42. Nervlich am Ende

Wir kamen alle gemeinsam in der offenen Küche an und vollkommen von dieser Situation überfordert, sah ich Rian und Keeva hinterher, die trotz der Worte des Wachmannes die Treppen nach oben ins Kinderzimmer rannten.

Odran schien noch fertiger als ich und fasste sich mit einer Hand ans Herz, um atemlos am Tisch Platz zu nehmen.

Chiara, wie auch Mandy, standen einfach nur da und starrten ungläubig ins Nichts.

"Ich rufe Papa an", durchbrach ich die Stille und nachdem Odran nickte, gab ich Mandy noch einen Kuss auf ihre Wange, um alleine wieder auf die Terrasse zu laufen.

Die Sonne schien hell, doch in mir selbst tobte der reinste Sturm. Als wäre ich nicht mehr ganz da, nahm ich wie betäubt mein Handy zur Hand und wählte Cathans Nummer, der auch gleich dranging und mir genaustens zuhörte. Ich erzählte ihm alles, was ich über Fiore wusste, auch wenn er der Meinung war, dass es jeder gewesen sein könnte.

"Gib mir das Telefon", unterbrach mich Rian plötzlich und riss mir das Handy mit einem fassungslosen Blick aus meiner Hand, um sich damit einige Schritte von mir zu entfernen. "Ich brauche jeden Mann den du hast! Jetzt! Und dich auch!"

Er sprach die Worte so kalt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief und als mein Blick wieder ins Wohnzimmer fiel, sah ich Keeva, die weinend in Odrans Armen lag, während auch Chiara versuchte sie zu beruhigen.

Nur Mandy stand alleine da und schien sogar noch verlorener als alle anderen. Nachdem mein Blick noch kurz zu Rian fiel, der immer noch aufgebracht telefonierte, lief ich zu ihr und nahm ihre Hand in meine, um gemeinsam mit ihr zur Couch zu laufen.

"Alles wird gut", beruhigte ich sie, doch sie hielt sich plötzlich weinend ihre Hände vor Gesicht.

"Das ist alles meine Schuld. Ich hätte... Wir hätten... Oh Gott", schluchzte sie leise und sofort zog ich sie schützend in meine Arme und streichelte über ihren Rücken, der von der Aufregung leicht zitterte.

"Mein Bruder hat mal gesagt, dass keiner Schuld trägt, außer die bösen Menschen, die schlimme Dinge tun", erinnerte ich mich an Rians Worte und sofort sah Mandy mit ihren glasigen Augen zu mir auf. "Wir finden sie schon", fügte ich noch hinzu, doch mir wurde auf einen Schlag selbst erst bewusst, was überhaupt passiert war.

Esme ... unsere kleine, immer strahlende  Esme war weg...

Und Nero!

"Scheiße", fluchte ich plötzlich laut und löste mich von Mandy, um hastig aufzustehen, sodass alle Blicke auf mich gerichtet waren. "Wir müssen irgendwas tun! Lasst uns Padraig anrufen!"

"Der ist auf einer Hochzeit und ist sicher erst in einigen Tagen zurück", meinte Rian, als er das Haus wieder betrat und reichte mir anschließend mein Handy, um mich mit seinem ausdrucklosen Gesicht einen Moment zu mustern.

"Da denkt man, mit den Russen hätte es ein Ende, da kommen die Spanier", kam es von Odran, der immer noch dastand und Keeva fest in seinen Armen hielt.

"Ich fahre."

Rian warf mir einen flüchtigen Blick zu und wandte sich anschließend an Odran. "Wir fahren!"

"Wohin denn?", wandte Keeva sich aus Odrans Armen und sah fragend zu Rian, der sich aufgelöst durch die Haare fuhr und tief Luft holte dabei.

"Ich weiß es nicht! Einfach herumfahren!"

"Du lässt mich jetzt also alleine?!", wurde nun Keeva lauter und ging einen Schritt auf ihn zu.

"Nein! Aber ich kann hier nicht herumsitzen und nichts tun!"

"Dann nimm mich mit!"

"Das ist zu gefährlich. Hier bist du sicher!", blockte Rian ihre Bitte ab, doch Keeva lachte über seine Worte hysterisch auf.

"Brandon hat mich beobachtet, während ich in diesem Haus war! Juri hat mich bedroht, während ich in diesem Haus war! Die Russen haben Senan ohnmächtig geschlagen und mich mitgenommen, als ich in diesem Haus war! Ich glaube mittlerweile das kein Ort auf dieser Welt gefährlicher ist, als diese verfluchte Villa! Also, lass uns fahren!"

Keeva stürmte an Rian vorbei nach draußen, weinte dabei und nachdem auch Odran und Chiara ihr folgten, kam Rian nochmals auf mich zu.

"Ihr bleibt hier. Cathan kommt sicher bald. Wenn euch etwas auffällt oder sonst was ist, ruf mich sofort an!"

Ich nickte zustimmend und bevor er gehen konnte, hielt ich ihn noch am Arm zurück und schloss ihn flüchtig in meine Arme.
"Pass auf dich auf."

Er löste sich von mir, nickte kaum merklich und verließ dann ebenfalls das Haus, sodass nur Mandy und ich zurückblieben.

"Wir müssen auch irgendwas tun", meinte sie und stand auf, um mich mit ihrem hoffnungslosen Blick anzustarren.

"Wir können nichts tun, außer warten."

Sie schloss ihr Augen und die Tränen, die daraufhin über ihre leicht rötlichen Wangen liefen, brachen mir mein Herz. Der Gedanke daran, dass Esme jetzt irgendwo ganz alleine war, Angst dabei empfand und nach ihrer Mama weinte, schnürte mir plötzlich die Kehle zu und ich fasste mir an meine bebende Brust, um meine Atmung versuchen zu beruhigen...

"Senan?", sprach Mandy mich mit zitternder Stimme an und als unsere Blicke sich kreuzten, sah ich die blanke Panik in ihren Augen und ich hasste mich, dass ich nicht für sie da sein konnte, da es mich selbst so sehr belastete.

"Alles gut", gab ich von mir und stützte mich mit den Armen auf die Kücheninsel, um tief durchzuatmen, wobei mir jeder Atemzug bis ins Herz schmerzte.

Erst, als es dann plötzlich an der Tür klopfte, löste ich mich wieder von der Insel und sah kurz zu Mandy, die voller Angst zur Haustür starrte.

"Meinst du das ist dein Vater?", wollte sie hilflos wissen, doch ich wusste es selbst nicht und hatte auch nicht vor, ein Riskio einzugehen. Schnell lief ich zu einem Schrank hinten im Wohnzimmer, öffnete diesen und sah Odrans Tresor an, um Esmes Geburtstagsdatum einzugeben und dabei zu hoffen, dass es noch dieser Pin war.

"Oh Gott", hörte ich Mandy hinter mir, die mir anschließend dabei zusah, wie ich einen alten Revolver hervorholte und diesen nachlud.

"Ich werde nie wieder zulassen, dass dir etwas passiert", sprach ich ihr zu und stand dabei auf, um sie nochmals in eine innige Umarmung zu ziehen. "Egal was passiert. Ich werde dich beschützen!"

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