Rücksichtslos und ungefragt

Die Stille in den Wäldern vermochten schon seit meiner Kindheit, meinen Geist und meine Seele in den Zustand tiefster Entspannung zu versetzten. Ich genoss die einzigartige Abwechslung der Geräuschkulisse von dem verschneiten Wald, der mich umgab. Im ersten Moment könnte man meinen, dass der Schnee jegliche Geräusche verschluckte und die Umgebung in eine unheimliche und angsteinflößende Stille hüllte. Nach einiger Zeit stellte man jedoch fest, wie das Rascheln der Blätter, das durch den vorbeiziehenden Wind verursacht wurde, durch den leisen dumpfen Aufprall der Schneedecken, die sich langsam von den Baumkronen lösten, ersetzt wurde. Die Eiszapfen, die wie glänzende Speere bedrohlich von den Ästen hinunterhingen, tropften feige, bei dem Anblick der wärmenden Sonne, auf den verschneiten Boden und hinterließen ein rhythmisches Klopfen. Jeder einzelne, meiner sonst so leisen Schritte, verriet mich heimtückisch durch einen knirschenden Fußabdruck in dieser weißen Pracht. All diese außergewöhnlichen Tonfarben die der Wald von sich gab, vereinten sich zur einer einzigartigen Hymne der Natur, die meine Seele immer wieder aufs neue beflügelte.

Unbeständiger als die Natur, war nur noch mein schroffes Wesen.

Ich fror mir wortwörtlich den Arsch ab und konnte getrost auf das Lobeslied des Waldes hier verzichten. Zu allem Überfluss, setzte mir das Gewicht der halbtoten in meinen Armen doch mehr zu als am Anfang geplant und sie schien mittlerweile eine Tonne zu wiegen. Dies verdankte ich wahrscheinlich dem ungewohnten Umfeld, versuchte ich mein gekränktes Ego zu beruhigen.

Verstohlen sah ich auf das bewusstlose Bündel in meinen Armen. Da ich die Kleine schützend in meinen wärmenden Umhang gewickelt hatte, hatte ich mich selbst der Möglichkeit beraubt mich vor den gnadenlosen Windböen zu schützen und gestattete den eisigen Temperaturen sich erbarmungslos an meinem Körper zu vergehen. Immer schwieriger fiel es mir, mich auf meine tauben Hände zu konzentrieren. Mehrmals ertappte ich sie dabei, wie ihnen beinahe die Ware durch ihre gefühlstaube Oberfläche glitt.

Meine Gesichtsmaske schütze meine Atemwege größtenteils vor der trockenen, kalten Luft und doch spürte ich langsam wie die Kälte heimlich in mein Inneres kroch. Meine Atmung wurde flacher, sodass meine normalerweise perfekte körperliche Ausdauer sich schlagartig in eine veraltete Erinnerung zu wandeln schien. Ich schämte mich für meine Schwäche, sie machte mich angreifbar und verletzbar, wie ich es zuletzt als Kleinkind war. Mein schneller, antrainierter Lauf verwandelte sich immer mehr in das langsame Traben eines schnellen Spaziergangs.

Keuchend erlaubte ich mir eine kleine Atempause, da mein Puls umbarmherzig in meinen Gliedern pochte.

Ich lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf die Fremde in meinen Armen und gestattete mir einen neugierigen Blick unter meinen schützenden Umhang. Nur um zu überprüfen ob sie überhaupt noch atmete.

Mit schweren Herzen trennte ich meinen Blick von meinem Umhang, so war meine Trennung von dem wärmendem Fetzten erst der Grund meiner schlechten Verfassung. Ihr Zustand hatte sich nicht großartig geändert. Aber zumindest lebte sich noch, was ich an den kleinen weißen Wolken erkannte, die aus ihrem Mund, in unregelmäßigen Abständen entwichen. So würde es mir nur noch mehr den Tag vermiesen, wenn das Mädchen sich egoistischer Weise dazu entschieden hätte, ungefragt und frühzeitig von dieser Welt zu scheiden. Der Gedanke dass ich den Umweg und den zusätzlichen Ballast auf meiner Reise umsonst gemacht hätte, trug nicht gerade zur Erheiterung meiner ohnehin schon miesen Laune bei.

Um meinem negativen Gedankenfluss Einheit zu gebieten legte ich meinen Kopf in den Nacken, dem Himmel empor und wurde augenblicklich mit der knackendem Begrüßung meines steifen Nackens belohnt. Genervt schnalzte ich mit der Zunge und versuchte so gut es ging, meine Gefühlsregungen zu sammeln und somit zu eleminieren.
Den Ahnen sei dank, hatte ich vor wenigen Minuten einen Grenzstein passiert, der nicht nur die Bestätigung meiner ständigen, penetranten Gebete war, welche bescheidener Weise nur aus dem Verlassen dieser gottverdammten Eispiste bestanden.
Nein.
Die verwitterten alten Steine teilten mir auch mit dass ich mich in der Nähe einer Auffangstation befand in der ich übernachten konnte und, wenn auch zweitrangig in dem Moment, sich ein Heiler befand der sich um das nackte Mädchen kümmern konnte.
Schlussendlich, war es ebenfalls ein fairer Deal.
Denn dafür dass meine Gebete erhört wurden, würde ich im Gegenzug darauf verzichteten das Gebiet auf ewig von der Landkarte verschwinden zu lassen.

Denn in meinem genervten Gemütszustand hätte ich für nicht mehr garantieren können.

Als wollten die Götter noch einen drauf legen, so konnte ich außerhalb des Wanderpfades, zwischen den Bäumen, die verführerische Rauchwolken eines Kamins erhaschen.

Zum ersten mal in dieser Woche schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

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