Kapitel 17
~Pov. Yoongi~
„Nein, nein, nein, so klingt das nicht gut. Nochmal.", sagte mir mein Kollege durch das Headset in die Tonkabine. „Okay, sorry ich versuche es nochmal.", meinte ich und rappte den Song noch einmal. Ich war verdammt müde, da ich fast die ganze Nacht wach war, weil ich nur am weinen war. Meine Augen fühlten sich dick an und brannten auch sehr, dennoch versuchte ich mich mit Arbeit abzulenken. Doch das funktionierte kaum und ich war auch ziemlich schlecht im Rappen und meine Stimme klang auch kratziger als sonst. „Okay nein. Komm mal raus.", unterbrach mich mein Kollege nun zum Vierten mal und seufzend verließ ich die Tonkabine. „Setz dich mal hin.", befahl er mir und zeigte auf einen Stuhl. Ich befolgte das natürlich. „Was ist denn los mit dir? Du siehst schrecklich aus, bist kaum ansprechbar und rappst schrecklich." Seufzend wischte ich mir durchs Gesicht. „Tut mir leid. Ich mach mal 'ne kurze Pause, dann bin ich besser, versprochen.", murmelte ich leise. „Nein, ich rede mal mit unserem Chef und frage, ob du 'ne Woche frei bekommst, okay? Ich merke doch, dass du eine Pause brauchst." Zögernd stimmte ich zu und schon verschwand er. Mich nervte es unglaublich, dass es mir wegen Hoseok so schlecht ging und ich ihn einfach nicht vergessen konnte. Davor hatte ich immer solche Angst gehabt. Jemanden zu verlieren, der mir wichtig war. Und nun war genau das passiert. Zwar war das schon vor einem Jahr so, doch da hatte ich gedacht, dass es für uns persönlich nicht vorbei war. Dass wir uns noch so lieben würden, uns so behandeln würden, wie wir es am Tag gemacht hatten, als wir uns das erste mal geküsst hatten. Doch da hatte ich mich wohl geirrt. Er hatte sich mir gegenüber so geändert, dass ich mich sogar fragte, ob es damals wirklich er war. Oder ob er mir vielleicht nicht nur etwas vorgespielt hatte. Ich wollte es nicht glauben, anders konnte ich mir sein Sinnes- und Verhaltenswandel aber nicht erklären. Außer, dass er mich vielleicht gar nicht mehr so liebte und nervig fand, oder so etwas.
Plötzlich kam mein Kollege herein und lächelte freundlich, was ich aber nicht erwiderte. „So, du kannst eine Woche frei haben. Ich hoffe, dass du danach wieder mehr Energie hast und fleißiger arbeiten kannst, ja? Du kannst auch jetzt schon gehen, wenn du willst.", meinte er. Ich bedankte mich und beschloss dann schon zu gehen. Ich verabschiedete mich von ihm und verließ das große Gebäude, um zu meinem Auto zu laufen. Als ich einstieg musste ich die Heizung erstmal aufdrehen, da es immer kälter wurde. Dann überlegte ich, was ich die Woche über machen sollte. Alleine Zuhause bleiben wollte ich nicht. Mir fiel nur Jack ein, weswegen ich ihn anrief. „Hey alte Socke, was gibt's?", fragte seine Stimme sofort, nachdem er abgehoben hatte. „Hey, ich wollte fragen, ob ich vielleicht eine Woche bei dir pennen könnte. Ich hab frei bekommen, weil ich mich kaum noch konzentrieren kann und so." „Äh klar, soll ich mir dann auch frei nehmen? Dann können wir was gemeinsam unternehmen. Und wieso bist du denn nicht mehr so konzentriert?", fragte er. „Wegen Hoseok. Lass uns aber lieber später drüber reden und ja, es wäre cool, wenn wir was gemeinsam machen könnten.", meinte ich. „Okay ich klär das dann. Du kannst auch schon heute kommen, wenn du willst." Damit einverstanden verabschiedeten wir uns und ich fuhr dann nach Hause, um meine Sachen zu packen.
Als das erledigt war brachte ich alles in mein Auto und fuhr dann los nach Daegu. Ich hoffte so sehr, dass ich mich in dieser Woche ganz viel ablenken könnte und nicht mehr so viel an Hoseok denken würde. Zwar bezweifelte ich das, doch man könnte es ja versuchen.
Als ich endlich ankam parkte ich vor dem Haus meines besten Freundes und nahm mir meinen Koffer. Dann lief ich die wenigen Treppen hoch zu seiner Tür und klingelte. Kurz danach öffnete sich schon die Tür und Jack sah mich grinsend an, ehe er mich in eine Umarmung zog. „Hey Yoongi. Komm rein." Er löste sich wieder von mir und ging einen Schritt zur Seite, damit ich ins Haus kam. Sein Haus war ziemlich modern eingerichtet und sah auch nicht sehr billig aus. Das lag daran, dass sein Vater eigentlich nicht nur Besitzer dieses Cafés war, sondern von vielen. Er hatte die Kette mit zwei Freunden gegründet und sie war ziemlich beliebt. Da verdiente man ziemlich viel Geld und so kam es, dass Jack so ein Haus hatte. „Ich habe das Gästezimmer schon bereit gemacht.", sagte Jack und ich zog mir meine Schuhe und Jacke aus. „Okay danke.", meinte ich und ging dann in das Gästezimmer. Es war bereits dunkel draußen und auch ziemlich spät.
Ich packte meine Sachen aus und lief dann wieder die Treppen hinunter. An den Geräuschen, die aus der Küche kamen, die mit dem Wohnzimmer verbunden war, war mir bewusst, dass Jack gerade kochte. Ich lief zu der Kücheninsel und lehnte mich dagegen. „Man, ich habe schon Hunger.", sagte ich und kurz danach knurrte mein Magen. Der Jüngere musste leicht lachen. „Komm mal her.", sagte er und drehte sich zu der Theke hinter ihm. Verwirrt lief ich um die Kücheninsel herum und stellte mich neben ihn. Auf der Arbeitsplatte standen viele Zutaten. Er nahm ein Holzbrett, ein Messer und legte sie vor mich. Dann griff er nach einer Zwiebel und legte sie auf das Holzbrett. „Schneide die mal bitte in Würfel." Sofort bildete sich ein Klos in meinem Hals und ich hatte das Gefühl, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Jack war schon etwas weg gegangen und war gerade dabei viele verschiedene Dinge in einen Topf zu gießen. Zögernd nahm ich das Messer in die Hand. Ich spürte, wie meine Hände anfingen zu zittern, doch ich versuchte es so gut es ging zu kontrollieren. Ich schnitt die Zwiebel in der Mitte durch und legte die eine Hälfte zur Seite. Die Andere legte ich so hin, dass sie nicht weg rollen konnte. Vorsichtig fing ich an sie in Scheiben zu schneiden, was gar nicht so einfach war, da das Messer in meiner Hand so sehr zitterte, dass die Scheiben mal dicker und mal dünner wurden. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie mein Vater mich immer angeschrien hatte, wenn das Essen mal versalzen war, oder ich sonst irgendetwas falsch gemacht hatte, was mit sechs Jahren ja normal war. Ich sah, wie er anfing auf mich einzuschlagen, wie ich versuchte weg zu rennen, aber er mich immer wieder zu sich zog und immer weiter auf mich einschlug. Ich hörte mich wieder schreien, ich spürte die Schläge wieder so, als würde ich sie jetzt bekommen, ich spürte die Schmerzen so, als würde ich sie jetzt haben.
Ich zuckte unglaublich heftig zusammen, als sich eine Hand auf meine legte, in der das Messer lag. Sofort waren die Erinnerungen weg, dafür herrschte in mir nur noch Angst und ich traute weder mich zu bewegen, noch zu atmen. Doch ich wurde weder angeschrien oder geschlagen, sondern sanft streichelte der Daumen seiner Hand meine Haut, was mich schwer schlucken ließ. Ich spürte, wie er sich hinter mich stellte und seine andere Hand legte sich ebenfalls auf meine andere Hand, welche die Zwiebel fest hielt. Sanft umgriff seine Hand meine mit dem Messer und führte dieses dann wieder zur Zwiebel, welche er dann mit mir anfing in gleich dicke Scheiben zu schneiden. Nach wenigen Sekunden legte er seinen Kopf auf meine Schulter, was mich etwas zusammen zucken ließ, doch ich traute mich nicht mich weiter zu bewegen. „Er ist nicht mehr so, wie du ihn kanntest. Er wird dir nie wieder etwas tun." Er drehte die Zwiebel und schnitt weiter Scheiben, wodurch kleine Würfel entstanden. „Niemand wird wieder so zu dir sein. Du brauchst keine Angst zu haben. Siehst du? Es passiert dir gerade nichts. Und es wird dir nie wieder so etwas passieren, dafür sorge ich, okay?" Unglaubliche Wärme und Geborgenheit durchströmte meinen Körper und ich spürte, wie ich mich langsam beruhigte, gleichzeitig aber auch in mich zusammen sackte. Jack merkte das und nahm mir das Messer aus der Hand, drehte mich sanft zu sich und umarmte mich, was ich zögernd erwiderte. Langsam drängte er mich rückwärts, bis ich die Kante eines Stuhles in meiner Kniekehle spürte und ich mich hinsetzte. Er löste sich von mir und ging in die Knie, damit ich ihn besser ansehen konnte. „Es ist alles gut, okay? Beruhige dich erstmal, ich koche solange weiter." Vorsichtig nickte ich und er strich mir noch einmal sanft durchs Haar, ehe er aufstand und wieder zur Küche lief und weiter kochte. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich wieder richtig zu fangen und wischte mir durchs Gesicht. Er hatte recht. Sowas würde mir nie wieder passieren. Vielleicht sollte ich doch versuchen meine Ängste zu überwinden. Doch das würde ich nicht alleine schaffen. Das war mir klar.
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