ein neuer Anfang

Aaron

Das Zucken seines rechten Zeigefingers, der rhythmisch auf sein Knie tippte, war die einzige körperliche Reaktion, die er zu zeigen bereit war, als er im Wartezimmer von Jan Security-Service saß und auf die kleine digitale Uhr blickte, die regelmäßig auf der interaktiven Wand eingeblendet wurde. Neben Werbebannern oder Zeitungsartikeln, die die Großartigkeit dieser Firma hervorhoben. Aaron musste zugeben, dass er sich niemals hätte vorstellen können, dass ein Security-Service so erfolgreich sein könnte wie dieser hier.

Der allgemeine Wohlstand und die strenge Erziehung der Kinder unter anderem durch die Regierung führten dazu, dass die Kriminalität unfassbar gering war, und dennoch schien vielen der Schutz durch die öffentliche Polizei nicht auszureichen.

Er hatte davon gelesen, dass gerade reiche Familien ihren Töchtern gerne Bodyguards an die Seite stellten, um für ihre Unversehrtheit zu sorgen. Aaron verstand diesen Gedanken nicht nur, er hielt es sogar für absolut notwendig. Er hatte gesehen, was Männer tun konnten. Er hatte sie bekämpft und wusste aus erster Hand, dass jede Frau immer und überall zum Opfer werden konnte.

Die drakonischen Strafen und die schnelle Identifizierung der Verbrecher im Herzen der Gesellschaft würden nicht gegen irre Einzeltäter helfen, die sich spontan dazu entschieden, der Frau nachzustellen, die gerade an ihnen vorbeigelaufen war. Es würde einen Triebtäter nicht davon abhalten, sich mit Gewalt zu nehmen, was er wollte. Das war die Natur aller Menschen und die würde kein Gen-Reinigungsprogramm und keine Erziehung je auslöschen können.

Er hatte es erlebt. Frauen, die verschleppt wurden, um in einigen rebellischen Teilen dieser Welt nicht besser als Nutzvieh behandelt zu werden. Frauen, die nie etwas anderes von Männern erhalten hatten als Schmerzen und Erniedrigungen.

Er hatte gesehen, wie zerbrochen manche Frauen nach einem einzigen sexuellen Übergriff gewesen waren und wie wenig es ihnen gebracht hatte, zu wissen, dass ihr Peiniger einer an Unmenschlichkeit grenzenden Strafe entgegensehen würde. Unvorstellbar, wie viel Leid es verursachte, so etwas dauerhaft ausgesetzt gewesen zu sein. Es war passiert, der Schaden war angerichtet und Triebtäter würde es immer geben. Deswegen brauchten Frauen Schutz, und Aaron schwor sich, auch jetzt noch dagegen zu kämpfen, selbst wenn die Friedenstruppen der Weltregierung ihn für den Fronteinsatz nicht mehr haben wollten.

„Mister McKenndy? Bitte folgen Sie mir", sagte eine hübsche Blondine in einem maßgeschneiderten Hosenanzug und mit streng zurückgekämmten Haaren. Aaron erhob sich aus Gewohnheit viel zu schnell, als der Schmerz im Knie ihn fast dazu brachte, wieder in sich zusammenzusinken. Dieses verdammte Knie.

Ein Knie, das nie mehr richtig heilen würde und ihm nicht nur die militärische Karriere versaut hatte, sondern auch alle Chancen auf eine Partnerin.

Wer würde schon einen Invaliden nehmen, der nur mit einem Deal ehrenhaft aus der Armee entlassen worden war, weil er seine Vorgesetzte fast erwürgt hatte? Nicht, dass es dieses Miststück nicht verdient hätte.

Er wurde nur nicht angezeigt und vor ein Militärgericht gezerrt, weil er sonst vor den restlichen Militärs eine Geschichte erzählt hätte, die diesem Miststück ohne Zweifel ihren Posten gekostet hätte, denn sie hatte hilflose Kinder als Kanonenfutter benutzt und Aaron zu einem Verräter gemacht.

Sie hatte ihn hereingelegt. Sie hatte dafür gesorgt, dass Aaron seine Waffe gegen seinen besten Freund erhob, und sie hätte ihn in diesem Bunker sterben lassen. Doch er war zu stur gewesen, um da draufzugehen. Weder hatte ihn die Explosion umgebracht noch die erbarmungslose Hitze in der afrikanischen Savanne. Ihn nicht.

Die Kinder, die er glaubte, retten zu können, aber schon. Das letzte dieser Kinder war in seinen Armen verhungert, eine halbe Stunde, bevor er die Rettung gefunden hatte. Ein bitteres Schicksal, das ihn noch heute nachts dazu nötigte, eine höhere Macht anzuflehen, dieses Kind doch bitte wieder lebendig zu machen und stattdessen ihn zu nehmen. Ein Wunsch, der nie erhört worden war.

Nun war er hier und versuchte, sich ein neues Leben aufzubauen. Weit weg von Politik, von verräterischen Frauen in Machtpositionen und den Männern, die er verraten hatte. Normal sein und noch irgendetwas bewirken. Das war alles, was er noch wollte und konnte.

Aaron folgte der blonden Frau in ein kleines Büro und nahm auf dem Stuhl Platz, als die Dame vor ihm das mit einer Geste gestattete.

„Aaron McKenndy, zweiunddreißig Jahre alt, zwölf Jahre Militär, acht davon in einem der Krisengebiete dieser Welt, ungebunden und seit sechzehn Monaten erst wieder zurück in der Zivilisation", begann sie, ohne in ihre Akten zu schauen. Die Frau machte ihre Hausaufgaben.

„Ja, Ma'am", sagte er in der militärischen Tonlage, die er einfach nicht loswerden würde. Er war immer gerne Soldat gewesen, hatte sich gut damit gefühlt, auf diese Art und Weise nützlich sein zu können. Wenn er schon nicht als Kriegsheld zurückkommen konnte, um in das Optimierungssystem aufgenommen zu werden, wollte er wenigstens auf diese Art und Weise nützlich sein können.

Das eine hatte er sich versaut, weil er überlebte, das andere war während seiner Zeit in Afrika quasi gecancelt worden. Er hatte die Debatte, die Sin Nolan anstieß, nur am Rande verfolgt.

Als es im letzten Spätsommer im wahrsten Sinne des Wortes zwischen der Familie Nolan und der Familienbehörde geknallt hatte, waren ein Dutzend Doktoren damit beschäftigt gewesen, sein Bein zusammenzuflicken. Zwei Kugeln hatten ihm die Kniescheibe und seine Muskelstruktur fast unrettbar zerschmettert, wofür dieser Bastard Declan Dunn auch noch einen Orden erhalten hatte. Elender Wichser!

Während Aaron durch die Wüste gehumpelt war, hatte sich die Wunde dazu böse entzündet und einen Nervenschaden verursacht.

Dass er überhaupt hatte laufen können, war lediglich dem Zeug geschuldet, das jeder Soldat bei sich trug und ihn schmerzunempfindlich gemacht hatte. Zumindest für eine Weile. Während er ein Neugeborenes durch die Savanne trug, hatte ihn lediglich die Schwäche seines Beines aufgehalten und seine innerliche Verzweiflung angesichts von Declans Verrat. Ja, damals hatte er noch geglaubt, Declan sei der Verräter gewesen, sein Kamerad, sein Freund, sein beschissener Bruder!

Sie hatten in den Highlands zusammen gespielt, als Kinder von armen Farmern ohne nennenswerte Zukunft hatten sie Luftschlösser gebaut und ihren Geist mit Geschichten von Heldengestalten und Abenteuern gefüttert, die sie dazu veranlasst hatten, in die Armee zu gehen.

Auch das hatte dieses Miststück ihm genommen. Seinen besten Freund. Declan, mit dem ihn so viele glückliche Kindheitserinnerungen verbanden.

Das alles gab es nicht mehr. Weder die Freundschaft noch die glücklichen Erinnerungen, die heute nur noch schmerzten angesichts von Aarons eigener Dummheit, die in seiner Kehle brannte wie Säure.

Liebe machte blind, aber Aaron wäre lieber blind gewesen, als er erfuhr, dass sie ihn verarscht hatte.

„Sie sind mehr als qualifiziert für einen Job bei uns, allerdings weiß ich nicht, ob Sie damit zufrieden wären", sagte sie etwas wehmütig, und Aaron zog die Augenbrauen zusammen.

„Was meinen Sie damit?", fragte er, und die Frau räusperte sich kurz.

„Nun ja. Wir sind ein Sicherheitsunternehmen, aber wirklich viel zu sichern gibt es nicht. Wir besänftigen lediglich die Paranoia einiger Familien und beschützerischer Väter und Mütter, wenn Sie verstehen, was ich meine. In den acht Jahren, in denen ich diesen Dienst schon anbiete, musste noch keiner meiner Angestellten eine Waffe ziehen oder gar abdrücken. Das Spannendste, was ich Ihnen anbieten kann, ist ein Job, in dem Sie eine Schauspielerin vor ihren etwas zu enthusiastischen Fans schützen müssten", erklärte sie.

Aaron ersparte sich eine Predigt darüber, dass dennoch immer etwas passieren könnte und vielleicht nur nie etwas mit ihren Klienten passiert war, weil sie ja offensichtlich beschützt wurden.

„Wir setzen eher auf die Abschrecktaktik", fügte die Leiterin der Sicherheitsfirma noch schnell hinzu und Aaron wusste sofort, was sie damit sagen wollte. Sie holte sich lieber große, kräftige und böse dreinblickende Typen ins Boot, als tatsächlich gut trainierte, Kampf erfahrene Leute.

Sie wollte jemanden, der eher beeindruckte als beschützte, und Aaron musste nicht lange darüber nachdenken, ob ihm das gefiel oder nicht. Seine Austrittsprämie aus der Armee war für die zahlreichen Operationen draufgegangen, die mehr an seinem Bein in Ordnung brachten als nur die Funktionalität. Die Schmerztherapien und Rehasitzungen hatten ihn finanziell ausgelaugt und er hatte nichts und niemanden, der ihm half.

Er brauchte diesen Job.

„Ma'am, ich kann Ihnen versichern, dass ich die Nase voll davon habe, dass auf mich geschossen wird", sagte er lediglich, und die Frau lächelte, bevor sie ihm die Hand reichte.

„Dann, Mister McKenndy, willkommen im Team."

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Teil 2/5. 

Morgen gibt es nochmal 2 Kapitel. 

Für den Sostermontag^^

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