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Manchmal kann man die Vergangenheit mit den Sinnen festhalten: Die eine riecht nach wohltuender Erinnerung, die andere stinkt zum Himmel.
~ Ernst R. Hauschka ~
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Theresia PoV
„Wer kann mir sagen, wo diese Verhandlungen war?" fragte Madame René und sah streng in die Klasse. Ihre Miene verhärtete sich jedoch um Einiges als sich niemand meldete, um ihre Frage zu beantworten.
„Lady Olivia. Können Sie mir diese Frage beantworten?" fragt sie und ihr Gesichtsausdruck macht deutlich, wie wenig sie ein Nein dulden würde. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie sich mit ihrer Antwort extrem viel Zeit lässt. Von außen könnte es so wirken, als wenn sie nach der richtigen Formulierung sucht, aber ich merke, dass sie angestrengt nachdenkt, wie sie zugeben soll, dass sie die Antwort nicht weiß.
Irgendwie habe ich Mitleid mit ihr. Ich selbst höre nicht wirklich zu, habe aber sehr viel Allgemeinwissen, welches mir jetzt sehr hilfreich zu sein scheint.
„In Uhta. Das liegt in Russland." beantwortete ich ihre Frage. Augenblicklich für ihr Kopf zu mir und sie sah mich wütend an.
„Man redet nicht, wenn man dazu nicht aufgefordert wird!"
Sie scheint ganz außer sich zu sein. Warum, weiß ich genau, aber dennoch macht es mir Spaß, sie zu provozieren.
„Natürlich Madame." antwortete ich zuckersüß, doch sie schien mich zu durchschauen.
„Wenn Sie anscheinend solch ein ausgeprägtes Wissen zu haben scheinen, wieso sagen Sie uns nicht auch den Grund, warum es in Utha stattfand?" Zielsicher sah sie mich an und machte meine Geste von vorhin nach. Das zuckersüße Lächeln.
Ich jedoch war nur zielsicher.
„Natürlich kann ich das machen. Da die Versammlung geheim ist, hat man einen Ort gesucht, der weniger Auffällig ist. Auch wenn Utha eine Großstadt ist, ist sie wenig bekannt und liegt relativ zentral in Russland. Das sollte eine Art Vertrauensbeweis darstellen. Ganz nach dem Motto: wenn sie mit uns verhandeln wollen, dann kommen sie in unsere Mitte. Das hat jedoch dazu geführt, dass die Russen dies ausgenutzt haben und unserem Land eine Falle gestellt hat."
Man könnte den Schock sehen, der tief in den Knochen von Madame René saß. Auch die anderen Erwählten sahen nicht sehr begeistert aus, dass ich die Antwort wusste. Anscheinend hatten sie auf mein Versagen gehofft. Nur Charlie, Lilia und Mara besaßen diesen Blick nicht. Daran konnte man sehr gut erkennen, dass die wahre Freunde sind. Ich bin echt froh, sie zu haben. Ohne die Drei wäre es hier bestimmt nicht halb so schön, auch wenn ich das von gestern nicht dazuzählen kann. Alleine daran zu denken verursacht schon einen kalten Schauern bei mir.
„Dann fahren wir mit unseren Unterricht fort. Ich wünsche mir mehr Mitarbeit und vor allem, dass man sich meldet bevor man in meinem Unterricht spricht." bei ihren letzten Worten sah sie mich mahnend an und einige Mädchen kicherten leise hinter vorgehaltener Hand. Dazu sagte Madame René nichts, obwohl es gegen die Richtlinien verstößt. Rasch drehte sie sich wieder um und lief zu der Tafel, die an der Wand von dem Damensalon hing.
Der Rest des Unterrichts war relativ unspektakulär. Zwar wurde ich mehrfach ignoriert und habe viele böse Blicke ertragen müssen, doch ich habe das Gefühl, dass ich so etwas in der Zukunft auch ertragen muss. Sollte ich unwahrscheinlicherweise wirklich dieses Casting gewinnen, dann würde ich durch meine Geburt in eine Niedrige Kaste verachtete werden und sollte ich verlieren, was deutlich wahrscheinlich ist, dann würde sich der niedrigere Adel um eine Hochzeit mit mir bemühen und ich würde als eine weitere Hure des Adels gelten. Ich verstehe auch nicht wirklich, warum Männer unbedingt die Frauen heiraten wollen, die vom Prinz, oder in diesem Fall von den Prinzen, abgelehnt wurden. Das ist doch krank.
„Kommst du mit?" fragt mich Mara. In letzter Zeit scheint sie aufgetaut zu sein. Sonderlich viel lächeln tut sie noch immer nicht, doch ihre Stimme hatte an dem kalten Unterton abgenommen, mit dem sie mit mir früher immer geredet hat. Jetzt ist sie zwar nicht wirklich lieblich oder warm, aber sanft geworden.
„Wohin?" frage ich sie, was mir einen mahnenden Blick von ihr einbrachte. Also nickte ich nur und beschloss, ihr zu vertrauen.
Zusammen liegen wir durch die endlosen Gänge, welche mir langsam nicht mehr ganz fremd erscheinen. Ich könnte mir wirklich vorstellen, mich irgendwann hier zurecht zu finden.
Warte! Was denke ich denn da? Ich habe hier eh keine Chance. Am Besten schlage ich mir diesen Gedanken gleich aus dem Kopf, denn sonst wirkt mein Rauswurf aus dem Casting am Ende noch niederschlagender als es das es schon tun würde. Ich würde meine neuen Freunde vermissen und Adam. Er ist so knuffig und lieb. Wie ein kleiner Bruder, welche sich unbemerkt in dein Herz schleicht.
Doch jetzt sollte Schluss sein mit den deprimierenden Gedanken, denn sonst trete ich Mara noch in die Hacken. Heute trug ich doch tatsächlich mal High Heels. Mir machte es nichts aus, doch es gefiel mir mehr, keine Schuhe zu tragen.
„Was machen wir hier?" fragte ich Mara, welche mich zu der Treppe zu dem dreizehn Stock geführt hat. Das Stockwerk, welches wir nicht betreten dürfen, denn dort lebt die Königsfamilie.
„Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich hätte Lust auf eine kleine Erkundungstour. Du nicht auch?"
Verschlagen grinsend sieht sie mich an. Sie hatte schon seit Kurzem eine Schwachstelle von mir gefunden, auf die ich nicht stolz bin. Ich bin sehr neugierig und hasse es, unwissend zu sein.
„Worauf warten wir noch?" fragte ich sie und zog sie die Stufen hoch. Dabei wussten wir noch nicht, wie schief das gehen könnte.
*
Ich bin gerade mit Schiller beschäftigt und habe versucht, dieses Kapitel dazwischen zu schieben. Hoffe es gefällt euch trotzdem.
Viel Spaß Beim Weiterlesen 😘
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