Kapitel 10
Automatisch tragen mich meine Beine nach oben und ich lasse mich auf mein Bett fallen. Mein Kopf fühlt sich an, als wären es vierzig Grad im Sommer und ich gerade einen Marathon joggen, so unfassbar peinlich ist mir das ganze.
Lachend lässt sich jemand neben mir auf die Koje sinken und ich luge kurz durch meine Hände hindurch, bevor ich sie mir erneut vors Gesicht schlage, worauf Alex noch mehr lacht.
„Für wie verrückt halten mich alle?", seufzend setze ich mich auf und verschränke die Arme zwischen meinen Beinen.
„Auf einer Skala von eins bis zehn?"
Ich nicke.
„Elf."
„Oh mein Goooott.", stöhnend lasse ich meinen Kopf zurück fallen und ernte erneute Lacher seinerseits.
„So schlimm ist es jetzt auch schon wieder nicht, Bee." „Nein natürlich nicht, es ist nur heiß, leidenschaftlich und laut."
* * *
Nervös spiele ich mit dem Handy in meinem Schoß. Inzwischen sind wir an unserem Ziel angekommen—die restliche Fahrt habe ich damit verbracht mir nervige Kommentare über meinen kleinen Anfall anzuhören und Wasser zu schlürfen, um Kopfschmerzen aufgrund eben genannter nerviger Kommentare zu vermeiden—und die Jungs haben sich dazu entschlossen ein kleines bisschen die Umgebung zu erkunden. Oder Frauen aufzureißen, wie ich es nennen würde.
Ich habe dieses äußerst verlockende Angebot dankend abgelehnt und mich dazu aufgerafft alle nötigen Telefonate hinter mich zu bringen, das heißt vor allem, Ethan anzurufen und mir sein Geschwätz über die große Liebe und das mächtige Leiden anzuhören.
Aufgeregt suche ich seinen Kontakt und bin schon kurz davor auf 'Anrufen' zu klicken, als mich eine Welle von Nervosität überkommt und ich das Bedürfnis bekomme mein Mittagessen geradewegs wieder auszukotzen.
Kurzerhand wechsle ich zu Penelopes Kontakt und tippe auf das kleine, blaue Telefon, ehe das altbekannte Tuten und hinterher die Stimme meiner besten Freundin auf der anderen Seite ertönt.
„Oh mein Gott Bee! Ichvermissedichjaso!", sie piepst und ich halte mir instinktiv mein Handy weiter weg vom Ohr um nicht auf der Stelle mein wertvolles Gehör zu verlieren. Als es nicht mehr aus dem Gerät schallt, halte ich es mir erneut ans Ohr und begrüße sie herzlich, ehe sie mit ihren tausenden Fragen loslegt: „Also Schatz, wie oft hat er schon dein Gänseblümchen gegossen?", und ich pruste los.
„Deinen Schmetterling beflügelt? Sein Würstchen in deinen Hotdog gesteckt? In deine Lustgrotte eingedrungen?"
„Penelope Hall!", streng schlage ich mit der Hand auf die Lehne neben mir und ignoriere, dass sie das garnicht sehen kann.
„Ich habe nicht mit ihm geschlafen!", nicht ganz wahr. „Du bist seit drei Tagen mit den vier heißesten Typen Oregons unterwegs und hattest mit niemandem von ihnen auch nur irgendwas? Wieso bist du so langweilig?"
„Ich bin nicht langweilig. Ich unterscheide lediglich zwischen Freundschaft und Sexualleben." „Freundschaft plus?" „Du bist die von uns, die das durchziehen würde! Na ja, da war schon was.. erhateineAnderefürmichsitzenlassen." , ich schnappe nach Luft und beiße mir gleich darauf auf die Lippe, so als wollte ich vermeiden noch mehr auszuplappern. Ich liebe Penn und natürlich vertraue ich ihr, wir sind seit dem Kindergarten beste Freundinnen. Aber es gibt Dinge, die sind bei ihr einfach nicht so gut aufgehoben. Mein Sexleben zum Beispiel.
„Er hat WAS?" „Eine Andere für mich sitzen lassen.. irgendwie.", ich stoße die Luft aus, die ich unbewusst angehalten habe und fahre
fort: „Wir waren in so einem kleinen, stickigen Club und er hat mit Einer rumgemacht" „Vor deinen Augen?" „Ja." „Autsch." „Jedenfalls habe ich irgendwann entschieden zurück zum Bus zu gehen und er ist sofort aufgesprungen und mit mir mitgekommen. Es war total merkwürdig."
„Komisch." Ich nicke und höre sie an der anderen Leitung leise seufzen. „Er steht auf dich."
Jetzt bin ich es, die erschrocken losprustet: „WAS? Es hat sich angehört als ob du ‚er steht auf dich.' gesagt hast." „Er tut es, er steht auf dich. Warum sollte er sonst eine Andere sitzen lassen?" „Ja klar, er steht auf mich. Er macht mit Anderen vor mir rum und definitiv kein Geheimnis aus seinen Bettgeschichten aber steht auf mich." „Bee, er" „Nein tut er nicht, Penn. Ich muss heute mit ihm telefonieren.", wechsele ich das Thema. Viel zu absurd kommt es mir vor weiter darüber nachzudenken.
„Gibt es irgendwas neues?", jetzt reden wir nicht mehr von Alex und es ist uns Beiden mehr als nur bewusst.
„Ich habe ihn gestern in Coos Bay am Strand gesehen, mit dieser blonden Tussi.", nervös beginne ich auf meinen Nägeln rumzukauen, eine nervige Angewohnheit die ich mir einfach nicht abgewöhnen kann.
„Das meinst du jetzt nicht ernst?"
Ich nicke, nur um dann zu begreifen, dass sie das ja garnicht sehen kann und hüstele schnell ein „Ja."
„Nichtsdestotrotz muss ich noch mit ihm telefonieren, ich habe es ihm ja versprochen."
„Du bist viel zu gut Bee."
„Mhm.", ich betrachte meinen abgekauten Daumennagel und erkundige mich dann nach ihrem neuen Job, einer Kellnerstelle in einem Fast Food Restaurant.
„Es ist grausam, ich hasse es. Im Ernst, der Chef ist so heiß aber so mies drauf und ich darf den ganzen Tag nur Burger und Pommes herumtragen." Ich lache auf: „Ja Penn, so funktioniert das als Kellnerin."
„Ich mag es trotzdem nicht.", schmollt sie. „Wenigstens kann ich mir von dem Gehalt die süßen Schuhe kaufen, die ich seit Ewigkeiten will." „Gibts die immer noch?" „Aber Logo!"
* * *
Eine gefühlte Ewigkeit später, in der wir uns über Schuhe und ihren heißen Miesepeter Chef unterhalten haben, sitze ich erneut nägelkauend vor meinem Smartphone und starre auf das Display, auf dem Ethans glücklich lächelndes Gesicht zu sehen ist.
Und dann klicke ich auf den Kontakt meiner Mum, ich habe bestimmt schon seit hundert Jahren nicht mehr mit ihr geredet—man ich bin ja so ein Feigling.
„Hey, Mum." „Hey, Schatz. Wie ist es so mit den Jungs?", ihre warme Stimme löst Glücksgefühle in mir aus und ich fühle mich automatisch ein Stückchen wohler. Ich habe sie echt vermisst.
„Es macht echt Spaß, eine gute Ablenkung nach allem.", ich habe meiner Mum schweren Herzens gut einen Monat nach unserer Trennung mitgeteilt, was passiert ist, dass ihr perfekter Schwiegersohn garnicht mal so perfekt ist wie er scheint. „Und was gibt es bei euch so Neues?"
„Das freut mich. Ich bin gerade dabei mal wieder eine Gartenparty zu planen, doch dein Vater wehrt sich wie immer, Zeit mit den Nachbarn zu verbringen." Ich schmunzele. So war es schon immer, meine Mutter steht auf dieses ganze soziale Zeug und mein Dad leider garnicht.
„Ich habe nunmal einfach keine Lust mir das blöde Geschwätz über Sport und den neuen Gartenzaun der Everest's anzuhören!", ertönt die Stimme meines Dads aus der anderen Leitung. „Jetzt stell dich schon nicht so an, Richard! Deiner einzigen Frau ist es sehr wichtig soziale Kontakte zu pflegen und du könntest mich ruhig ein bisschen darin unterstützen! Und jetzt lass mich mit deiner Tochter reden!"
„Wie geht es Penelope?", wendet sie sich nun mit ruhiger Stimme wieder an mich und ich kann nicht anders als wieder einmal leise aufzulachen.
„Ihr geht es sehr gut, Mum. Ruf sie einfach mal selber an, dann erzählt sie dir den neuesten Tratsch."
„Werde ich. Dein Vater will noch mit dir sprechen, bis dann Schatz, ich hab dich lieb."
„Ich dich auch Mum.", verabschiede ich mich von meiner Mutter und warte bis die Stimme meines Dads ertönt.
„Hallo, Dad. Wie gehts dir?" „Du meinst abgesehen davon, dass deine Mum mich zu Dingen zwingt, die ich nicht will? Super."
Ich lache nur kurz und blicke auf die Uhr, es ist schon relativ spät und ich muss mich langsam aufmachen zum Club.
„Hör zu Dad, ich habe nicht mehr viel Zeit, aber erfüll Mum doch ihren Wunsch. Du hast sie nicht umsonst geheiratet. Und übrigens, gerade ist Golf In."
„Wunderbar. Ich hab dich lieb, Bee. Und denk dran, immer schön alle Kleider anlassen im Club."
Ich nicke und verabschiede mich mit einem Lächeln auf dem Gesicht von meinem Dad.
Gedanklich setze ich auf meine To-Do Liste sie unbedingt mal wieder zu besuchen, sobald ich Zeit habe. Erst wenn ich ihre Stimmen wieder höre, merke ich wie sehr ich sie wirklich vermisse.
Ein letztes Mal blicke ich auf Ethans strahlendes Lächeln auf meinem Display und schallte kopfschüttelnd mein Handy wieder ab, bevor ich aufstehe und mich auf den Weg zum Club mache.
Ich kann heute einfach nicht mit ihm reden. Vielleicht morgen, aber nicht heute.
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