29| Du wirst nicht sterben

Meine Füße schmerzten von den dämlichen Schuhen, doch ich hatte keine Zeit, stehen zu bleiben, um meine Schuhe auszuziehen. Also biss ich mir auf die Lippe, und rannte weiter. Noch nie war mir der Weg zum Schutzraum so weit vorgekommen, wie in diesem Moment.

Die Rebellen hatten einen weiteren Angriff an das Schloss gestartet. Keiner wusste worauf sie genau hinaus waren, doch eines war klar; sie schreckten nicht davor zurück unschuldige mit rein zuziehen.

Gerade als meine Zofen mich am frühen Abend für den Bericht und die Entscheidung fertig gemacht hatten, war der Alarm ertönt. Wir waren alle zusammen losgerannt, hatten uns aber im Getümmel der Gänge gleich aus den Augen verloren.

Ich trug einen Bademantel, da ich kurz davor war, mein Kleid anzuziehen, als es losging und hohe Schuhe, mit denen ich das Laufen geübt hatte. Sah bestimmt interessant aus, komplettes MakeUp, Halb Hochgesteckten Haare, Bademantel und hohe Glitzer Schuhe.

Doch das war gerade mein kleinstes Problem, um ehrlich zu sein, hatte ich mich mehr oder weniger verlaufen. Ich war in einem menschenleeren Gang angekommen, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Wie ich es geschafft hatte, alle Personen, die ich im Gang getroffen hatte, zu verlieren, war mir unerklärlich.

Ich blieb stehen und drehte mich panisch in alle Richtungen, um herauszufinden, wo ich lang musste. Da hörte ich eine leise Stimme und ein klopfen, ganz in der Nähe. Ich zog meine Schuhe aus, lehnte sie gegen die Wand und Schlich auf Zehenspitzen über den Teppich in die Richtung, aus der ich die Geräusche vernahm.

Als ich vorsichtig um die Ecke spähte, blieb mir das Herz stehen. Auf dem Boden lag Camille, in einer riesen Blutlache, während sie zaghaft an die Wand klopfte, hinter der sich vermutlich ein Schutzraum befand.

Sofort löste ich mich aus meiner Schockstarre und rannte zu ihr hin. Ich kniete mich neben sie ohne das Blut zu beachten.

"Camille? Hey. Was ist passiert?"

Sie zuckte beim Klang meiner Stumme zunächst zusammen, drehte sich dann aber zu mir um. Sie hatte Tränen in den Augen vor Schmerz.
"Die Rebellen. Wir müssen in den Schutzraum."

Ich nickte ihr nur zu. Was genau passiert war, konnte sie mir ja auch später erklären, wir mussten nun erstmal in Sicherheit.

Ich setzte zum Klopfen an, ließ die Hand dann aber wieder sinken. An unserem ersten Tag wurde uns ein bestimmtes Klopfmuster beschrieben, welches wir benutzten sollten, falls wir aus einem Schutzraum ausgesperrt waren.
So weit ich mich erinnern konnte, sollte man vom Datum die Tageszahl schnell und dann die Monatszahl langsam Klopfen.

"Camille, was für ein Tag ist heute?" Sie schaute mich an, als wäre ich bescheuert.
"Was? Freitag. Was hilft uns das denn j...."

"Nein, ich meine das Datum." Ich deutete auf die Tür. Nun schien auch ihr wieder einzufallen, was uns damals gesagt wurde.
"Der 28. November glaube ich."

Ich klopfte schnell 28 mal und dann etwas langsamer elf mal. Dann warteten wir gespannt und ungeduldig, ob jemand auf machte.

Und tatsächlich. In der Wand erschien eine Tür, einen Spalt geöffnet. Ich riss sie ein wenig weiter auf und half Camille hinein, dann kletterte ich selbst hinein und verschloss die Tür von Innen.

Vor mir stand ein kleines, zierliches Mädchen mit zwei geflochtenen, braunen Zöpfen. Ein anderes Mädchen der Elite.

"Tara?", fragte ich vorsichtig, da ich mir nicht ganz sicher war.
Sie nickte und trat näher ans uns heran. Als sie das ganze Blut auf Camilles Kleid entdeckte , wurde sie kreidebleich und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. "Ohje, Camille, was ist passiert?"
Während Camille uns schilderte, was passiert war, öffnete ich den kleinen Notfallkasten an der Wand und nahm alles heraus, was hilfreich sein könnte.
"Ich war auf dem Weg hierher..... Aber da waren so viele.... Er hatte keine... Waffe, aber... Messer.." Sie musste offensichtlich alle ihre Kraft zusammen nehmen, um die Wörter herauszubringen. "Mein Bein.." Sie versuchte sich auf zu setzen, doch war zu schwach und sank wieder zu Boden. Tara kam Camille zur Hilfe und richtete sie mit dem Rücken zur Wand auf. Die Hände voll mit den verschiedensten Hilfsmitteln, begab ich mich zu den anderen beiden auf den Boden.
Tara zog Camilles Kleid ein Stück hoch , so dass ich die Wunde an ihrem Oberschenkel begutachten konnte. Da war so viel Blut, für eine Sekunde wurde mir ganz schwindelig. Doch ich musste stark bleiben. Für meine Freundin. Ich konnte sie nicht verlieren.

Vorsichtig nahm ich das Handtuch, welches ich finden konnte, um das Blut abzutupfen. Der Schnitt sah sehr tief und gefährlich aus und das Blut hörte nicht auf, mehr zu werden. Ich begann in Panik zu verfallen. Was sollte ich tun? Ich war keine Ärztin oder hatte sonst irgendwelche Ahnung, was zu tun war. Hilfesuchend schaute ich auf.
"Tara, was sollen wir tun? Es hört nicht auf zu bluten." Ihre Augen wurden groß und auch sie verfiel in Panik.
"Ich.. Ich weiß nicht. Muss man nicht irgendwie den Blutfluss stoppen?" Sie nahm den Verband in die Hand und wickelte ihn eng um Camilles Oberschenkel. Während sie arbeitete, öffnete ich das Glas mit den Schmerztabletten, um eine heraus zunehmen und sie Camille zu reichen.

"Hier, gib mir eine Sekunde, ich geh schnell nachschauen, ob hier noch eine Wasserflasche irgendwo steht." Doch bevor ich nur aufstehen konnte, hatte Camille die Tabelle schon ohne Wasser heruntergeschluckt. Für eine Sekunde starrte ich sie überrascht an, widmete mich dann aber wieder ihrer Verletzung.
"Ich hab hier noch Desinfektionsmittel, meinst du wir sollten die Wunde reinigen, oder lieber warten, bis jemand ,der sich auskennt, uns findet?"

Tara drehte sich zu mir um und antwortete:" Ich glaube, das sollte sich lieber ein Profi ansehen. Wenn nicht bald jemand kommt, dann machen wir es selbst." Ich nickte zu stimmend und setzte mich neben Camille, die die Augen vor Schmerzen zusammen kniff, darauf wartend, dass die Tablette endlich anfing, zu wirken.
"Hey Camille, alles wird gut, okay?" Sie nickte nur als Antwort.
"Und noch was, das mit Vanessa tut mir echt leid. Ich hätte mich nicht auf sie ein lassen dürfen, okay? Aber bitte, du musst wissen, dass ich das nicht so gemeint habe. Es war wirklich nur ein Spiel. Ich würde dich niemals so hinter gehen, du bist meine einzige Freundin! Bitte, du musst mir glauben." Tränen stiegen in meinen Augen auf.

Camille öffnete ihre und nahm meine Hand in ihre. "Ich will dir glauben, ich wurde nur schon so oft hintergangen, dass ich beim kleinsten Zweifel lieber gehe, als noch mal das ganze durch machen zu müssen." Die Tablette schien langsam zu wirken. So neugierig ich auch war, mehr über ihre Vergangenheit herauszufinden, dies war wohl eher ein sehr ungünstiger Zeitpunkt dafür. Das Gespräch könnten wir auch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

"Ich verspreche dir, ich werde dich nicht hintergehen. Ich werde immer für dich da sein, okay?" Ich drückte ihre Hand vorsichtig. Sie lächelte leicht. "Danke."
"Und ich werde mich ab jetzt von Vanessa fern halten, wer weiß auf welche Idee sie sonst noch kommt, um uns auseinander zu bringen."
Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und murmelte: "Gute Idee."

Ein paar Minuten war es einfach nur still. Tara saß ein paar Meter vor uns und schaute besorgt auf die noch immer, auch wenn etwas weniger, blutende Wunde, während Camille und ich einfach vor uns hinstarrten.

"Kim?"
"Camille?"
"Sollte ich jetzt einschlafen und nicht mehr aufwachen, bitte tu mir einen Gefallen." Mein Herz blieb stehen, als ich die Worte aus ihrem Mund kommen hörte.
"Camille, du wirst nicht sterben."
Sie seufzte;" Ich weiß. Aber wenn doch: Bitte versprich mir, du wirst alles tun, um Lean zu heiraten. Ihr beide gehört zusammen."
Ich runzelte meine Stirn. "Was meinst du? Ein Adliger und eine aus der unteren Kaste? Das passt doch nicht."

Sie legte ihren Kopf auf meinen Schoß und schaute mich an: "Oh doch, das tut es. Er macht dich glücklich, das sehe ich doch. Jedesmal wenn ihr euch anschaut, leuchten deine Augen, wie die eines Kindes auf dem Jahrmarkt. Zeig ihm einfach, weiter wer du bist, er muss dich einfach lieben, ich kenne kaum jemanden der so herzlich ist, wie du. Ihr habt euch gegenseitig verdient. Und wen interessiert bitte, aus welcher Kaste du bist?" Sie gähnte. "Ihn bestimmt nicht, so wie wir ihn kennen." Sie schloss ihre Augen.

"Hey, ich glaube du solltest ein wenig schlafen und dich erholen." Ich versuchte, ihr zuzusprechen und das zu verdrängen, was sich gerade in meinem Inneren aufbaute. Hoffnung.
"Und noch was, wenn ich nicht mehr aufwachen sollte, bitte sag Cameron es tut mir leid, aber die blaue Krawatte, die er sucht, hängt bei mir um Zimmer hinterm Spiegel." Sie lächelte.
Ich lachte leicht. "Ach Camille, so was schaffst auch nur du."
"Mmmh "

Und so blieben wir die nächsten Stunden im Schutzraum. Camille und Tara im Traumland versunken, während ich tief in meinen Gedanken und Gefühlen nach dem suchte, was ich wirklich wollte.

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