5: Der magische Treffpunkt
„Ich will ja nichts sagen, aber der Song ist anspruchsvoller.", sagte Kyla als sie geschlagene vier Stunden später noch immer am Klavier saß und lernte.
Paddy fing laut an zu lachen und meinte dann: „Nico spielt auch sehr gut Klavier und Requiem ist auch eigentlich für die Gitarre."
Kyla kicherte und spielte flüssig das was sie bisher konnte. „Es kling schon echt gut, aber wir sollten eine Pause einlegen.", sagte Paddy und klappte den Flügel zu.
„Na gut...", sagte Kyla und stand auf. Erst jetzt merkte sie, wie anspruchsvoll es war, sich vier Stunden am Stück ans Klavier zu setzen.
„Wollen wir ein wenig raus gehen?", schlug Paddy vor, als sie unten im Flur standen.
„Oh ja!", rief Kyla erfreut und zog sich ihre Schuhe an.
„Joelle, wir gehen ein bisschen raus. In Ordnung?", rief Paddy quer durch das Haus.
„Ja klar! Viel Spaß!", kam die Antwort und Paddy zog sich ebenfalls Schuhe an.
„Wo möchtest du denn hin?", fragte er als die beiden in der Einfahrt standen.
„Gibt es hier einen Wald oder so?", fragte Kyla neugierig.
„Ja, ein kleines Wäldchen ist keine zehn Minuten Fußmarsch entfernt.", meinte Paddy und deutete in eine Richtung. Kyla kniff die Augen zusammen, und meinte in der Ferne tatsächlich einen Wald ausmachen zu können.
„Dann los geht's!", rief sie und marschierte los. Paddy folgte ihr und wurde auf einmal etwas verlegen.
„Darf ich dich einmal etwas fragen?", fragte er etwas unsicher.
„Kommt drauf an.", gab Kyla gut gelaunt zur Antwort. Paddy freute sich, dass Kyla sich offenbar sehr wohl fühlte und eigentlich wollte er diesen Moment nicht mit einer vielleicht unangebrachten Frage zerstören, aber es würde ihm keine Ruhe lassen. Und das wusste er.
„Sieh mal, jetzt gerade bist du wahnsinnig gut gelaunt, springst herum und lachst. Und sobald jemand aus dem Heim da ist, wirst du so verschlossen und neutral...", sagte er und kratzte sich etwas verlegen am Kopf.
„Stimmt... Es ist nur so, in der Vergangenheit, hatte ich ein Erlebnis welches mich dazu gebracht hat, mich mit ich glaube sechs oder sieben, vor der ganzen Welt zu verschließen. Keiner Person habe ich vertraut. Und nur vor einer Person der ich vertraue, kann ich lachen.", sagte sie und drehte sich zu Paddy um, der etwas hinter ihr lief. Paddy sah ihr in die dunkelblauen Augen und war gerührt. Da sie vor ihm schon mehr als einmal gelacht hatte, musste sie ihm ja vertrauen. Und zu wissen, dass sie das tat, machte ihn sehr glücklich.
Kurz darauf hatten sie den Wald erreicht. Zwar war der Rest des Weges schweigend verlaufen, aber trotzdem hatte Paddy das Gefühl, sie hätten schon seit Ewigkeiten geredet. Und auch Kyla hatte das Gefühl, Paddy schon seit eigentlich immer zu kennen. Sie fragte sich, wie schnell ein Mensch offenbar doch ihr Vertrauen erlangen konnte. Aber alleine in Paddys Anwesenheit fühlte sie sich besser als sonst. Er hatte etwas an sich, was Kyla nicht beschreiben konnte. Sie hatte das Gefühl, ehrlich ihm gegenüber sein zu müssen.
Sie blieb kurz stehen und sah sich um. Dabei fiel ihr Blick auf einen Baum, der sehr hoch war und viele dicke Äste hatte.
„Paddy, darf ich dich auch etwas fragen?", fragte sie plötzlich.
„Kommt drauf an, was.", gab dieser grinsend zur Antwort.
Kyla drehte sich hüpfend um und fragte: „Wann bist du das letzte Mal geklettert?"
Noch während Paddy verwundert das Gesicht verzog, griff sie nach seiner Hand und zog ihn mit zu diesem Baum. Den ersten Ast konnte sie problemlos erreichen, und zog sich hoch.
„Komm.", forderte sie Paddy auf, und dieser fing an zu lachen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich, alter Mann, je noch einmal auf einen Baum klettern würde.", sagte er und zog seinen Mantel aus.
„So alt bist du doch gar nicht.", gab Kyla zurück. Sie war schon ein ganzes Stück höher geklettert und konnte Paddy beobachten, wie er ihr folgte.
Als sie fast an der Spitze der Baumkrone angekommen war, sah sie nach unten.
„Ich glaube, ich sollte nicht höher. Die Äste brechen noch unter mir.", gab Paddy zu bedenken. Kyla nickte und kam zu ihm runter geklettert und ließ sich Kopfüber von einem Ast hängen.
„Pass mir ja auf.", sagte Paddy, sah für einen Moment streng drein, fing dann aber wieder an zu lachen, da Kyla ihm die Zunge raus streckte und sich wieder hoch zog.
„Sag du noch mal, du hättest kein Talent.", sagte Paddy grinsend und sah Kyla herausfordernd an.
„Würde ich doch nie tun!", kicherte sie.
„Nein, du doch nicht.", sagte Paddy und meinte Kylas Augen aufblitzen sehen zu können.
„Ich habe da hinten etwas gesehen, was ich mir unbedingt ansehen will!", sagte Kyla und deutete hinter Paddy. Er drehte sich um und folgte ihrem Finger.
„Oh, ich glaube ich weiß, was du meinst. Dann los!", sagte er und begann den Abstieg.
Kyla schlug sich vor Paddy durch eine Hecke. Um den Ort zu erreichen, den sie vom Baum aus gesehen hatte, musste sie diese olle Hecke durchqueren.
„Ich glaube, wir sind bald da.", sagte sie an Paddy gewandt.
„Na, wenn du das sagst.", meinte dieser und Kyla kicherte. Endlich hatte sie da Ende der Hecke erreicht, und trat hinaus auf die Lichtung die sich vor ihr auftat.
„Woahh.", sagte sie und sah sich gedankenverloren um. „Hier ist es..."
„...magisch? Ja, ist es.", beendete Paddy ihren Satz. Staunend drehte Kyla sich mehrmals um sich selbst.
Es war eine große Lichtung, auf der irgendwie noch immer Nebel lag. In der Mitte der Lichtung, stand eine alte Trauerweide und ließ ihre im Moment etwas kahlen Äste hängen. Wie als würde er daran kleben, hing der Nebel an ihr. Auf dem Boden lagen einige orangene, rote und braune Blätter.
„Es ist so wunderschön.", sagte Kyla und drehte sich zu Paddy um, welcher sie zufrieden lächelnd ansah. „Das ist ab jetzt unser magischer Treffpunkt.", sagte sie bestimmt. Normalerweise würde sie nicht solche kindischen Dinge sagen, aber bei ihm hatte sie das Gefühl, einfach sie selber sein zu können.
„Wenn du das meinst.", meinte er und lächelte noch mehr.
„Ja, das meine ich.", gab sie bestimmt zurück. Plötzlich fiel etwas Kaltes auf ihre Nasenspitze. Sie blickte in den Himmel und sah viele kleine, weiße Flocken vom Himmel hinunter fallen.
Es schneite.
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