Kapitel 5

The Sum Of It - Jamie MacDowell & Tom Thum

Die violetten Blütenblätter des Pfingstveilchen in meinem Haar brachten einen wundervollen Hauch Farbe in die Uniform der Erwählten, die aus einer einfachen schwarzen Hose und einem weißen Hemd bestand.

Wir mussten alle das Gleiche tragen, mit zwei kleinen Ausnahmen: Der Wappenblume im Haar, die von Provinz zu Provinz unterschiedlich war, und den Schuhen.

Die Schuhe stellten für mich an meinem letzten Morgen zu Hause das größte Problem dar. Ich hatte nämlich genau zwei Paare, die beide schrecklich ausgelaufen waren. Der Prinz würde mich sicherlich sofort auslachen, so arrogant wie er zu sein schien.

Seufzend entschied ich mich für die Stiefel und schlüpfte hinein.

"Bist du bereit?" Mum öffnete zögerlich und mit einem seichten Lächeln auf die Lippen die Tür.

Es war Zeit mich zu verabschieden. Allerdings würde die Verabschiedung nicht im kleinen Kreise zu Hause passieren, sondern auf dem großen Marktplatz meiner Provinz. Dort würde ich einfach vor einer großen Menge stehen und lächeln müssen. Der Gedanke beängstigte mich.

Ich nickte Mum zögerlich zu. Ermutigend blickte sie mir in die Augen und nahm meine Hand.

"Hör zu." ich spürte wie ihre Finger zitterten. "Egal was jetzt passiert, egal ob der Prinz sich in dich oder in ein anderes Mädchen verliebt, du sollst wissen, dass du stets das hübscheste, klügste und stärkste Mädchen von allen bist. Und dass ich die Stolzeste aller Mütter bin."

Eine warme, starrsinnige Träne huschte über meine Wange. Ich nickte.

"Ich liebe dich, mein Schatz."

"Ich liebe dich auch, Mum." wisperte ich leise, kurz bevor sie mich ganz fest umarmen konnte.

Ich hatte das Gefühl die Umarmungen dauerte Minuten, vielleicht sogar Stunden, doch sobald Mum mich wieder losließ, hatte ich sofort wieder in den Drang ihr in die Arme zu fallen. Dafür blieb jedoch keine Zeit.

"Mach dir keinen Kopf und sei einfach du selbst. Der Rest ergibt sich mit Sicherheit schon." Sie drückte mir den kleinen Beutel mit meinen wenigen Habseligkeiten in die Hand. Ich nickte.

Dann traten wir gemeinsam aus der Tür.

Draußen wartete bereits ein strahlendes, schwarzes Auto auf uns. Eins, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Eins, das ich mir noch nicht einmal in meinen schönsten Träumen erträumt hatte.

"Wow..."entfuhr es mir und auch Mum staunte neben mir nicht schlecht. "Ich denke daran könnte ich mich doch schon ganz gut gewöhnen."

Die Fahrt zum großen Marktplatz Kents, an dem ich verabschiedet werden sollte, dauerte eine halbe Ewigkeit. Ich lehnte mich so entspannt wie es in meiner Situation nur ging zurück un schlief ein. Vermutlich war das die beste Möglichkeit um nicht komplett verrückt zu werden.

Kurz bevor wir ankamen, hörte ich Mums Stimme sanft meinen Namen sagen. Wie ich ihre Stimme liebte, so voller Ruhe und Liebe wie keine andere. Und wie ich ihre Stimme vermissen würde.

"Ich weiß nicht ob ich das kann, Mum." seufzte ich im Halbschlaf.

"Natürlich kannst du das!"

"Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Menschen mich gleich anstarren werden."

"Das ist völlig irrelevant. Du ziehst dein Ding durch, es ist egal wer dich anstarrt und wer was über dich denkt." Mums braune Augen, die schon lange nicht mehr so leuchteten wie jetzt, trafen die meine und ich konnte nicht anders als leicht zuzunicken, auch wenn ich innerlich immer noch nicht überzeugt war.

Mit einem Ruck hielt der Wagen an. Es war soweit. Aber ich war nicht soweit.

Ich spürte wie Mum kurz nach meiner Hand griff und sie ganz fest drückte. Sie glaubte an mich.

Nach einem tiefen Atemzug öffnete ich die Tür und stieg aus. Sofort erblickte ich die Gesichter hunderter, nein hundertausender Menschen. Alle waren sie hier wegen mir. Was war so besonders an mir? Ich war bloß ein Mädchen, das glücklicherweise - komischerweise aus Tausenden ausgewählt wurde. Und ich wusste selbst nicht wieso.

Ein großer, muskulöser Mann, der sich das Dave vorstellte, bahnte mir einen Weg durch die gewaltige Masse hin zu einer etwas erhöhten Bühne, auf der auch schon der Bürgermeister stand.

Von hier oben konnte ich alles viel besser erkennen. Besonders die Gesichter der Menschen.

Joanna Hunter war da, eine Drei. Sie schaute mir mit unergründlicher Miene entgegen. Beinahe so, als wüsste sie nicht, was sie von mir denken sollte.

Mailin Bates, eine Zwei, schaute dagegen grimmig drein. Sie war wunderschön, zwar nicht halb so umwerfend wie Adira, doch immer noch schöner als ich es war. Natürlich konnte ich ihr die unzufriedene Miene nicht verdenken, sie dachte sich genauso wie ich, dass ich nicht hierher gehörte.

Als ich mich allerdings noch etwas weiter umsah, erblickte ich die vielen jubelnden Gesichter von Menschen, die ich nicht kannte. Auch sie glaubten an mich, wie meine Mutter. Schließlich war ich die Repräsentantin dieser Provinz und noch dazu eine Vier.

Für die meisten dieser Menschen war ich nicht bloß irgendein Mädchen, das das Glück hat, in den Palast zu ziehen und den Prinzen kennen zulernen. Für die meisten dieser Menschen war ich eine Hoffnung, denn würde ich das Herz des Prinzen erobern können, dann würde ich der Stolz der gesamten Provinz sein.

Erst jetzt bemerkte ich, wie viel mehr eigentlich hinter alledem steckte. Wie viel mehr ich bedeutete. Ich durfte nicht aufgeben. Ich durfte diese Menschen nicht enttäuschen. Ich musste kämpfen. Egal wie sinnlos es schien. Ich musste es nicht nur für mich tun, sondern für sie.

Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte ich ehrlich.

"Und Kent wird Lorraine Ayres' wunderschöne Tochter, die neue Lady Mariella Ayres, anfeuern!" hörte ich den Bürgermeisten rufen.

Die Menge schrie. Jubelte weiter. Klatschte. Warf Blumen auf die Bühne - hauptsächlich Pfingstveilchen.

Und ich winkte, weiterhin lächelnd.

Ich musste mich sogar selbst ertappen, wie ich den Moment ein wenig zu genießen begann.

"Ladies und Gentlemen, bitte lasst uns gemeinsam Mariella Ayres, unsere Lieblingstochter Illéas, verabschieden."

Hinter mir hörte ich eine kleine Band leise die nationale Hymne spielen. Ein wunderschönes Stück, gefüllt von Emotionen.

"Möchtest du etwas sagen, meine Liebe?" wand sich der Bürgermeister nun an mich, allerdings so leise, dass nur ich es hören könnte.

Plötzlich wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte. Ich war so in dem Moment vertieft gewesen, dass ich ihn jetzt nur noch perplex anschauen und meinen Kopf leicht schütteln konnte.

Was konnte ich auch groß sagen? Noch hatte ich Nichts zu sagen.

"Das ist in Ordnung, keine Sorge." er lächelte verständnisvoll. "Es ist passiert ja auch nicht alle Tage, dass man vor der ganzen Provinz spricht. Ich übernehme das für dich."

"Dankeschön." brachte ich leise hervor, dann wand er sich wieder dem gewaltigen Publikum zu und begann zu erzählen. Von mir. Naja zumindest die wenigen Informationen die er zu mir hatte.

Ich ließ meinen Blick noch einmal über die Menge streifen, ließ mich noch einmal in dem Moment versinken und dann war schon soweit sich zu verabschieden.

Der Bürgermeister führte mich in einen kleinen Raum, abseits des ganzen Lärms, wo Mum und Adira schon auf mich warteten, beide mit Tränen in den Augen.

"Adira, du hast es geschafft!" ich stürzte mich in ihre Arme. "Ich freue mich so."

"Natürlich! Was hast du denn anderes erwarten!" sie lachte leise auf. "Ich werde dich so vermissen, Ari."

"Ich dich erst. Was soll ich bloß ohne dich in so einem riesigen Palast?"

"Den Prinzen kennen lernen und ihm vielleicht von mir erzählen?" sie grinste breit und ich schüttelte meinen Kopf. Typisch Adira!

"Ich hoffe du gewinnst das Ding." fügte sie dann ehrlich hinzu. "Wenn es jemand verdient hat, dann du."

"Danke." flüsterte ich. "Ich werde mich bemühen."

Mit diesen Worten wand ich mich an Mum.

"Ich liebe dich Mum." ehe ich mich versah, hatte sie mich in eine enge Umarmung gezogen.

"Ich bin so stolz auf dich, meine Kleine. Und so dankbar. Vergiss das niemals. Vergiss niemals, dass es Leute gibt, denen du so unendlich wichtig bist."

"Das werde ich nicht." versicherte ich ihr zärtlich. "Niemals."

"Lady Mariella, sind sie soweit? Wir müssten so schnell wie möglich los..." Christina, meine Hilfsbegeleitung, blickte etwas ungeduldig drein.

Mit zittrigen Knien und Tränen in den Augen umarmte ich noch einmal die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben un drückte ihnen Küsse auf die Wangen.

"Passt auf euch auf." wisperte ich.

"Pass du auf dich auf." erwiderte Adira.

Langsam löste ich mich aus der Umarmung.

"Tschüss."

"Bis bald, Liebling." Mum schluchzte leicht.

"Ciao Bella." Adira lächelte mich breit an, doch auch in ihren Augen lag etwas Trauriges.

Etwas unentschlossen nickte ich Christina zu, die erleichtert aufatmete.

"Folgen Sie mir, Lady Mariella."

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