Kapitel 7
Suvi lag noch immer auf ihrem Bett und dachte nach. Was hatte sie denn falsch gemacht? Plötzlich ging die Türe auf und ein zugeschneiter Samu trat ein.
„Suvi... sag mir, dass das nicht wahr ist!", donnerte er. Suvi erschrak. Während sie sich aufsetzte, ging sie im Kopf sämtliche Untaten durch, die sie je begangen hatte.
„Dass was nicht wahr ist?", fragte sie mit zitternder Stimme.
Samu zog sich die Mütze vom Kopf und sagte: „Zwei von deinen Klassenkameraden haben gesagt, du hättest mit einem Lehrer wegen besserer Noten geschlafen!"
Suvi zuckte zusammen. So etwas hatte sie nie getan.
„Papa, ich bin 13! Und wenn du jemals hier gewesen wärst, wüsstest du, dass mein Zeugnis nicht gut ist, und auch nie gut war!", schrie sie und sprang auf.
„Es tut mir leid, dass ich eine erfolgreiche Band habe, mit der ich nun mal auf Tour gehen muss!", brüllte Samu und Suvi zuckte ein wenig zusammen.
„Schön, dass dir deine Touren wichtiger sind, als deine eigene Tochter.", sagte sie leise und stürmte an ihrem Vater vorbei nach unten.
Samu drehte sich um und rief ihr hinterher: „So habe ich das nicht gemeint!"
Doch es war schon zu spät. Er hörte als Antwort gerade noch, wie die Türe zu geknallt wurde.
Suvi war wütend.
Wie konnte ihr eigener Vater nur solch einen Mist glauben?! Sie hatte ihre Jacke von der Garderobe gerissen und war mit einem Schlüssel in der Hand aus dem Haus gestürmt. Sie konnte jetzt nicht bei ihrem Vater sein. Sie lief zu Bushaltestelle und wartete auf den nächsten Bus, der sie zu der kleinen Hütte im Wald fuhr. Als der Bus endlich kam, stieg sie ein und fuhr davon. Ausnahmsweise machte ihr keiner Platz. Um sie herum, fingen nur alle an zu tuscheln. Krampfhaft hielt sie sich an einer der Stangen fest und bemühte sich, nicht anzugfangen zu weinen.
Derweil stand Samu noch immer in ihrem Zimmer und starrte ins Leere. Was hatte er getan? Als er endlich aus seiner Trance erwachte stürzte er nach unten. Er sah zu Garderobe und sah sofort, das die Jacke von Suvi fehlte. Als er in die Schale mit den Schlüsseln blickte, stellte er verzweifelt fest, dass einer der Schlüssel fehlte. Aber nicht der Hausschlüssel, sondern der Schlüssel zu der kleinen Hütte. Und es gab für die Hütte nur einen Schlüssel. Und den hatte Suvi.
Suvi stieg aus und sämtliche blicke folgten ihr. So gut es ging ignorierte sie es doch sie hörte wie jemand flüsterte:
„Die hat mit einem Lehrer geschlafen!"
Wer hatte bloß diese Behauptung in die Welt gesetzt? Suvi legte einen Schritt zu, da es noch ein recht langer Weg bis zu der Hütte war. Sie ging um den letzten Häuserblock und konnte schon den Waldrand erkennen. Schnurstracks ging sie darauf zu. Er lag etwas höher auf einem kleinen Hügel. Die Wiese die sie von dem Wald trennte, schien endlos. Als sie endlich oben ankam, stützte sie sich an einen Baum und sah über die Häuser hinweg.
Plötzlich spürte sie, wie sie von jemandem angerempelt wurde. Sie wollte in Kampfstellung gehen, doch da schlug ihr jemand mit einem Holzpflock gegen den Kopf. Sie klappte zusammen und lag wimmernd auf dem Boden.
„Geschieht die Recht, Miststück!", sagte eine Stimme. Suvi brauchte einen Moment um einen Zusammenhang erstellen zu können. Es war die kleine Schwester von dem Oberstufenschüler, den sie zusammengeschlagen hatte, Viivi.
„Viivi, was soll das?", fragte Suvi mit zitternder Stimme. Ihr Kopf pochte und ihre Arme und Beine brannten von der Kälte des Schnees auf dem sie lag. Doch Viivi antwortete nicht. Sie trat Suvi noch einmal und ging dann davon. Suvi rollte sich vor Schmerz zusammen und atmete flach. Wenn ihr nicht so kalt wäre, würde sie einen solchen Tritt ohne Probleme wegstecken.
Mit zitternden Knien stand sie auf und stützte sich beim gehen an die Bäume. Wenn sie auf dem Boden lag, würde sie bald erfrieren. Und damit wäre auch keinem geholfen.
Sie kam bald an der Hütte an und schloss die Türe auf. Sie trat ein und schloss die Türe wieder hinter sich. Sofort ging sie zu dem kleinen Kamin der an einer der vier Wänden stand und legte drei Holzscheite rein. Dann zündete sie das Holz mit einem Streichholz an. Sie ließ sich vor dem Kamin nieder und wärmte ihre Hände an dem Feuer. Als es ihr besser ging, stand sie auf. Jetzt war sie hier, aber was nun?
Theoretisch könnte sie hier eine Woche ohne Probleme überleben. Im Falle eines Schneesturms hatte sie vor ein paar Wochen einige Konserven und Wasser in der Hütte versteckt. Sie ließ sich auf dem Klavierhocker nieder und dachte nach. Konnte es sein, dass Viivi dieses Gerücht über sie in die Welt gesetzt hatte?
Suvi ließ den Kopf gegen die Holzwand sinken und spürte wie kalte Tränen über ihre Wange liefen. Was hatte das alles für einen Sinn? Ihrem Vater war sie nur ein Klotz am Bein und Freunde hatte sie auch keine. Und für nichts brauchte sie sich am nächsten Montag auch nicht in die Schule quälen. Vielleicht war es besser, wenn sie dem allen hier und jetzt ein Ende bereitete. Noch während sie das dachte stand sie auf, holte aus ihrer Jacke eine Zigarette und rauchte erst einmal.
Das Gefühl, wenn der beißende Rauch ihr Lunge angriff tat ihr in solchen Momenten gut. Sie ging zu der Luke im Boden, wo sie die Konserven gelagert hatte. Sie öffnete die Luke und griff nach einem Messer. Dann stellte sie sich in die Mitte des Raumes. Sie legte das Messer an ihre Schlagader am Arm und wartete. Sollte sie das jetzt wirklich tun? Sie wollte das Messer gerade wieder weglegen, als jemand klopfte.
„Suvi, ich weiß, dass du hier bist!", es war ihr Vater. „Bitte, lass mich rein.", er klang schon fast verzweifelt. Suvi aber dachte nicht daran, ihn rein zu lassen.
„Geh und lass mich alleine.", sagte sie und setzte das Messer erneut an. Draußen vor der Tür bekam Samu Panik.
„Ich breche die Türe auf!", rief er doch Suvi reagierte nicht einmal darauf. Samu trat einen Schritt zurück. Plötzlich hörte er, wie Suvi schrie und trat die Türe mit voller Wucht auf. Sie landete auf dem Boden und Samu stürzte hinein. Drinnen konnte er sehen, wie Suvi in einer Blutlache lag welche sich immer weiter ausbreitete.
Sie wollte sich tatsächlich das Leben nehmen.
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