Kapitel 9

Samu saß noch immer neben dem Bett seiner Tochter und tat nichts. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand und summte die Melodie von ‚Little bit Love' als plötzlich die Türe aufging.
„Guten Tag. Sind sie Samu Haber?", fragte ein junger, hoch gewachsener Mann mit dunkel blonden Haaren.
Samu setzte sich gerade hin und antwortete: „Ja, der bin ich."
Der Mann nickte und sagte: „Ich bin Mika Roikola, Psychologe. Mir wurde gesagt, ich soll Ihnen einen Tipp geben. Weil Ihre Tochter ja Suizid begehen wollte.", sagte er und lehnte sich nervös gegen den Türrahmen. „Naja... auch wenn die Kollegen das vielleicht denken, aber wirklich viel kann ich Ihnen da auch nicht sagen. Aber vielleicht versuchen Sie, den Grund, also das was sie dazu gebracht hat, so gut es geht zu beseitigen. Also dass Sie vielleicht erst einmal darüber reden... Und ansonsten kann ich Ihnen beiden natürlich auch nur eine Therapie empfehlen.", fuhr er fort und spielte nervös an seinem Hemdärmel.
Samu nickte ausdruckslos und antwortete: „Danke für den Tipp." Er lächelte etwas gestellt und schnell verabschiedete Mika Roikola wieder.
Samu lehnte seinen Kopf wieder an die Wand und dachte über diesen Tipp nach. Es war eigentlich keine schlechte Idee. Vielleicht würde er, später einmal mit Suvi reden können... wenn sie noch einmal aufwachen würde...
Plötzlich hustete Suvi und schlug ihre Augen auf. Sofort sprang Samu auf.
„Gott Suvi! Wie konntest du mir nur einen solchen Schrecken einjagen?", fragte Samu und legte seine Arme um sie. Suvi sah ihn etwas perplex an doch schließlich öffnete sie ihren Mund.
„Papa... es tut mir... leid...", sagte Suvi doch ihre Stimme brach.
„Schschsch! Nicht darüber nachdenken.", sagte er und drückte sie noch fester an sich. Suvi fühlte sich besser. Ihr Arm tat höllisch weh, und auch ihr Kopf pochte noch immer. Aber von ihrem Vater in den Arm genommen zu werden, war das schönste was ihr passieren konnte.
„Papa... ich... also... es ist... die anderen haben mir so Nachrichten...", fing sie an, doch Samu legte seinen Finger auf ihren Mund.
„Ich sagte, nicht darüber nachdenken. Du kannst mir später alles erzählen, wenn du dich besser fühlst.", lächelte er etwas doch seine Augen waren schon rot.
„Ich höre auf darüber nachzudenken, wenn du aufhörst zu weinen. Sonst fange ich gleich auch an!", sagte Suvi, umarmte ihren Vater ebenfalls und vergrub ihr Gesicht in seinem Bauch. Samu legte den Kopf in den Nacken und biss sich auf die Unterlippe. „Papa, es war dumm von mir.", sagte Suvi verlegen und ließ Samu los. Dieser löste sich auch von ihr und setzte sich wieder auf den Stuhl.
„Ich würde mal sagen, nicht deine beste Idee...", stimmte er zu. Samu wollte gerade den Mund aufmachen um noch etwas zu sagen, als ein Arzt herein kam.
„Ah, sehr gut! Sie sind wach Fräulein Haber. Das ist ja schön.", sagte er und winkte jemandem auf dem Gang zu. Schon kam Dr. Paakkanen herein und stellte sich mit einem Klemmbrett neben Suvis Bett.
„Kann ich dir ein paar Fragen stellen, oder geht das gerade nicht?", fragte er sie. Suvi sah ihren Vater an und zuckte mit den Schultern. Eigentlich wäre es Samu lieber gewesen, wenn er noch etwas alleine mit seiner Tochter reden könnte, aber die ärztlichen Untersuchungen gingen vor.
„Gut, dann als erstes: Warum hast du..."

Drei volle DIN A4 Seiten später, hatte Suvi die Fragestunde endlich abgeschlossen und Dr. Paakkanen verließ das Zimmer wieder. Er hatte alles Mögliche gefragt, und Suvi hatte immer brav geantwortet. Samu hatte das gesamte Gespräch natürlich von seinem Stuhl aus mit bekommen, und jetzt war etwas beruhigter. Wenigstens lag es nicht hauptsächlich an ihm.
„Suvi, ich weiß du wurdest gerade ziemlich ausgefragt. Aber darf ich dich trotzdem noch etwas fragen?", Samu sah seine Tochter verlegen an.
„Nein, ist schon in Ordnung. Was denn?", fragte sie und kratzte sich am Kopf.
„Naja... was kann ich tun, um dir zu helfen?", fragte er und faltete die Hände. Suvi starrte aus dem Fenster und dachte nach. Was würde ihr überhaupt helfen?
Schließlich antwortete sie: „Ich glaube, wenn du mir vertrauen würdest und vielleicht öfter für mich da wärst... das wäre bestimmt eine große Hilfe.", sie sah ihrem Vater in die Augen.
Dieser nickte. „Damit kann ich arbeiten.", sagte er und lächelte etwas. Dann schnippte er mit dem Finger und fragte: „hast du dein Handy dabei?"
„Wenn du meine Jacke mitgenommen hast, dann ja.", sagte Suvi und sah sich um. Samu stand auf und ging zur Tür wo sowohl seine als auch Suvis Jacke hingen.
„Darf ich?", fragte er und deutete auf ihre Jacke. Suvi nickte und sah erwartungsvoll wie Samu ihr Handy aus der Jacke nahm und wieder zu ihr kam.
„Und jetzt?", fragte sie als er wieder auf dem Stuhl saß.
Samu sagte: „Jetzt schreiben wir allen eine Nachrichten zurück. Wir erzählen nicht zu viel... aber wir müssen ihnen ein schlechtes Gewissen machen!"
Suvi war überrascht. Ihrem Vater hätte sie so etwas eigentlich nicht zugetraut. Doch jetzt wo er es sagte, fand sie es eine sehr gute Idee. Sie nickte und endsperrte ihr Handy. Sie wurde etwas rot, als ihr einfiel, dass ihr momentanes Hintergrundbild, das Cover von ‚Heartbreak Century' war. Als Samu das sah, grinste er.
„Mag da jemand meine Musik?", fragte er und hob die Augenbraue.
Suvi grinste zurück und antwortete: „Vielleicht. Aber bild dir nichts drauf ein."
Beide lachten und Suvi hielt ihrem Vater das Handy hin.
„Und was schreiben wir jetzt?", fragte sie. Samu legte das Handy auf sein Bein und kratzte sich am Kinn.
„Wir könnten eine Gruppe erstellen, und dann so einen langen Text schreiben, in dem wir alles etwas aber wirklich nur ETWAS übertreiben."
Er grinste verheißungsvoll. Und so, fingen sie an zu texten:

Hallo an alle Arschlöcher, wegen denen ich fast ins Jenseits gewandert wäre.
Ich wollte euch eigentlich nur fragen, was all diese Scheiße sollte? Ich habe euch nie etwas getan. Dank euch, habe ich mich gehasst, meine Eltern gehasst und zu Letzt auch mein Leben. Ich habe es gehasst, jeden morgen aufzustehen. Ich habe es gehasst, jeden Tag aufs neue in die Schule zu kommen. Warum konntet ihr euch nicht aus meinem Leben raus halten? Es war noch nie ein Zuckerschlecken und das lag nicht alleine an euch, aber ihr hättet auch einfach eure Schnauzen halten können.
Ich habe versucht es zu ignorieren, aber glaubt mir: Wenn auf einmal selbst der eigene Vater glaubt, man hätte mit einem seiner Lehrer geschlafen, dann kann man es irgendwann nicht mehr ignorieren. Wisst ihr eigentlich, wie viele Menschen an solchen Aktionen schon kaputt gegangen sind? Und so auch ich. Ihr habt euch in den Vordergrund meines Lebens gedrängt weswegen ich es mir nehmen wollte. Ich wollte euch nie wieder sehen. Alles was ich mochte, habe ich angefangen zu hassen. Bis ich irgendwann alles hasste. Jetzt sitze ich im Krankenhaus und schreibe euch diese Nachricht mit einer letzten Frage an euch alle: Fühlt ihr euch jetzt besser?
Vor allem Viivi frage ich: Fühltest du dich besser, nachdem du mir den Holzpflock über gebraten hattest? wenn ja, dann freue ich mich natürlich für dich. Aber das nächste Mal, sag deinem Bruder er soll sich entweder persönlich oder gar nicht an mir rächen.
Und nun, wo ihr euch ja nun alle hoffentlich besser fühlt, nachdem ihr mich so heldenhaft über einen Messenger beleidigt habt, sage ich euch nur ein letztes Mal: Danke.
Danke für all den Schmerz den ich dank euch ertragen durfte. Danke für all die Nächte, die ich weinend zugebracht habe, weil ich mich fragte, warum? Und zu guter Letzt, danke dafür, dass ich mich fast umgebracht hätte. Und wenn mein Vater, dem ich natürlich zuvor in den Arsch gekrochen war, mich nicht gerettet hätte, dann wäre die letzte Visage die ich gesehen hätte, die von Viivi gewesen. Und das wäre vermutlich das schlimmste an meinem Tod gewesen.

Vielen Dank also!



Hallo Leute,
ich wollte euch nur kurz nach eurer Meinung über dieses Kapitel fragen. Und ich wollte mich bei _Dolphin_Angel_ bedanken. Du hast mir wirklich geholfen, denn sonst wäre das Kapitel vermutlich erst in ein paar Tagen online gegangen.
Bleibt alle Gesund und bis im nächsten Kapitel.
Thi

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top