viel Pech kann man doch nicht haben...-dachte ich, doch meine Hoffnung zerfiel sofort, als ich im nächsten Moment von einem Netz umgeben war. Die blanke Panik ergriff mich und ich fing hysterisch an zu kreischen. Der Schrei der aus meiner Kehle drang, wurde durch das Wasser gedämpft; keine andere Nixe konnte mich hören. Selbst wenn ich durch Gedanken geschrien hätte... sie waren schon viel zu weit weg.
Ich zerrte, riss und wand mich wie verrückt, doch dadurch verfing ich mich nur noch schlimmer im rauen Netz. Ich spürte wie die Fäden in meine Haut schnitten, als ich nach oben gezogen wurde.
„Hilfe! so helft mir doch!", flehte ich, doch ich wusste es war sinnlos zu rufen... dennoch, ich konnte nicht anders.
Ich spürte wie ich an die Oberfläche kam und das Wasser von meiner Flosse perlte und aus meinen Haaren tropfe. Ich wurde immer weiter hochgezogen, bis ich über der Oberfläche war und in den Wellen die Umrisse meines eigenen, angstverzerrten, Gesichts erkennen konnte. Still verabschiedete ich mich von meinem Leben, das war's, es ist vorbei.
Ich hörte Männer erschrocken aufschreien und aufkeuchen. Hart landete ich auf dem warmen Deck des Schiffes. Ich stemmte meinen Körper so schnell wie möglich auf die Unterarme und fauchte instinktiv, so dass meine scharfen Fangzähne zum Vorschein kamen. Die Männer gaben Warnrufe von sich und sprangen einen Schritt zurück. Gemurmel, schockiertes aufkeuchen und scharfes lufteinziehen, war zu hören. Dann kehrte kurz Ruhe ein und ich sah mich vorsichtig um. Das Schiff war groß, viele muskulöse, tätowierte Männer standen um mich herum. Einige trugen eine Augenklappe, oder ein Tuch vor einem Auge. Manchen fehlten diverse Gliedmaßen welche durch, nicht gerade fein gefertigte, Holzformen ersetzt worden waren. War das wirklich ein Fischerboot? -, dachte ich völlig verunsichert. Ein Mann mit langem, schwarzem Bart und einem merkwürdigen, pompösen Hut auf dem Kopf, stieß einen langen Pfiff aus und trat vor. „Bei allen Meeren! Ich glaubs ja nicht! Das ist eine verdammte Sirene!" die Männer wichen ein wenig zurück als glaubten sie, ich könnte sie vielleicht beißen.
„Reicht mir doch mal ein Messer", lallte der Seemann. Mehrere Messer wurden, mit dem Griff nach vorne, ihm entgegengestreckt. Ich atmete stoßweise. Was hat der Mensch vor? Will er mich sofort töten? Oder schlimmer, mich aufschlitzen und sezieren!? Tausende Ideen was er mir mit dem Messer antun könnte, gingen mir durch den Kopf. Doch nichts davon geschah. Er schnitt das Netz auf, so dass ich mich wieder bewegen konnte. „Kannst du sprechen Süße?". Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Wie von selbst bleckte ich die Zähne und gab einen zischenden laut von mir. Er wich nicht zurück. „Gut. Tötet sie und bringt sie in den Kühlraum.", befahl er mit einem gleichgültigen Schulterzucken. „Nein!", entfuhr es mir und ich presste erschrocken die Lippen auf einander. Es war uns verboten mit ihnen zu sprechen, doch vielleicht würden sie mich eher als menschlich betrachten, wenn sie wüssten, dass ich reden konnte. Also antwortete ich schlicht und einfach. „Ja" meine Stimme brach weg, doch man konnte mich verstehen. Ein tiefes raunen ging um. Ich sah in das Gesicht des Mannes mit dem schwarzen Bart. Irgendwas an ihm jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. „Interessant", sagte er leise und strich über seinen Bart. „Kannst du außerhalb von Wasser überleben?" ich ging nicht auf die Frage ein. Ich war nahe am Rand des Schiffes. Wenn ich schnell genug war, konnte ich mich vielleicht rüber hieven. Der Mann wandte sich an seine Männer. Das war meine Chance. Ich stieß mich feste mit der Flosse ab und hielt mich an dem Rand fest, so dass ich mich schnell rüberziehen konnte.
Doch bevor ich zurück ins Wasser gleiten konnte, durchfuhr mich ein fürchterlicher Schmerz im oberen Teil meiner Flosse. Ich hörte einen Schrei, die Schmerzen waren so schlimm, dass ich fast nicht realisiert hätte, dass, das mein Schrei war. Ich wurde wieder ins Schiff gezerrt, und sah, was den Schmerz verursacht hatte. Ein Dolch steckte in meiner Flosse. Jegliche Freundlichkeit war aus dem Gesicht des schwarzbärtigen Mannes gewichen.
„Nun, das Ganze hätte auch viel friedlicher ablaufen können. Sperrt sie in einen Käfig!"
Zwei Männer packten mich grob an den Armen. Der Fluchtinstinkt packte mich und ich fauchte, bleckte meine Zähne und kreischte ein ohrenbetäubendes, schrilles, Kreischen welches die Wellen erzittern ließ. Ich versuchte mich aus ihren Griffen zu winden, schlug um mich und versuchte ihnen meine Nägel ins Fleisch zu rammen. Die Matrosen hatten sich schnell von dem anfänglichen Schock erholt und lachten nun nur noch, über meine kläglichen Versuche los zu kommen.
Nur einer, an dem ich vorbei geschliffen wurde, lachte nicht. Er sah mich aus goldenen Sonnenaugen, mit einem Blick, der beinahe...mitfühlend wirkte, an. Doch sobald wir vorbei waren, war es, als hätte ich es mir nur eingebildet. Menschen hatten kein Mitleid, oder Mitgefühl. Menschen waren Ungeheuer!
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