Was mich Hollywood über die Liebe lehrte
Was mich Hollywood über die Liebe lehrte, ist im Grunde ganz einfach. Die Liebe, sie stört sich nicht an Konventionen. Sie macht sich geradezu lächerlich über sie. Sie kommt zumeist möglichst unpassend daher, schürt Konflikte und negative Emotionen. Sie fordert dazu auf Stellung zu beziehen – für oder gegen die Liebe. Für oder gegen althergebrachte Konventionen. Für oder gegen Autoritäten. Gesellschaftliches Schichtendenken. Tabus.
Das Genre der Filme spielt dabei tatsächlich so gar keine Rolle. Die Muster finden sich überall. Sei es in Highschool Filmen wie DUFF, in der sich die etwas pummelige ,,beste Freundin von" in ihren attraktiven, beliebten und sportlichen Nachbarn Wesley verliebt. Sei es in romantischen Komödien wie MILF, in der ein Trio von Frauen in den Vierzigern Gefallen an deutlich jüngeren Männern findet und gemeinsam mit ihnen den Sommer in Frankreich verbringt. Oder in der Mysteryserie Pretty Little Liars, in der einer von vielen Konflikten eine waschechte Lehrer-Schülerin-Romanze ist.
Auch Bella und Edward in Twilight haben mit Konflikten zu kämpfen – er ist ein Vampir und sie ein Mensch. Ebenso wie Emily und Sean im Tanzfilm Step Up – schließlich ist es Emilys Vater, der das Viertel, in dem Sean lebt, platt machen möchte.
Doch auch echte Klassiker der Filmgeschichte sind nicht davor gefeit. In Robin Hood etwa gibt Lady Marian ihre privilegierte Stellung auf, um bei ihrem Geliebten, dem geächteten Robin Hood, sein zu können. In Titanic verliebt sich Rose in den Künstler Jack, der es einem Pokerspiel zu verdanken hat, dass er überhaupt ein Ticket ergattern konnte. Rose dagegen hat ihr Zimmer nicht nur in der First Class, sondern ist sogar unglücklich verlobt. Ihre Mutter hat eine Ehe mit Cal arrangiert, von der ihre wirtschaftliche und soziale Stellung abhängt. Roses Vater hat den beiden Frauen nämlich nur Schulden hinterlassen.
Es ist Quatsch zu sagen, dass die Liebe alles überwindet. Sie kennt keine Grenzen, ja, das stimmt. Aber ob die Liebenden sie überwinden – ob sie mutig genug sind, alles füreinander zu geben – das ist die Sache der Liebenden, nicht der Liebe.
Die Liebe kann niemals erzwungen werden. Sie ist da, oder eben nicht. Kein Mensch kann frei über sie verfügen. Und dennoch hat jeder Mensch immer und überall die Wahl, dieser Liebe nachzugehen – oder eben nicht.
Dass Filme nicht immer unbedingt das beste Medium sind, um die Realität abzubilden, ist mir klar. Aber dass immer wieder auf der ganzen Welt tausende Menschen in die Kinos strömen, sich ein Netflix-Abo zulegen, nur um über die gleichen, altbekannten und heiß geliebten Klischees zu lachen, zu weinen, ist für mich ein klares Indiz dafür, dass sich unwahrscheinlich viele Menschen genau damit identifizieren können. Dass sie alle insgeheim davon träumen, dass auch ihnen eines Tages ihr persönlicher Prinz auf einem weißen Pferd begegnet. Dass sie ihr persönliches Dornröschen wachküssen. Ihrer wahren Liebe auf den ersten Blick begegnen.
Und daran ist doch nichts Falsches, oder?
Ein kleines Problem gibt es allerdings womöglich doch, wenn wir uns zu sehr an solchen Filmen orientieren. Wir mögen dadurch falsche, gefiltere Vorstellungen davon bekommen, wie wahre Liebe im wahren Leben aussieht. Ich meine damit nicht, dass es verkehrt ist, von der einen großen Liebe zu träumen. Dass wir unsere Ansprüche herunterschrauben sollten, weil es unwahrscheinlich ist, dass Liebe wirklich so groß und pur und echt sein kann wie in Filmen. Nein, das meine ich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich bin sogar der Meinung, dass die Vielfalt und Fülle all der Geschichten, die uns darin erzählt werden, ein unumstößlicher Beweis dafür sind, dass es stimmt. Dass es sie gibt. Diese eine große, aufregende Liebe.
Worauf ich hinauswollte ist viel eher, dass uns Filme ein falsches äußeres Bild dessen vermitteln, wie Liebe, Partnerschaft und Beziehung aussehen können. In Filmen werden Gesichter retuschiert. Werden Personen in Szene gesetzt. Werden Aufnahmen immer und immer wieder gemacht. So lange, bis der Regisseur damit zufrieden ist. Bis sie perfekt sind. Bis es keine Unregelmäßigkeiten mehr gibt. Bis der Wortlaut, der Tonfall, der Ausdruck sitzen. Die Filmmusik harmonisiert. Der Hintergrund passt.
Im wahren Leben hat man nicht die Möglichkeit ,,Cut!" zu rufen, wenn man sich in seinen eigenen Worten verheddert hat. Wenn man ungewollt rot geworden ist oder einfach nur sprachlos, weil die eigenen Gedanken so unwahrscheinlich chaotisch sind, die Gefühle zu intensiv, dass man ihnen unmöglich entfliehen kann. Im wahren Leben hat man nicht die Möglichkeit sich einen Filter über das Gesicht zu legen, einen Sonnenuntergang ins Bild zu schneiden oder auf Knopfdruck Grillen zirpen zu lassen für das ideale Romantik-Feeling. Im wahren Leben sind Jungs nicht alle Badboys auf Motorrädern oder formvollendete Gentlemen, die uns im Sportwagen zum Date abholen, mit perfekt zurückgegeltem Haar, während unsere Mütter hinter dem Vorhang nach draußen linsen, um einen ersten Blick auf ihn erhaschen zu können. Während unsere Väter nur mühsam die Kontrolle über sich behalten, weil ihr Mädchen das erste Mal ausgeht. Im wahren Leben findet ein erstes Date nicht zwingend in einem schicken Restaurant bei Kerzenschein statt, für das er am Ende die Rechnung begleicht. Auch das obligatorische Geknutsche im Kino oder Händchenhalten unter dem Sternenhimmel sind keine Punkte einer Liste, die pflichtmäßig abgehakt werden müssen, damit wir glücklich sein können. Damit wir wissen, dass es gut so ist. Dass es Liebe ist.
Liebe kommt durchaus auch ganz gut mit Unperfektheiten klar. Damit, dass sich zwei Menschen lieben, ohne dabei den Klischees zu entsprechen. Damit, dass das erste Aufeinandertreffen nicht gerade oscarverdächtig ist oder dass man bei seinem ersten Mal nicht zwingend einen Orgasmus hat – wahre Liebe hin oder her. Es gehört zum Leben dazu, dass man bei einem Spaziergang durchs hohe Gras eventuell nasse Füße bekommen kann. Dass man beim Küssen mit den Zähnen oder der Nase zusammenstoßen kann. Dass Lippen nicht immer samtig und weich sind. Dass wir uns manchmal in unseren Worten verheddern. Nicht wissen, was wir sagen sollen. Dass wir Fehler machen. Echt sind.
Und das ist okay. Mehr als das. Es ist genau richtig so, wie es ist. Die Liebe stört sich nicht daran. Also sollten wir es auch nicht.
Zwei Liebende haben es immer selbst in der Hand, ob sie ihren Gefühlen nachgehen möchten oder nicht. Ob sie um ihre Liebe kämpfen wollen. Also reden wir doch einfach mal miteinander. Erzählen wir uns doch, was wir wirklich denken. Wie wir uns fühlen. Und lachen wir darüber, wenn etwas nicht so ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Wie uns Hollywood Glauben gemacht hat, dass es sein würde.
Denn das ist wahre Liebe.
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