Aufgefallen
Kapitel 4
Declan
Während Declan durch den Flur schritt und die neugierigen Blicke auf sich spürte, hatte er gedacht, er würde nervös sein.
Jahrelang hatte er auf Schlachtfeldern gekämpft, gerettet und auch für seine Überzeugungen ohne zu zögern getötet, sodass er manchmal schon glaubte, die Welt bestünde nur aus dem Ekel und den Abscheulichkeiten, denen er acht Jahre lang hautnah ausgesetzt gewesen war.
Es war nur logisch, zu erwarten, auch das hier würde ein Kampf werden, aber so war es nicht. Er hatte der Weltregierung gedient und war nun zurück in einer Welt, die so friedlich war, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass es so wie hier auf über neunzig Prozent des Planeten aussah. Die jungen Menschen um ihn herum lachten, scherzten und musterten den brutal wirkenden Veteranen misstrauisch, als würde allein seine Anwesenheit ihre heile Welt beflecken.
Dass er hier war, war wichtig. Nicht nur für ihn, damit er sich wieder an die Zivilisation gewöhnte und sich bewusst machte, wofür er gekämpft hatte. Es war auch wichtig für die neunzig Prozent der Weltbevölkerung, die friedlich in den ruhigen Regionen lebten, zu sehen, dass immer noch zehn Prozent fehlten.
Zwar hatten sich in den vergangenen Dekaden Stück für Stück einhundert Prozent der Länder offiziell der Weltregierung angeschlossen und geschworen, ihre Landesgrenzen und Gebote zu schützen und ihre eigenen Interessen aufzugeben, aber es gab immer noch die Regionen auf der Erde, die das vermutlich nie ehrlich gemeint hatten.
Sie hatten es aus der Not heraus getan, als sie in Anarchie und Chaos untergegangen waren, während die westliche Welt Stabilität nach den chaotischen Jahren, die das Absacken der Frauenquote mit sich brachte, vermittelte.
Sie hatten mit beiden Händen die Hilfe angenommen, die diese neuartige Regierung anbot, um nicht weniger zu tun, als die Menschheit an sich zu retten. Die Weltregierung brachte ihnen Technik, Moral, Recht und Gesetz zurück. Allerdings dachten einige wenige, sie könnten nehmen, ohne sich an die Pflichten halten zu müssen.
Frauen regierten, Männer beschützten. Das war das oberste Gebot, was der Spezies Mensch zu einem ungeahnten Aufleuchten verhalf, obwohl ihr pures Überleben noch immer auf Messers Schneide stand.
In der Übergangsphase war das etwas, womit die Männer sich wirklich schwertaten. Männer, die es gewohnt waren, das Sagen zu haben, Macht zu haben und nun einsehen mussten, dass diese Weltregierung nicht nur von Recht und neuen Gesetzen redete, sondern diese auch durchsetzte und verteidigte.
Es war fast schon poetisch gewesen, wie sich nach Jahrtausenden der Unterdrückung, Versklavung und Erniedrigung die Frauen erhoben hatten, um allen anderen den Arsch zu retten. Doch es gab noch immer Regionen auf dieser Erde, die nichts von dieser Poesie wissen wollten. Sie schmückten ihre Ansichten mit Slogans wie „Der Drang nach Unabhängigkeit, Selbstverwaltung und Freiheit". Sie benutzten all diese schönen Worte, um ihre Rebellion zu rechtfertigen, und inszenierten ihren Kampf dafür, als wären sie der gute David, der gegen den bösen Goliath antrat.
Das rückte ihre Bestrebung ins rechte Licht und schaffte es sicherlich, die ein oder andere Stimme für sich zu gewinnen. Aber Declan hatte gesehen, was diese armen, geschlagenen und unterdrückten Individuen wirklich wollten. Macht. Sie wollten ihre Privilegien zurück, ihre Stellung, und fühlten sich bedroht von den Frauen. Das war die tatsächliche Urangst der Männer. Furcht davor, die Macht zu verlieren, die Kontrolle abzugeben und nichts mehr zu sagen zu haben. Viele Männer dachten an die glorreiche Zeit ihrer Herrschaft zurück und betrachteten es immer noch als naturgegeben, der Frau übergeordnet zu sein. Sie nahmen es als Rechtfertigung dafür, Frauen aus den friedlichen Grenzgebieten zu rauben, sich gegen die Regierung zu stellen und ihre unvorstellbaren Grausamkeiten gegenüber den Frauen offen auszuleben, die sie doch eigentlich beschützen sollten.
Genau an diesen Orten hatte Declan gekämpft, hatte Dutzende Frauen und Mädchen in die Regionen zurückgebracht, wo sie keine Opfer, sondern Herrscherinnen waren, und hatte die Männer für ihre widerlichen Aktionen bestraft.
Er hatte den Teufelskreis versucht zu durchbrechen, der verzweifelte Männer dazu brachte, Frauen mit Gewalt zu nehmen, weil genau diese Gewalt dazu führte, dass die Frauen ihnen den Rücken zukehrten. Nun war sein Kampf beendet. Andere würden weiterkämpfen. Er war fertig damit.
Declan war zurück, hatte überlebt und war bereit, sich endlich eine Frau zu suchen und eine Familie zu gründen. Aber der Lohn ließ auf sich warten. Während er im Herzen von Afrika gekämpft hatte, hatten die Frauen hier auf dem nordamerikanischen Kontinent eine weitere Fessel der Unterdrückung abgestreift. Die des Geldes.
Man hatte optimierte Matches, die dafür sorgen sollten, dass Frauen genau den Mann erhielten, den sie brauchten, an gut betuchte Männer verkauft. Umso vermögender und namhafter die Frau, umso teurer das Match. Damit hatte man dieses eigentlich sichere System, die Frauen in Partnerschaften unterzubringen, wo sie sicher waren, vollkommen untergraben.
Allein der Zugang zu diesem System war so teuer, dass man sich das Privileg, darin aufgenommen zu werden, verdienen musste, während die Frauen sich jederzeit optimieren lassen konnten. Sin Nolan aber hatte die Optimierung öffentlich angeprangert, und noch immer arbeitete man fieberhaft daran, das System dahinter zu zerstören.
Declan hatte sich nach acht Jahren Militärdienst das Recht verdient, optimiert zu werden, doch dieses System gab es nicht mehr. Es war eingestellt worden, und obwohl sich Declan irgendwie betrogen fühlte, musste er zugeben, dass es gut und richtig war.
Es blieb ihm nur, zu warten, bis das neue, durch eine künstliche Intelligenz gesteuerte Optimierungssystem endlich da war. Dieses sollte ohne menschliche Eingriffe klarkommen, sogar aktiv dagegen beschützt werden und damit so gut wie sicher gegen Missbräuche sein.
Doch das würde dauern.
Bis dahin konnte er vielleicht hoffen, eine Partnerin zu finden – auf die altmodische Tour, indem er um eine Frau warb. Allerdings war er eben nicht nur ein ehemaliger Soldat, sondern auch ein Mann, der über Jahre verroht war. Was wusste er schon davon, wie man sich einer Frau näherte? Er hatte nichts für süße Worte übrig, die eine selbstbewusste Frau für ihn erwärmen könnten.
Nein, er war realistisch, während er seinen Blick durch den Gang der Universität gleiten ließ. Keine der Frauen hier würde mehr in ihm sehen als einen grobschlächtigen Mann, dem man besser aus dem Weg ging. Mit seiner Statur, seinem grimmigen Gesichtsausdruck und seiner direkten Art war er nicht gerade ein Frauenmagnet.
Während die Frauen hier ausnahmslos clever, gut betucht und mit festen Ansichten ausgestattet waren. Keine von ihnen ahnte, wie sehr er jede einzelne von ihnen verehrte und mit welcher Beharrlichkeit er die Eine beschützen und jener jeden Wunsch erfüllen würde, die sich dazu entschloss, ihm zu gehören.
Allein dieser Besitzanspruch ließ bei den meisten Frauen die Alarmglocken aufschreien. Zu Recht.
Er war nicht wie die Männer hier, die nie etwas anderes erlebt hatten als diese wohlhabende Zivilisation um sich herum. Seine Vorlieben, gerade im Bett, waren alles andere als mit der aktuellen Gesellschaftsstruktur vereinbar. Er liebte es, zu unterwerfen, allerdings lediglich im Schlafzimmer und dort nur in den Grenzen, wie es für die Frauen angenehm war. Doch das war nicht mehr gesellschaftskonform.
Frauen wurden nicht dominiert, sie waren die Herrscherinnen dieser Welt. Alle, ausnahmslos, und die Männer hatten sich zurückzuhalten. Wie sollte er so eine Frau für sich finden?
Dennoch gab Declan nicht auf.
Er traf sich ständig mit Frauen und ließ auch jetzt den Blick schweifen. Kurz sah er ein bekanntes Gesicht. Saddest Lovwell. Ihre Cinderella-Story wurde aktuell in der Klatschpresse breitgetreten. Ihre beiden Partner leiteten eine Firma, die in ihren Laboren die Bestandteile der künstlichen Intelligenz zusammenbastelten, die das neue Optimierungssystem überwachen, beschützen und auswerten würde.
Sie war klein, niedlich mit ihren Grübchen und den bunten Haaren. Doch sie war es nicht, die seine Aufmerksamkeit fesselte, sondern die junge Frau neben ihr, und wie könnte sein Blick nicht an ihr hängen bleiben?
Declan bezweifelte, dass es auch nur ein Augenpaar geben konnte, das nicht zu lange auf ihr verweilte. Sie war ohne Zweifel das Schönste, was er je gesehen hatte. Ihre Gesichtszüge, ihre Figur, ihre Haare, ihre Haltung, all das war so gnadenlos perfekt, dass es einfach auffiel. Helle Haut, typisch für eine Rothaarige wie sie, allerdings ohne die berühmten Sprenkel auf der Nase.
Nein, ihre Haut war purer Alabaster, cremig weiß und perfekt wie auch der Rest an ihr. Ihre Augen leuchteten in einem überirdischen Grün, das zu intensiv war, um natürlich zu sein. Ihre Lippen, der Schwung ihrer Nase bis hin zu ihren langen Beinen, die zu ihrem Körper perfekt passende Oberweite. All das schien so ideal, als hätte man sie gemalt. Kurz fragte er sich sogar, ob sie tatsächlich lebte oder man eine Puppe dahingestellt hatte.
Niemand war so perfekt. Selbst nach so vielen Generationen genetischer Optimierung konnte niemand so aussehen, und Designerbabys waren streng verboten.
Die Regierung war sehr empfindlich, wenn es darum ging, wegen Äußerlichkeiten im menschlichen Erbgut herumzupfuschen. Schließlich hatte das höchstwahrscheinlich erst dazu geführt, dass Frauen so selten geworden waren. Auf eine Frau kamen drei bis fünf Männer je nach Region, und es wurde schlimmer.
Obwohl man mit vielen Maßnahmen dagegen arbeitete.
War sie ein illegal erzeugtes Kind? Sie musste eines sein, denn nein, er glaubte wirklich kurz, sie sei nicht echt. Bis sie seinen Blick erwiderte und ihm die pure Aggressivität entgegenschlug. Ein Feuer, das nicht zu ihrer makellosen Fassade passte, das lockte und dennoch keinen Hehl daraus machte, dass es jeden verbrennen würde, der sich ihr näherte.
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