26| Zickenkrieg

Die Nervosität aller Teilnehmerinnen erfüllte den ganzen Raum. Heute würde knapp die Hälfte das Schloss verlassen müssen. Komischerweise war ich ziemlich ruhig. Meine Hände zitterten nicht und auch meine Atmung ging ganz normal. Im Gegensatz zu meiner Nachbarin, welche unruhig auf ihrem Stuhl herumrutschte und sich immer wieder die Schweißnassen Hände am Kleid abwischte. Ich glaube ihr Name war Violett.

Der Moderator rief drei Mädchen nach vorne auf die Bühne. Jeanne, Courtney und Sara. Jeanne war mir schon einmal aufgefallen, sie sah bildhübsch aus und hatte zu dem einen süßen französischen Akzent. Die anderen beiden hatte ich mal gesehen, war aber mit ihnen nicht weiter ins Gespräch gekommen.

„Heute werden uns, wie Sie ja schon wissen, verehrtes Publikum, mehr Damen als gewöhnlich verlassen, sodass wir den Kreis der Elite um mehr als die Hälfte verringern. Von diesen drei Ladys wird sich nun gleich eine freuen, deren Licht abbleibt, von den anderen beiden müssen wir uns dann wohl oder übel verabschieden", der Moderator trat einen Schritt zur Seite und das Licht wurde im ganzen Saal gedämmt. Nur drei Strahler blieben übrig, jedes der stand in einem Lichtkegel. Aus heiterem Himmel fielen auf einem mal zwei der Strahler aus und nur noch Jeanne stand im Licht. Das Publikum applaudierte und sie lief rüber zum alt bekannten Sofa, auf dem Camille bereits saß.

Nach und nach wurden immer mehr Mädchen nach vorne gerufen. Mal nur drei auf einmal, mal fünf. Als mein Name aufgerufen wurde und ich mich unter den Lichtkegel stellte, fand ich mich zwischen Violett und Vanessa wieder. Das Licht verursachte eine stickige Hitze auf der Bühne und selbst in meinem trägerlosen Kleid, begann ich höllisch zu schwitzen. Auf einmal gingen zwei Lichter aus. Violett und ein anderes Mädchen mit goldenen Locken standen nun im Dunkeln.

Violett fiel schluchzend auf die Knie und fing an zu heulen, wie ein Schlosshund. Zwei Wachen kamen auf die Bühne und trugen sie hinaus. Sie wand sich in ihrem Griff und schrie, sie sollten Sie loslassen, doch die Wachem trugen sie mit eisernem Blick davon.

Geschockt starrte ich ihnen hinterher. Wie konnte man nur so herzlos sein? Sie hatte ihnen ja nichts getan, lediglich geweint. Nehmen wir mal an, sie hatte sich wirklich in einen der beiden Prinzen verliebt, dann war es doch ihr gutes Recht, ihrem Liebeskummer, wenn man das so nennen konnte, Luft zu machen.

Auf einmal wurde ich aus meiner Starre gerissen, als mir jemand eine Hand auf den Rücken legte und mich nach vorne schob. Doch als ich sah, wer es war, bekam ich den Mund kaum wieder zu. Es war Vanessa.

Sie lächelte mir aufmunternd zu und lief mit mir zum Sofa. Ich lächelte unsicher zurück, nicht wirklich sicher, was ich davon halten sollte.

Ich setzte mich neben Camille an den Rand und kaum hatte ich mich niedergelassen, flüsterte sie mir ins Ohr:" Hab ich was verpasst? Du und Vanessa ?" Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was in sie gefahren ist. Sie ist irgendwie nett zu mir gewesen." Mit dieser Antwort schien Camille zufrieden zu sein, denn sie drehte sich wieder nach vorne und verfolgte gespannt, wer blieb und wer nicht.

***

Nach der Show saßen wir alle mit den Prinzen und der Königin zusammen, fragt nicht wo der König war, das konnte sich niemand so wirklich erklären, im Aufenthaltsraum und unterhielten uns, während im Hintergrund leise der Flügel gespielt wurde. Die Elite bestand nun nur noch  aus 11 Mädchen; Jeanne, Camille, Vanessa, Lucilia, Riley, Paulina und Pauline, die Zwillinge, Tara, Hayley, Cassy und mir.

Ich goss mir gerade neues Wasser ein, als Lean auf mich zu kam. „Miss Rose, wie geht es Ihnen ?"

Verwundert schaute ich ihn an. „Gut. Aber wann sind wir denn wieder aufs förmliche Sie umgestiegen?" Er deutete mit seinem Kopf Richtung Königin. Ich nickte verständnisvoll.

„Miss Rose, ich wollte Sie zu einem Date einladen. Wären Sie morgen Abend noch frei?"

Was für eine Frage, als ob ich hier im Schloss irgendetwas Vorhaben könnte, was mich von einem Date fern halten würde. Trotz dieses Gedanken um spielte meine Lippen ein Lächeln und ich unterdrückte den Drang, meine Augen zu verdrehen.

"Natürlich. Ich nehme die Einladung gern an und freue mich schon."

"Ich freue mich auch schon auf Sie." Er schenkte mir ein umwerfendes Lächeln und verschwand dann wieder. Etwas benommen starrte ich auf den Fleck, auf dem er vorhin gestanden hatte und wiederholte unsere Konversation immer wieder im Kopf.

Während ich, noch in meinen Gedanken vertieft, Löcher in die Luft schaute, setzte sich Vanessa neben mich. Sie saß einfach da und schaute mich an. Ich warf ihr immer wieder unauffällige Seitenblicke zu, während ich wartete, dass sie einen ihrer Sprüche ablassen oder verschwinden würde.

Doch nichts davon passierte. Sie tippte mir auf die Schulter, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen und machte eine Geste Richtung Tür. „Können wir uns bitte kurz in Ruhe unterhalten?"

Eigentlich hatte ich nicht wirklich viel Motivation mit ihr zu reden, aber irgendetwas an ihrem Verhalten machte mich neugierig, was sie von mir wollte. Also gab ich mich dem Bauchgefühl hin und folgte ihr raus auf den Gang.

„Ich wollte mich, ehrlich gesagt, gern entschuldigen, dass ich so unfair zu dir war. Das was oh zu dir gesagt habe, war einfach nicht nett. Ich... ich... es tut mir leid. Kannst du mir verzeihen?"

Eigentlich fand ich diese kurze Entschuldigung ziemlich fragwürdig, aber da ich nicht auf Zickenkrieg aus war, nickte ich einfach zustimmend.

Ihr Gesicht erhellte sich augenblicklich und sie nahm mich kreischend in den Arm. „Dann können wir ja jetzt Freunde sein! Und weiß du womit wir anfangen? Wir lernen uns kennen. Aber nicht dieses langweilige Blabla, ich heiße Vanessa und bin von da und da. Nein, wir spielen ein Spiel! Einer stellt eine Frage und der andere muss sie mit Ja und Nein beantworten. Aber immer wenn die Antwort eigentlich ja ist musst du nein sagen und umgekehrt, dass erhöht den Spaßfaktor. Okay? Du fängst an."

Ich schaute erst ein wenig verwirrt. Doch dann machte es Klick und verstand das „spiel". Das einzige, was ich wollte, er zurück in den Saal zu gehen und mit Camille zu reden, doch ich dachte, je schneller ich eingab, desto schneller kam ich hier weg.

„Okay, Ähm... also, magst du Lila?"
„Nein" Das bedeutete wohl ja.
„Magst du Schokolade?"
„Ja"
„Was du magst keine Schokolade? Wer mag denn bitte keine Schokolade ?" Entsetzt warf ich die Hände in die Luft.

„Keine Ahnung, ich mag sie einfach nicht. Kannst du vielleicht mal ein paar spannendere Fragen stellen?"

„Und die wären? Fang du doch einfach an!" Genervt verdrehte ich die Augen.

„Okay, bist du mit den Prinzen befreundet?"
„Ich denke Ja- Ähm nein." schwieriger als ich dachte.

„Magst du Lean?"
Mochte ich ihn? Eine Frage, die ich mir selbst nie gestellt hatte. Und auch nicht wollte, da ich Angst vor der Antwort hatte. Was wenn ich ihn wirklich mochte? Also so richtig ? Die Wahrscheinlichkeit, dass er diese Gefühle erwiderte, war so hoch, wie die, dass ich Königin werden würde. So ziemlich 0% würde ich sagen.

Ich seufzte. Wie sollte ich jemand anderem eine Frage beantworten, die ich mir selbst nicht beantworten konnte?

„Ich kann dir das nicht beantworten."
Vanessa zog zwar eine Augenbraue hoch, ließ mich aber mit der Frage in Ruhe.

„Okay, dann etwas einfacheres; ist Camille deine Freundin?"
„Nein."
„Magst du sie?"
„Nein."
„Gönnst du ihr den Erfolg, du weißt schon, dass sie diese Freikarte bekommen hat?"
„Natürlich nicht."
„Warum?"
Verwirrt schaute ich sie an.

„Ich verstehe nicht... Warum sollte ich.." Da fiel mir ihr Blick auf, der an mir vorbei ging. Langsam drehte ich mich um.

Ein paar Meter hinter mir stand Camille. Sie hatte Tränen in den Augen.

„Camille." Ich lief auf sie zu, doch sie machte auf dem Absatz kehrt und rauschte die Treppen hoch.

„Camille! Warte!" Ich nahm mein langes Kleid in die Hände und rannte ihr hinterher. Auf der ersten Stufe blieb ich kurz stehen, um einen Block nach hinten zu werfen. Da stand Vanessa mit einem gehässigen Grinsen im Gesicht, dass ich ihr in diesem Moment so gerne herausgeprügelt hätte, wie ich Camille alles erklären wollte.

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