Ich brauche keinen Mann!
Hey,
in diesem (längst überfülligen) Kapitel stelle ich euch Daria vor und ihr werdet auch die Umstände erfahren, die zu ihrer Anmeldung zum Casting geführt haben.
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Darias POV
Damit ist es also amtlich! Ich werde mir heute wirklich zum ersten Mal in meinem Leben den Bericht ansehen. Nachdem ich den kleinen Minifernseher angestellt habe, lasse ich mich auf die Coach fallen. Erst als ich meinen trägen Gliedern die lang herbeigesehnte Pause gönne, fällt mir auf, wie müde ich eigentlich bin. Deswegen ist die Versuchung, dass Gerät auf dem Tisch vor mir einfach auszustellen und mir die wohl verdiente Ruhe zu gönnen, auch so stark.
Und seien wir mal ehrlich, wie groß ist in Anbetracht der enormen Menge von Bewerbungen schon die Chance, dass ausgerechnet mein Foto gezogen wird? Verschwindend gering! Außerdem geht es mir nun wirklich nicht darum, für dieses überzogene Medienspektakel herhalten zu müssen. Eigentlich will ich nur dieses Bild von mir sehen, um herauszufinden, ob ich darauf so selbstbewusst und stark aussehe, wie ich mich zum Zeitpunkt der Aufnahme gefühlt habe.
Es gibt aber einen weiteren Grund, warum ich mich dazu zwingen, meine Augen offen zu halten, nämlich meine Neugier. In den letzten Tagen wurde durch den ganzen Castingwirbel so viel von dem angeblich gutaussehenden und charmanten Prinzen erzählt, dass ich ihn nun auch einmal sehen möchte. Dann kann ich mir meine eigene Meinung bilden und muss diese ständigen Unterhaltungen nicht jedes Mal schweigend und total unwissend über mich ergehen lassen.
Naja, und alleine die Tatsache, dass ich rein gar nichts über den Thronerben unseres Landes weiß, weder über sein Aussehen, seine Vorlieben oder irgendwelche anderen Dinge, spricht mehr als deutlich dafür, dass meine Anmeldung zu diesem irren Zirkus einzig und allein einer Kurzschlussreaktion zu verdanken ist. Dabei dachte ich vor einer Woche noch, dass ich den Mann fürs Leben bereits gefunden hätte. Wie konnte ich nur so leichtgläubig sein und mein Herz an irgendeinen dahergelaufenen Typen verschenken?
Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings anmerken, dass es meine erste große Liebe war und ich deswegen keinerlei Erfahrung in diesen Gefühlssachen hatte. Vielleicht wäre mir dann schon früher aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmt. So naiv wie ich war, dachte ich wirklich, dass es zwischen uns richtig gut läuft, bis ich ihm letzte Woche einen Überraschungsbesuch abstatten wollte und dadurch unsanft auf den Boden der Realität zurückgeschleudert wurde.
Vor einer Woche
Total aufgeregt stehe ich nun vor der großen Eichentür und die Vorfreude sorgt für tausend Schmetterlinge, die ein unbeschreiblich angenehmes und warmes Kribbeln auslösen. Fahrig streife ich mir zum wiederholten Mal über mein blaues Kleid und atme tief ein, bevor sich meine Hand um den eisernen Türklopfer legt, ich den Mechanismus zaghaft betätige und augenblicklich den hallenden Knall im Inneren vernehmen kann.
Unwillkürlich steigert sich meine Nervosität ins Unermessliche und unzählige Fragen rasen mir durch den Sinn. Wird er sich über meinen Besuch freuen? Hat er überhaupt Zeit für mich? Gefällt ihm mein neues Kleid, dass ich extra für diesen Anlass genäht habe? Und wird er feststellen, dass meine Haare kürzer sind? Wegen meiner Unruhe bemerke ich nur am Rande, dass ich unbewusst angefangen habe, eine Haarsträhne um meinen Zeigefinger zu wickeln. Meine Mutter hatte diese Angewohnheit immer gehasst.
Gerade als ich mich wegen der langen Wartezeit enttäuscht zum Gehen wenden will, wird die Tür schwungvoll aufgerissen. Allerdings verrutscht mir mein strahlendes Lächeln, als ich feststellen muss, dass es nicht der gutaussehende Schwarzhaarige mit den wundervollen braunen Augen ist, sondern ein untersetzter Mann, der sehr ungepflegt aussieht und keinen allzu freundlichen Eindruck auf mich macht.
„Was willst du hier? Hast du dich verlaufen?", blafft er mich im nächsten Moment bereits an und bestätigt somit meine Vermutung. Bevor ich etwas sagen kann, beginnt er mich von Kopf bis Fuß zu mustern. Dies löst ein unbehagliches Gefühl bei mir aus und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken.
„So jemand wie du hat hier nichts zu suchen.", lautet schließlich sein Fazit. Und das sehe ich angesichts meines Gegenübers genauso. Dieser Typ ist mir nämlich mit seiner merkwürdigen Art echt unheimlich.
„Ich wollte zu Silas.", konzentriere ich mich auf das Positive, denn ich bin mir sicher, egal, wie unwohl ich mich jetzt gerade fühle, sobald ich in sein Gesicht blicken kann, wird es mir wieder blendend gehen. Nachdem für einen kurzen Moment Erkenntnis über seine Züge gehuscht ist, schweift sein Blick ein weiteres Mal über mein Erscheinungsbild, diesmal langsamer. Erst als ich mein Gewicht unruhig von einem auf das andere Bein verlagere, beendet er dieses Tortour.
„Oh, nein, nicht schon wieder? Wie viele leichtgläubige Frauen gibt es denn eigentlich?", nuschelt er in seinen verlotterten Bart, während er an mir vorbeischaut.
„Also, ist er da?", hake ich nach, da ich aus seinem Verhalten nicht schlau werde.
„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber der ist wieder zu Hause bei seiner Frau und den Kindern." Der Tonfall, mit dem er mir diesen Satz entgegen schmettert, ist aber nicht mitfühlend, sondern spöttisch und damit reißt er mir den Boden unter den Füßen weg.
„Wie?", frage ich ungläubig nach.
„Ja, du hast richtig verstanden! Er hat Frau und Kinder. Und jetzt mach dich vom Acker!" Ich kann es einfach nicht glauben. Es stimmt schon, dass wir uns noch nicht so lange kannten, doch er hat mir nie den geringsten Anlass dazu gegeben, an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, jemanden getroffen zu haben, der zu mir passt und jeder Moment mit ihm war so kostbar, unbeschwert und echt. Kann es wirklich sein, dass er in dieser Zeit gar nichts empfunden hatte?
„Falls du dich dann besser fühlst, du bist nicht die Erste, die auf seine Schmeicheleien und seine falschen Versprechen hereingefallen ist." Natürlich fühle ich mich durch diese Eröffnung nicht besser. Schließlich hatten wir bereits sogar über eine gemeinsame Zukunft gesprochen. Die Erkenntnis, dass er mir alles nur vorgespielt hatte, trifft mich hart. Unfähig, etwas zu erwidern oder mich auch nur zu bewegen, starre ich meinen Gegenüber unentwegt an.
„Was ist denn noch? Wenn du es so nötig hast, stehe ich dir zu Diensten. Du darfst mich Richard nennen und du kannst dir sicher sein, dass ich genau weiß, auf was Frauen stehen." Erst sein untermalendes schmutziges Grinsen, durch das er mir unnötigerweise seine gelben Zähne zeigt, reißt mich aus meiner Schockstarre. Angewidert verzieht sich mein Gesicht, bevor ich ihm den Rücken zukehre und schnellstmöglich den Rückweg antrete.
„Na, geht doch.", höre ich ihn hinter mir grummeln, bevor mir die ersten Tränen die Sicht verschleiern.
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Vermutlich kann jeder, der schon mal Liebeskummer hatte, nachempfinden, wie es mir nach diesem Erlebnis gegangen ist. Es war das reinste Gefühlschaos, das ich auf dem Weg zurück in die Stadt durchlebt hatte, Unglauben, gefolgt von Trauer, Verletztheit, Schmerz und dann wieder Sehnsucht. Doch gerade als ich an der Anmeldung zum Casting vorbeigekommen bin, war die vorherrschende Emotion Wut.
Ich war wütend auf ihn, weil er mir vorgetäuscht hatte, etwas für mich zu empfinden und dass er nicht mal selber reinen Tisch gemacht hatte, sondern ich es erst über diesen schmierigen Typen erfahren musste. Doch ich war ebenso wütend auf mich, weil ich auf ihn und seine falschen Versprechen hereingefallen war. Für ihn hatte ich mich sogar extra herausgeputzt, dabei bin ich all die Jahre gut alleine zurechtgekommen.
Warum sich also an einen Mann hängen, der dann womöglich loszieht, um mit irgendwelchen anderen Weibern zu liebäugeln, wenn es ihm mit der eigenen Gemahlin zu langweilig wird? Nein, das brauche ich bestimmt nicht! Genau in diesem Moment wollte ich der ganzen Welt beweisen, dass ich eine starke und unabhängige Frau bin, die sich von so einer Erfahrung nicht herunterreißen lässt. Warum ich deswegen aber ausgerechnet auf die irrsinnige Idee gekommen bin, mich bei einem Wettbewerb anzumelden, bei dem 35 Mädchen sich um einen Prinzen streiten, ist mir inzwischen schleierhaft.
Wahrscheinlich ging es mir dabei eigentlich nur um das Foto, bei dem ich mit dem Gedanken daran, dass ich keinen Mann brauche, um glücklich zu sein, in die Kamera gelächelt habe. Blöd ist nur, dass ich mir dieses Bild nicht an die Wand hängen kann, sondern es sich jetzt irgendwo zwischen tausend anderen befindet, von denen der Thronfolger in ein paar Minuten die Nebendarsteller für die bevorstehende Selection ziehen wird.
Und genau aus diesem Grund starre ich jetzt in den viereckigen Kasten. Mittlerweile hat der Bericht endlich begonnen, aber leider zieht sich das Vorgeplänkel unerträglich in die Länge. Unwillkürlich muss ich mich fragen, wie es dieser Typ nur geschafft hat Moderator zu werden, obwohl er eine extrem eintönige Stimme hat und es den Anschein macht, als wenn er sich selber in seiner Rolle nicht wohlfühlt.
Mühselig versuche ich mich auf seine Ausführungen zu konzentrieren. Leider ist alles, was er von sich gibt, für mich einfach nur uninteressant und einschläfernd und so kommt es, wie es kommen muss. Träge schmiege ich mich immer tiefer in die kuschligen Kissen und meine Augen werden immer schwerer. Das letzte, was ich noch wahrnehme, ist ein hübsches braunhaariges Mädchen, dessen melodisch klingende Stimme mich ganz allmählich in das Reich der Träume abgleiten lässt.
Völlig durcheinander schrecke ich aus dem wohltuenden Schlaf auf und muss mich erst einmal orientieren. Warum liege ich auf der unbequemen Couch und nicht in meinem Bett? Und warum läuft der Fernseher? Nur langsam kehrt die Erinnerung an den letzten Abend wieder in mein Gedächtnis zurück. Ok, dann habe ich wohl den restlichen Beitrag doch verschlafen.
Um ehrlich zu sein, kann ich es mir sowieso nicht erklären, warum ich gestern so erpicht darauf war, den Bericht anzuschauen. Nur weil alle gerade von nichts anderem als dem ach so tollen Prinzen und diesem blöden Casting sprechen? Zum Schluss ist er ebenfalls so ein Typ von Mann, dem es nichts ausmacht mit den Gefühlen von Frauen zu spielen. Schon alleine die Tatsache, dass er 35 ihm völlig unbekannte, bemitleidenswerte Mädchen miteinander konkurrieren lässt, spricht ja eindeutig gegen ihn.
Also habe ich nichts verpasst, außer vielleicht einer für die Medien inszenierten liebenswerten, aber verlogenen Selbstdarstellung. Mit dieser Erkenntnis rapple ich mich auf und schalte den Schlummerkasten ab.
Immer noch etwas verpeilt, begebe ich mich in die kleine Kochecke. Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee, um zu mir zu kommen. Doch als ich gerade Wasser aufkochen möchte, schweift mein Blick aus dem Fenster und ich halte perplex inne. Bevor ich mir aber über den Menschenauflauf vor dem Wohnhaus Gedanken machen kann, lässt mich das unerwartete, schrille Geräusch der Haustürklingel erschrocken zusammenzucken.
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Natürlich würde mich eure Meinung zu diesem Kapitel sehr interessieren. Also schreibt mir doch einfach, was ihr davon haltet und wie euer erster Eindruck von Daria ist.
Ich freue mich auf eure Kommentare!
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