Kapitel 14
Der nächste Morgen verlief still. Am Frühstückstisch sprach keiner ein Wort, nicht einmal May die sonst immer etwas zu sagen hatte. Ich hatte kaum Hunger und ließ das halbe Brötchen auf meinem Teller liegen. Maxon griff unter dem Tisch nach meiner Hand, drückte sie sanft und lächelte mir aufmunternd entgegen. Es bestärkte mich zu wissen, dass ich nicht allein war. Er liebte mich und Mum und May taten das auch. Bei Kota war ich mir nicht sicher, er hätte es vorgezogen in einem Hotel zu übernachten, was für uns alle am besten zu sein schien, denn niemand vermisste ihn hier. Obwohl die Kasten nun aufgehoben wurden, schien es, als würde er sich noch immer dafür schämen, dass seine kleine Schwester es weiter gebracht hatte, als er. Das war Unsinn, diese Zahl sagte ja nichts über mich aus und irgendwo in seinem Innern wusste er das auch, da war ich mir sicher. Manchmal musste ich an die Tage denken, in denen wir zusammen im Baumhaus gespielt hatten und glücklich waren. Heute konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass ich mit Kota je Spaß gehabt habe. Er war verändert. Aber darüber würde ich mir nun nicht weiter den Kopf zerbrechen. Der Tag gehörte allein Kenna. Sie zu verabschieden schien mir noch vollkommen unwirklich. Sie war so jung, sie hatte noch ein ganzes Leben vor sich gehabt. Und nun? Sie würde ihrer Tochter nicht beim wachsen zu sehen können, sie würde sie morgens nicht zu Schule bringen, sie würde... Der Gedanke an all das, was sie verpassen würde war zu grausam.
„Ich werde dir alles erzählen" sagte ich mir innerlich. Sie würde nichts verpassen. Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich blinzelte sie weg. Maxon, der noch immer meine Hand hielt, sah mich mitleidend an. Seine Blicke schienen sagen zu wollen wir schaffen das, ich bin für dich da. Ich schaffte es zumindest den Anflug eines Lächelns über mein Gesicht huschen zu lassen, ohne dass es zu gequält aussah.
Nach dem Frühstück begann Lucy sofort mit der Kleiderauswahl. Von kurz bis lang, von weit bis schmal war alles dabei. Sie hatte sich wirklich Mühe bei der Anfertigung der Kleider gegeben. Ich probierte mehrere an und unter Lucys Überredungskünsten entschied ich mich für ein schwarzes, knielanges Kleid. Vom Ausschnitt bis zur Taille lag es eng an meiner Haut, der Rock fiel luftig und leicht an meinen Beinen herab. Die Ärmel bedeckten gerade einmal meine Schultern und der Kragen endete auf der Hälfte meines Halses.
„Die Beerdigung fängt in einer Stunde an."
In Lucys stimme lag Bedauern, Trauer und noch etwas, dass ich nicht ganz zuordnenden konnte.
„Brauchst du noch etwas?"
„Nein danke, mir geht's gut."
„Okay, also wenn doch, du weißt, wo du mich findest."
Ich war ihr dankbar für alles was sie für mich getan hatte. Vor ihr musste ich nichts verstecken. Sie Strecke ihre Arme aus und ich ließ mich in die Umarmung sinken. Meine Beherrschung kippte und Tränen tropften auf den Stoff, der Lucys Schulter umhüllte.
„Ich kann einfach nicht glauben das, dass sie-"
„Schon gut, ich bin für dich da."
Mit der Zeit hatte ich mich wieder gefangen, wischte mir die Tränen aus den Augen und Schaffte es mit Mühe ihr ein Wort ins Ohr zu flüstern: „Danke."
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