62. Schlaf gut

Ich stand fassungslos an der Theke und hielt Mandy um ihre Hüften fest, die vor mir auf dem Hocker saß und ihren Kopf an meiner Schulter abgelegt hatte.

Ich hatte keine Ahnung, ob sie schlief oder einfach nur erschöpft war, doch ich konnte sie sowieso nicht darauf ansprechen. Viel zu gefesselt war ich von dem Bild, dass Jake mit einer Gitarre auf dem Podest saß und ruhige, rhytmische Musik spielte, während die anderen sich alle langsam wieder von seinen sanften Tönen zu beruhigen schienen.

Einige hatten sich schon Taxis gerufen. Andere schliefen auf den Stühlen an den Seiten und dann waren da noch Jule, Chiara und Odran, die mitten im Raum standen und Feuerzeuge hochhielten, um ihre Hände sanft von links nach rechts zu schwenken. Ein wirklich fesselndes Bild ...

"Was ist denn-"

"Pssst", unterbrach ich Keeva, die gerade mit einem schwarzen Kleid und Esme auf dem Arm die Tür hereinkam und sich mit einem verwirrten Blick hier drinnen umsah. Ich wollte auf keinen Fall, dass Mandy wach werden würde. Noch einmal würde ich sie sicher nicht von der Theke herunterbekommen.

"Ihr habt die Muffins also gefunden, wie ich sehe", flüsterte Keeva nur mit hochgezogener Augenbraue und sah mich flüchtig an, um anschließend mit Esme gemeinsam zu dem Bild von Cathan zu laufen.

Die anderen beachteten sie nicht weiter, nur ich beobachtete sie, wie sie einige Zeit vor dem Bild stehenblieb und sich anschließend eins von den Schnapsgläsern nahm. Sie hielt es kurz in Richtung des Portraits und trank es in einem Zug aus, um ihm ihre letzte Ehre zu erweisen.

Dann kam sie mit langsamen Schritten wieder zu mir nach hinten an die Bar.

"Deswegen verbrennen wir die Toten. Das hier ist ja der reinste Affenzirkus", erklärte sie leise und schaute dann nachdenklich zu Mandy herunter, die halb sabbernd vor sich hinschnarchte. "Die vertragen ja alle rein gar nichts."

Sie grinste dämlich und sah genau wie ich nun wieder zu den anderen.

"Du solltest Odran eine Käseplatte zum Abendessen machen", lächelte ich und bemerkte dabei, wie sie mich von der Seite zu mustern schien.

"Die werden zu Hause bis morgen durchschlafen. Das Abendessen kann ich mir sparen. Wenigstens etwas Gutes an diesem schwarzen Tag", meinte sie nur trocken und nickte dann zu Mandy herunter. "Bring sie in dein Auto und fahrt nach Hause. Ich kümmere mich um Odran und Chiara."

"Alles klar, Chef", gab ich ihr zurück und hob Mandy auf meine Arme, um mit ihr gemeinsam den Ort des Absturzes zu verlassen.

Immer wieder nuschelte sie irgendetwas unverständliches vor sich hin, doch ich konzentrierte mich darauf, heil über die wenig befahrene Straße zu kommen, um am Auto angekommen, sie vorsichtig auf die Rückbank zu befördern.

"Ab nach Hause", murmelte ich ihr zu und strich ihr einmal sanft über ihr süßes Gesicht, ehe ich die Tür schloss und nochmals zur Kneipe schaute.

Gerade kamen die anderen auch heraus und ich schüttelte nur lachend den Kopf, als ich dabei zusah, wie Odran sich an der kleinen Keeva abzustützen schien. Das die ihm stand hielt, zeigte mir Mal wieder, was für eine Stärke in dieser Frau steckte.

Auch sie kamen heile am Auto an und stiegen ein, während nun Jake und Jule händchenhaltend zu mir herüber gelaufen kamen.

"Das mit dem Feiern heute Abend fällt wohl aus", lachte Jake und warf einen Blick durch  das Fenster auf die Rückbank.

"Ja, das wird wohl ausfallen", schmunzelte ich und fasste ihm kurz darauf an die Schulter, um seine gesamte Aufmerksamkeit zu fordern. "Erstmal einen riesen Dank, dass ihr mir geholfen habt", gab ich von mir und nachdem beide lächelnd nickten, erwiderte ich noch Mal Jakes Blick. "Bitte bring den Porsche spätestens morgen Abend zu uns. Wir können ja an den Strand bei uns oder so. Wenn Odran das Teil nämlich nicht bald zurückbekommt, helfen auch keine Hanfmuffins mehr."

"Mach ich. Verlass dich drauf", meinte Jake und ja, egal wie scheiße er oft gegenüber Frauen drauf war, auf ihn war wirklich immer Verlass. Deswegen umarmte ich ihn und anschließend auch Jule, um mich gemeinsam mit meiner Schnarchnase auf den Weg nach Hause zu machen.

Während der Fahrt spielte leise Musik aus dem Radio. Das Leder war erwärmt, genau wie der Rest des Autos und es sah wunderschön aus, der Sonne so langsam beim Untergehen zuzusehen, was mir die Hoffnung gab, dass dieser Tag irgendwie doch noch schön zu enden schien.

Die Häuser zogen an mir vorbei und umso lauter Mandy schnarchte, umso lauter machte ich das Radio. Zwar störte es mich nicht, aber ich war selbst so erschöpft, dass ich Angst hatte, mir würden die Augen jeden Moment einfach zufallen.

Zuhause angekommen sah ich schon Keevas Auto und parkte direkt daneben, wo mir sofort auffiel, dass Odran und Chiara Schulter an Schulter auf der Rückbank zu schlafen schienen.

"Sie hat sie echt im Auto gelassen", grinste ich dämlich und schnallte mich dabei ab, um schnell auszusteigen und die hintere Tür zu öffnen. "So Schlafmütze. Ab ins Bett."

Ich schnappte Mandy an ihren Füßen und zog sie langsam Stück für Stück zu mir, um sie dann vorsichtig auf meine Arme zu heben, was einfacher gesagt, als getan war.

Leider achtete ich nicht auf die Seite und Mandy knallte mit dem Kopf direkt an das harte Metall, was mich erschrocken die Augen aufreißen ließ.

"Scheiße! Sorry!", entschuldigte ich mich bei ihr, im Wissen, sie bekam eh nichts mit.

Erst Recht nicht nach diesem Aufprall.

"Hast du vor sie umzubringen?!"

Ich drehte mich mit Mandy im Arm zu Keeva, die kopfschüttelnd in der Haustür stand, eine Banane aß und mich neugierig beobachtete.

"Nein! Und du? Willst du nur dumm zuschauen oder kannst du auch helfen?"

"Ich hab genug geholfen", grinste sie dämlich und kam dann aber doch zu mir herüber, um die Tür des Wagens zu schließen. "Wirst du ihr erzählen, dass du ihr fast den Kopf zertrümmert hast?"

"Nein, und du auch nicht", gab ich Keeva zurück und starrte sie dabei so ernst es mir möglich war an, doch als sie triumphierend mit ihren Augenbrauen wackelte und dabei noch in die Banane biss, musste ich einfach lachend das Weite suchen.

Sie provozierte mich wieder und ja, es tat gut, denn in der Zeit, wo Rian schlief, war Keeva wie ein Geist. Jetzt herrschte wieder leben in dieser Naturgewalt und ich war mehr als nur dankbar dafür. Immerhin war sie wie eine Schwester geworden und trug das Kind meines Bruders in sich.

Sie waren eben vom Glück gesegnet. Wer hätte das schon gedacht, als sie damals in der gemieteten Villa vor den Traualtar tapste. Da war ich mir noch sicher, Rian würde dieses arme Wesen zerstören. Mittlerweile hatte sie das sagen und das war auch gut so.

Im Haus angekommen nahm ich dann sofort die Treppen nach oben, öffnete mit meinem Ellbogen die Tür zu meinem Zimmer und ließ Mandy vorsichtig ins Bett gleiten.

Natürlich zog ich ihr noch ihre hohen Schuhe aus und versuchte sie irgendwie aus dem engen Kleid zu kriegen, doch der Reißverschluss war auf ihrem Rücken und ich wollte sie wirklich nicht wecken, also deckte ich sie lächelnd zu, gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und machte mich wieder auf den Weg nach unten.

Ich konnte ja wenigstens versuchen Odran aus dem Auto zu bekommen, denn ich wollte seine Laune nicht erleben, wenn er mit Nacken und Rückenschmerzen aufwachen würde.

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Heute bin ich fleißig ❤️

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