☽ Prologue
E R Z Ä H L E R
14. September, Wolfstrakt: Lunya
Dunkelheit. Licht. Ein sanftes Silber. Ein schimmernder Hauch.
Funkeln. Strahlen. Glitzern.
Das Zirpen der Heuschrecken.
Das Flüstern des Windes.
Nur er, die Nacht und der Himmel teilten sich diesen Augenblick, diese Vollmondnacht.
Stunden hatte er hier verbracht. Nur um in den wolkenlosen Himmel zu sehen und den Anblick des Mondes zu genießen.
Er liebte ihn. Den Mond.
Seit er denken konnte tat er dies.
Er fing nie damit an. Es war einfach so.
Er hatte nie Angst vor der Dunkelheit gehabt. Oder ein Problem damit alleine zu sein.
Nie interessierten ihn die Spiele der anderen Kindern. Viel lieber krakelte seine Miniversion den Mond auf zerknittertes Papier.
Nur selten verließen Worte seine Lippen oder spiegelten sich Emotionen in seinem Gesicht.
Doch er wurde nie ein Außenseiter. Eher ein Geheimnis. Einer dieser Menschen, über die man nichts wusste und sich deshalb Geschichten ausdachte.
Der junge Prinz hatte nie viele Freunde gehabt, doch dies störte ihn nicht. Solange er dem nachgehen konnte, was er liebte und jeden Vollmond machte.
Den Mond zu beobachten.
Er liebte die Stille. Die Atmosphäre. Die atemberaubende Aussicht. Und er genoss sie in vollen Zügen.
»Azrael« die tiefe Stimme von Rán, einer seiner Bediensteten, riß ihn aus seinen Gedanken. Mit der, vom Boden, etwas erdigen Hand fuhr er sich über das Gesicht und stemmte diese danach auf den Boden um sich aufzurichten.
»Es ist schon spät, komm hinein« seufzte der braunhaarige Mann, welcher vor einer der Hintertoren des mächtigen Schlosses stand.
»Jaja ich komm schon« murmelte Azrael leise und stand auf. Langsam trottete er auf das Tor zu. Rán umfasste die rostige Türklinke und öffnete dem jungen Mann das Tor.
Ein weiteres Mal sah Azrael sehnsüchtig hinter sich in den sternbedeckten Himmel.
Wunderschön und dennoch alleine.
Er seufzte. Er drehte sich um und trat in den dunklen Gang des Schlosse. Seine Füße betraten das raue Material des Holzbodens und ein weiteres Knarren ertönte, als die Türe hinter Azrael zufiel.
»Wieso denke ich an jedem dieser Tage es würde anders sein?«, fragte der Mann, als er Azrael überholte, seufzend und musterte diesen mit müden Augen.
»Das frage ich mich auch« entgegnete dieser schulterzuckend. Mit schnellen Schritten steuerte er auf die Holztreppe zu, aber wurde von dem Mann der sich, seit Azrael ein kleiner Junge war, mehr um diesen gekümmert hatte, als dessen eigener Vater, aufgehalten, indem er sich ihm in den Weg stellte.
»Hast du das Neuste gehört?« er musterte ihn ernst. Azrael drehte sich zu Rán und schaute in die matten Augen.
»Kommt darauf an was du meinst« Azrael musterte ihn monoton. Er erfuhr regelmäßig viel Neues, das meiste war überflüssig oder klärte sich von selbst, doch nach dem Blick des alten Mannes, musste es etwas wichtiges sein.
»In Lunya werden die sechs Seelenwölfe einziehen, vielleicht...«, fing er an zu erzählen.
Azrael wusste auf was er hinauswollte. Er wollte, dass er Freundschaften schloss, trainierte. Und nicht jeden Freitagabend auf der Lichtung hinter dem Schloss lag und stumm den Mond beobachtete.
»Ich schau sie mir mal an«, sagte er schulterzuckend. Schnell ging er an Rán vorbei und betrat die morsche Treppe.
»Morgen schon«, Azrael hielt inne.
Erst jetzt realisierte er welcher Tag in wenigen Minuten beginnen sollte.
Der Tag auf den er schon lange wartete und dennoch zu tiefst fürchtete.
Der Tag an dem er seinen Platz als Thronfolger antreten könnte, an dem sein Wolf seine volle Kraft erlangen würde.
Der Tag an dem er achtzehn Jahre auf diesem Planeten lebte und das finden sollte, was ihn und sein ganzes Leben verändern sollte.
Seine Seelenverwandte.
Der fünfzehnte Tag des Septembers. Azraels Geburtstag.
Wie spät war es?
Er schaute auf die alte Uhr, die an der weißen Wand hing. Der Minutenzeiger war nur noch wenige Zentimeter von der vollen Stunde entfernt.
»Verdammt«, murmelte Azrael und lief die Stufen hinab und an Rán vorbei.
»Azrael, warte!«, hallte die tiefe Stimme des Mannes durch den Gang, doch Azrael ignorierte ihn und verließ das Schloss.
Mit schnellen Schritten rannte er über die, vom Monde beschienene, Lichtung in den finsteren Wald hinein.
Eisiger Wind rauschte ihm hingegen und flüsterte in den Ästen der Bäume eine Melodie.
Die mächtige Bäume, deren dicke Äste sich ineinander verschlungen hatten und nun wie eine mächtige Mauer die Sicht zum Himmel verdeckten, ließen nur an wenigen Stellen einzelne silberne Mondstrahlen durch das tiefe Dickicht. Sanft schimmerten sie in der Dunkelheit. Über dem moosbedeckten Boden hatte sich ein, im Mondlicht weiß schimmernder Nebel gelegt und verlieh dem Wald eine, fast unnatürliche Schönheit.
Als Azrael über einen morschen, zu Boden gefallenen Stamm sprang, ließ er zu, dass an seinem ganzen Körper Haare wuchsen und innerhalb Millisekunden sein einst sportlicher Jungenkörper sich in den eines rotbraunen Wolfes verwandelte.
Seine riesigen Pfoten versanken kurz im feuchten Laub, bevor sie weiter über den Waldboden trabten.
Der Wind rauschte ein weiteres Mal durch sein dickes Fell und in seinen angelegten Ohren. Der leichte Nieselregen kitzelte ihn an der Nasenspitze.
Auf einer, von einem silbernen Schein, beleuchteten Lichtung blieb er stehen. Er reckte seinen großen Kopf und schaute in den Himmel. Stumm betrachtete er der silbernen Sichel, welche am Himmel prangte.
Ohne einen Mucks von sich zu geben, lauschte er dem Wind und konzentrierte sich auf sein kräftig schlagendes Herz.
Plötzlich war etwas anders. Das Gefühl in seiner Brust hatte sich verändert.
Sein Herz schlug schnell doch es war nicht als würde es dies für ihn tun. Auch nicht um zu leben.
Es tat es für diese eine Person, welche irgendwo auf dieser Welt lebte und nun zu ihm und seinem kümmerlichen Herzen gehörte.
Diese Person, die er von nun an liebte, gar vergötterte ohne sie jemals getroffen zu haben.
Seine Seelenverwandte.
Zitternd atmete er ein und wieder aus und betrachte wie sich der weiße Rauch, welchen er mit jedem Atemzug aus seiner Schnauze stieß, in der kalten Luft verlor.
Er brauchte sie. Hier bei ihm. Und jeder Atemzug, jedes Mals, dass sein Herz schlug, wurde dieses Verlangen größer, seine Liebe tiefer, unaufhaltsamer.
Und das Gefühl nicht an ihrer Seite zu sein, war wie ein Brennen, ein stechender Schmerz der in seiner Brust festsaß und ihn von innen auffraß.
Mit einem Ruck reckte Azrael seine braune Flanke in die Höhe und stieß einen animalischen Schrei aus, der wie ein verlorener Hilferuf durch den tiefschwarzen Wald hallte und sich in der Dunkelheit verlor.
Und in dieser flauen Sommernacht, auf dieser silber beschienenen Lichtung, liebte er das erste Mal etwas mehr als den Mond.
Seine Mate.
Neues Buch neues Glück, nicht?
Ich hoffe zumindest in diesem Buch ein bisschen Glück zu finden.
(Geplant ist dass das Buch in der Ich-Perspektive weitergeschrieben wird, nur bei Azrael wollte ich eine gewisse Distanz aufbauen, außerdem hat die Erzählersicht meiner Meinung hier besser gepasst)
[soulfullofwords]
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