Kapitel 13

Alexander fluchte innerlich, verwünschte die Gesamtsituation – er stand in einem kahlen Raum im Dämmerlicht, der abgesehen von groben Haken an der Wand kein einziges Möbelstück bereithielt. Er nahm an, dass sie in einer längst geräumten Fabrik oder Schule waren, bei der sich niemand die Mühe gemacht hatte, sie zu renovieren. An den ehemals weißen Wänden zeigten sich immer wieder Flächen aus grobem Stein, vor allem an der Wand links von ihm, wo in früheren Zeiten wohl einmal Heizkörper gehangen hatten. Jetzt war es aber trotz der sommerlichen Temperaturen draußen eiskalt hier, und Alexander verfluchte sein dünnes Hemd mit der lächerlichen Krawatte. Er verfluchte ebenso die unheilige Ahnung, dass er seinen Mantel nie wieder sehen würde, und vor allem verfluchte er den Fakt, dass er nicht lautstark fluchen konnte.

Wenn er versuchte, den Kiefer zu bewegen, spannte sich nur das Tape um seine Haut, und er konnte seine Hände kaum zehn Zentimeter weit bewegen. Sie hatten seine Handschellen in eine Kette an der Wand eingehängt, und obwohl er einen perfekten Blick auf den Raum hatte, half es ihm nichts, nach Fluchtwegen Ausschau zu halten.
Sie hatten ihn ruhiggestellt, ohne eine Chance, seine Waffen einzusetzen – und er konnte nichts tun als warten.

Doch er war geduldig, wenn er das wollte. Und er war sicher, sie würde kommen.
Er hatte seinen Widerstand unterbrochen, als sie den taktischen Rückzug angeordnet hatte, durch ihr angebliches Aufgeben. Vielleicht brauchte sie einige Minuten Ruhe, um ihr hübsches Köpfchen für einen Fluchtplan zu zerbrechen – es kümmerte den Journalisten nicht, was die Beweggründe Moores waren. Solang ihre Taktik seine Unversehrtheit beinhaltete, würde er sie nicht hinterfragen.

Er war wenig überrascht, als ein leises Knarzen ertönte, in der Stille der Einsamkeit überdeutlich zu hören. Die Türklinke bewegte sich, langsam, provokant, als würde jemand wollen, dass er in Panik ausbrach. Doch Alexander tat nicht, was man von ihm verlangte – er starrte mit stetigem Atem auf den Eingang, wartete ruhig ab, wer ihm Gesellschaft leisten würde.
Es war nicht Moore, und der Anblick der Gestalt, die die Tür dramatisch aufschwingen ließ, war wesentlich weniger willkommen.

„Peyton...", schnarrte Cougar, schlich Schritt für Schritt in den Raum hinein, jeden Fuß bewusst aufsetzend. Er bleckte seine Zähne mit funkelten Augen, entblößte die gelbliche Färbung, die seinem raubtierhaften Charakter nur zu gut entsprach. „Du hast jemand Anderen erwartet, nicht wahr?"
Alexander wandte seinen kühlen Blick nicht von dem Mafioso ab, verriet durch keine Gesichtsregung, was in seinem Inneren vorging.
Dessen Mimik aber war umso lebhafter, er verzog die Lippen zu einem Grinsen, die Nasenflügel gierig blähend. „Vielleicht bin ich tatsächlich die angenehmere Wahl. Immerhin sage ich dir ins Gesicht, dass ich deinen Tod will, und täusche nicht vor, dich schützen zu wollen."

Sie starrten sich in die Augen, der Berglöwe, dem jegliches Charisma abhandengekommen war, und der Adler, dessen scharfer Blick und kühne Schwingen auch in gefesseltem Zustand noch puren Stolz verströmten.
Aber sein scharfer Schnabel war mit Panzerband umwickelt, und auch wenn er die Demütigung mit hocherhobenem Kopf ertrug, verhinderte sie doch, dass er das Raubtier zurückschlagen konnte.

Cougar schnalzte mit der Zunge und verlagerte sein Gewicht leicht nach hinten, die Arme verschränkt. Im dämmrigen Licht wirkte seine blonde Mähne merkwürdig grau, und auch seine Haut hatte ihren goldenen Schimmer verloren. Trotzdem verströmte er pure Gelassenheit, auf eine warme, entspannte Art und Weise – anders als Alexanders reglose Kühle.
„Das ist ja beinahe langweilig so." Der Mafioso verdrehte überdeutlich seine Augen und legte den Kopf schief. „Hochgezogene Augenbrauen? Angespannter Kiefer? Geweitete Augen?" Er gestikulierte wie ein Krämer, der seine Ware anbot, bevor er die Hände wieder in seinen Jackentaschen verschwinden ließ und den Journalisten entnervt anstarrte. „Ich könnte genauso gut mit meinem Zayn Malik-Pappaufsteller reden."

Wenn er gekonnt hätte, hätte der Journalist jetzt geschmunzelt. Er war keineswegs geschockt von Cougars Behauptung gewesen, hatte sogar erwartet, dass er versuchen würde, ihn und Moore gegeneinander aufzuhetzen. Aber er spielte zu oft mit Gedanken und Gefühlen anderer – irgendwann stumpfte man ab, wenn man sich jede Woche ein Stück selbst aufgab. Es machte keinen Unterschied, ob man in derartigen Situationen von realen Begebenheiten sprach oder Lügen auftischte – um überzeugend zu sein, musste die Aussage zur eigenen Wahrheit werden.

„Du glaubst mir nicht? Komm schon, so unglaubwürdig bin ich jetzt auch wieder nicht. Ich meine, was habe ich jemals getan, um verdächtig zu sein? Den kleinen Entführungsvorfall hast du mir doch längst verziehen, oder nicht?" Der Cougar starrte ihn abwartend an, die Mundwinkel hochgezogen, aber mit leerem Blick. Alexanders Gefühle wurden tatsächlich stärker, aber vorherrschend davon war seine Genervtheit. Dieser Mafioso war einfach nur erbärmlich.

Cougar seufzte und kramte kurz in seiner Jackentasche, zog etwas hervor, was auf den ersten Blick wie ein Abzeichen aussah. Er trat vor und hielt es Alexander unter die Nase, der die CIA-Marke sofort erkannte – immerhin hatte er beruflich schon einige Male mit Agents zu tun gehabt.
„Die habe ich mitgehen lassen, nachdem ich gekündigt habe – und Agent Fox, die auf meinen Fall angesetzt war, hat die Suche nach mir nach einigen Monaten aufgegeben." An Cougars höhnischem Lächeln erkannte er sofort, von welcher Agentin er sprach, und diesmal musste er sich wirklich zusammenreißen, um nicht zu reagieren. „Wenn du mich fragst, war ihre Nachlässigkeit beabsichtigt, denn Fox – oder Moore, oder Brownsteen, oder wie auch immer sie sich momentan nennt – hat bisher nie einen Fall verloren. Ist ja auch verständlich, dass sie ihr ehemaliges Teammitglied nicht unbedingt töten wollte."

Alexander biss sich auf die Lippen, und sein Blick wurde intensiver – es war anstrengend, nicht nach außen zu zeigen, wie aufgewühlt er war. Natürlich sprach der Cougar die Wahrheit, Moore hatte nicht umsonst gezögert, sein Genick zu brechen. Und seine Worte waren zu plump gewählt, zu leichtgängig – wären niemals überzeugend gewesen, hätten sie keinen durchschlagenden Inhalt gehabt.
Und der Berglöwe hatte gerade erst begonnen.

„Du hörst mir zu, ja? Sie hat noch nie verloren. Nicht einmal beim Kartenspielen. Wir haben immer aufgehört, bevor es knapp für sie wurde." Der Mafioso hatte ihren Abstand nicht wiederhergestellt, und Alexander sah deutlich das Heben und Senken seines Brustkorbes – wesentlich flacher, aber auch langsamer als sein eigener Atem.
„Warum bist du dann hier?" Jetzt blitzten Cougars Augen, bekamen einen triumphierenden Glanz, als er die Erkenntnis in Alexanders Blick wahrnahm.

„Ich weiß, wie die CIA funktioniert. War jahrelang selbst Teil von diesen manipulativen Mistsäcken." Alexander spürte sein Herz schmerzhaft im Brustkorb schlagen und hatte plötzlich das Gefühl, als würde er durch die Nase nicht genügend Sauerstoff bekommen. Dieses verdammte Tape...
„Sie würden niemals einen Schreiberling schützen, der ihnen keinen Erfolg bringt. Eine Gefahr ist, vielmehr, jemand, der ihre Geheimnisse offenbaren könnte..." Der Berglöwe hatte jetzt seine Rolle wie einen maßgeschneiderten Mantel umgelegt, er funkelte Alexander an wie manisch, sich seines Erfolgs bewusst. „Sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Legen dich als Köder aus und bekommen Zugang zu uns... Warum bitte glaubst du, dass Fox eine gelbe Krawatte an dir wollte? Yellow Cab ist seit Jahren unser Angriffspunkt, weil die Fahrer unterbezahlt sind, aber die Taxen meist in passablem Zustand."
Alexander atmete tief aus, dabei ergeben blinzelnd. Natürlich. Von allen Fahrorganisationen New Yorks hatte er ausgerechnet diese gewählt, war Moore blind ins Netz gefolgt.

Er glaubte dem Mafioso.
Wenn das eine Lüge war, dann war sie perfekt – so etwas schaffte nur jemand mit Ausbildung. Und Cougars anfängliche Fehler ähnelten Moores Auftreten, kurz, nachdem sie sich kennengelernt hatten. Diese beiden konnten die richtigen Masken für die richtigen Situationen wählen, auch wenn Alexanders Personenschützerin klar makelloser war. Sie hatten dasselbe Training genossen.

„Ich bin nicht besser als Fox, und es wäre hirnrissig, mir zu vertrauen", sagte Cougar, langsam rückwärtsgehend, ohne ihren Blickkontakt zu unterbrechen, „Aber ich bin auch nicht schlechter als sie."
Er drehte sich erst in letzter Sekunde herum, verließ den Raum, nachdem er den Schmerz in Alexanders Ausdruck erkannt hatte. Die Tür fiel hinter dem Berglöwen mit einem harten Knallen ins Schloss, aber der Journalist bemerkte kaum, wie er zusammenzuckte.
Sein Fokus lag in seinem Inneren.

Ja, Schmerz. Er hatte begonnen, Moore zu vertrauen – nur langsam, was dafür umso wertvoller war. Hatte darauf gewartet, dass sie ihn retten würde. Lächerlich... Als könnte er sich selbst nicht aus jeder Situation herausreden.
Alexander atmete heftig aus, als ihm klar wurde, dass er das tatsächlich momentan nicht konnte.

Und dann kam die Wut.
Der flammende Zorn peitschte in ihm hoch – schmerzhaft, ja, aber genauso antreibend. Die Peitschenhiebe ließen ihn die stumme Resignation vergessen, erweckten seinen Kampfgeist.
Niemand spielte mit Alexander Peyton. Nicht zweimal. Und nicht, ohne selbst Opfer seiner Ränke zu werden.
Nein, er würde seinen Rücken nicht Moore zukehren. Sich weder von ihr abwenden noch darauf vertrauen, dass sie ihm das Kreuz stärkte. Er brauchte sie nicht.
Aber Cougar, der überzeugt war, mit Worten über ihn triumphiert zu haben... Alexander würde ihm zeigen, was wahre Macht über Metaphern war.

Er verengte die Augen und atmete kontrolliert aus.

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