Kapitel 17: Forgive me


Weit entfernt höre ich eine Stimme meinen Namen rufen. Kurz darauf erkenne ich Amy auf mich zu rennen. Sie kniet sich vor mich hin und sieht in mein Gesicht voller Tränen.

"Es tut mir so leid. Das ist alles meine Schuld Amy!" Schluchze ich. Sie nimmt mich in den Arm und hilft mir hoch.
"Das ist nicht wahr, so etwas kann jedem passieren." Ihre Stimme zittert. Ich sehe sie an. Auch ihre Augen glänzen und ihre Wangen sind feucht von ihren Tränen. Sie weiß nicht, dass ich an allem Schuld bin. Sie hat keine Ahnung, was ich getan habe. Und plötzlich tut es mir wieder so unglaublich leid. Nicht nur was ich Ethan angetan habe. Als ich Amy ansehe, bemerke ich den Schmerz in ihren Augen. Ich muss an seine anderen Freunde denken und an seine Eltern. Ihr aller Schmerz lastet auf mir.
"Was soll ich denn jetzt tun Amy? Was ist wenn..." Meine Stimme versagt.
"...Wenn er stirbt?" flüstert sie.
Ich nicke und ein kalter Schauer durchfährt meinen Rücken.
"Das könnte ich mir nie verzeihen." Ich blicke auf den Boden. Amy hebt mein Kinn an, damit ich sie ansehe.
"Das wird nicht passieren," sagt sie, auch um sich selbst davon zu überzeugen.

Und wenn doch? Wenn irgendwelche Schäden bleiben? Dann wäre nichts mehr wie vorher.

Du könntest ihm nicht mehr in die Augen sehen, musst jeden Tag mit Schuldgefühlen leben und träumst jede Nacht von dem Unfall mit seinen schrecklichen Bildern, die für immer in deinem Kopf bleiben.
Es ist alles deine Schuld. Hättest du nicht auf dieses Mädchen gehört, sondern ihm vertraut und diesen Streit gar nicht erst angefangen dann wäre all das nie passiert!

Ich wünsche mir, ich könnte die Zeit zurück drehen. Dann würde ich dem Mädchen auf der Party sagen, dass sie falsch liegt. Hätte Ethan niemals so angeschrien und keinen Streit verursacht. Und es hätte nie diesen schrecklichen Unfall gegeben. Doch das kann ich nicht. Ich kann nur der Realität ins Auge blicken und hoffen, dass er mir all das verzeiht. Aber im Moment fällt mir nur eines ein, was ich tun kann.

"Amy?" frage ich und wische mir ein paar der Tränen aus dem Gesicht.
"Bist du mit deinem Auto da?"
Sie nickt langsam.
"Du willst ins Krankenhaus." sagt sie und trifft damit genau ins Schwarze.
Langsam machen wir uns auf den Weg und verlassen das Gelände. Jetzt stehen nur noch ein paar wenige Menschen und 2 Polizisten dort. Sie reden gerade mit einem Mädchen, das etwa 13 Jahre alt ist und ich frage mich, ob und was sie mit dem Unfall zu tun hat.
Wie in einem Film, verdunkelt sich jetzt der Himmel und es fängt an zu regnen. Als wir in Amys kleinem Auto sitzen, durchzuckt ein greller Lichtblitz die schwarze Dunkelheit.
Die Scheibenwischer bewegen sich in gleichmäßigen Tempo hin und her, während wir die Straße entlang rauschen.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil Amy mich selbst verteidigt hat und sagte, dass es nicht meine Schuld wäre, deswegen erkläre ich ihr jetzt alles. Von der Party mit dem Mädchen bis hin zu unserem Streit mit dem Unfall. Sie unterbricht mich kein einziges Mal und als ich fertig bin brechen die Tränen nur so aus mir heraus. Ich bitte sie, nichts dazu zu sagen, weil ich mehr nicht ertragen kann.
Bald erkenne ich das weiße Krankenhaus und springe förmlich aus dem Wagen heraus, sobald Amy geparkt hat. Ich renne über den Parkplatz während der Regen meine Haare und Klamotten völlig durchnässt. Aber das ist mir egal. Ich will zu ihm und dafür würde ich jetzt alles tun. Mit klopfendem Herzen öffne ich die durchsichtige Türe und trete ein. An der Rezeption frage ich nach Ethan Cartwright. In dem Moment kommt ein Mann in weißer Kleidung vorbei. Er bleibt stehen als er den Namen hört, gerade als auch Amy herein kommt.

"Sie sind wegen Herrn Cartwright hier?" vergewissert er sich.

"Ja, was ist mit ihm? Geht es ihm gut?" platzt es aus mir heraus.

"Er wird gerade operiert. Sind Sie Freunde von ihm?"
Amy und ich nicken.

"Wann können wir zu ihm?" fragt sie.

"Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, aber ich bringe sie zu einem Platz wo sie in Ruhe warten können."

Fünf Minuten später sitzen wir in einem ruhigen Gang und warten. Warten. Warten. Es kommt mir vor wie mehrere Tage. Reden tun wir nicht. Jeder von uns ist mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und das sind bei mir diese schrecklichen Schuldgefühle. Ich frage mich, woran Amy wohl denkt. Sie kennt ihn ja viel länger als ich.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, kommt eine Krankenschwester, die uns mitteilt, dass wir nun zu ihm können. Sie führt uns zu einem Zimmer und lässt uns dann alleine. Ich lege meine Hand auf den Türgriff. Jedoch nicht in der Lage ihn herunter zu drücken um die Türe zu öffnen. Die ganze Zeit wollte ich nichts anderes, wie zu ihm zu gehen. Ihm alles zu erklären, mich bei ihm zu entschuldigen und um Verzeihung zu bitten und zu wissen wie es ihm geht. Aber jetzt packt mich plötzlich die Angst. Was wenn er mich nicht sehen will, wenn er mir nicht verzeiht oder wenn er schwerwiegende Verletzungen hat. Verletzungen, die nicht mehr heilen werden. Die Angst steht mir ins Gesicht geschrieben denn als Amy mich ansieht,legt sie ihre Hand auf meine um mir Kraft zu geben. Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber im Moment freue ich mich wirklich über Ihre Gesellschaft, denn außer Ethan und seinen Freunden kenne ich noch niemanden hier.
Ich atme tief ein und drücke sie herunter. Amy betritt als erste das Zimmer und läuft zu seinem Bett. Während ich weiter hinten stehen bleibe und mich nur langsam nähere.
Ich starre ihn an. Er hat ein großes Pflaster nahe seines linken Auges. Seine Haare stehen in alle Richtungen ab und er hat mehrere Schirfwunden am ganzen Körper verteilt. Die Bettdecke liegt auf der Seite, vermutlich weil er so schwitzt.

"Ethan! Wie geht es dir?" fragt Amy, erfreut darüber, ihn endlich zu sehen.
Ich sehe, wie er lächelt.

"Hey. Ganz gut soweit" antwortet er und guckt an sich herunter.
"Ich habe ein paar gebrochene Knochen, eine Fraktur im rechten Bein. Naja und dann ein paar Kratzer hier und da aber das wird wieder. Hätte schlimmer kommen können."

"Das hört sich ja schrecklich an. Werd bitte schnell wieder gesund!" meint Amy. Ethan muss lachen, was sich jedoch eher nach husten anhört. Doch als er das bemerkt lacht er nur noch mehr.
Dann entdeckt er mich und das Lachen ist schlagartig vorbei. Ist er sauer auf mich? Hat er nicht damit gerechnet, mich hier zu sehen? Will er mich gar nicht sehen? Vielleicht sollte ich einfach gehen, bevor er etwas sagen kann. Aber ich stehe da, wie angewurzelt, unfähig mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

"Viola?" fragt er, als ob er sich nicht ganz sicher ist ob das auch ich bin. Aber sein Gesichtsausdruck wird sofort weich und er lächelt mich an, was mich sofort etwas beruhigt. Schon wieder bemerke ich, wie meine Augen feucht werden aber ich lächle auch.
"Hey," bringe ich Mi kratziger Stimme hervor und laufe langsam zu ihm.
Amy sieht von ihm, zu mir und wieder zurück und sagt dann, dass sie uns mal alleine lasse, weil wir bestimmt einiges zu besprechen hätten. Dankend sehe ich sie an, bevor sie hinaus geht und die Türe leise hinter sich schließt.
Ethan klopft auf sein Bett und rutscht so gut es geht auf die Seite, damit ich mich zu ihm setzen kann.
"Ethan es tut mir so leid," schluchze ich während ich mich vorsichtig setze.

"Ich war so dumm. Das ist alles meine Schuld! Ich hätte dir gleich alles erzählen müssen und dir glauben sollen!", bricht es aus mir heraus.

Ethan schüttelt den Kopf und streicht mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

"Mache dir nicht so viele Gedanken." flüstert er.
"Das wird wieder."

Ich weiß nicht was ich sagen soll, außer mich tausendmal bei ihm zu entschuldigen, oder in Tränen auszubrechen, deswegen sage ich einfach gar nichts.
Nach einer Weile fragt er, was damals auf der Party passiert sei.
Also nehme ich tief Luft und erzähle ihm alles. Zwischendurch muss ich immer wieder eine Pause machen um meine Tränen aus dem Gesicht zu wischen und tief Luft zu holen. Aber irgendwie schaffe ich es dann doch.

"Das war Sarah," sagt er schließlich. Ich bin überrascht und gleichzeitig erleichtert, dass er sonst nichts sagt. "Sie ist tatsächlich meine Ex- Freundin. Allerdings habe ich damals mit ihr Schluss gemacht. Es war einfach nicht das Richtige. Seither versucht sie jede Gelegenheit auszunutzen um mir Schaden zuzufügen. Es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen müssen."

"Mir tuts leid. Jetzt wenn ich das so höre, war meine Aktion total lächerlich. Ich habe völlig überreagiert und dir nicht vertraut. Verzeist du mir?" Gespannt sehe ich ihn an. Wenn er jetzt Nein sagt, kann ich ihm das nicht übel nehmen. Denn es lag an mir.
Aber ein Teil von mir würde zerbrechen.

Sein Blick wird wieder weich und er lächelt mich mit seinen strahlend weißen Zähnen an.
"Natürlich verzeihe ich dir, ich liebe dich Viola und an dem Unfall bin ich selbst Schuld. Ich habe einfach nicht aufgepasst."
Mit diesen Worten fällt alle Last von mir ab und ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht. Ich strahle und gebe ihm als Antwort einen zärtlichen Kuss. Vorsichtig lege ich meinen Kopf auf seine Brust und sehe ihn an. Liebevoll streicht er durch meine Haare und ich genieße diese Geste. Mir fällt sein riesen Pflaster am Kopf auf und mit Blick auf die Wunden frage ich, wie es passiert ist.

"Als ich aus der Ausfahrt heraus gefahren bin, war ich so in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht auf den Verkehr achtete. Und dann sah ich dieses kleine Mädchen direkt vor meinem Motorrad." Er schüttelt den Kopf, als könne er all das gar nicht richtig fassen. Dann erzählt er langsam weiter.
"Gerade rechtzeitig konnte ich ihr ausweichen, geriet dabei ins Schwanken und fuhr mit einem Auto zusammen. Ich sah noch wie es immer näher kam und den schrecklichen, hilflosen Gesichtsausdruck des Mannes, der am Lenkrad saß. Sah Teile meines Motorrads durch die Luft fliegen und die Autoräder. Ich nahm den Schrei des Mädchens war und die quietschenden Reifen. Dann wurde alles schwarz." Ich sehe, wie seine Augen feucht werden und bekomme sofort wieder Schuldgefühle.

"Als ich meine Augen das nächste Mal aufmachte spürte ich diese Schmerzen am ganzen Körper. Und dann sah ich dich. Alles was ich wollte warst nur du." Eine Träne läuft ihm die Wange hinunter und seine Stimme ist heißer. Noch nie habe ich einen Jungen in meinem Alter weinen sehen. Ich streiche über seine Wange. Fange die Träne auf.

"Was dann passiert ist, weiß ich nicht. Bis ich hier aufwachte."

Mit kratziger Stimme erzähle ich ihm was dann geschah:" Du hast dich aufgerichtet, deine Augen aufgerissen. Dann hast du schwer Luft geholt und bist... zurück auf die Liege gekippt. Du hattest... Einen Herzstillstand." Ich lege eine Pause ein, damit er es kurz verarbeiten kann bevor ich weiter rede.
"Das Rettungsteam sprang wild durch die Gegend. Sie haben mich von dir verngehalten und dann sah ich nur noch, wie sie alles versuchten, um dein Herz wieder zum Schlagen zu bringen und dich in den Rettungswagen hieften." Ich senke den Kopf, weil ich wieder daran denken muss, was passiert wäre, wenn sie es nicht geschafft hätten.
Keiner von uns sagt etwas.

Nach einer Weile frage ich: "Wie lange musst du hier bleiben?"
"Ich weiß es nicht. Ein paar Tage, hoffe ich und dann darf ich vielleicht wieder nach Hause, um dort die Zeit im Bett zu verbringen. Sehr viel kann ich leider nicht machen mit meinem demolierten Körper.

"Ich komme dich besuchen. So oft ich kann. Ich werde mich nach einem Auto umsehen, dann bin ich nicht auf meine Eltern, Freunde oder den Bus angewiesen, das hätte ich onehin schon lange machen sollen." meine ich erfreut.

"Das ist echt lieb von dir," meint Ethan und drückt mir einen Kuss auf meinen Kopf, der immer noch auf seiner Brust liegt. Ich muss lächeln.

Irgendwann kommt Amy wieder und wir reden noch eine ganze Weile. Bevor wir uns von Ethan verabschieden, fragt er mich ob ich sein Handy mitbringen kann, wenn ich ihn besuchen komme. Damit wir uns anrufen und schreiben können. Es liegt bei ihm Zuhause auf dem Bett. Ich verspreche es ihm und winke ihm noch einmal zum Abschied.

Als wir das Krankenhaus verlassen, ist es schon dunkel. Die Zeit vergeht immer wie im Flug, wenn ich bei Ethan bin. Wir laufen über den feuchten Asphalt und ich muss aufpassen, dass ich in keine Pfütze trete. Immerhin hat es aufgehört zu regnen und es weht nur noch ein leichter Wind. Ich atme die frische Luft ein und fühle mich sofort ein wenig besser.

Während der Fahrt überlege ich, wie ich das alles meinen Eltern beibringen soll. Meine Mom ahnt bestimmt schon etwas, vorallem nach unserem Streit der kaum zu überhören war. Dazu kommt noch, dass ich seither verschwunden bin ohne ihr auch nur die geringste Nachricht hinterlassen zu haben. Sie wird mich fragen was passiert ist und wo ich war, da bin ich mir ganz sicher.
Als wir an der Ecke vor meinem Haus vorbei fahren, ist es völlig ruhig. Keine Polizei, kein Rettungswagen, keine Menschen. Sogar das Motorrad oder zumindest, was noch davon übrig war, wurde entfernt. Als hätte hier nie ein Unfall statt gefunden.

Amy hällt in unserer Einfahrt und ich danke ihr für alles was sie heute für mich getan hat. Sie lächelt und wir verabschieden uns von einander.

Bevor ich die Klingel drücken kann, höre ich Toffee bellen und kurz darauf ein aufregendes Kratzen an der Tür. Sofort muss ich lächeln.
Mom öffnet und nimmt mich in den Arm.

"Wo warst du denn die ganze Zeit. Mensch, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!", sagt sie und drückt mir einen Kuss auf die Backe.

"Ich war bei Ethan... Im Krankenhaus," antworte ich.

"Im Krankenhaus? Wieso? Was ist passiert?", fragt sie bestürzt. Bevor ich ihr jedoch antworten kann spricht sie schon weiter:

"Nun setze dich erst mal hin und erzähle mir ganz in Ruhe was passiert ist."

Ich lächel sie dankbar an und setze mich auf die Couch im Wohnzimmer. Toffee kommt angerannt und springt zu mir hoch, woraufhin Mom erschrickt und verzweifelt versucht sie herunter zu bekommen. Sie sagt, dass diese Couch sehr teuer und nicht unbedingt für Hunde geeignet ist, was Toffee jedoch wenig interessiert. Sie ist eben nunmal sehr bequem. Ich lache und klopfe auf meinen Schoß damit sie sich dort hinsetzt. Da ihr das genauso gefällt sind am Schluss sowohl Hund als auch meine Mutter einigermaßen zufrieden.
Sie bringt mir noch ein Glas Wasser, bevor sie sich zu mir setzt und aufmerksam zuhört.
Ich erzähle ihr, dass wir uns gestritten haben und ich ihn angeschrien habe das Haus zu verlassen und wie es darauf hin zu dem Unfall kam.

Von der Party erzähle ich nichts.

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Hey!
Leider sind die Ferien vorbei und die Schule hat wieder angefangen. Jetzt habe ich natürlich weniger Zeit an diesem Buch weiter zu schreiben, ich hoffe euch gefällt das Kapitel❤
Lässt doch ein Vote oder Kommi da, dauert auch nicht lange ;)
Bye!

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