51. Beerdigung

1 Woche später ..

Wir alle wussten, dass es nur Gott allein zu verdanken war, dass wir lebend aus dieser Hölle entkommen sind.

Ich saß gerade in unserer Vila am Esstisch, beobachtete Chiara und Mandy dabei, wie sie für uns das Frühstück vorbereiteten, während Odran mit Nero auf der Couch saß und seinen verbundenen Fuß auf dem Tisch vor sich abgelegt hatte. Er hatte zum Glück nichts ernstes und alles würde gut werden.

Mir selbst ging es auch relativ gut, obwohl ich mich vor einer Woche noch gefühlt hatte wie ein Schweizer Käse.

Durchlöchert.... Doch zu meinem Glück wurden keine Organe getroffen. Die vielen Kugeln verfehlten Lunge und Herz und ich hatte anscheinend einen Schutzengel an meiner Seite, sodass ich nur einen Verband um die Schulter bekam und mich eine Weile schonen sollte.

Mein nachdenklicher Blick schweifte von Odran wieder zu Mandy zurück, die mir in diesem Moment ein verzweifeltes Lächeln entgegenwarf.

Ihr ging es überhaupt nicht gut, dass bekam ich jede Nacht deutlich zu spüren, wenn sie schweißgebadet aus dem Schlaf hochschreckte oder immer wieder bei den kleinsten Berührungen meinerseits zusammenzuckte...

Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich ihr helfen konnte und leidete täglich mit ihr, doch sie war der festen Überzeugung, dass sie einfach nur etwas Ruhe und Zeit brauchte...

Vielleicht auch einen Abschluss von dem Ganzen....

Da morgen Cathans Beerdigung stattfinden sollte, wäre das Ereignis vielleicht etwas, dass sie wenigstens zum Teil damit abschließen lassen würde, doch dann gab es auch noch Rian...

Genau in dem Moment, wo meine Gedanken zu meinem Bruder schweifen wollten, kam Keeva mit Esme auf dem Arm die Treppen herunter und sah dabei einfach nur verzweifelt zum Boden herunter.

"Kannst du sie bitte nehmen?", wandte sie sich mit ihrer gebrochenen Stimme an Odran, der Esme nur zu gerne mit einem dicken Grinsen auf den Lippen an sich nahm, während Keeva aussah, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen...

Nicht nur, dass der Arzt, der uns nach den tragischen Ereignissen untersucht hatte, herausgefunden hat, dass die schwanger war. Dazu lag Rian seit jenem Tag im Koma ...

Sein Zustand... Kritisch... Unverändert...

Mehr sagten uns die Ärzte nicht und Keeva, sie ließ niemanden mehr an sich ran. Ein Schatten ihrer selbst. Da war nichts mehr übrig von ihrer sonst so frechen, lebensfrohen Art. Rian hatte das alles mit sich genommen und ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass er einfach nur wieder aufwachen würde.

Ich glaubte, dass sie sich ohne Esme und das Baby in ihrem Bauch schon aufgegeben hätte, doch sie kämpfte und wir alle versuchten sie so gut es ging dabei zu unterstützen, auch wenn wir nichts weiter tun konnten, als einfach für sie da zu sein und ihr Mut zuzusprechen.

"Essen ist fertig", lenkte Chiara, die mittlerweile auch hier wohnte und wie die zweite Hälfte von Odran war, meine Aufmerksamkeit auf sich. Natürlich naschte sie gerade von einem der Muffins und ja, wir hatten tatsächlich jemanden gefunden, der noch verfressener war als Odran...

Kaum zu fassen!

"Ich habe keinen Hunger. Ich fahre ins Krankenhaus", meinte Keeva leise, kaum hörbar und zog sich gerade an der Haustür eine dünne, schwarze Jacke über, doch sofort stand ich auf und lief auf sie zu, um ihr meinen Arm um die Schulter zu legen, während ich flüchtig zu den anderen sah, die alle so besorgt wie ich selbst schienen.

"Kev, tu mir und dir bitte einen Gefallen. Ess etwas, dann fahre ich dich persönlich ins Krankenhaus", versuchte ich sie zum Bleiben zu überreden und als dann auch noch Mandy und Chiara sich zu uns stellten, und sie flehend musterten, verdrehte die Zigeunerin frustriert ihre Augen, ließ sich aber von den beiden Mädels zum Tisch begleiten ohne weitere Widerworte zu geben. Dafür wäre sie sowieso zu schwach gewesen...

"Hilfst du mir Mal?"

Ich sah zu Odran, der mir Esme entgegenhielt und nachdem ich die kleine strahlende Prinzessin auf meine Arme genommen hatte, schnappte Odran sich seine Krücke und wir beide liefen gemeinsam ebenso zum Esstisch, um in Stille mit den anderen zu frühstücken.

Jeder schien mit seinem eigenen Teller beschäftigt und in seinen eigenen Gedanken versunken. Einzig Esme, die mir immer wieder Essenstücke in den Mund steckte schien fröhlich zu sein. Sie verstand vermutlich noch nicht, was hier überhaupt vor sich ging. Besser für sie...

"Fahren wir morgen alle zusammen?", unterbach Odran die Stille und wir alle sahen ihn an, doch keiner gab ihm eine Antwort.

Ich wusste von Mandy, dass die nicht auf die Beerdigung wollte, was ich verstehen konnte. Immerhin schien Cathan sie nicht zu mögen. Mich mochte er ja auch nicht, doch er war trotz allem mein Vater und genau deswegen hatte ich auch vor, Odran zu der Beerdigung zu begleiten.

Bei Keeva war ich mir nichtmals sicher, ob sie überhaupt im Stande war, zu begreifen, was morgen für ein Tag war. Sie schien abgekapselt und verbrachte sowieso jeden Tag bis spät abends nur im Krankenhaus. Ich glaubte kaum, dass sie Rian einen Tag alleine lassen würde.

"Ich würde sagen, wir beide fahren zusammen und Chiara und Mandy können auf Esme aufpassen", gab ich dann doch noch Odran eine Antwort auf seine Frage und sah ihn dabei an, doch er stocherte nur gedankenverloren in seinem essen herum und leidete am meisten von uns allen.

Immerhin war Cathan ein richtiger Vater für ihn und er war auch der Einzige, der ihn wirklich zu vermissen schien. Am liebsten hätte ich ihm die Sorgen genommen, doch ich konnte mich auch nicht um alle gleichzeitig kümmern.

Das war sowieso schon viel zu viel für mich, denn eigentlich würde ich in solchen Situationen einfach Pillen einschmeißen, Alkohol trinken und mit Jake feiern, bis ich umfallen würde, doch für Mandy riss ich mich zusammen und versuchte das alles ganz nüchtern zu ertragen.

"Können wir bitte los?", fragte Keeva ungeduldig und als ich anschließend auf ihren Teller sah, fiel mir sofort auf, dass sie gerade Mal einen Bissen genommen hatte.

Was sollte ich mit ihr nur machen?

"Ich fahre mit. Valentina und Padraig sind heute zurück. Es wird Zeit ihnen alles zu erzählen", sprach Mandy mich von meiner Seite aus an und ich nickte ihr zu, um mich nochmals Odran zuzuwenden.

"Kannst du?", wollte ich wissen und hielt ihm Esme entgegen, doch ehe er sie über den Tisch entgegennehmen konnte, stand plötzlich Chiara auf und schlug leicht auf den Tisch.

"Nein!", wurde sie lauter und mit großen Augen musterte ich sie, wie auch Odran und Mandy. "Es reicht mir jetzt! Keeva, du isst deinen Teller bitte leer! Dein Baby braucht Vitamine und Rian wird bald aufwachen und dich auch brauchen!"

Keeva sah flüchtig zu ihr auf und obwohl ich der Meinung war, diese Situation würde gleich ausarten, bildeten sich Tränen in Keevas Augen und sie ergriff dabei Chiaras Hand, um diese fest zu drücken.

"Du meinst, er wird aufwachen?", fragte sie schluchzend und sofort nickte Chiara, um sie fest in ihre Arme zu schließen.

"Natürlich wird er das. Er ist der furchteinflößenste Mensch den ich kenne. Gott wird sich zweimal überlegen, ihn zu sich zu nehmen."

Nach Chiaras Worten legte Odran seine Hand schützend auf Keevas Rücken und auch Mandy stand auf, um Keevas freie Hand in ihre zu nehmen.

Nur ich blieb sitzen und sah mir diesen Anblick ganz genau an.

"Familie", flüsterte ich Esme zu, die mir dabei etwas zu fest in meine Nase packte und kicherte. "Das ist das wichtigste oder?"

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