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Jene Blumen umgibt ein schreckliches Flair,
Diese, geknickt in meiner Hand, ward mitgerissen,
Er warf sie hinab; sie lebte keine Stunde mehr,
Tausend weitre warten; man wird keine Rose missen.
Charlotte Mew
»In Nunhead Cemetery«
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??? PoV
„Stellen Sie es dort ab." befahl ich dem Butler, der mich gefragt hat, wo das Wasser und der Tee für die Erwählten hinkommen soll. Heute sind sie im Schloss angekommen und gleich sollen sie mit uns ‚Prinzen' reden. Am liebsten würde ich das nächste Pferd nehmen und verschwinden, doch das würde mir der richtige Prinz von Illea so übel nehmen, dass ich mit einer Verbannung rechnen kann. Obwohl, eigentlich könnte ich damit leben. Wäre mein Vater nicht in einer so hohen Stellung, dann müsste ich hier eh nicht mitmachen, aber mein Vater ist auch der Grund, weshalb ich nicht aufhören kann.
Wenn jemand eine so mächtige Person wie er ist, dann hat man bei einem Verrat mehr als einen Feind. Er würde mich jagen, durch das ganze Land hetzten und mich schlussendlich so quälen und schwächen, sodass ich ihn um den Tod anflehe. Keine schönen Aussichten. Da ist mir der Palast schon lieber. Außerdem bin ich ja keiner der echten Prinzen, die gezwungen sind sich hier eine Frau zu suchen. Unter diesen hochnäsigen Schnepfen wird sich eh keine fürs Leben finden. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass meine Seelenverwandte unter nur 40 Mädchen mit dabei ist, ist doch mehr als gering.
Dennoch muss ich mir ein Lächeln auf das Gesicht zaubern als die erste Erwählte den Raum betrat. Ihr rotes Kleid -eine Farbe, die ich an dem Tag noch öfter zu sehen bekomme- sollte wohl verführerisch aussehen, doch die Frisur ihrer hellbraunen Haare ließen sie kindlich aussehen. „Lady Viktoria. Setzten sie sich doch. Wollen sie Wasser oder Tee?"
Die gleichen Fragen, der gleiche Ablauf, aber viel zu viele verschiedene Namen. Können die Mädchen nicht alle Franziska oder Monika heißen und alles ist gut? Natürlich wäre das langweilig, aber immer noch besser als stundenlang die Namen von vierzig Mädchen zu lernen, von denen heute schon fünf gehen werden. Immerhin bin ich nicht alleine mit meinem Leid. Die anderen vier Prinzen kommen vor oder nach mir dran. Sobald ein Mädchen bei dem Prinzen, der vor mir dran ist, fertig ist, kommt sie zu mir und geht danach zum Nächsten. Reine, langweilige Routine, die einen mehr als nur langweilt.
Der einzige Lichtblick des Tages ist, dass jetzt nur noch zwei Mädchen kommen, die sich verspätet haben. Mein Berater, dessen Name ich vergessen habe, hat mir schon von ihrem heutigen Erfolg berichtet. Die beiden Mädchen waren die Einzigen, die sich nicht an die Befehle der Wachen gehalten haben, und einfach so mit dem Volk gesprochen haben. Das hat sie sehr beliebt gemacht. Das Volk war ganz aus dem Häuschen von dem Mädchen mit dem komischen Namen und dem anderen Mädchen mit dem Namen eines Mannes. Doch was ich von Ihnen beiden halten soll, weiß ich noch nicht so genau.
Theresia PoV
Schnell beeile ich mich noch rechtzeitig anzukommen. Leider haben wir bei Styling etwas sehr Wichtiges vergessen. Die Schuhe. Und so renne ich barfuß durch das Schloss. Das klingt schon so absurd, dass es eigentlich gar nicht passieren sollte, aber ich und mein unterirdisches Glück sind mal wieder anderer Meinung gewesen. Wie können die Mädchen aus den Provinzen denn nur glauben, dass ich eine geeignete Königin wäre? Schon am erste Tag habe ich bewiesen, dass ich unpünktlich und vergesslich bin. Wenn ich regieren würde, dann würde das Land schnell zugrunde gehen als ich es bemerkt habe.
„Lady Theresia!" rief eine Stimme aufgebracht nach mir. Es war die strenge Schönheit, welche mir heute schon begegnet ist. Berdi hat mir erklärt, dass sie so etwas wie unsere Anstandsdame ist, die sich um alle Erwählten kümmern muss. Ihr Name war René. Ursprünglich stammte sie aus Frankreich, wie der Name schon beweist, und sie siedelte extra zum Dienste der Königsfamilie Illea's in unser Land. Niemand hat so ein Talent in der Erziehung junger Damen, wie die Französin mittleren Alters. Das macht sie nur zu einem noch größeren Albtraum.
„Ja Madame René?"
Kurz schien sie überrascht, dass jemand aus meiner Kaste zu Anstand möglich ist, doch sie fing sich sehr schnell.
„Gehen sie zu Lady Charlie. Wenn sie aufgerufen werden, dann folgen Sie den Wachen zu Prinz Matthew. Ab sofort werden sie die fünf Prinzen mit ‚eure Hoheit' ansprechen, es sei denn, sie bieten Ihnen den Vornamen an. Blickkontakt nur mit Erlaubnis und ich muss sie noch einmal daran erinnern, dass sie den Hoheiten nichts abschlagen. Das kann mit dem Tode bestraft werden. Walters..."
Das Letzte war nichts an mich gerichtet, sondern galt einer Wache, mit der Madame René wohl reden wollte. Seufzend mache ich mich auf en Weg zu Charlie und sehe sie in einem orangenen Kleid sitzen, in dem ihre Haare wie lodernde Flammen erscheinen. Es war auch bodenlang, endete aber kurz unter der Taille und hatte einen runden Ausschnitt. Keinerlei Glitzer war vorhanden, doch der Rock wurde von einem gelben, durchscheinenden Tuch bedeckt, was den Eindruck eines lodernden Feuers nur noch mehr verstärkte. Ihre Haare waren in der gleichen Farbe und auch ihr Make-up, was ich ihr im Flugzeug gemacht habe, ist noch vorhanden. Trotzdem war sie wunderschön.
„Da sieht aber einer gut aus." rief mir Charlie entgegen als ich auf sie zukomme.
„Kann ich nur zurückgeben." Vorsichtig, um mein Kleid nicht zu zerknittern, setze ich mich neben ihr auf die Bank.
„Nervös?" frage ich als ich sie auf der Lippe kauen sehe. Ein häufig auftretendes Symptom für Nervosität . Bei mir ist es eher das Spielen mit einigen Haarsträhnen, was ich gerade auch sehr gut bewies. Erst jetzt viel mir auf, dass Berdi mir meine dunklen Haare an den Spitzen in einer helleren Nuance gefärbt hat.
„Nervös ist gar kein Ausdruck. Ich bin hibbelig, nervös und aufgeregt. Ich bin hibbelnervösgeregt. Ist mir egal, dass es dieses Wort nicht gibt!"
Lachend stoppe ich sie, indem ich meine Hände auf ihre lege.
„Ich verrate dir mal etwas ..." fing ich an und bekam somit ihre volle Aufmerksamkeit.
„Ohne meine Familie wäre ich nie hier gelandet. Eher gesagt ist meine Schwester dafür verantwortlich. Sie will Prinzessin sein, obwohl man dafür gar kein Schloss braucht. Sie ist meine Prinzessin. Doch hier wird die Echte gesucht und ich weiß jetzt schon, dass ich hier nicht hineinpassen werde. Aber wenn ich dich hier sehe, dann sehe ich eine starke Person, die diesen versnobten Prinzen endlich beibringen kann, was es heißt eine Frau zu sein.
Merk dir eins:
Wenn er dich nicht mag, dann ist er einfach nicht der Richtig für dich.
Denk an diesen Satz, immer wenn du dich mit einen Prinzen triffst, denn du kommst definitiv weiter. Und jetzt steh auf, weil Madame René dich nicht sehr erfreut ansieht und du dran bist."
„Danke" schnieft sie noch, bevor sie ihre Augen schließt, einmal durchatmet und zielsicher auf Madame René zuläuft.
„Nicht dafür..." flüsterte ich ihr noch leise hinterher, mit dem Wissen, dass meine Worte wie kalter Nebel an ihr vorbeiziehen.
*
Wie findet ihr den Spruch oben? Meiner Meinung passt das zu der Situation. Mit ,jene Blumen' sind die Erwählten gemeint, weil jede eine andere Blume ihrer Provinz trägt, in der Hand hält er die falsche Frau und ist auf der Suche nach der Einen, der Rose🥀
Viel Spaß beim Weiterlesen 😘
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