Kapitel 14

Eine Explosion fuhr durch seine Glieder.
Der Blitz schlug in seine empfindlichen Fingerknochen ein, steckte seinen gesamten Körper in Brand – das Feuer schoss seinen Arm hinauf, über seine verkrampfte Schulter bis hinauf zum Kopf. Alexander hatte seine Augen zusammengekniffen, öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Sein Rücken krümmte sich unbewusst, so weit das in den klirrenden Metallketten möglich war, und seine Lider pressten einige Tränen des Schmerzes aus seinen Augenwinkeln.

Er hatte gewusst, dass ihn Qualen erwarteten – aber einen Bericht über derartige Fluchtmanöver zu schreiben war nicht vergleichbar damit, sie selbst anzuwenden. Und er war nicht einmal annähernd fertig.
Der Journalist zögerte, lehnte seinen Hinterkopf für einen Moment gegen die harte Wand hinter ihm. Seine Hände fühlten sich an wie rohes Fleisch, immer wieder sandten sie neue Schmerzenswellen durch seinen Körper. Er biss die Zähne zusammen, zwang sich selbst, still zu bleiben.

Mit zitternden Muskeln hob er seinen rechten Fuß in einem verdrehten Winkel, stemmte den Schuh gegen die Nebenwand des Raumes. Er versuchte noch, seine Handgelenke zu drehen, um die Knöchel angreifbarer zu machen, aber er hatte sie bereits zu sehr beschädigt. Sogar mit seiner Willensstärke waren die Qualen beinahe zu viel.

Bevor er zögern konnte, mit gesenktem Kopf stillstehen wie ein Gehenkter im Strick, sprang er mit dem linken Fuß vom Boden ab und stieß sich mit der gesamten Kraft seines rechten Beines nach hinten – wo seine Daumen zwischen kräftigen Rückenmuskeln und der Betonwand zerquetscht wurden.
Alexander schrie auf, ohne einen Ton über seine Lippen zu lassen – so viel Kontrolle hatte er noch über seine Worte.

Diesmal schien der Schmerz noch schlimmer zu sein als die vorherigen Male, aber er hatte die Energie verloren, sich gegen die Qualen zu wehren. Wieder traten die Tränen über, und wieder waren es nur ein paar, die über seine Wange liefen, ehe er sich resolut zum Aufhören zwang. Er keuchte, spürte sein Blut in den Ohren rauschen – sein Halt, der Beweis dafür, dass er sich nicht selbst umgebracht hatte.
Nur seine Daumen gebrochen, damit er die Hände aus den Fesseln ziehen konnte.

Die scharfen Metallkanten schnitten in sein Fleisch, als er sich schwer atmend zum Weitermachen zwang, und er biss sich selbst auf die Unterlippe, als sich seine Mittelhandknochen verschoben. Aber dann, als bereits schwarze Punkte vor seinen ohnehin geschlossenen Lidern tanzten, stolperte er mit einem Ruck nach vorn – und die nun losen Ketten schellten leise, als sie gegen die Wand zurückfielen.
Der Journalist versuchte nicht einmal, sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sondern fing sich mit einem Knie am Boden ab. Ruckartig luftholend verharrte er für einige Sekunden in der Position, wagte nicht, die Augen zu öffnen. Ihm war übel und sein Kopf puckerte, aber im Vergleich zu den Schmerzen in seinen Händen waren diese Gefühle nichtig. Und sie wurden nur noch größer, als er unter Aufbringung seiner gesamten restlichen Körperkontrolle die Finger hob. Das Reißen des Klebebandes an seinem Kiefer spürte er kaum, so vereinnahmend waren die Krämpfe in seinen Daumen.

Ein leises Knurren war das einzige Geräusch, was er hervorbrachte, bevor er sich langsam erhob. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, dass die Qualen erträglicher werden würden.
Als er sich langsam aufrichtete, taumelte er gegen die Wand, von einem plötzlichen Schwindel ergriffen. Es dauerte nur kurz, bevor sich seine Sicht wieder klärte und die Welt aufhörte, sich zu drehen, aber für Alexander hatte der Moment der Schwäche das Fass zum Überlaufen gebracht. Mit fest aufeinandergepressten Zähnen setzte er kontrolliert Schritt für Schritt, hörte kaum den dumpfen Aufprall seiner Boots, als er sich der Tür näherte. Die Klinke ließ sich mit seinem Ellenbogen problemlos öffnen, sie hatten nicht damit gerechnet, dass er sich befreien würde.

Niemand unterschätzte ihn. Nicht zweimal.
Die Mafiosi würden darauf versessen sein, einen Großteil des Gebäudes von fremden Augen fernzuhalten, es war also wahrscheinlich, dass sie Moore wieder in die Dunkelkammer gebracht hatten. Trotz der Ablenkung durch seine lädierten Daumen funktionierte Alexanders Gedächtnis hervorragend – er fand den Weg dorthin, ohne einen falschen Schritt zu tun.
Was wohl auch sein Untergang gewesen wäre.
Auf dem Flur war es so still, dass er seinen eigenen Atem hörte, und obwohl er weder Fenster noch Lampen sah, warf er einen leichten Schatten auf die schmutzig weißen Wände.

Er brauchte Moore nicht, aber der Journalist war nicht der Verräter unter ihnen. Er ließ niemandem zurück – auch wenn man ihm meistens zu Recht vorwerfen konnte, egoistisch zu sein, er würde keine Frau in den Klauen von Mafiosi lassen. Vielleicht würde sie sich auch gut selbst verteidigen können – und ihm damit freie Bahn aus dem Gebäude hinaus verschaffen –, doch es würde ihm zugutekommen, wenn sie in seiner Schuld stand. Es gab noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen.

Alexander war schon drauf und dran, die Hand nach der richtigen Türklinke auszustrecken, da verzog er erschrocken seine Miene – prompt wieder daran erinnert, wie er aus den Fesseln entkommen war. Mit wütend verzogenen Lippen lehnte er sich eng gegen den schwarzen Kunststoff, lauschte einige Sekunden auf verdächtige Geräusche und setzte dann wieder seinen Ellenbogen zum Öffnen des Eingangs ein. Er spürte das kalte Metall der Klinke durch den Stoff seines Hemdes, umso zorniger, als er sich seinen Mantel herbeiwünschte. Die Mafiosi hatten ihm sein Markenzeichen genommen, seine eigene Form der kühlen Maske, die für ihn mehr war als ein Kleidungsstück – eine sichere Konstante.

Der Journalist schob sich eilig in den Raum, ehe sich seine Augen auch nur an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, und nach dem leisen Knallen der Tür stand er wieder in vollkommener Schwärze. Er hielt den Atem an, hatte alle Sinne bis zum Zerreißen gespannt, suchte nach einem Zeichen ihrer Anwesenheit... aber er wagte es nicht, sich kenntlich zu machen, wusste nicht einmal, ob vor ihm nicht eine Gefahr lauerte.

Oh, und wie sie hier lauerte.
„Links neben dir, in Schulterhöhe, ist ein Lichtschalter."

Er zuckte zusammen, im ersten Moment schlicht davon überrascht, dass sie so plötzlich gesprochen hatte – im zweiten irritiert davon, wie leise und belegt ihre Stimme klang. Er verengte kurz die Augen, bevor er mit dem Oberarm langsam an der Wand entlangstrich, bis er einen leichten Widerstand spürte. Nach einem leisen Klicken war der Raum plötzlich durch Neonröhren hell erleuchtet, und als Alexander blinzelte, tanzten Lichtpunkte vor seinen Lidern.

Wie jedes der Zimmer, das er hier bisher betreten hatte, war auch dieses völlig kahl, nur der Boden war mit Parkett ausgekleidet, das an einigen Stellen unschöne Wasserflecken hatte. Und Moore... Moore kauerte auf der gegenüberliegenden Seite, ihr gelbes Sommerkleid am Boden neben ihr, nur in Top und dünner schwarzer Hose.
Sie hatte die Knie angezogen, ihre Arme darauf abgelegt und den Kopf in die Neigung ihrer Ellenbogen gebettet. Ihre blonden Haare fielen wie ein Vorhang über die Schulter, die Alexander zugewandt war, als würde sie sich... verstecken.

„Wenn schlechtes Gewissen eine Gestalt hätte, würde es genauso aussehen wie du jetzt", schnaubte er kühl, die Arme verschränkt. Er war niemand, den Zeichen der Schwäche erweichen konnten, vielmehr provozierte das seine höhnische Ader nur noch. „Ist das die Haltung einer Frau, die ihren Schutzbefohlenen wie ein Stück Käse in die Rattenfalle geklemmt hat, um ihn dem Ungeziefer zum Fraß zu lassen?"
Er ließ seine Augen nicht von ihrem unbewegten Rücken, den er noch nie so gekrümmt gesehen hatte. Seine Sprechpause war etwas zu lang, um als rhetorisches Mittel zu gelten, aber er hängte trotzdem noch an: „Ihr habt euren Köder unklug gewählt. Jemand, der nicht zurückschnappt, wäre wohl geeigneter gewesen." Obwohl sie es nicht sehen konnte, blitze sein Blick, und seine Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn. „Ich bin kein Opfer, Moore. Weder eines der Art, die Hilfe brauchen, noch eines, das ihr wie ein Lamm zur Schlachtbank führen könnt. Wenn ich entscheide, dass ich euren Köder spiele, dann seid dankbar. Wenn ich entscheide, dass eure Probleme nicht meine sind, dann respektiert das. Denn so seid ihr nicht besser als die Mafia selbst."

Er atmete schwer aus, ließ einen Teil seiner Anspannung mit der Luft verfliegen. Er hatte seinen Standpunkt klargemacht, aber die Agentin am Boden vor ihm schien nicht einmal zu bemerken, dass sie an der Reihe war, ihm seine Unwichtigkeit gegenüber der CIA darzulegen.
„Was, du versuchst nicht einmal, dich zu wehren?" Alexander trat einen Schritt vor, zögerte nur kurz, ehe er die nächsten Worte formulierte. „Wehrlos. Kraftlos. Machtlos. Ich weiß, warum ich dich nicht brauche. Ihr seid es, die mich brauchen, also solltest du mich auf Knien bitten, hier weiter den Lockvogel zu spielen."
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem triumphierenden Lächeln, als sie tatsächlich reagierte. „Sei still", ihre Stimme klang dumpf, drang unter ihrer Armbeuge zu ihm vor, „Für ein einziges Mal in deinem Leben – sei still."

Mit funkelnden Augen überbrückte er den unangenehmen Abstand, lehnte sich an die Wand neben ihr. „Wie war das mit dem optimalen Köder?" Zufrieden beobachtete er, wie sie ihre zu Fäusten gespannten Hände resigniert sinken ließ. „Das bin nicht ich. Still. Und du bist nicht wehrlos. Also steh auf und wehr dich!"
Er stieß sie mit dem Knie in die Seite, nicht sonderlich hart, aber auch nicht sanft. Moore fauchte wie eine getretene Katze, hob dazu aber den Kopf an. Sie kümmerte sich nicht um Blickkontakt, stierte nur geradewegs nach vorn, doch Alexander verbuchte das als persönlichen Erfolg.

„Was willst du?"
Sein Lächeln wurde breiter. Endlich. „Ich will, dass du mir zuhörst."

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