Kapitel 3
Mir war schon immer klar gewesen, dass Prinz Aramis gut aussehen musste. Schließlich wurde das irgendwie erwartet und Erwartungen mussten von der Königsfamilie weitesgehend erfüllt werden.
Aber als ich an dem Abend der Verkündung gemeinsam mit meiner Mutter bei Adiras Familie im Wohnzimmer saß und das erste Mal seit mehreren Jahren wieder den Report schaute, war ich zugegebenermaßen überraschter als erwartet.
Er sah wirklich unverschämt gut aus mit seinem braunen Haar und den hellen Augen, die das Licht perfekt auffingen.
Adira konnte neben mir kaum ihre Aufregung zurückhalten. Wie besessen starrte sie den Bildschirm an, kaute dabei nervös auf ihrer Unterlippe herum und fuhr sich ständig durch das goldene Haar.
"Hast du dir schon einmal vorgestellt, wie es sein würde, Ella? Ich meine, im Palast zu leben."
"Nein." erwiderte ich. "Das wäre Zeitverschwendung."
Adira seufzte auf. "Du bist immer so pessimistisch."
"Realistisch." korrigierte ich sie. "Für mich ist diese Vorstellung unrealistisch."
"So ein Quatsch."
Ich schwieg. Die letzten Tage hatte ich jede freie Minute damit verbracht über die Selection nachzudenken. Über meine nicht vorhandenen Chancen. Und über den kleinen Hoffnungsschimmer, der immer noch in mir lebte.
Doch mit jeder Sekunde war dieser Schimmer kleiner und kleiner geworden und die ganze Situation erschien mir sinnloser und sinnloser. Nicht selten hatte ich mich insgeheim gefragt, warum ich mich überhaupt angemeldet hatte, warum ich diesen Hoffnungsschimmer überhaupt erst aufflammen lassen hatte. Nicht nur für mich, sondern auch für Mum.
"Oh mein Gott, Ella! Ella, es geht los!" die laute Stimme meiner Freundin füllte den Raum aus.
"Bleib mal ganz locker." Max, ihr jüngerer Bruder, verdrehte genervt die Augen, woraufhin Adira nur leise schnaubte.
Ich griff nach Adiras Hand und drückte sie fest. Sie lächelte.
Ich konnte sie verstehen. Ihre Anspannung, ihre Aufregung, ihre Nervosität. Ich fühlte es auch. Doch anders als ich glaubte sie daran. Sie glaubte eine Chance zu haben, sie glaubte daran, dass ihre Träume heute in Erfüllung gehen würden.
Der Master of Events erschien mit einem breiten Lächeln vor der Kamera und begrüßte dann Lucian Freeman.
Ein unglaublich lautes Klatschen und Jubeln ertönte im Hintergrund. Lucian Freeman war nicht nur irgendein Moderator, er war derjenige, um den sich alle reißten. Mit seinem jungen Alter und seinem guten Aussehen gewann er unendlich viele Mädchenherzen und mit seinem Humor brachte er sie zum Lachen.
Selbst ich kannte ihn und das musste etwas heißen.
Lucian betrat mit einem strahlenden Lächeln, das sich auch in seinen hellblauen Augen widerspiegelte, den Raum und bedankte sich erst beim Master of Events. Dann wand er sich der Kamera zu.
"Guten Abend Illéa! Ich wette mit jedem Einzelnen von Ihnen, dass sie heute Abend mindestens genauso aufgeregt sind wie ich selbst. Und das, obwohl ich mich noch nicht einmal für die Selection bewerben durfte." er grinste. "Ich hätte es nur allzu gerne getan, aber der König war nicht ganz so begeistert von der Idee."
Adira lachte leise auf. Ich schüttelte den Kopf.
Die Kamera richtete sich für einen kurzen Moment auf das Gesicht des jungen Prinzens. Er lächelte, doch seine Augen lächelten nicht mit. Auch er war nervös. Auch er befürchtete etwas.
Kein Wunder, seine Auswahl war so beschränkt. 35 Mädchen! Wie hoch war da schon die Wahrscheinlichkeit, dass er die Richtige, die Eine treffen würde?
"Wie dem auch sei, bevor das große Geheimnis gelüftet wird, würde ich gerne noch ein, zwei Worte mit unserem umwerfenden Prinzen wechseln."
In diesem Moment stand Aramis auf, so als hätte er nur darauf gewartet, und begab sich zu einem Stuhl, der neben Lucian stand.
"Es ist schön Sie wieder zu sehen, eure Hochheit."
"Dankeschön, Lucian. Die Freude ist ganz meinerseits." die angenehm ruhige Stimme des Prinzens stand überhaupt nicht im Einklang mit seinem unbeholfenem Durch-Die-Haare-Streichen und seinem etwas eingeschüchtertem Lächeln. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber die Situation schien dem Schönling etwas unangenehm.
"Tausende Mädchen haben sich beworben, nur um eine Chance darauf bekommen, Ihre Prinzessin zu werden - wie fühlen Sie sich dabei?"
"Es ist unglaublich" mit einem Mal lachte er auf und sah viel selbstsicherer aus. "Ich habe nie wirklich sonderlich viel mit Mädchen zu tun gehabt und jetzt sowas. Ich weiß noch nicht so ganz, was ich davon halten soll. Aber schlecht fühlt es sich definitiv nicht an."
Okay. Er hatte mir besser gefallen, als er noch etwa verlorener schien.
"Das ist verständlich! 35 bildschöne Mädchen um sich herum zu haben kann auch gar nicht schlecht sein." Lucian nickt zustimmend. "Sehen Sie denn irgendwelche Schwierigkeiten auf Sie zukommen, oder sehen Sie dem Ganzen entspannt entgegen?"
"Ich denke ein bisschen von beidem. Natürlich wird es Schwierigkeiten geben - 35 Mädchen mehr in diesem Palast, das wird sicherlich für ein bisschen mehr Action sorgen. Aber ich glaube auch, dass es Nichts bringt, sich darüber Gedanken zu machen. Ein bisschen Action und Aufregung hat noch nie jemandem geschadet." er zwinkerte provokant in die Kamera und man konnte im Hintergrund das Lachen Lucians vernehmen.
"Nun gut, die Zeit drängt und ich muss das kleine Interview hier leider beenden." seufzte er. "Aber eine letzte Frage: Wie sollte das perfekte Mädchen Ihrer Meinung nach sein?"
"Blond, blauäugig, mit einer kleinen Stupsnase und vollen Lippen." er lachte auf. "Nein, Scherz beiseite. Ich habe keine genauen Vorstellungen. Ich möchte jemandem, mit dem ich auf einer Wellenlänge bin und jemanden, der mich für mich liebt und nicht dafür, dass ich der Prinz Illéas bin."
Wow. Ich war enttäuscht. Zu Beginn hatte ich gedacht, dieser Typ wäre gar nicht mal so schlecht, doch nun benahm er sich schrecklich. Seine Augen strahlten kein bisschen Unsicherheit mehr aus, sondern vielmehr eine Art der Selbstzufriedenheit. Der Selbstverliebtheit.
Ich war überrascht als ich bemerkte, dass dennoch Adira neben mir auflachte. Sie war so verliebt in ihn.
"Dankeschön für dieses Interview, Eure Hochheit. Das haben sie ausgezeichnet gesagt und ich denke ich spreche im Namen Illéas wenn ich Ihnen das größtmögliche Glück auf der Suche nach Ihrer Prinzessin wünsche."
"Dankeschön, Lucian."
"Lasst uns nun die 35 jungen Ladies offenbaren, die das Glück haben in den Palast einziehen zu dürfen. Ladies und Gentlemen, hier sind die zukünftigen Töchter Illéas.
Der Bildschirm wurde nun fast komplett von dem nationalen Emblem bedeckt mit Ausnahme eines kleinen Rechteckes in der oberen rechten Ecke. Dort war Aramis zu sehen. So konnte ganz Illéa seine Reaktion auf die Mädchen mitverfolgen.
"Ich glaube, ich hab vergessen wie man atmet." Adira schnappte laut nach Luft. "Ella, lass meine Hand bitte nicht los, ja?"
"Natürlich nicht." ich nickte ihr liebevoll zu.
Mittlerweile hatte sich mein Hoffnungsschimmer fast gänzlich aufgelöst und ein Teil von mir wollte schon gar nicht mehr Teil der Selection werden. Diesen arroganten Prinzen wollte ich gar nicht erst kennenlernen. Ich würde mit ihm ohnehin nicht klarkommen und nach einigen wenigen Tagen schon wieder aus dem Palast geschickt werden.
Aber es würde dennoch meiner Mutter helfen. Wir würden trotzdem belohnt werden.
"Miss Emma Stonem aus Hansport, Zwei."
Ein Mädchen mit welligen, hellbraunen Haaren erschien auf dem Bildschirm. Auf ihrer Nase hatte sie tausende Sommersprossen und ihre hellen Lippen formten sich zu einem umwerfenden Lächeln. Aramis' Augen weiteten sich.
"Miss Saturn Charleston aus Waverly, Vier."
Ein Foto von einem blonden Mädchen großen, freundlichen Augen erschien auf dem Bildschirm. Ihre Augen funkelten ehrlich. Aramis nickte lächelnd.
"Miss Brea Tram aus Paloma, Fünf."
Diesmal war es ein Mädchen mit dunklerer Haut, das zu sehen war. Sie hatte nicht viel Make-Up drauf, doch das brauchte sie auch nicht. Sie sah aus wie eine wahre Prinzessin. Und das obwohl sie eine Fünf war. Auch der Prinz schien nicht wenig beeindruckt. Ihm fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.
"Miss Norway Jackson aus Carolina, Drei."
Wieder eine Blondine mit hellen Augen. Doch im Gegensatz zu dem Mädchen aus Waverly schien sie von einem Geheimnis umhüllt zu sein. Ihre Augen schienen nicht alles preiszugeben. Ihr Lächeln glich dem bekannten Mona-Lisa Lächeln. Diesmal schien Aramis nicht ganz so begeistert, doch immer noch lächelte er.
"Miss Mariella Ayres aus Kent, Vier."
Auf einmal hatte ich das Gefühl, die Zeit würde stillstehen. Die Sekunden würden nicht verstreichen.
Ich hörte meinen Herzschlag.
Mum schrie auf.
Adira ließ meine Hand los und umarmte mich.
Ich schwieg.
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