Mantra

Wie ein Mantra tauschten sich das rascheln von Blätter, das knacksen dürrer Zweige, der zischende Wind und gelegentlich der krächztende Ruf einer verirrten Eule sich ab.

Langsam schien ich zu erwachen, jedoch reichte mein Wille allein nicht aus um mein Bewusstsein gänzlich an die Oberfläche zu zwingen. Als würde eine unsichtbare Kraft mich drängen wieder zurück in die unendlichen Weiten der Bewusstlosigkeit zu fallen.

Ein tiefe Schwärze benebelte meine Sinne. Doch machte die Dunkelheit mir keine Angst.
Nein.
Sachte flüsterte sie mir wohlwollende Versprechungen ins Ohr und verleitete mich dazu mich ihr mit all meinem Sein zu unterwerfen.

Mühsam schaffte ich es meinen Augenliedern den Befehl zu erteilen sich zu öffnen und konnte für einen flüchtigen Augenblick den Kampf gegen mein Bewusstsein aufnehmen. Ein fast beruhigendes und regelmäßiges pochen drang am mein Ohr und flüsterte mir sachte zu mich einfach wieder der Traumwelt hinzugeben.

Schemenhaft, konnte ich eine Gestalt neben mir ausmachen, die mich fest in seinem Armen zu halten schien. Jedoch vermochte mein Gehirn die daraus resultierenden Konsequenzen nicht zu begreifen.

Wie ein dichter Nebel breitet sich das rhythmische pochen seines Herzen in meinem Kopf aus und wiegte mich verführerisch in den Schlaf.

Und dann verlor ich meine hoffnungslose Schlacht...mir fielen die Augen wieder zu.

______

Ein ziehender Schmerz in meinem Nacken zog mich gewalttätig aus der Dunkelheit des Schlafes. Langsam versuchte ich mich aufzusetzen und mich nicht von den Schmerzenswellen überrollen zu lassen, die mich in erwartenden Schüben, bei jeder kleine Bewegung, wie Blitze durch meinen Glieder schossen.
Ohne Erfolg.
Wie auf Knopfdruck, schienen mein gesamter Körper in lodernden Flamme zu stehen.
Ich zog scharf den Atem ein und verzog mein Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse.

Was zum Teufel...

Die Kälte schlich sich hinterlistig durch meine Kleidung, ich fröstelte und rieb mir verwirrt die Arme um mich zu wärmen.
Ich öffnete meine Lieder und erkannte durch den erzwungenen Spalt nur beißendes Licht, das sich gewalttätig Zugang verschaffen wollte. Nach schier endlos wirkenden Sekunden vermochten meine Augen sich gänzlich der Wahrheit zu stellen, da mein Verstand sich offensichtlich noch nicht dazu in der Lage erklärte sich zu der Enthüllung dazu zu gesellen.

Ein Wald?

W-o bin ich?

Wir ein unbarmherziger Messerstich überrollten die Erinnerungen mich und ich versuchte meine immer grösser werdende Panik zu unterdrücken.
Reflexartig vergruben sich meine Finger in den weichen und feuchten Untergrund des Waldes und ich zog nervös die Luft ein als ich langsam mein Gesicht zur Seite drehte, in der Hoffnung nicht das vorzufinden wovor ich mich so sehr fürchtet.

Doch meine Gebete wurden nicht erhört.

Da lag er, friedlich schlafend.

Wie in Unschuld gebadet, hob und senkte sein Brustkorb sich bei jedem Atmengzug. Mein Puls schellte in die Höhe und ich musste alle meine verbliebene Vernunft zusammen raufen um nicht schreiend und hysterisch davon zulaufen.

Ich konnte mein Blick nicht von seinem teil entstelltem Gesicht wenden, ein Instinkt in mir sagte mir er sei die Gefahr und ihn aus den Augen lassen, würde meinen Tot bedeuten.
Seine Haare waren von einem dunklem Ton, fast schwarz und fielen ihm strähnen weise über die Stirn
Sein Gesicht oder den Teil den man überhaupt sehen konnte, war von ungewohnter Härte. Die eng anliegende Maske verstärkte den Schatten seiner Konturen und verliehen ihm etwas kriegerisches. Der freigelegte Teil vom Gesicht war mit Schmutz bedeckt, doch konnte man die darunter liegende, zähe Haut erkennen die fast schon einen verwitterten Eindruck machte.
Sein rechtes Auge zierte ein tiefe Narbe, die quer über sein Lied verlief um dann unter der Maske zu verschwinden. Das dunkele Stück Stoff war tief über seinen Nasenrücken gezogen und verdeckte so den grössenteils seines Gesichtes. Es verstärkte sein kriegerischen Ausdruck nur noch mehr und ließ der Fantasie viel Freiraum zur Spekulation hinsichtlich des Verstümmelungsgrades der bedeckten Haut.
Ein kalter Schweißausbruch übermannte meinen Körper bei dem furchteinflößenden Anblick des maskiertem Soldaten.

Beruhige dich Erika!

Herzrasen, steigender Blutdruck, erweiterte Bronchien

Wie ein stummes Gebet wiederholte ich diesen Mantra.
Denn all dies waren Symptome dafür, dass nicht nur unser Bewusstsein eine Situation als gefährlich ansah, sondern auch unser Körper. Den so bereitet er sich darauf vor, bei akuter Gefahr unbewusst und blitzschnell reagieren zu können.
Die semi-professionelle Auswerten der biochemischen Reaktion meines Körpers, beruhigte mich.
Die Tatsache das die Gefühlsregungen eines jeden Menschen, allesamt mit den dazu passenden Reaktionen des Gehirn in Verbindung gebracht werden konnte, wirkte oftmals unpoetisch und gefühllos und doch half sie mir diese ungewöhnliche und gefährliche Situation besser zu bewältigen.

Zu wissen wie dein Körper und dein Bewusstsein funktioniert, verleiht dir Kontrolle.
Kontrolle ist Macht!

Immer und immer wieder wiederholte ich die Predigt meines Professors aus der Universität. Versuchte sie zu verinnerlichen und so den menschlichen Instinkt zu unterdrücken.

Und dieser bestand hauptsächlich daraus, hysterisch schreiend und mit tränenverschmiertem Gesicht planlos weg zu laufen.

Ich musste einen kühlen Kopf bewahren wenn ich aus dieser Situation flüchten wollte und das versuchte ich, indem ich mir mein Studium als Biochemikerin zu nutze machte.
Nervös durchforsteten meine Augen die Gegend ab. Ich befand mich in einem Wald. Dies war sicherlich eine gute Möglichkeit weg zu laufen und sich hinter den Bäumen zu verstecken. Um dann im Anschluss, wenn ich mich weit genug von dem Soldaten entfernt hatte, nach einer Straße zu suchen und mich vor das erstbeste Fahrzeug zu schmeißen das mir begegnet.

Mit einem verstohlenem Blick schaute ich noch mal zu dem maskiertem Soldaten.

Jetzt oder nie.

Fast schon quälend langsam entledigte ich mich der Decke die meine Beine bedeckten und konnte trotz alle meiner Mühe das zittern meiner Händen nicht unterdrücken.
Ich versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass ich gänzlich fremde Kleider trug und zog langsam an dem langem Rock um meine Füsse zu befreien.

Auf drei...

Ich sammelte all meinen Mut zusammen und stellte mich auf die bevorstehenden Schmerzen ein.

LAUF!

Von meiner Angst beflügelt, lief ich so schnell mich meine schwachen Beine tragen konnten und musste dabei tatsächlich den lächerlichen Drang unterdrücken zu schreien. Genauso  gut hätte ich ihm ja dann eine Krümmelspur im Wald verstreuen können. Die ihn ohne weiteres zu mir locken würde.
Ich spürte wie ich bei jedem Schritt tief in den weichen Untergrund des Waldes versank.

Nur noch ein paar Meter und ich würde in den Fängen des Waldes untertauchen können.
Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich sah die Welt wie durch eine Tunnel der mich geradewegs nach Hause führen würde.

Drei..
Zwei..

Doch so weit kam ich nicht mehr, nach ein paar Meter wurde mein kläglicher Fluchtversuch gestoppt. Ungebremst rannte ich in eine unnachgiebige Mauer und prallte rückwärts auf den Boden.
Der Schock saß tiefer als die Schmerzen.
Erschreckt tätschelte ich mein schmerzendes Hinterteil und befreite mein Gesicht von meiner wirren blonden Mähne. Verwirrt schaute ich dem Objekt entgegen das mich so unliebsam gestoppt hatte.

' A-aber w-wie k-konntest... D-du lagst d-doch gerade...' stotterte ich einfältig und konnte meinen Blick nicht von der maskierten Kreatur nehmen.
Ich spürte wie glühend heiße Flüssigkeiten in meinen Augenwinkel brannte. Ich versuchte die fast schon schmerzhaften Tränen zu unterdrücken.

Herzrasen, steigender Blutdruck, erweiterte Bronchien.

Kontrolle ist Macht.

Ich durfte jetzt auf gar keinen Fall die Kontrolle über meinen Körper verlieren. Mit einem tiefen Atemzug versuchte ich mich wieder zu erden. Mit minderem Erfolg.

' Was willst du von mir?' schrie ich den Mann fast schon hysterisch an. Ich vermochte weder das zittern in meiner Stimme zu unterdrücken, noch schaffte ich es die Säure in meinen Augen länger zu ignorieren.

Mit tränen verschwommenen Blick sah ich dem Mann in die Augen. Er hatte sich keinen Millimeter bewegt und sah mich mit ausdruckslosem Blick an.
Ganz offensichtlich ließ ihn mein vor Angst zitternder Körper kalt.

'Sagen sie etwas! ' ich spürte wie sich ein winzig kleiner Funken Wut in meinem Inneren entflammte. Ganz offensichtlich war dieser Psychopath daraus auf mich zu demütigen. Er wollte mein stolzes Wesen brechen um sich dann an meinen zertrümmerten Überresten zu ergötzen.
Und dies würde ich nicht zulassen.

Nein.

Ich hatte nicht mein Leben lang dafür gekämpft selbständig und frei zu sein, damit der erstbeste Geisteskranke dies zu Nichte machen konnte.
Der kleine Funke Wut in meinem Inneren entflammte ein Feuer in mir und ich beschloss in diesem Moment dass wenn ich diese Erde schon verlassen müsste, dann wenigsten mit erhobenem Hauptes und ein paar Kratzangriffen die es in sich haben werden.
Entschlossen wischte ich mir mit meinem schmutzigem Ärmel die Tränen vom Gesicht und spürte wie ich durch diese Geste eine Spur feuchte Erde auf meiner Wange verteilte.
Schwerfällig versuchte ich meinen geschundenen Körper in die Höhe zu hieven und bemerkte in den Augenwinkeln eine Bewegung bei dem Soldaten. Sein Körper schien sich leicht anzuspannen und durch die hochgezogenen Ärmel konnte ich sein Muskelspiel an den Armen bewundern. Unsicher schluckte ich den immer noch vorhanden Angstklumpen herunter der sich in meiner Kehle eingenistet hatte und spürte wir er dumpf in meinem Magen aufschlug. Mein Inneres schien nicht mit meinem Entschluss einverstanden zu sein und rebellierte mit krampfartigen Muskelzuckungen.
Ich spürte wie mir schlecht wurde.

Bleib stark Erika!

Der Mann, der sich immer noch gute vier Meter von mir weg befand, schien sich langsam in Bewegung zusetzten und wieder einmal musste ich feststellen das er, obwohl seiner breiten Statur und beachtlichen Größe, er sich fast schon grazil bewegte. Wie ein Raubtier bewegte er sich langsamen Schrittes auf mich zu und hypnotisierte mich mit seinem Blick.

Denke nach, denke nach!

Mein Überlebenswille hatte mich nicht verlassen, jedoch schien mein Hirn vor lauter Schockstarre es nicht zu meistern meinem Körper die richtigen Befehle zu erteilen.
Fast war der Soldat bei mir angekommen als ich mich endlich aus meiner Paralyse befreien konnte und gerade dazu ansetzten wollte wegzulaufen.
Doch ein schmerzhafter Griff an meinem Schulterbein machte wieder einen Strich durch meine Rechnung. Augenblicklich gesellte sich, ein mir bis jetzt fremder und überwältigender Schmerz ein.

Wie durch Magie wurde mein Körper nach hinten geschleudert und schlug rücklings mit dem Kopf auf den Boden auf. Die Welt um mich drehte sich und ich schnappte gierig nach Luft. Durch den heftigen Schlag in den Magen wurde mir schwindelig und übel, ohne Vorwarnung erteilte mein Gehirn den Befehl sich seines Mageninhaltes zu entleeren. Reflexartig beugte ich mich noch vorn in das noch feuchte Laub und würgte, doch außer Magensäure konnte mein Körper nichts entbehren. Ich würgte mehrmals hinter einander bis nichts mehr als ein schmerzhaftes Krächzten meinen Hals verließ. Mit meinem Handrücken wischte ich mir über den Mund und schaute dem Maskierten hasserfüllt in die Augen.
Doch seine Augen strahlen nichts als Leere aus.
Der Mann der vor mir stand hatte offenbar keine Skrupel.

Ich beobachtete, wie er sich ein paar Schritte von mir entfernte und mich nachdenklich musterte. Dies war die erste Gefühlsregung die ich seit unsere Begegnung bei ihm feststellen konnte. Ich massierte indessen immer noch meine schmerzende Magengegend und zwang diese zur Beruhigung ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Der maskierte Soldat fing an in seiner kleinen Tasche zu wühlen die er am linken Bein befestigt hatte und hielt kurz danach eine kleine verzierte Blech Schatulle in der Hand. Argwöhnisch betrachte ich das ganze. Wollte er mir nun die Zurücklassenschaften seiner verstorbenen Oma in der Kiste zeigen?
Wie mein Humor es in dem Moment, trotz der vorhandenen Misere, es schaffte sich heraus zu kristallisieren, führte ich darauf zurück dass mein Unterbewusstsein versuchte die Angst zu kompensieren.

Er öffnete die Blech Kiste und entnahm ihr eine Pillenartige Kapsel. Fordernd hielt er sie mir entgegen.


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