Prolog
,,Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler." (Johann Wolfgang von Goethe)
*
,,Leni?"
Die Angesprochene wandte sich suchend um.
,,Leni, hier sind wir!" Nele hüpfte mit erhobenen Armen auf der Stelle, um sich bemerkbar zu machen. Leni grinste. Nele war einfach zu süß.
Zügig lief Leni auf das Grüppchen zu und schloss ihre Freundin zur Begrüßung in die Arme. ,,Hey, Kleine", flüsterte sie. ,,Nochmal alles, alles Gute zum Geburtstag!"
,,Dankeschön." Neles Stimme klang ein wenig erstickt, so fest hatten sie einander umarmt. Leni lachte und löste sich vorsichtig von ihr. ,,Hier, das ist noch für dich."
,,Ohh, danke! Ist das...?"
,,Ja!" Leni grinste wieder. ,,Wie versprochen."
Nele strahlte freudig. Dann besann sie sich wieder auf ihre Rolle als Gastgeberin und machte Leni mit den anderen Dreien bekannt. Sara kannte sie sogar vom Sehen, sie hatten schon ein paar Mal die Mittagspause miteinander verbracht. Die beiden anderen kannte sie nicht; sie waren ihr aber dennoch auf Anhieb sympathisch.
Leni war sofort Feuer und Flamme gewesen, als Nele ihr erzählt hatte, dass sie an ihrem Zwanzigsten mit einer Handvoll Mädels einen kleinen Ausflug in die Berge plante. Sie liebte Ausflüge. Und wandern ging sie ohnehin viel zu selten.
Auf der Fahrt lernte sie Neles Freundinnen ein bisschen besser kennen. Und auch wenn Leni sonst nicht unbedingt der größte Fan von Smalltalk war, so genoss sie das Geplapper doch sehr. Bald schon schweiften ihre Themen etwas ab, lustige Anekdoten über das Geburtstagskind wurden ausgetauscht und die Stimmung war äußerst ausgelassen.
Wenn du mich fragst: ,,Wo geht es hin?
Wo liegt der Sinn und warum sind wir hier?"
,,Hey, das passt ja voll", freute sich Sara und drehte das Radio ein wenig lauter. Leni lächelte. Sarah Connor, wenn sie sich nicht irrte. Sara summte zuerst gefühlvoll mit und stieg dann mit klarer Stimme in den Text ein:
Ich wünsch' dir, dass du für was brennst und dich verrennst.
Und deine Stärken und Schwächen kennst.
Ich wünsch' dir, dass du dich verbrennst und dich bekennst
und Dinge beim Namen nennst.
Spätestens beim Refrain stimmten die beiden anderen Mädels ebenfalls mit ein:
Ich wünsch' dir all das Glück dieser Welt
und, dass sie sich für dich noch ganz lange dreht.
Ich wünsch' dir Mut und Vertrauen in dich selbst
und keine Angst, die falschen Fragen zu stellen.
Ich wünsch' dir keine Angst, 'n dickes Fell, und
'ne Liebe, die hält.
Nele strahlte über das ganze Gesicht und blinzelte hastig die aufsteigenden Tränen der Rührung fort, um den Verkehr nicht aus den Augen zu verlieren. Leni zückte ein Taschentuch aus ihrem Rucksack und hielt es ihr hin. ,,Danke", schniefte sie. ,,Für was hab ich mir eigentlich heute Morgen die Wimpern getuscht, wenn ich jetzt doch schon wieder fast wie ein Panda aussehe?"
Die Mädchen lachten.
Als sich der Refrain wiederholte, sang schließlich auch Leni leise mit. Sie konnte gar nicht anders. Sara hatte Recht, das Lied passte wirklich perfekt.
Und ich wünsch' dir, dass du nichts versäumst und nichts bereust
und dich immer auf Morgen freust, ich wünsch' dir
einen guten Freund, der, wenn's nicht läuft,
an deiner Seite bleibt.
Ich wünsch' dir all das Glück dieser Welt
und dass sie sich für dich noch ganz lange dreht.
Ich wünsch' dir Mut und Vertrauen in dich selbst
und keine Angst, die falschen Fragen zu stellen.
Ja, ich wünsch' dir keine Angst, 'n dickes Fell und
'ne Liebe, die hält.
*
Die Mädchen verbrachten einen wunderschönen Tag in den Bergen. Die Sonne schien strahlend am wolkenlosen, blauen Himmel. Auf den sattgrünen Wiesen grasten Kühe, deren Glocken ein beruhigendes Hintergrundgeräusch bildeten. Lachen lag in der Luft.
Am Spätnachmittag machten sie schließlich im Schatten eines kleinen Nadelwaldes Rast. Nele hatte ein Picknick geplant, für das jede von ihnen einen Teil mitgebracht hatte. Herrlich!
Und auf einmal kam Leni ein Gedanke. Sie konnte ihn nicht unausgesprochen lassen; sie meinte ansonsten platzen zu müssen. ,,Nela?". Leni richtete sich ein wenig auf, sodass sie auf einen Ellenbogen gestützt einen Blick auf ihre in der warmen Sommersonne dösende Freundin erhaschen konnte. Die brummte fragend. Zu mehr war sie nicht in der Lage; zu warm war das Wetter und zu zufrieden sie selbst. ,,Ich weiß jetzt, was ich im Sommer machen will." Leni ließ sich wieder zurück ins Gras sinken, blickte zum Himmel hoch und sprach ihn aus, ihren Gedanken: ,,Ich will ihn hier verbringen."
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